TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/21 89/14/0289

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Veröffentlicht am 21.12.1993
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
33 Bewertungsrecht;

Norm

BewG 1955 §16 Abs2;
BewG 1955 §16 Abs4;
BewG 1955 §4;
EStG 1972 §29 Z1;
EStG 1972 §4 Abs2;
EStG 1972 §5;
EStG 1972 §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 21. Juni 1989, Zl. 301/1-3/88, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer veräußerte im Jahr 1981 eine Liegenschaft gegen Einräumung eines Benützungs- und Gebrauchsrechtes, eine Barzahlung von S 2,3 Millionen und eine monatliche wertgesicherte Leibrente von S 25.000,--. Die für das verwaltungsgerichtliche Verfahren relevanten Bestimmungen des Kaufvertrages lauten auszugsweise (sinngemäß; kein wörtliches Zitat):

Die Käuferin verpflichtet sich, eine monatliche Versorgungsrente von S 25.000,-- an den Käufer, solange er lebt, und, falls der Käufer vor seiner Ehefrau versterben sollte, an seine überlebende Ehefrau zwei Drittel seiner Rente, solange sie lebt, und schließlich, sollte sowohl der Verkäufer als auch dessen Ehefrau vor Ablauf von 10 Jahren versterben, an deren Tochter die Hälfte der Rente des Verkäufers für den Rest des Zeitraumes von 10 Jahren zu bezahlen. Diese Rentenbeträge sind also nicht nebeneinander zu zahlen und können von den Bezugsberechtigten weder veräußert noch vererbt werden. Die Rente erhält also vorerst der Verkäufer; sollte er vor seiner Ehefrau versterben, so erlischt dadurch seine Rente und seine Ehefrau erhält eine monatliche Rente, jedoch um ein Drittel gekürzt und mit ihrem Ableben erlischt auch ihre Rente. Sollten beide Ehegatten vor Ablauf von zehn Jahren versterben, erhält die Tochter für den restlichen Zeitraum von zehn Jahren eine um die Hälfte gekürzte Rente und, falls sie vor Ablauf dieses zehnjährigen Zeitraumes versterben sollte, erlischt auch diese Rente.

Streit besteht darüber, ob diese Rente im Jahr 1986 beim Beschwerdeführer zu Einkünften gemäß § 29 Z. 1 EStG 1972 geführt hat und daher einkommensteuerlich zu erfassen war oder nicht.

Der Beschwerdeführer hat diese Frage zunächst mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, der die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 28. November 1989, B 887/89, abgelehnt hat. In der Begründung dieses Bechlusses wird unter anderem ausgeführt, daß die in der Beschwerde behaupteten Rechtsverletzungen "zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes (§ 29 Z. 1 EStG 1972 i.V.m. §§ 16 Abs. 2 und 4 BewG)" wären, und daß "nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, bereits als Unsachlichkeit gewertet werden kann". Schließlich wird darauf hingewiesen, daß das Beschwerdevorbringen "die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen" läßt, daß es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

In der an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Z. 1 EStG 1972 sind sonstige Einkünfte wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 gehören. "Werden die wiederkehrenden Bezüge als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet, so sind sie nur insoweit steuerpflichtig, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§ 16 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955) übersteigt".

Der Bestimmung ist folgende historische Entwicklung vorangegangen, wobei es genügt, die Rechtsentwicklung ab dem Einkommensteuergesetz 1953 (BGBl. Nr. 1/1954) zu beleuchten. Die vergleichbare Bestimmung dieses Gesetzes fand sich in seinem § 22 und lautete:

"§ 22. Sonstige Einkünfte sind:

    1. Wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu anderen

    Einkünftsarten (§ 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6) gehören,

    insbesondere

    a) vererbliche Renten,

    b) Leibrenten, Leibgedinge, Zeitrenten und andere unver-

       erbliche Renten,

    c) Zuschüsse und sonstige Vorteile, die als wiederkehrende

       Bezüge gewährt werden. Ist die Zuwendung freiwillig oder

       an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt,

       so ist sie nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn der

       Geber unbeschränkt steuerpflichtig ist; ... "

    Mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1963, G 11/63

(Slg. 4.627/63), hob der Verfassungsgerichtshof die Worte

"wiederkehrende Bezüge, ... insbesondere ... b) Leibrenten,

Leibgedinge, Zeitrenten und andere unvererbliche Renten," als

verfassungswidrig auf. Er begründete dies im wesentlichen

damit, daß es dem System des Einkommensteuergesetzes

entspreche, bei Vermögensveräußerungen nur jenen Teil des

Erlöses als einkommensteuerpflichtig zu erfassen, der den Wert

des veräußerten Vermögens übersteige. Eine Besteuerung "kraft

Rentenform" wie sie § 22 Z. 1 EStG 1953 bei

Veräußerungsvorgängen vorsehe, widerspreche dem

Gleichheitssatz. Wörtlich führte der Verfassungsgerichtshof

aus: "Dies würde eine Auslegung nahelegen, die entgeltlichen

Renten nicht schlechthin unter § 22 Z. 1 zu zählen, die

Besteuerung vielmehr auf den Vermögenszuwachs zu beschränken

und damit aus ihnen die Beträge, die auf die

Vermögensumschichtung entfallen, auszuscheiden." Der Weg einer

solchen verfassungskonformen Auslegung schien dem

Verfassungsgerichtshof jedoch nicht gangbar, sodaß er die

zitierte Bestimmung aufhob.

