TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/13 93/10/0217

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Veröffentlicht am 13.12.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §174 Abs1 litb Z22;
ForstG 1975 §174 Abs2;
ForstG 1975 §83 Abs1;
ForstG 1975 §83 Abs4;
VStG §39 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des J in A, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 14. Jänner 1993, Zl. 17/109-3/1992, betreffend Beschlagnahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1992 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Reutte gemäß § 39 VStG gegenüber dem Beschwerdeführer die Beschlagnahme sämtlicher am 11. Dezember 1992 vor einem (näher bezeichneten) Geschäftslokal gelagerten Christbäume an. Begründend wurde festgestellt, daß die zum Verkauf bereitgestellten Christbäume durchwegs unplombiert gewesen seien. Dies stelle einen Verstoß gegen § 83 Abs. 1 und 4 Forstgesetz 1975 (ForstG) dar. Gemäß § 174 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 lit. b Z. 22 ForstG könne die Strafe des Verfalles ausgesprochen werden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er legte dar, daß er Christbäume der Baumart Abies nordmanniana (Nordmannstanne) verkauft habe. Die gesetzliche Verpflichtung zur Kennzeichnung durch Plombe gemäß § 83 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 ForstG betreffe nur die in Österreich heimische Baumart Abies alba (Weißtanne).

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab. Sie vertrat im wesentlichen die Auffassung, die Verpflichtung, Tannenchristbäume zu plombieren, beziehe sich nicht nur auf Waldbäume, sondern auch auf Christbaumkulturen außerhalb des Waldes.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit seinem Beschluß vom 27. September 1993, B 377/93, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 39 Abs. 1 VStG lautet:

"Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen."

Gemäß § 83 Abs. 1 ForstG ist das Gewinnen und Inverkehrsetzen von Waldbäumen der Baumart Tanne (Abies) für weihnachtliche Zwecke (Tannenchristbäume) oder von Tannenreisig, für welche Zwecke auch immer dieses verwendet werden mag, nur unter den Voraussetzungen der Abs. 2 bis 7 zulässig.

Nach Abs. 4 erster Satz der zitierten Vorschrift dürfen Tannenchristbäume nur befördert oder feilgehalten werden, wenn sie durch Plomben, die über die Herkunft des Baumes Auskunft geben, gekennzeichnet sind.

Gemäß § 174 Abs. 1 lit. b Z. 22 ForstG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Tannenchristbäume oder Tannenreisig entgegen § 83 Abs. 1 bis 7 gewinnt oder in Verkehr setzt ...

Gemäß § 174 Abs. 2 ForstG kann die Strafe des Verfalles von Gegenständen, auf die sich die strafbare Handlung gemäß Abs. 1 ... bezieht, ... ausgesprochen werden.

Die Beschwerde vertritt (im Ergebnis) den Standpunkt, der (die Beschlagnahme aufrechterhaltende) angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil der Verdacht einer Verwaltungsübertretung im Sinne des § 39 Abs. 1 VStG mangels Tatbildlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht vorliege. Dieser habe Nordmannstannen (Abies nordmanniana) als Christbäume feilgehalten. Darin liege kein Verstoß gegen § 83 ForstG, weil diese Vorschrift nur die Weißtanne (Abies alba) betreffe. Diese Auffassung begründet die Beschwerde im wesentlichen wie folgt: Der Gesetzgeber verwende in § 83 Abs. 1 ForstG den Begriff "Baumart Tanne (Abies)". In der Pflanzensystematik sei die Art der Gattung untergeordnet; pflanzensystematisch sei die Gattung "Tanne" den verschiedenen Arten, darunter der Art Weißtanne (Abies alba) und der Art Nordmannstanne (Abies nordmanniana) übergeordnet. Der Gesetzgeber wolle durch die Verwendung des Begriffes "Baumart Tanne im Singular" offensichtlich ausdrücken, daß nur "die im Geltungsbereich des Gesetzes heimische Art der Gattung Tanne, nämlich die Weißtanne", gemeint sei. Dieses Ergebnis werde durch die Aufzählung der Holzgewächse im Anhang zum ForstG, die Rechtsentwicklung und den Schutzzweck der Vorschrift bestätigt.

