TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/25 91/19/0348

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Veröffentlicht am 25.11.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §86 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §51;
VStG §24;
VStG §31 Abs3;
VStG §40;
VStG §41;
VStG §42;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. X, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. September 1991, Zl. MA 63-E 1/91/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 11. September 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß am 24. November 1988 in seiner Kanzlei nicht jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung gestanden sei. Er habe dadurch § 86 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, auf Grund der Angaben der Kanzleileiterin des Beschwerdeführers und seiner Stellungnahme vom 14. September 1990 sei davon auszugehen, daß am 24. November 1988 acht Arbeitnehmer in seiner Kanzlei beschäftigt gewesen seien. Beim Lokalaugenschein vom 4. September 1990 seien die Kanzleiräume besichtigt worden. Dabei seien im 2. Stock ein nicht versperrbarer Sammelgarderobenschrank im Archiv und eine offene Mantelgarderobe im Empfangsraum und im 3. Stock ein Garderoberaum und ein versperrbarer Garderobeschrank vorhanden gewesen. Auf Grund der zeugenschaftlichen Vernehmung der Kanzleileiterin des Beschwerdeführers stehe fest, daß am 24. November 1988 die Garderobeeinrichtungen im 3. Stock noch nicht bestanden hätten. Die vorhandenen Garderobeeinrichtungen entsprächen nicht dem § 86 AAV, wo für jeden Arbeitnehmer ein versperrbarer Kasten vorgeschrieben sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, auf Grund eines längeren Auslandsaufenthaltes sei es ihm am 24. November 1988 nicht möglich gewesen, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften in seiner Kanzlei zu überprüfen, sei entgegenzuhalten, daß die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht behauptet worden sei und zudem gemäß § 31 Abs. 5 Arbeitnehmerschutzgesetz die Strafbarkeit des Beschwerdeführers gegeben gewesen wäre, weil er von den fehlenden Garderobekästen gewußt habe. Er hätte daher bereits vor seinem Auslandsaufenthalt dafür Sorge tragen müssen, daß die in der AAV vorgeschriebenen Garderobeeinrichtungen vorhanden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 86 Abs. 1 AAV ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen, wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist.

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, seine Arbeitnehmer hätten einen "absperrbaren Kleiderraum" im 3. Stock zur Verfügung. Die bei ihm beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter hätten absperrbare Zimmer, zu denen sie allein die Schlüssel besäßen.

Der Beschwerdeführer vermag mit diesen Ausführungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Zunächst ist er darauf hinzuweisen, daß er mit seinen Ausführungen betreffend den Garderoberaum im 3. Stock nicht von dem von der belangten Behörde in unbedenklicher Weise angenommenen Sachverhalt ausgeht. Die belangte Behörde hat nämlich auf Grund der Angaben der als Zeugin vernommenen Kanzleileiterin des Beschwerdeführers festgestellt, daß die Garderobeeinrichtungen im dritten Stock erst nach dem 24. November 1988 zur Verfügung gestanden seien. Im übrigen hätte auch das Vorhandensein eines "absperrbaren Kleiderraumes" im 3. Stock nichts an dem Verstoß gegen § 86 Abs. 1 AAV geändert, weil nach dieser Verordnungsstelle jedem Arbeitnehmer ein versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen ist und ein von mehreren Arbeitnehmern benützbarer - wenn auch versperrbarer - Garderoberaum diesem Erfordernis nicht entspricht (siehe das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zlen. 90/19/0240, 0241). Dasselbe gilt für die vom Beschwerdeführer behauptete Tatsache, daß die Arbeitszimmer der bei ihm beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter versperrbar seien, weil auch damit nicht dem Gebot, jedem Arbeitnehmer einen versperrbaren Kasten zur Verfügung zu stellen, Genüge getan wird.

3. Der Beschwerdeführer rügt, ihm sei nicht Gelegenheit gegeben worden, mündlich Stellung zu nehmen.

Mit dieser Behauptung vermag der Beschwerdeführer keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Abgesehen davon, daß eine persönliche Einvernahme des Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren nicht zwingend vorgeschrieben ist und daher das Unterbleiben der mündlichen Vernehmung keinen Verfahrensmangel darstellt (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

4. Auflage, unter E. 4, 9a, b und c zu § 40 VStG angeführte hg. Rechtsprechung), läßt der Beschwerdeführer offenbar außer acht, daß ihm bereits mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20. Februar 1989 die Möglichkeit eingeräumt wurde, zu einem näher genannten Termin zu seiner Vernehmung zu erscheinen, daß er zu der am 4. September 1990 in seinen Kanzleiräumen durchgeführten Verhandlung geladen wurde und daß er zu der weiteren mündlichen Verhandlung am 14. September 1990 nicht selbst erschienen ist, sondern einen Vertreter entsandt hat. Der Beschwerdeführer hatte somit auch ausreichend Gelegenheit zur mündlichen Stellungnahme.

4. Die Auffassung des Beschwerdeführers, ihn treffe im Hinblick auf seine Abwesenheit am 24. November 1988 kein Verschulden an der Übertretung, ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, vor seiner Abreise alle zumutbaren Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus § 86 Abs. 1 AAV ergebenden Verpflichtung ergriffen zu haben. Die Abwesenheit von seiner Kanzlei im Tatzeitpunkt enthebt ihn nicht seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften. Es stellt daher keinen Verfahrensmangel dar, wenn die belangte Behörde keine Ermittlungen über die behauptete Abwesenheit im Tatzeitpunkt durchgeführt hat.

5.1 Der Beschwerdeführer macht Verjährung geltend und führt aus, am 24. November 1991 sei die Strafbarkeitsverjährung eingetreten. Der angefochtene Bescheid sei ihm am 11. November 1991 zugestellt worden. Rechtskräftig und vollstreckbar sei er erst am 23. (gemeint: 25.) November 1991 geworden, somit einen Tag "nach Ablauf der Strafbarkeitsverjährung".

5.2 Nach § 31 Abs. 3 erster Satz VStG darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem im Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind.

5.3 Der angefochtene Bescheid wurde mit der Zustellung an den Beschwerdeführer am 11. November 1991 erlassen. Das Straferkenntnis wurde somit vor Ablauf der im § 31 Abs. 3 erster Satz VStG genannten Frist von drei Jahren gefällt.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nicht auf den Eintritt der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit ab. Im übrigen ist die Rechtskraft des angefochtenen Bescheides mit seiner Erlassung eingetreten, weil er durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr bekämpft werden konnte. Die Vollstreckbarkeit der verhängten Geldstrafe war gemäß § 54b Abs. 1 VStG mit der Rechtskraft gegeben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1977, Slg. Nr. 9410/A).

6. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Zeugenbeweis Gegenüberstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991190348.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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