TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/20 92/10/0395

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Veröffentlicht am 20.09.1993
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Index

L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
L81518 Umweltanwalt Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §10 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §10 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §12 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §12 Abs3;
LSchG Vlbg 1982 §12 Abs4;
LSchG Vlbg 1982 §12;
LSchG Vlbg 1982 §26;
LSchG Vlbg 1982 §3 Abs1 litl;
MRK Art6;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/10/0450

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden der B GesmbH und Co KG in L, vertreten durch Dr. G, RA in D, gegen die Bescheide der Vlbg LReg 1. (zu Zl. 92/10/0395) vom 29. 7. 1992, IV e-223/191, betreffend landschaftsschutzrechtliche Bewilligung, und 2. (zu Zl. 92/10/0450) vom 15. 9. 1992, IV e-223/191-91, betreffend Wiederherstellungsauftrag nach dem Vlbg Landschaftsschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Bescheid vom 29. Juli 1992 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 15. September 1992 wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juli 1992 wurde der beschwerdeführenden Partei die beantragte landschaftsschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Lagerplatzes auf Parzelle Nr. 5337/1, KG L, versagt. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, das Grundstück 5337/1 liege in der Landesgrünzone und sei im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde L als Freifläche/Landwirtschaftsgebiet ausgewiesen. Die Fläche des beantragten Lagerplatzes liege am östlichen Ortseingang von L. Sie sei vom bestehenden Betrieb der beschwerdeführenden Partei durch einen Grünstreifen getrennt. Südlich davon befinde sich eine Bauschutt- und Aushubdeponie, deren Bewilligung zwischenzeitlich abgelaufen sei. Es sei zu erwarten, daß der hier bestehende schlechte landschaftsbildliche Eindruck in kurzer Zeit beseitigt werden könne. Die umliegenden Flächen würden als landwirtschaftliches Dauergrünland benutzt. Beim Gelände des geplanten Lagerplatzes handle es sich um den ehemaligen Müllplatz der Gemeinde L. Da sich die Schüttungen nicht wie geplant gesetzt hätten, sei das Gelände des geplanten Lagerplatzes gegenüber der Umgebung leicht erhöht und daher von weither einsehbar. Die beschwerdeführende Partei beabsichtige, auf der gepachteten Liegenschaft ein gewerblich genutztes Baustoffzwischenlager in größtmöglichem Ausmaß (3.200 m2 Gesamtfläche des Grundstücks) zu errichten. Auf dem - räumlich durch Pflanzen gegliederten - Abstellplatz sollten Humus, Kies in verschiedenen Körnungen, Sand, Split, gebrauchte Pflastersteine, alte Sandsteinstufen, alte Basaltpfläster, Formsteine und Plattenbeläge gelagert werden. Ebenso sollten Baumaschinen und verschiedene Geräte, z. B. Schneidemaschinen, ein Kompressor und ein Ladekontainer abgestellt werden. Über Nacht, an Wochenenden und während des Betriebsurlaubes solle ein LKW-Zug mit Gesamtgewicht von 38 t auf dem Lagerplatz abgestellt werden. Das Grundstück solle auf der gesamten Länge des Lagerplatzes gegenüber den Liegenschaften mit den Grundstücksnummern n.8/1 und n.7/2 mit einem Maschendrahtzaun in der Höhe von 1,80 m eingezäunt werden. Innerhalb des Lagerplatzes sollten entlang des Maschendrahtzaunes standortgerechte Laubhölzer gepflanzt werden. Dadurch, daß der geplante Lagerplatz im Verhältnis zu seiner Umgebung etwas erhöht liege und daher von weither einsehbar sei, stelle das geplante Projekt eine landschaftsbildliche Beeinträchtigung dar. Die geplanten Ablagerungen von Materialen und das geplante Abstellen von Maschinen stellten einen Fremdkörper in der sonst von landwirtschaftlich genutzten Flächen geprägten Umgebung dar. Auch bei einer sehr dichten Bepflanzung könne erst in einem Zeitraum von sieben bis acht Jahren mit einer guten optischen Abdeckung des Lagerplatzes gerechnet werden. Die im Bepflanzungsplan der beschwerdeführenden Partei vorgesehenen Laubbusch- und Baumarten seien ein halbes Jahr ohne Laub. Während dieser Zeit seien die beantragten Ablagerungen deutlich sichtbar. Der Landschaftscharakter des L-Riedes sei der einer offenen Landschaft und es bedürfe daher keiner weiteren Gliederung. Im Ermittlungsverfahren hätten keine Tatsachen festgestellt werden können, die darauf hindeuteten, daß durch die Nichtbewilligung des beantragten Lagerplatzes die Existenz der beschwerdeführenden Partei gefährdet werde. Ein vorrangiges volkswirtschaftliches Interesse an der geplanten Errichtung des Baustoffzwischenlagers bestehe nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 92/10/0395 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalt und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. September 1992 wurde der beschwerdeführenden Partei folgendes aufgetragen:

