TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 92/01/0843

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1 Abs1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 28. März 1992, Zl. 4.287.112/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 27. September 1989 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner am 13. November 1989 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er an:

Er sei nicht vorbestraft, er werde in seinem Heimatland nicht gesucht und habe auch keine strafbaren Handlungen vor seiner Ausreise dort begangen. Er habe den Iran verlassen, weil er für sich dort keine Zukunft mehr sehe. Zwar habe er die Mittelschule bis zur 7. Klasse problemlos absolvieren können, wegen seiner Weigerung, an den religiösen Feiern und Gebeten in der Schule teilzunehmen, habe er diese Klasse jedoch wiederholen müssen. Trotzdem habe er 1986 maturiert. Nach der Schule habe er keine gute Arbeit erhalten können, habe daher kurz als Mechaniker und dann als Verkäufer in einer Apotheke gearbeitet. Er habe erkannt, daß er keine Möglichkeit habe, im Iran beruflich etwas zu erreichen. Wegen seiner ablehnenden Haltung gegen die religiösen Feiern während der Mittelschulzeit sei er, obwohl es ihm gelungen sei, die Aufnahmeprüfung an der Universität in T zu bestehen, dort nicht aufgenommen worden. Sein Versuch, bei der Post (Fernmeldeamt) einen Arbeitsplatz zu bekommen, sei trotz bestandener Prüfungen aus denselben Gründen fehlgeschlagen. Da er in Teheran keine Aussicht auf einen guten Arbeitsplatz gehabt habe, habe er sich entschlossen, den Iran zu verlassen. Er sei nie von den iranischen Behörden und deren Organen verfolgt, benachteiligt oder verhaftet worden. Es habe auch nie eine Hausdurchsuchung stattgefunden. Auch an Demonstrationen habe er nie teilgenommen, er sei auch nie Mitglied einer legalen oder illegalen politischen Gruppierung gewesen. Bei der Ausübung seines Glaubens sei er nie beeinträchtigt gewesen. Er sei "mit dem Herzen noch immer" Anhänger des Schah und daher mit der jetzigen Führung des Landes nicht einverstanden. Politisch habe er sich nie betätigt. Im Falle einer Rückkehr würde er aber wahrscheinlich in Haft genommen werden. Er habe sich zur Ausreise entschlossen und am 27. Juli 1989 den Iran legal mit seinem Reisepaß verlassen.

Mit Bescheid vom 26. März 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, die er damit begründete, der angefochtene Bescheid weise keine dem § 60 AVG entsprechende Begründung auf. Er sei wegen seiner Auflehnung gegen das islamische Regime und seiner Weigerung, mit diesem zusammenzuarbeiten, als Antirevolutionär und angebliches Mitglied oppositioneller Organisationen auf eine "schwarze Liste" gesetzt worden. Während seiner Gymnasialzeit sei er dauernd vom "islamischen Verein" beschattet worden. Er habe gar nicht erst an der Aufnahmeprüfung an der Universität teilnehmen dürfen. Weil der Leiter der Personalabteilung des Fernamtes (ein Spitzel), bei dem er sich beworben habe, herausgefunden habe, daß der Beschwerdeführer und seine Familie angeblich gegen das islamische Regime aktiv seien, sei er verfolgt worden. Er sei deshalb in Teheran "untergetaucht" und habe dort erfahren, daß das islamische Komitee gewaltsam bei seinen Eltern eingedrungen sei und ihn gesucht hätte. Daraufhin habe er sich zur Flucht entschlossen. Seine Eltern hätten immer noch seinetwegen unter Repressalien zu leiden.

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 8. Oktober 1991 erklärte der Beschwerdeführer - nunmehr anwaltlich vertreten - der von ihm verwendete Reisepaß sei gefälscht gewesen, er sei damit "legal" in die Türkei eingereist. In Bulgarien, für das er noch ein Einreisevisum erhalten habe, habe er ihn weggeworfen. Zu seinen Fluchtgründen führte er noch aus, er sei zweimal, nämlich im Mai und im Juni 1989, im Gefängnis gewesen. Der Grund für die Festnahme sei das Verweigern religiöser Tätigkeiten gewesen. Im Juli sei er nach seiner Verhaftung mit Zigaretten gefoltert worden. Die Spuren auf dem rechten und linken Handrücken seien heute noch sichtbar. Er gab weiters an, daß er bei der Erstbefragung Sorge gehabt hätte, im Falle nachteiliger Äußerungen über den Heimatstaat bei Rückschiebung mit gravierenden Nachteilen rechnen zu müssen. Da er ursprünglich zu seinem Bruder nach Deutschland weiterreisen habe wollen, hätte er nicht darauf gedrängt, daß das Protokoll bei der ersten niederschriftlichen Befragung richtig und lückenlos sei. Sein Bruder sei in der Bundesrepublik als Flüchtling anerkannt worden. Als Beweis ersuche er um seine ergänzende Befragung und um Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung u.a. den Standpunkt, die Fluchtgründe seien vom Asylwerber unterschiedlich und widersprüchlich dargestellt worden, sodaß den Angaben des Beschwerdeführers vom 13. November 1989 anläßlich seiner Erstanhörung gegenüber den späteren Steigerungen der Vorzug zu geben sei. Die Behörde könne einen Sachverhalt nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn ein Asylwerber im Laufe des Verfahrens vor allen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache, diese wahrscheinlich und damit einleuchtend erschienen. Später gemachte Angaben drängten den Schluß auf, daß sie nur der Asylerlangung dienen sollten, ebenso wie eine mangelnde Mitwirkung eines Asylwerbers bei der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes; so seien das Aufstellen unrichtiger Behauptungen und ein ohne weiteres erkennbarer Verstoß gegen die Wahrheitspflicht regelmäßig ein wesentliches Indiz dafür, daß der eigentliche Grund für die Asylantragstellung nicht Furcht vor Verfolgung im Heimatland sei, sondern andere asylfremde Zwecke dafür maßgeblich seien. Die belangte Behörde komme daher nach sorgfältiger Überprüfung und Würdigung des Vorbringens des Asylwerbers zur Schlußfolgerung, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus einem der in der Konvention genannten Gründe Verfolgung nicht ausgesetzt gewesen sei oder eine solche zu befürchten gehabt hätte.

