TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/7 93/05/0121

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Veröffentlicht am 07.09.1993
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §38;
AVG §41 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §65;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des W in B, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 8. April 1993, Zl. MD-VfR-B-XVII-2/93, betreffend einen Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war am 24. November 1992 durch den Magistrat der Stadt Wien davon verständigt worden, daß am 9. Dezember 1992 eine mündliche Verhandlung zur Überprüfung der Konsensmäßigkeit der Baulichkeiten (Kleingartenhaus und Bienenhütte) in der Kleingartenanlage "S", Gruppe X, Los Nr. Y, stattfinde. Der Beschwerdeführer beantragte in der Folge (am 30. November 1992) wegen Terminschwierigkeiten eine Vertagung der Verhandlung bis Anfang 1993 und verwies im übrigen auf das vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren betreffend den Bescheid, mit dem der Antrag auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für die genannten Baulichkeiten abgewiesen worden war. Die Baubehörde erster Instanz kam dem Vertagungsantrag des Beschwerdeführers nicht nach, verhandelte zu dem vorgesehenen und auch dem Beschwerdeführer angekündigten Termin und ordnete bescheidmäßig gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien die Abtragung der genannten Baulichkeiten an. In der Berufung machte der Beschwerdeführer in der Folge geltend, daß die Behörde erster Instanz auf seinen Vertagungsantrag nicht reagiert habe. Der Vertagungsantrag habe sich nicht nur darauf gegründet, daß auf seiner Seite Terminkollisionen vorgelegen seien, sondern daß dieser Antrag im Hinblick auf das anhängige Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffend die Abweisung der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung als Antrag auf Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens zu qualifizieren gewesen wäre. Abschließend stellte der Beschwerdeführer vor der Berufungsbehörde den Antrag, die Bauoberbehörde für Wien möge den angefochtenen Bescheid beheben und das vorliegende Verwaltungsverfahren unterbrechen.

Die Bauoberbehörde für Wien wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

Gemäß § 41 Abs. 2 AVG sei die Verhandlung so anzuberaumen, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen könnten. Der Beschwerdeführer habe nicht gerügt, daß die Frist zwischen Ladung und Verhandlung zu kurz gewesen wäre, daß er rechtzeitig und vorbereitet hätte erscheinen können. Aber selbst wenn der Vertagungsantrag als berechtigt anzusehen gewesen wäre, ist dieser Verfahrensmangel im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1987, 83/05/0146, 0147) durch die Möglichkeit der Erhebung der Berufung und die Mitsprachemöglichkeit im Rahmen des Berufungsverfahrens als geheilt anzusehen. Das Nichtentsprechen des Antrages konnte daher keinen Einfluß auf das weitere Verfahren nehmen. Sofern der Berufungswerber aber behauptet, daß mit dem Vertagungsantrag auch gleichzeitig ein Unterbrechungsantrag gemäß § 38 AVG gestellt worden sei, könne dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, da ein Fall des § 38 AVG wegen Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung der im vorliegenden Fall relevanten Vorfrage (nämlich die rechtskräftige Nichterteilung der nachträglichen Baubewilligung) im Zeitpunkt des Ersuchens um Vertagung offensichtlich nicht vorgelegen habe.

Im Hinblick auf den Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof in der Folge während des Berufungsverfahrens mit Erkenntnis vom 2. Februar 1993, Zl. 92/05/0273, die Abweisung des Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung aufgehoben hat, stellte die Berufungsbehörde abschließend fest, daß sich aus § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Eigentümers ergibt, die unabhängig davon besteht, ob die Abweichungen von der Bauordnung tatsächlich eine konkrete Gefahr für die Sicherheit von Personen darstellen oder nicht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne jeder unbefugt errichtete Bau, für den eine nachträgliche Baubewilligung nicht erwirkt wurde, Gegenstand eines Bauauftrages sein, auch dann, wenn ein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung schon eingebracht wurde. Bei Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung könne ein Abtragungsauftrag allerdings nicht vollstreckt werden. Der Abtragungsauftrag sei daher im vorliegenden Fall zu Recht ergangen.

In seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren (insbesondere die Einhaltung der §§ 38, 39 Abs. 2 AVG) verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 2 AVG kann die Behörde auf Antrag oder von Amts wegen eine mündliche Verhandlung gemäß den §§ 40 bis 44 AVG durchführen. Die Behörde hat sich dabei von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen. Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung grundsätzlich durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Die Verhandlung ist gemäß § 41 Abs. 2 AVG so anzuberaumen, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Nichtbeachtung seines in erster Instanz vorgetragenen Vertagungsantrages damit, daß er die Unmöglichkeit "zum genannten Zeitpunkt persönlich, also rechtzeitig (zu erscheinen)" geltend gemacht habe. Gleichzeitig hätte er in seinem Antrag sein wesentliches Interesse an einer Teilnahme dokumentiert. Er sei allein dadurch in seiner Mitsprachemöglichkeit im Verwaltungsverfahren äußerst eingeschränkt worden.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid demgegenüber zutreffend davon aus, daß § 41 Abs. 2 AVG eine solche Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fordere, daß den Teilnehmern zur Terminwahrnehmung wie zur Vorbereitung ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Auf Terminkollisionen nimmt die angeführte Bestimmung des AVG keine Rücksicht. Daß die Anberaumung im vorliegenden Fall zu kurzfristig erfolgt sei, um u.a. allfällige Terminkollisionen auszuräumen, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Es ist der belangten Behörde auch darin Recht zu geben, daß - selbst für den Fall, daß das Nichtentsprechen des Vertagungsantrages einen Verfahrensmangel darstellte - der Beschwerdeführer durch die Möglichkeit der Erhebung der Berufung im Rahmen des Berufungsverfahrens eine ausreichende Mitsprachemöglichkeit hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1987, 83/05/0146, 83/05/0147), zumal § 65 AVG auch das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise erlaubt. Die Auffassung des Beschwerdeführers, eine persönliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung hätte ihm ermöglicht, die Behörde davon zu überzeugen, daß die Voraussetzungen für eine nachträgliche Baubewilligung vorliegen, ist schon deshalb unbeachtlich, weil in einem Verfahren gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer nachträglichen Baubewilligung nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Es ist daher auch nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde durch ihre Vorgangsweise gegen die in § 39 Abs. 2 AVG verankerten Grundsätze der möglichsten Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis verstoßen haben soll.

Den Bedenken des Beschwerdeführers, die Behörde erster Instanz hätte das vorliegende Verwaltungsverfahren gemäß § 38 AVG unterbrechen müssen, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1970, VwSlg. 7813/A und vom 1. Juli 1980, Zl. 197/80) die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden KANN, keine Vorfrage für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien ist, da § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien darauf abstellt, daß ein vorschriftswidriger Bau vorliegt, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt WORDEN IST. Ohne Belang ist es daher, ob über ein Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung noch nicht rechtskräftig entschieden wurde oder ob der Gesetzgeber zwischenzeitig Erleichterungen zur Erlangung einer nachträglichen Bewilligung geschaffen hat.

Die von der belangten Behörde abschließend vertretene Auffassung, daß jeder unbefugt errichtete Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt wurde, Gegenstand eines Bauauftrages sein kann, auch dann, wenn ein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung eingebracht wurde, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1970, VwSlg. 7813/A und das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1980, Zl. 197/80). Die Vollstreckung des Bauauftrages und eine Bestrafung ist jedoch solange unzulässig, als ein Ansuchen um nachträgliche Bewilligung anhängig ist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050121.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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