"1. Der auf der GP n.7/1 KG L mit Flickschotter errichtete Lagerplatz mit einer Fläche von 1.086,72 m2 ist auf eine Fläche von 400 m2 zu reduzieren. Das gesamte Befestigungsmaterial (ausgenommen eine Fläche von 400 m2) ist restlos zu entfernen.

2. Bis auf 400 m2 ist die Fläche des ohne Bewilligung errichteten Lagerplatzes der natürlichen Wiederbegrünung zu überlassen.

3. Sämtliche abgelagerte Materialien sind zu entfernen. Ausgenommen davon sind nur jene Materialien, Fahrzeuge, Fahrzeugteile und Werbeanlagen, die auf dem nichtbewilligungspflichtigen Lagerplatz mit einer Fläche von 400 m2 abgestellt sind.

4. Die unter Spruch Punkt 1 - 3 aufgetragenen Maßnahmen sind von der B GesmbH und Co KG innerhalb von zwei Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides, durchzuführen."

In der Begründung wurde ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe auf der Parzelle n.7/1 der KG L einen Lagerplatz mit einer planierten Fläche von 1.086,72 m2 errichtet. Die Fläche sei mit Flickschotter befestigt worden. Auf dem Lagerplatz seien Betonbrocken, Asphalt, Schotter und größere Steinblöcke abgelagert worden. Weiters seien auf dem Lagerplatz eine LKW-Brücke und ein Ladekran sowie sieben PKWs, ein leichter Anhänger und diverse Werbeanlagen abgestellt.

Da der Lagerplatz eine Fläche von 1.086,72 m2 aufweise, bedürfe er einer Bewilligung nach § 3 Abs. 1 lit. l des Vorarlberger Landschaftsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 1/1982 (im folgenden: Vbg LSchG). Eine solche liege nicht vor, weshalb ein Wiederherstellungsauftrag zu erteilen gewesen sei. Da nach § 3 Abs. 1 lit. l leg. cit. lediglich die Errichtung eines Lagerplatzes mit über 400 m2 Fläche bewilligungspflichtig sei, sei die bewilligungslose Errichtung eines Lagerplatzes auch nur insofern rechtswidrig, als die Fläche 400 m2 überschreite.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 92/10/0450 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

III.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat über diese Beschwerden erwogen:

1. Zur Verweigerung der landschaftsschutzrechtlichen Bewilligung:

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, sie habe im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, daß bei Verwirklichung eines von ihr vorgelegten Landwirtschaftsplanes der Lagerplatz keinen Fremdkörper im Landschaftsbild darstelle. Aufgrund der Ausführungen im Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz, wonach durch eine Bepflanzung ein entsprechender optischer Schutz erst nach einem Zeitraum von sieben bis acht Jahren entstehen würde, wobei allerdings ein breiterer Pflanzgürtel (auwaldähnliche Bepflanzungen) verwendet werden müsse, habe sie sich bereiterklärt, Pflanzungen in einem solchen Ausmaß vorzunehmen, daß ein auwaldähnlicher Gürtel entstehe und Laubbusch- und Baumarten so zu wählen und zu pflanzen, daß die beantragte Nutzung nicht mehr im Bereich des Ortseinganges sichtbar und nicht mehr landschaftsbildlich störend sei. Sie habe beantragt, den Amtssachverständigen zu verhalten, entsprechende Bedingungen und Auflagen zu formulieren. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei Stellung zu nehmen, daß durch die Verwirklichung des Landschaftsplanes eine ökologische Verbesserung erzielbar sei. In der Begründung des angefochtenen Bescheides sei von einer künstlichen Bepflanzung die Rede; damit gehe die belangte Behörde von einer aktenwidrigen Annahme aus, da die beschwerdeführende Partei eine standortgerechte Bepflanzung vorgeschlagen habe. In der Begründung werde ausgeführt, durch die Vorschreibung von Auflagen oder Befristungen könnten die mit dem Projekt verbundenen Beeinträchtigungen der Landschaft nicht beseitigt werden. Es sei aber nicht geprüft worden, ob durch Bedingungen die Hinderungsgründe hintangehalten werden.

