TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 92/16/0186

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/09 Internationales Privatrecht;
23/04 Exekutionsordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
37/01 Geldrecht Währungsrecht;
39/06 Rechtshilfe Amtshilfe;

Norm

ABGB §879;
AbgEO §13;
BAO §212a;
BAO §291;
B-VG Art103 Abs4;
DevG §22 Abs1;
DevG §22 Abs2;
EO §36;
EO §81 Z4;
IPRG §6;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art11 Abs2;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art6 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 7. November 1991, Zl. 2/328-10/En-1991, betreffend Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung der Rückstandsanzeige eines Finanzamtes der Bundesrepublik Deutschland, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid entsprach die belangte Behörde gemäß Art. 11 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom 4. Oktober 1954, BGBl. 1955/249 (im folgenden kurz: Vertrag) dem Ersuchen der Oberfinanzdirektion München, den in der Rückstandsanzeige des Zentralfinanzamtes München vom 10. Oktober 1991, AZ StNr. 802/50268 angeführten Abgabenrückstand des Beschwerdeführers in der Höhe von DM 644.055,-- anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Die belangte Behörde ging davon aus, dem Ersuchen stünden keine im zitierten Vertrag begründeten Hindernisse entgegen.

Dagegen richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in folgenden Rechten verletzt: "Eigentumsrecht, Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren vor der Vorschreibung von Abgaben und Steuern, Recht auf ein Rechtsmittel sowie auf Antragstellung gemäß § 212a BAO, Recht darauf, gegen die Vorschreibung von ausländischen Abgaben, die innerstaatlichen Vorschriften (hier dem Devisenrecht) widersprechen, geschützt zu sein (ordre public), Recht auf Überprüfung ausländischer Steuerbescheide auf innerstaatliche Zulässigkeit der Vollstreckung, Recht auf Gleichheit aller österreichischen Staatsbürger vor dem Recht und Recht darauf, daß verfassungs- und einfachgesetzlich (durch die MRK) unanwendbar gewordenen Rechtsvorschriften nicht mehr angewendet "werden".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 11 des Vertrages hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"(1) Dem Ersuchen nach Vollstreckung von Verfügungen, die unanfechtbar und vollstreckbar sind, ist eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates beizufügen, in der in die Unanfechtbarkeit bestätigt wird. Vorbehaltlich des Artikels 13 ist die Zuständigkeit dieser Behörde durch die jeweils zuständige Oberfinanzdirektion oder Finanzlandesdirektion des ersuchenden Staates zu bescheinigen. Als Grundlage der Vollstreckung können an die Stelle der im ersten Satz bezeichneten Verfügungen auch Rückstandsausweise treten.

(2) Verfügungen (Rückstandsausweise), die den Bestimmungen des Absatzes 1 entsprechen, sind vorbehaltlich des Artikels 13 von den jeweils zuständigen Oberfinanzdirektionen oder Finanzlandesdirektionen des ersuchten Staates anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Artikel 6 bleibt unberührt...."

Gemäß Art. 6 Abs. 1 des zitierten Vertrages wird Rechtshilfe nicht geleistet, wenn der ersuchte Staat Grund für die Annahme hat, daß die Leistung der Rechtshilfe geeignet sein würde, wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu gefährden.

§ 22 DevG lautet auszugsweise:

"(1) Rechtsgeschäfte, die den Vorschriften dieses Bundesgesetzes widersprechen, sind nichtig...

(2) Ist zur Leistung eines Schuldners eine Bewilligung erforderlich, so ist die Verurteilung oder Zwangsvollstreckung nur zulässig, wenn die Bewilligung erteilt worden ist."

Kern der Ausführungen des Beschwerdeführers (insbesondere auch seiner Replik auf die Gegenschrift der belangten Behörde) ist das Argument, der angefochtene Bescheid widerspreche dem österreichischen Devisengesetz und damit dem ordre public, weil es um die Exekution von deutschen Abgaben für ein nach dem östereichischen Devisengesetz nichtiges Geschäft gehe. Aus der Tatsache der Abweisung der Anträge des Beschwerdeführers auf devisenbehördliche Genehmigung seiner Rechtsgeschäfte in Deutschland durch die Oesterreichische Nationalbank ergebe sich, daß die bewilligte Rechtshilfe iS des Art. 6 Abs. 1 des Vertrages geeignet sei, die Interessen Österreichs zu gefährden.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß in Gestalt des Art. 6 Abs. 1 des Vertrages ein der sogenannten Vorbehaltsklausel (ordre public) des § 6 IPRG nahestehender Versagungsgrund vorliegt (vgl. dazu insbesondere auch § 81 Z. 4 EO sowie die Ausführungen bei Heller-Berger-Stix, KommzEO I 781), welchem Umstand die belangte Behörde, die gemäß Art. 11 Abs. 2 des Vertrages zur Entscheidung berufen war, an sich von Amts wegen Rechnung zu tragen hat.

