TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/23 93/11/0119

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. Mai 1993, Zl. I/7-St-P-935, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, sich bis 30. Juli 1993 vom Amtsarzt der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, untersuchen zu lassen, ob er zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B, C, E, F und G geeignet sei.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Anlaß für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers und damit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides war ein Bericht des Gendameriepostens Ziersdorf vom 16. Juni 1992 an die Erstbehörde, in dem ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei chronischer Alkoholiker und leide an Depressionen und Wahnvorstellungen. Anlaß für die Erstattung dieses Berichtes wiederum war eine Mitteilung von Funktionären der Rot-Kreuz-Stelle Ziersdorf über auffällige Verhaltensweisen des Beschwerdeführers. Dieser habe öfters in alkoholisiertem Zustand die Rettung über Notruf angefordert, obwohl keine dringende Notwendigkeit bestanden habe. Am 15. Juni 1992 sei er beim Eintreffen der Rettung in alkoholisiertem Zustand im Schlafzimmer auf dem Boden gelegen; der Gemeindearzt habe beim Beschwerdeführer keine Verletzungen feststellen können, den Beschwerdeführer jedoch wegen dessen desorientierten und alkoholisierten Zustandes in das Krankenhaus eingewiesen; der Beschwerdeführer habe aber die Mitfahrt mit der Rettung verweigert. Am selben Tag habe der Beschwerdeführer von der Rettungsstelle die Telefonnummer der Gendarmerie erfragen wollen, da er bestohlen worden sei. Erhebungen der Gendamerie hätten ergeben, daß dies nicht der Fall gewesen sei. Rückfragen bei der Hausärztin des Beschwerdeführers hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer chronischer Alkoholiker sei und unter Depressionen und Wahnvorstellungen leide; sie hätte den Beschwerdeführer bereits im Juni 1992 einmal aufgrund "von Delirium" in das Krankenhaus eingewiesen.

Im Verwaltungsakt erliegt ferner ein Telefonprotokoll des NÖ. Hilfswerkes über Anrufe betreffend den Beschwerdeführer bzw. seine hilfsbedürftige Mutter, in dem von zum Teil unbegründeten Notrufen des Beschwerdeführers die Rede ist und abschließend um Klärung der Umstände seitens der Gendamerie ersucht wird.

Nachdem der Beschwerdeführer Vorladungen der Erstbehörde nicht gefolgt ist, erging ein Aufforderungsbescheid nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 vom 11. August 1992. Diese Aufforderung blieb ebenso wie mehrere weitere Vorladungen zur Behörde erfolglos. Daraufhin ergingen ein weiterer Aufforderungsbescheid vom 5. Februar 1993 und der diesen bestätigende (lediglich die Frist zur Vornahme der amtsärztlichen Untersuchung neu festsetzende) angefochtene Berufungsbescheid.

Der Beschwerdeführer bestreitet, daß begründete Bedenken gegen seine geistige und körperliche Eignung bestünden. Die Angaben der Gendarmerie und der Ärztin seien unrichtig. Die häufigen Einsätze der Rettung seien durch den schlechten Gesundheitszustand seiner Mutter und seines Bruders, die in der Zwischenzeit verstorben seien, erforderlich gewesen. Er selbst sei von seiner Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in der Prämienstufe 0/0 eingestuft und habe sein Kraftfahrzeug bereits abgemeldet.

Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit dieses Bescheides dartun. Zur Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkerberechtigung und in dessen Verlauf zur Erlassung einer Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 genügt es, daß begründete Bedenken am aufrechten Bestand bestimmter Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkerberechtigung - hier der geistigen und körperlichen Eignung - bestehen. Die Behörde ist in diesem Stadium des Verfahrens nicht gehalten, ein Ermittlungsverfahren mit Aufnahme von Beweisen durchzuführen und konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits das Fehlen einer Voraussetzung für die Erteilung einer Lenkerberechtigung erschlossen werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1993, Zl. 92/11/0196). Der Beschwerdeführer verkennt Sinn und Zweck einer solchen Aufforderung. Der Verwaltungsgerichtshof kann jedenfalls nicht finden, daß die Behörde voreilig und ohne begründeten Anlaß die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers in Zweifel gezogen hat. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen, durch die Duldung der Untersuchung die Zweifel zu zerstreuen.

Die Behörden hätten zwar ohne größeren Aufwand auch Erhebungen pflegen können, die keine wesentliche Verzögerung des Verfahrens bewirkt hätten, aber die Bedenken gegen die Eignung des Beschwerdeführers hätten teilweise verstärken oder zerstreuen können - etwa durch die Einholung einer direkten Äußerung der in Rede stehenden Ärztin, insbesondere über den Grund der seinerzeitigen Einweisung des Beschwerdeführers ins Krankenhaus. Die Unterlassung solcher Erhebungen führt aber keineswegs dazu, daß die Bedenken der Behörde unbegründet und nicht zur Stützung des angefochtenen Bescheides geeignet sind.

Daß der Beschwerdeführer der Versicherung keine von ihm verursachten Verkehrsunfälle gemeldet und so die höchste Bonusstufe erreicht hat, bedeutet im gegebenen Zusammenhang nicht, daß keine Zweifel an seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestehen können, weil damit ja nicht gesagt ist, ob, wie oft und in welcher Weise der Beschwerdeführer Kraftfahrzeuge gelenkt hat. Der Beschwerdeführer ist auch darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde nicht bloß auf die Zahl der Rettungseinsätze im Haushalt des Beschwerdeführers abstellt, sondern sein bei diesen Anlässen laut Schilderung des Rettungspersonals an den Tag gelegtes Verhalten. Daß seine Mutter und sein Bruder in der Zwischenzeit verstorben seien, hat mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides nichts zu tun; die vom Beschwerdeführer vermißte Auseinandersetzung mit diesem Umstand wäre in der Begründung des angefochtenen Bescheides fehl am Platz gewesen.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110119.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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