Nach § 3 Abs. 1 lit. l Vbg LSchG bedarf die Errichtung von Lagerplätzen mit einer Grundfläche von über 400 m2 und von Ablagerungsplätzen mit einer Grundfläche von über 100 m2 einer Bewilligung der Behörde.

Nach § 10 Abs. 1 leg. cit. darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn Gewähr besteht, daß Interessen des Landschaftsschutzes nicht verletzt werden.

Was unter den Interessen des Landschaftsschutzes zu verstehen ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 lit. a Vbg LSchG. Diese Bestimmung definiert Landschaftsschutz im Sinne des Vbg LSchG als die Abwehr von Eingriffen, die geeignet sind, die Landschaft zu beeinträchtigen, zu verunstalten und zu schädigen oder den Naturgenuß zu stören. Interessen des Landschaftsschutzes werden demnach dann verletzt, wenn durch einen Eingriff die Landschaft beeinträchtigt, verunstaltet oder geschädigt oder der Naturgenuß gestört wird.

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß der von der beschwerdeführenden Partei geplante Lagerplatz einer Bewilligung nach § 3 Abs. 1 lit. l Vbg LSchG bedarf. In der Beschwerde wird auch nichts gegen die Annahme der belangten Behörde vorgebracht, der beantragte Lagerplatz stelle grundsätzlich eine Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes dar. Strittig ist, ob diese Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes durch Bedingungen, Auflagen oder Befristungen hintangehalten werden kann.

Die belangte Behörde konnte ihre Annahme, durch die Vorschreibung von Auflagen und Befristungen könnten die mit der Verwirklichung des Lagerplatzprojektes verbundenen Beeinträchtigungen der Landschaft nicht beseitigt werden, auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz vom 19. Juli 1991 und dessen Ergänzung vom 12. November 1991 stützten. Die beschwerdeführende Partei übersieht bei ihren Einwänden, daß nach den Ausführungen des Amtssachverständigen auch bei Verwendung eines breiteren Pflanzgürtels (auwaldähnliche Bepflanzung) der Lagerplatz seinen landschaftsbeeinträchtigenden Charakter nicht verlieren würde, weil der Landschaftscharakter des L-Riedes der einer offenen Landschaft ist und daher keiner weiteren Gliederungen bedarf, sodaß sich die vorgesehenen Pflanzungen selbst als Landschaftsbeeinträchtigungen auswirken. Auch würden - so der Sachverständige weiter - Bepflanzungen auwaldähnlicher Art erst nach einem Zeitraum von sieben bis acht Jahren zu einer guten optischen Abdeckung des Lagerplatzes führen; darüber hinaus würden die vorgesehenen Laubbusch- und Baumarten zumindest ein halbes Jahr lang ohne Laub sein, mit der Konsequenz, daß die beantragten Ablagerungen dann deutlich sichtbar und landschaftsbildlich störend sein würden. Damit erledigt sich auch der Einwand der beschwerdeführenden Partei, durch die Verwirklichung ihres Landschaftsplanes würde eine ökologische Verbesserung erzielt. Der von der belangten Behörde gebrauchte Ausdruck "künstliche Bepflanzung" ist im Zusammenhang mit den Ausführungen des Amtssachverständigen zu sehen, der den natürlichen Zustand des Landschaftsbildes jenem nach einer Bepflanzung gegenübergestellt hat. Die belangte Behörde ist daher entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Partei nicht von einer aktenwidrigen Annahme ausgegangen.