Dem Beschwerdeführer ist weiters einzuräumen, daß Rechtsgeschäfte, die den Bestimmungen des Devisengesetzes widersprechen, nichtig iS des § 879 ABGB sind (vgl. dazu Schwarzer-List, Das Österreichische Devisenrecht2Anm 1 ff zu § 22 DevG sowie Krejci in Rummel, ABGB I2Rz 172 zu § 8, 79 ABGB) und daß man dann, wenn im Wege von in Österreich rechtshilfeweise durchgesetzten ausländischen Exekutionstiteln Transaktionen erfolgen könnten, die Rechtsgeschäfte effektuierten, die nach dem österreichischen Devisengesetz nichtig sind, wesentliche Interessen Österreichs, nämlich die an der Einhaltung des Devisengesetzes, als gefährdet ansehen könnte.

Der Beschwerdeführer übersieht aber grundlegend, daß nach der ständigen Judikatur des OGH § 22 Abs. 2 DevG so interpretiert wird, daß anläßlich der Entscheidung über die Exekutionsbewilligung nicht von Amts wegen zu prüfen ist, ob das dem Exekutionstitel zugrunde liegende Rechtsgeschäft mit einer Nichtigkeit nach dem Devisengesetz behaftet ist. Die Frage einer allfälligen Bewilligungspflicht nach dem Devisengesetz und damit auch die Frage der Nichtigkeit des dem Exekutionstitel zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes ist vielmehr erst bei Ausfolgung des Erlöses aus der Exekution an den betreibenden ausländischen Gläubiger zu prüfen (vgl. dazu den Beschluß des OGH vom 10. April 1991, 3 Ob 11/91 ZfRV 1991, 468 und die dort zitierte Vorjudikatur: ZfRV 1989, 303; SZ 49/71 EvBl 1978/44). Was nach der angeführten Judikatur des OGH für den Bereich der Exekutionsbewilligung nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung zu gelten hat, muß zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen auch auf Entscheidungen nach § 11 Abs. 2 des Vertrages angewendet werden. Der Beschwerdeführer, der mit seinem Einwand im Zusammenhang mit § 22 DevG auf die dem § 36 EO entsprechende Bestimmung des § 13 AbgEO verwiesen wird (vgl. dazu den schon oben zitierten Beschluß des OGH 3 Ob 11/91) wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.

Insoweit der Beschwerdeführer nach wie vor Beschwerdegründe "verfassungsrechtlicher Art" aufrecht erhält, ist er darauf zu verweisen, daß der Verfassungsgerichtshof, der sich mit dem vorliegenden Fall bereits befassen konnte und seine Behandlung ablehnte, schon in seinem Erkenntnis vom 23. September 1983, Zl. B 302/79 VfSlg. 9.778 ausgesprochen hat, daß gegen den hier anzuwendenden Vertrag keine Bedenken bestehen.

Was schließlich die Rüge des Beschwerdeführers anlangt, ihm stehe gegen den angefochtenen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel und damit auch nicht das Recht einer Antragstellung gemäß § 212a BAO zu, so ist er darauf zu verweisen, daß gemäß § 291 BAO der Rechtszug in allen Fällen bei der Finanzlandesdirektion endet, und zwar auch dann, wenn diese (wie hier im Falle des Art. 11 Abs. 2 des Vertrages) erstinstanzlich entscheidet (vgl. Stoll, BAO-Handbuch 689) und daß durch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes klargestellt ist, daß auch im Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung durch eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung der Instanzenzug ausgeschlossen oder abgekürzt werden kann (vgl. die bei Klecatsky-Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht3 unter E 25 zu Art. 103 B-VG zitierte Rechtsprechung VfSlg. 3.286).

Der angefochtene Bescheid erweist sich deshalb als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten und war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iGm der VO BGBl 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992160186.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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