Diese Auffassung beruht auf der verfehlten Annahme, daß es sich bei dem in § 83 Abs. 1 ForstG verwendeten Terminus "Baumart" um einen Begriff der Pflanzensystematik handle. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Begriff "Baum" keiner Kategorie der modernen Pflanzensystematik zuzuordnen ist. Dies zeigt auch ein Blick auf die pflanzensystematische Einordnung der im Beschwerdefall in Rede stehenden Arten Weißtanne (Albies alba) und Nordmannstanne (Abies nordmanniana): Dabei handelt es sich jeweils um eine ART (Spezies) der Gattung (Genus) Tanne (alba). Die GATTUNG Tanne gehört der FAMILIE der Kiefergewächse (Pinaceae) an, diese der UNTERKLASSE der Nadelhölzer (Coniferae). Die Nadelhölzer sind pflanzensystematisch der UNTERABTEILUNG nacktsamige Pflanzen (Gymnospermae) der ABTEILUNG Samenpflanzen (Spermatophyta) zugehörig (vgl. hiezu Schütt, Tannenarten Europas und Asiens 7; Mayer"s Enzyklopädisches Lexikon9, Bd 3, 620; Bd 12, 657; Bd 16, 716, 718; Bd 20, 650; Bd 23, 124 f).

Die auf die Annahme, daß mit dem im Singular verwendeten Begriff "Baumart" in § 83 Abs. 1 ForstG auf EINE Art (im pflanzensystematischen Sinn) der Gattung Tanne (Abies) Bezug genommen werde, gegründeten Beschwerdeausführungen sind daher schon deshalb nicht zielführend, weil dem Begriff "Baumart" nicht die von der Beschwerde unterstellte Bedeutung zukommt.

Maßgeblich für den Inhalt der durch § 83 Abs. 1 ForstG getroffenen Anordnung ist somit der Terminus "Tanne (Abies)". Dabei handelt es sich, wie schon dargelegt wurde, um die Bezeichnung der Gattung. Die wissenschaftlichen Bezeichnungen der einzelnen Arten der Gattung Tanne (Abies) werden durch Anführung des Gattungsbegriffes Abies unter Hinzufügung eines die jeweilige Art bezeichnenden Beisatzes gebildet. Diese Systematik ist dem Gesetzgeber, wie Gliederung und Terminologie des Anhanges zum Forstgesetz zeigen, bekannt. Vom Wortlaut ausgehend besteht daher kein Zweifel, daß die Anordnung sich auf die Gattung Tanne (Abies) und somit auf alle Arten dieser Gattung erstreckt.

Der von der Beschwerde angenommene Inhalt käme dem Gesetz nur dann zu, wenn das Objekt der Anordnung als "Weißtanne (Abies alba)" - allenfalls unter Beisetzung des Begriffes "Tannenart" - bezeichnet wäre. Die von der Beschwerde unterstellte Bedeutung überschreitet somit die Grenzen des Wortsinnes der Vorschrift; schon deshalb kann dem Standpunkt der Beschwerde nicht gefolgt werden.

Die weiteren Beschwerdeausführungen erweisen auch nicht, daß eine solche Deutung überhaupt geboten wäre. Im Anhang zum Forstgesetz sind unter der Aufzählung der Holzgewächse gemäß § 1 Abs. 1/Nadelgehölze unter anderem angeführt Tanne Abies alba und für die inländische forstliche Nutzung geeignete, fremdländische, bestandesbildende Arten der Gattungen Abies und andere. Die von der Beschwerde daraus gezogene Schlußfolgerung, daß der Gesetzgeber im Anhang zum Forstgesetz den Begriff "Tanne" mit der Art "Weißtanne" (Abies alba), gleichsetze, findet im Gesetz keine Grundlage; vielmehr handelt es sich bei der Beisetzung des Begriffes "Abies alba", wie schon aus der Bedeutung der verwendeten Begriffe folgt, nicht um die Bestimmung des Begriffes "Tanne", sondern um einen den Umfang dieses Begriffes im gegebenen Zusammenhang einschränkenden Zusatz.