§ 10 Abs. 2 Vbg LSchG sieht zwar vor, daß die Bewilligung nicht versagt werden darf, wenn sich die Hinderungsgründe durch Bedingungen, Auflagen oder eine Befristung der Bewilligung beseitigen lassen. Dies bedeutet aber nicht, daß die Behörde verpflichtet wäre, dem Antragsteller darzulegen, wie die von ihm geplanten Projekte gestaltet sein müßten, um Versagungsgründe hintanzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1985, Zl. 84/10/0064). Der Beschwerdeführerin war aus dem Gutachten des Amtssachverständigen bekannt, daß die gegenüber den umliegenden Flächen erhöhte Lage des Lagerplatzes bei dessen Beurteilung als landschaftsbeeinträchtigend von Bedeutung war. Es wäre daher ihre Sache gewesen, durch eine entsprechende Anfrage bei der Behörde zu klären, ob bei einer Einebnung des vorgesehenen Lagerplatzes auf das Niveau der Umgebung eine andere Beurteilung hätte Platz greifen können, und bejahendenfalls das Projekt entsprechend abzuändern.

Die beschwerdeführende Partei bleibt eine Präzisierung schuldig, welche Bedingungen eine Hintanhaltung der landschaftsbeeinträchtigenden Wirkung des Lagerplatzes bewirken hätten können.

Die belangte Behörde konnte zu Recht davon ausgehen, daß sich die Hinderungsgründe für eine Bewilligung durch Nebenbestimmungen der im § 10 Abs. 2 Vbg LSchG genannten Art nicht beseitigen ließen.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde nicht über den Eventualantrag der beschwerdeführenden Partei vom 4. Mai 1992 auf Erlassung eines Feststellungbescheides des Inhalts, daß die Errichtung und der Betrieb mehrerer gesonderter Lagerplätze mit einer Grundfläche von jeweils max. nur 400 m2 auf dem Grundstück Nr. n.7/1 der KG L keiner Bewilligung nach dem Vbg LSchG bedürfe, entschieden habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Lagerplatzes auf Grundstück Nr. n.7/1 der KG L abgesprochen. Die allfällige Nichterledigung eines weiteren, davon verschiedenen Antrages kann allenfalls mit den bei Säumigkeit von Behörden vorgesehenen Mitteln bekämpft werden, hat aber keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, der belangten Behörde sei bei der Interessenabwägung ein Fehler unterlaufen. Die beschwerdeführende Partei habe im Verwaltungsverfahren dargelegt, daß sie seit vielen Jahren erfolglos versuche, Betriebsflächen anzukaufen bzw. anzumieten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde feststellen müssen, daß zwar in L freie Betriebsflächen vorhanden seien, die jedoch bis auf das verfahrensgegenständliche Grundstück weder im Kauf- noch im Mietwege verfügbar seien. Die beschwerdeführende Partei habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, ohne Erweiterung sei eine Fortführung ihres Betriebes nicht gewährleistet. Zum Beweis dafür habe sie beantragt, einerseits ein Gutachten und andererseits eine Stellungnahme der Interessenvertretung (Vorarlberger Handelskammer) einzuholen. Wäre diesen Beweisanträgen stattgegeben worden, hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Existenz des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei gefährdet sei, wenn die geplante Erweiterung nicht erfolge. Rechtswidrig sei auch, daß die belangte Behörde bei der Interessenabwägung auch Aspekte der Landwirtschaft und der Raumplanung berücksichtigt habe. Für eine Verweigerung der landschaftsschutzrechtlichen Bewilligung dürfe nur das öffentliche Interesse des Landschaftsschutzes herangezogen werden.

Nach § 10 Abs. 2 zweiter Satz Vbg LSchG darf eine Bewilligung trotz Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes dann erteilt werden, wenn andere öffentliche Interessen überwiegen.

Die vom § 10 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. angeordnete Interessenabwägung setzt voraus, daß die Intensität der Interessen des Landschaftsschutzes bzw. der durch ein Projekt bewirkten Verletzung dieser Interessen auf der einen sowie Art und Ausmaß der für die Verwirklichung des Projektes sprechenden öffentlichen Interessen auf der anderen Seite festgestellt und einander gegenübergestellt werden. Bei der Ermittlung des Umfanges der für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen sind auch gegenteilige öffentliche Interessen, wie etwa solche der Landwirtschaft oder der Raumplanung, zu berücksichtigen, da erst eine Gesamtbetrachtung aller für und wider das Vorhaben sprechenden "anderen öffentlichen Interessen" das Ausmaß der für die Projektverwirklichung sprechenden öffentlichen Interessen erkennen läßt.

