TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/23 92/11/0196

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
B-VG Art7 Abs1;
KFG 1967 §67 Abs3;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der C in E, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Juli 1992, Zl. IIb2-K-2523/2-1992, betreffend Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, sich binnen sechs Wochen von der Zustellung dieses Bescheides an "zum Zwecke der Erstattung eines Gutachtens über die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B gemäß § 67 Abs. 3 KFG 1967, nach vorheriger Terminvereinbarung, bei dem gemäß § 126 KFG 1967 bestellten Sachverständigen für die Lenkerprüfung, Herrn ... bei der Landesbaudirektion ... bei gleichzeitiger Stellung eines zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges der genannten Gruppe, der praktischen Lenkerprüfung im Sinne des § 70 KFG 1967 zu unterziehen".

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    Anlaß für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung

der Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin und zur Erlassung

des angefochtenen Bescheides war eine Anzeige des

Gendarmeriepostens Lans vom 2. Jänner 1992 an die Erstbehörde,

die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, in der ausgeführt wurde,

es sei "in den letzten Monaten ... von sämtl. Beamten ho.

Dienststelle vermehrt festgestellt" worden, daß die

Beschwerdeführerin näher genannte Pkws auf bestimmten Straßen

mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe; dabei sei sie "jedoch

offensichtl. mangels persönl. Eignung  n i c h t  in der Lage"

gewesen, "die Fzg entsprechend sicher zu beherrschen und die straßenpol. Vorschriften einzuhalten". Konkret wurden Vorfälle vom 28. September, 16. November, 28. November und vom 23. Dezember 1991 geschildert, bei denen die Beschwerdeführerin jeweils Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs gehabt hätte (aufheulender Motor, angezogene Handbremse, falsch eingelegte Gänge, was zu Zurückrollen, "Vorwärtsspringen", ruckartigen Vorwärtsbewegungen, "Katapultieren" des Fahrzeugs über die gesamte Fahrbahn auf eine Böschung geführt habe) und auffallende Fahrweisen (bloße Schrittgeschwindigkeit, Fahren in der Straßenmitte, plötzliches Stehenbleiben in der Straßenmitte) an den Tag gelegt habe.

Diese Ausführungen wurden von einem Gendarmeriebeamten des in Rede stehenden Postens - der auch die Anzeige verfaßt hat - bei einer Zeugeneinvernahme bestätigt.

Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, daß aus den geschilderten Vorfällen keine begründeten Bedenken gegen ihre fachliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erschlossen werden könnten. Diese Vorfälle seien lediglich so dargestellt worden, als ob sie Anlaß zu derartigen Bedenken geben dürften. Die Darstellung sei auch sachverhaltsmäßig unrichtig. Das Fahrzeug habe einen Kupplungsschaden aufgewiesen; die von der Beschwerdeführerin eingehaltene Fahrgeschwindigkeit sei jeweils den Sichtverhältnissen angepaßt gewesen; es sei auch durch Fahrbahnglätte infolge Vereisung das Anfahren erschwert gewesen; die Straßenverhältnisse seien weit übersichtlicher gewesen, als von den Gendarmeriebeamten angegeben; wegen der Enge der Fahrbahn habe sie auf halbe Sicht fahren müssen und das Stehenbleiben habe aus diesem Grunde als "mitten in der Fahrbahn" beurteilt werden müssen. Ergänzende Erhebungen hätten ergeben, daß ihr jeweiliges Fahrverhalten keine negativen Rückschlüsse auf ihre Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zugelassen hätte.

Auszugehen ist davon, daß auch begründete Bedenken gegen die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B, für die die konkrete Lenkerberechtigung besteht, zum Anlaß für die Erlassung einer Aufforderung nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 genommen werden können. Zur fachlichen Befähigung zählt es auch, mit einem Kraftfahrzeug der betreffenden Gruppe auf eine Weise umgehen zu können, die die Inbetriebnahme und das Lenken ohne Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere in Einhaltung der beim Lenken von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr einzuhaltenden Rechtsvorschriften, gewährleistet. Außer der Kenntnis der zur Bedienung des Kraftfahrzeugs erforderlichen Vorrichtungen und deren Funktionsweisen umfaßt die fachliche Befähigung auch die praktische Beherrschung derselben.