Auch die Rechtsentwicklung spricht nicht für den Standpunkt des Beschwerdeführers. Vorläufer des § 83 ForstG war § 37 des Forstrechts-Bereinigungsgesetzes, BGBl. Nr. 222/1962. Nach Abs. 1 der zitierten Vorschrift war es verboten, Waldbäume der Holzart Tanne (Abies alba) oder Teile hievon zu gewinnen und in Verkehr zu bringen, wenn diese für festliche Zwecke verwendet werden sollen, wie Christbäume und Schmuckreisig. Nach Abs. 4 leg. cit. durften Tannen für Zwecke im Sinne des Abs. 1 nur feilgehalten, verkauft oder sonst in Verkehr gebracht werden, wenn sie durch Plomben, die über die Herkunft des Baumes Auskunft geben, gekennzeichnet sind. Wenn der Gesetzgeber des Forstgesetzes 1975 - vom Sprachgebrauch des Forstrechts-Bereinigungsgesetzes 1962, das dem Begriff "Tanne" den auf eine bestimmte Art der genannten Gattung einschränkenden Terminus "Abies alba" beisetzte, abweichend - die Anordnung auf den die gesamte Gattung bezeichnenden Begriff "Tanne (Abies)" bezieht, ist zu folgern, daß mit § 83 Abs. 1 ForstG eine Anordnung weiteren Umfanges als in der Vorgängervorschrift getroffen wurde.

Auch der auf die Gesetzesmaterialien (vgl. RV 1266 Blg. NR. XIII. GP 107, 108) gestützte Hinweis der Beschwerde, daß die Vorschrift ("weiterhin") den Schutz der in ihrer Existenz bedrohten Weißtanne bezwecke, führt nicht zum Ergebnis, daß sich der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift - im Wege einer "berichtigenden" Interpretation - nur auf die Weißtanne (Albies alba) erstrecke, weil in Betracht zu ziehen ist, daß der Gesetzgeber (auch wenn der Schutz einer bestimmten Art im Vordergrund steht) den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift (z.B. auch zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen) auf die gesamte Gattung bezogen hat. Im erwähnten Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß § 83 Abs. 6 ForstG - ohne jede erkennbare Beschränkung auf Bäume der Art "Weißtanne (Albies alba)" - die Anbringung von Plomben an Tannenchristbäumen, die aus dem Ausland (ebenfalls ohne Beschränkung auf Herkunftsgebiete der Weißtanne) eingeführt wurden, normiert. Auch dies spricht gegen die Auffassung der Beschwerde, das Gebot des § 83 Abs. 1 ForstG beziehe sich nur auf Bäume der (einheimischen) Art "Weißtanne".

Auch der von der Beschwerde hervorgehobene Umstand, daß sich der Geltungsbereich der auf Grund der Ermächtigung des § 83 Abs. 3 ForstG erlassenen Verordnungen nur auf im Inland gelegene Gebiete erstrecke, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend, weil nicht ersichtlich ist, daß dies einer Auslegung, wonach sich die Anordnung (insbesondere) des Abs. 4 auf alle Arten der Gattung Tanne (Abies) erstrecke, entgegenstehen sollte.

Beim vorliegenden Auslegungsergebnis ist eine Auseinandersetzung mit der Auffassung der Beschwerde entbehrlich, das Gebot des § 83 Abs. 4 ForstG dürfe nicht deshalb auf alle Arten der Gattung Tanne (Abies) erstreckt werden, weil die zur Vollziehung der Vorschrift berufenen Organe der öffentlichen Sicherheit Weißtannen nicht von anderen Tannenarten unterscheiden könnten.

Das Gebot des § 83 Abs. 1 und 4 ForstG betrifft somit auch die vom Beschwerdeführer feilgehaltenen Tannenchristbäume der Art "Nordmannstanne (Abies nordmanniana)". Bei dieser Rechtslage waren die von der Beschwerde vermißten Ermittlungen und Feststellungen darüber, ob die Nordmannstannen in Tirol vorkämen, bestandesbildend und schutzwürdig seien, entbehrlich. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit ebenfalls nicht vor.

Die Rechtmäßigkeit des Beschlagnahmebescheides hatte der Verwaltungsgerichtshof bezogen auf den Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen. Woraus die Beschwerde ihre Auffassung ableitet, dem Beschlagnahmebescheid fehle die Rechtsgrundlage, weil der Verfall bisher nicht ausgesprochen worden sei und eine Beschlagnahme ohne Ausspruch des Verfalles der beschlagnahmten Gegenstände sich "rechtlich im luftleeren Raum" befinde, ist nicht ersichtlich. Ein Grundsatz, daß die Rechtmäßigkeit des Beschlagnahmebescheides davon abhänge, daß (innerhalb eines bestimmten Zeitraumes) der Verfall der beschlagnahmten Gegenstände ausgesprochen werde, besteht nicht. Der rechtlichen Situation im Verhältnis vorläufige Beschlagnahme - Beschlagnahmebescheid (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1988, B 159/88, Slg. 11820), die die Beschwerde offenbar vor Augen hat, ist der vorliegende Fall nicht gleichzuhalten.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993100217.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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