Liegt das öffentliche Interesse an der Erteilung der Bewilligung nicht auf der Hand, so bedarf es eines diesbezüglichen konkreten Vorbringens des Antragstellers, um eine Ermittlungspflicht der Behörde in dieser Richtung auszulösen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1988, Zl. 87/10/0152). Mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert nämlich eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung faktische Grenzen gesetzt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zlen. 91/04/0045 u. a.). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast weder überspannt noch so aufgefaßt werden, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat die Partei nicht nur ganz allgemeine, sondern konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich oder unschlüssig sind, so hat sie die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - ermöglichen, zu beurteilen, ob die von der Partei aufgestellten Behauptungen zutreffen oder nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1991, Zlen. 89/08/0321, 0322; vom 12. Februar 1991, Zl. 90/11/0043 u. a.). Die Formulierung des Interesses und das Vorbringen dafür erforderlicher Behauptungen muß als Sache der Partei angesehen werden; Sache der Behörde hingegen ist es, von sich aus von der Partei Informationen zum Beweis der von dieser behaupteten Tatsachen zu verlangen (vgl. Wielinger-Gruber, Zur Frage der Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren, ZfV 1983, S. 372).

Die beschwerdeführende Partei hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, ohne Erweiterung sei eine Fortführung ihres Betriebes nicht gewährleistet. Mit diesem Vorbringen hat sie das Vorliegen öffentlicher Interessen an der Erteilung der beantragten Bewilligung behauptet, wird doch der Fortbestand eines Betriebes mit 15 Mitarbeitern im allgemeinen im öffentlichen Interesse gelegen sein. Die Behauptung ist weder von vornherein als unschlüssig zu erkennen noch ist sie so allgemein gehalten, daß sie keine Grundlage für weitergehende Ermittlungen bieten könnte. Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, diese Behauptung zum Anlaß für konkrete Ermittlungen zu nehmen, wobei ihr auch die Möglichkeit offen stand, die beschwerdeführende Partei zur Beibringung von Unterlagen aufzufordern, die der belangten Behörde als für die Beurteilung der Behauptung der beschwerdeführenden Partei erforderlich erschienen. Solche Ermittlungen hat die belangte Behörde nicht angestellt. Das von ihr eingeholte Gutachten der Wirtschaftsabteilung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung beschäftigt sich mit der Frage der Existenzgefährdung der beschwerdeführenden Partei nicht.

Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

2. Zum Wiederherstellungsauftrag:

Der mit "Einstellung, Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes" überschriebene § 12 Vbg LSchG lautet auszugsweise:

(1) Die Behörde kann die Einstellung der Arbeiten verfügen, wenn

a) Vorhaben, die nach den §§ 3 bis 6 oder nach einer aufgrund des § 8 erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, ohne Bewilligung oder abweichend von der Bewilligung ausgeführt werden oder

b) Vorhaben, für welche die Bewilligungspflicht nach § 3 Abs. 4 entfallen ist, abweichend von der Anzeige ausgeführt werden.

(2) Die Behörde hat demjenigen, der Vorhaben im Sinne des Abs. 1 ausführt, und, falls dieser nicht herangezogen werden kann, dem Grundeigentümer die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit Bescheid aufzutragen. Wenn die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nicht möglich ist, hat die Behörde die möglichst wirksame Beseitigung der durch die Ausführung des Vorhabens nach Abs. 1 hervorgerufenen Verletzungen von Interessen des Landschaftschutzes aufzutragen. Hiebei sind für die Ausführung der aufgetragenen Maßnahmen angemessene Fristen festzusetzen.

(3) Wird innert eines Monats nach Zustellung des Auftrages bei der Behörde der Antrag auf Erteilung der Bewilligung gestellt, so hat die Behörde das entsprechende Verfahren einzuleiten.

(4) Wird von der Möglichkeit des Abs. 3 kein Gebrauch gemacht, die Bewilligung nicht erteilt oder das ausgeführte Vorhaben untersagt, so sind nunmehr binnen den gemäß Abs. 2 festgesetzten Fristen die aufgetragenen Maßnahmen auszuführen."