Der Beschwerdeführer erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 22. Juni 1992, B 609/92-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, wegen der von ihm behaupteten Abweisung von der Universität und der Versagung eines Arbeitsplatzes beim Fernamt in Teheran infolge seiner angeblichen Aktivitäten gegen das islamische Regime und der Nichtteilnahme an religiösen Aktivitäten während der Gymnasialzeit keine Zukunft mehr im Iran und kein menschenwürdiges, seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechendes Leben gehabt zu haben. Dies sei als asylrechtlich relevante Diskriminierung beachtlich. Mit den hierzu ins Treffen geführten Literaturzitaten kann aber das Vorliegen von Fluchtgründen im Sinne der Genfer Konvention nicht begründet werden, zumal es sich bei der Nichtzulassung zum Studium aus weltanschaulichen oder politischen Gründen um eine Unbill handelt, das in totalitären Staaten von der Mehrzahl der Staatsangehörigen in gleicher Weise hingenommen werden muß (vgl. Erkenntnisse vom 9. November 1988, Zl. 88/01/0207, 0208, und vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0348).

Ebensowenig gelingt es dem Beschwerdeführer, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dadurch aufzuzeigen, daß die belangte Behörde im Verlust des Arbeitsplatzes bzw. der Unmöglichkeit, eine qualifizierte Arbeit zu finden, keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung erblickt hat, denn die durch Kritik am Regime bedingte eingeschränkte Berufsmöglichkeit stellt - soferne dadurch nicht die Lebensgrundlage entzogen wird - keine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar (vgl. Erkenntnisse vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0105, und vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0460).

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe hinsichtlich seiner "Nachfluchtsituation" infolge "Republikflucht aus einem totalitär-theokratischen" Staat keine Ermittlungen über die tatsächliche politische Situation in seinem Heimatland angestellt, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1990, Zl. 90/01/0133). Die belangte Behörde war sohin nicht gehalten, die tatsächlichen politischen Verhältnisse im Iran zu eruieren, von einer "Notorietät" derselben kann keine Rede sein.

Der Beschwerdeführer macht ferner Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend, indem er ausführt, Asylwerber seien oft anläßlich der Ersteinvernahme psychisch schwer belastet; mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl würden Fluchtgründe differenzierter und damit glaubwürdiger zur Darstellung gelangen können. Abgesehen davon, daß damit lediglich ein Verfahrensfehler der ersten Instanz, aber keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, behauptet wird, kann aufgrund der schlüssigen Darlegung der Situation des Beschwerdeführers und der präzisen Beantwortung der an ihn gestellten Fragen anläßlich der Ersteinvernahme der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, sie sei zu Unrecht von einer ordnungsgemäßen Vernehmung des Beschwerdeführers ausgegangen. Darüber hinaus wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, konkret darzulegen, daß und aus welchen Gründen ein solcher Ausnahmezustand ihn selbst betroffen habe. Die vom Beschwerdeführer als aktenwidrig gerügte Annahme der belangten Behörde, er sei bei Ausreise aus seinem Heimatstaat im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen, erweist sich als nicht entscheidungsrelevant, weil auch bei Zutreffen der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung, das von ihm verwendete Reisedokument sei gefälscht gewesen, keine andere Entscheidung der belangten Behörde ergehen hätte können.

Nur der Vollständigkeit halber wäre noch darauf zu verweisen, daß aus den Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seines in Deutschland als Flüchtling anerkannten Bruders und dem beiliegenden Konventionsreisedokument nichts für eine Asylgewährung des Beschwerdeführers in Österreich zu gewinnen ist, weil im Asylverfahren nach ständiger hg. Judikatur nur Umstände Berücksichtigung finden können, die die Person des Asylwerbers selbst unmittelbar betreffen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010843.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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