Vorfälle, wie die von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen, sind durchaus geeignet, Bedenken gegen die fachliche Befähigung der betreffenden Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen entstehen zu lassen. Das gilt sowohl für Schwierigkeiten bei der raschen und gefahrlosen Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs - wie sie in manchen Verkehrssituationen geboten sein kann - als auch für das Befahren einer Straße mit einer geringeren als der den Verhältnissen entsprechenden Mindestgeschwindigkeit (§ 20 Abs. 1 letzter Satz StVO 1960). Die geschilderten Verhaltensweisen geben durchaus Anlaß zur Annahme, die betreffende Person habe bei der Bedienung der Vorrichtungen zum Lenken von Kraftfahrzeugen Schwierigkeiten (insbesondere mit dem sogenannten "Gas-Kupplungs-Spiel" und mit der gleichzeitigen Handhabung der Handbremse); sie lassen auch den Verdacht zu, der betreffende Kraftfahrzeuglenker lege beim Lenken eines in Betrieb genommenen Kraftfahrzeuges ein übermäßig ängstliches Verhalten an den Tag, welches zumindest die Leichtigkeit und Flüssigkeit, wenn nicht in Einzelfällen (plötzliches Stehenbleiben) darüber hinaus auch die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigen kann.

Die Beschwerdeführerin verkennt in diesem Zusammenhang, daß es in dem in Rede stehenden Stadium eines Verfahrens betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, nämlich bei Erlassung einer Aufforderung nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967, (noch) nicht darum geht, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits das Fehlen einer Voraussetzung für die Erteilung einer Lenkerberechtigung erschlossen werden kann. Es geht in diesem Stadium vielmehr darum, ob genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände unter der hiefür notwendigen Mitwirkung des Besitzers der Lenkerberechtigung geboten erscheinen lassen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1985, Zl. 85/11/0159). Die Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens kommt in diesem Zusammenhang in der Regel nicht in Betracht. Der Besitzer einer Lenkerberechtigung ist nach dem Gesetz verpflichtet, bei Vorliegen objektiv begründeter Bedenken einer Aufforderung nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 nachzukommen, auch wenn sie ihm subjektiv als unbegründet erscheint. Er hat jedenfalls durch seine Mitwirkung am Ermittlungsverfahren und durch die Entsprechung der Aufforderung die Möglichkeit, darzutun, daß diese Bedenken unbegründet sind. Daß dies mit Kosten und Mühen verbunden sein kann, ändert daran nichts, weil die Mitwirkung des Berechtigten zur Feststellung des Sachverhaltes unentbehrlich ist und bei einer Durchschnittsbetrachtung die Tragung der in Rede stehenden Kosten auch zumutbar ist (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1985, Slg. Nr. 11.301).

Bedenken in der geschilderten Art ergaben sich für die belangte Behörde zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch den Inhalt der Anzeige des Gendarmeriepostens Lans vom 2. Jänner 1992 und durch die teilweise zeugenschaftliche Erhärtung der darin enthaltenen Angaben. Die Vorgänge vom 23. Dezember 1991 hatten auch zur Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen die Beschwerdeführerin wegen einiger Übertretungen der StVO 1960 (Verstöße gegen das Gebot, am rechten Fahrbahnrand zu fahren, nach § 7 Abs. 2, Verbot des jähen und überraschenden Abbremsens nach § 21 Abs. 1 und Verbot des grundlosen Langsamfahrens nach § 20 Abs. 1 letzter Satz) geführt, welches zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits im Stadium des Berufungsverfahrens war (und das - wie dem Verwaltungsgerichtshof aus dem Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 92/03/0205 bekannt ist - mit der rechtskräftigen Bestrafung der Beschwerdeführerin geendet hat). Dies alles stellt ein ausreichendes Substrat für begründete Bedenken an der fachlichen Befähigung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen dar.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren war nicht geeignet, die Bedenken zu zerstreuen. Ein Großteil dieser Ausführungen betrifft die Infragestellung der Unbefangenheit der Gendarmeriebeamten, ein weiterer die Beschaffenheit der Straßen in der Gegend dieser Gemeinde, wobei nicht klar ist, ob die Beschwerdeführerin diese Straßen nun als leicht oder als schwer befahrbar darstellen wollte. Zum Teil bestreitet sie darin das Ausmaß der Abweichung ihres Fahrverhaltens von einem durchschnittlich zu erwartenden, zum Teil gesteht sie es zu (etwa "straßenmittig" gefahren zu sein).

Die Beschwerde, in der lediglich geltend gemacht wird, weitere Erhebungen hätten dazu geführt, daß eine Aufforderung nach dem ersten Satz des § 75 Abs. 2 KFG 1967 mangels begründeter Bedenken unterblieben wäre, erweist sich als unbegründet. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992110196.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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