Unbestritten ist, daß die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommenen Maßnahmen einer Bewilligung nach § 3 Abs. 1 lit. l Vbg LSchG bedurften und daß eine solche Bewilligung nicht erteilt wurde. Die beschwerdeführende Partei meint aber, die Bezirkshauptmannschaft hätte mit dem Verfahren zur Erteilung eines Wiederherstellungsauftrages bis zur Entscheidung über den Bewilligungsantrag der beschwerdeführenden Partei warten müssen. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn sei zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Wiederherstellungsauftrag erteilt habe, hiefür noch nicht zuständig gewesen; der beschwerdeführenden Partei sei dadurch der Instanzenzug verkürzt worden. Die beschwerdeführende Partei habe unter Hinweis auf ihre gegen die Verweigerung der Bewilligung eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ersucht, das Verfahren zur Erteilung eines Wiederherstellungauftrages bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof auszusetzen. Mit diesem Antrag habe sich die belangte Behörde nicht beschäftigt.

§ 12 Abs. 3 und 4 Vbg LSchG hindert die Behörde nicht an der Erlassung eines Wiederherstellungsauftrages während eines anhängigen Bewilligungsverfahrens, sondern statuiert vielmehr lediglich einen Fristaufschub. Während der Dauer des Bewilligungsvefahrens braucht ein Wiederherstellungsauftrag nicht durchgeführt zu werden. Eine Aussetzung des Wiederherstellungsverfahrens sieht das Vbg LSchG weder für die Zeit der Anhängigkeit eines Bewilligungsverfahrens vor der Verwaltungsbehörde noch für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor.

Die beschwerdeführende Partei meint, bei der Entscheidung über die Frist für die Durchführung des Wiederherstellungsauftrages hätte auch berücksichtigt werden müssen, daß sie gegen den Bescheid, mit dem die landschaftsschutzbehördliche Bewilligung versagt worden sei und der Grundlage für das Wiederherstellungsverfahren gewesen sei, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben habe. Mit diesem Umstand habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt.

§ 12 Abs. 2 letzter Satz Vbg LSchG sieht vor, daß für die Ausführung der aufgetragenen Maßnahmen angemessene Fristen festzusetzen sind. Angemessen ist die Frist dann, wenn innerhalb derselben der behördliche Auftrag durchgeführt werden kann. Daß die gesetzte Frist diesbezüglich unangemessen sei, behauptet die beschwerdeführende Partei selbst nicht. Der Umstand, daß die beschwerdeführende Partei gegen den die Bewilligung versagenden Bescheid Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben hat, ist für die Fristbemessung im Wiederherstellungsbescheid ohne Belang.

Die beschwerdeführende Partei regt an, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 26 Abs. 1 Vbg LSchG zu stellen und begründet dies damit, diese Bestimmung verstoße gegen Art. 6 MRK, weil sie Verwaltungsbehörden zur Entscheidung über Wiederherstellungsaufträge berufe, obwohl durch solche Aufträge in das Eigentumsrecht und damit in zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK eingegriffen werde.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Entscheidung über Streitigkeiten nur dann einem Tribunal vorzubehalten, wenn diese Streitigkeiten zum Kernbereich zivilrechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen zählen. Dieses Erfordernis gilt jedoch nicht auch für Maßnahmen (öffentlich-rechtlicher Natur), die den Kernbereich der civil rights nur in ihren Auswirkungen betreffen. Hier reicht die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, VfSlg. 11500/1987, vom 16. Dezember 1987, VfSlg. 11591/1987; vom 16. Juni 1990, B 1225-1228/89 u. a.). Im Erkenntnis vom 17. Juni 1986, VfSlg. 10913/86, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, es sei offenkundig, daß ein Baueinstellungsauftrag kein "civil right" im Sinne des Art. 6 MRK betreffe. Um überhaupt in den Geltungsbereich von Art. 6 MRK zu gelangen, müsse ein Verfahren vorliegen, dessen Ergebnis für ein "civil right" unmittelbar entscheidend sei. Ein Baueinstellungsauftrag entscheide aber niemals unmittelbar über ein "civil right". Gleiches gilt nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes auch für Wiederherstellungsaufträge nach § 12 Vbg LSchG, weisen diese doch weitgehende strukturelle Parallelität zu einem Baueinstellungsauftrag auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher aus der Sicht des vorliegenden Falles gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 26 Vbg LSchG keine Bedenken und sieht sich nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser Bestimmung zu beantragen.

Aus den angeführten Gründen erweist sich die Beschwerde gegen den Wiederherstellungsauftrag als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Aussprüche über den Kostenersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100395.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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