Mit der Einkommensteuernovelle 1964, BGBl. Nr. 187, wurde die Bestimmung neu gefaßt und für Gegenleistungsrenten folgende Bestimmung normiert:

"Werden die wiederkehrenden Bezüge als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet, sind sie nur insoweit steuerpflichtig, als die Summe der vereinnahmten Beträge den Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt der Übertragung übersteigt. Als Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes sind die um die zulässigen Absetzungen (§ 7, § 99) gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Wurde das Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben, so tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Betrag, den der Empfänger für das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes hätte aufwenden müssen;"

Auch diese Bestimmung wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben, und zwar mit Erkenntnis vom 21. Juni 1968, G 1/68 (Slg. 5.726/68). Maßgebend dafür war, daß diese Regelung nicht geeignet sei, "den auf die Vermögensumschichtung entfallenden Teil der wiederkehrenden Bezüge von der Besteuerung auszuschließen". Die durch Abschreibungen gekürzten seinerzeitigen (oft Jahrzehnte zurückliegenden) Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes repräsentierten nicht seinen Vermögenswert zum Zeitpunkt der Veräußerung.

Die oben zitierte, im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung des § 29 Z. 1 EStG 1972 geht auf die Neugestaltung des § 22 Z. 1 EStG 1967 durch die Einkommensteuergesetz-Novelle 1970, BGBl. Nr. 370, zurück. Die Neugestaltung ist korrespondierend mit § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gestaltet, wonach Renten und dauernde Lasten, die als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet werden, als Sonderausgaben insoweit abzugsfähig sind, "als die Summe der gezahlten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§ 16 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148) übersteigt".

Strittig ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich, welcher Wert als kapitalisierter Wert der Rentenverpflichtung anzusetzen ist. Entscheidend für die Lösung dieser Frage sind die bewertungsrechtlichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, wobei im § 29 Z. 1 EStG 1972 lediglich auf § 16 Abs. 2 Bewertungsgesetz verwiesen wird. Diese Bestimmung normiert lediglich die Faktoren, mit denen je nach dem Lebensalter des Bezugsberechtigten der Wert der einjährigen Nutzung zu vervielfachen ist.

Beschwerdeführer und belangte Behörde gehen übereinstimmend davon aus, daß auch der Abs. 4 des § 16 Bewertungsgesetz bei der für § 29 Z. 1 EStG 1972 maßgebenden Kapitalisierung des Rentenwertes anzuwenden ist. Der Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht, weil in Abs. 4 lediglich eine Ergänzung des Abs. 2 zu erblicken ist. Abs. 4 lautet:

"Hängt die Dauer der Nutzung oder Leistung von der Lebenszeit mehrerer Personen ab, so ist das Lebensalter des Jüngsten maßgebend, wenn das Recht mit dem Tod des zuletzt Sterbenden erlischt; dagegen ist das Lebensalter des Ältesten maßgebend, wenn das Recht mit dem Tod des zuerst Sterbenden erlischt."

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß die eben zitierte Bestimmung im Beschwerdefall jedoch deswegen nicht anwendbar sei, weil es sich hier nicht um eine einheitliche, sondern um mehrere Renten handle, die aufeinander folgen. Der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und deren Tochter seien nicht nebeneinander, sondern nacheinander berechtigt (vgl. auch Stoll, Rentenbesteuerung3 Seite 62).

Der Gerichtshof hält diese Rechtsansicht für zutreffend.

§ 16 Abs. 4 BewG spricht nur von EINER Nutzung oder Leistung und zieht nicht mehrere solche Nutzungen (Leistungen) zu einem Vermögenswert zusammen. Ein derartiges Zusammenrechnen wäre mit der Zurechnung des so ermittelten Vermögenswertes an EINE bestimmte Person unvereinbar. Würden dabei doch verschieden zu bewertende und verschiedenen Personen zuzurechnende Nutzungen (Leistungen) zu einem einheitlichen Vermögenswert zusammengefaßt werden. Der Kapitalwert der Rente einer berechtigten Person würde mit dem Kapitalwert eines erst nach dem Tod des Erstberechtigten ENTSTEHENDEN Rentenanspruches einer anderen berechtigten Person (= zweitberechtigte Person) in unzulässiger Weise verschmolzen werden. Dem Beschwerdeführer kann auch nicht zugestimmt werden, wenn er meint, die dem Abgabenrecht eigentümliche wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 21 BAO) gebiete es, die vertragliche Vereinbarung mehrerer Rentenansprüche, die der Reihe nach erst entstehen, wenn der jeweils vorhergehende Bezugsberechtigte gestorben ist, gleichzusetzen der Vereinbarung EINES Rentenanspruches, der bei Ableben des zunächst Bezugsberechtigten jeweils einem anderen Bezugsberechtigten gegenüber zu erfüllen ist.

Der Kapitalwert einer Rente kann nämlich einer Person nur zugerechnet werden, wenn sie bereits über einen Rentenanspruch verfügt. Dies ist bei einer Rente mit verschiedenen Bezugsberechtigten hinsichtlich aller Berechtigten der Fall, nicht jedoch bei mehreren erst in Zukunft (möglicherweise) entstehenden Rentenansprüchen mehrerer Personen. Solche künftige Ansprüche können daher mit einem bereits entstandenen Rentenanspruch mehrerer Personen nicht gleichgesetzt werden.

Dessen ungeachtet erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Die belangte Behörde berücksichtigt nämlich jene Rentenleistungen, die im Fall des Ablebens des Beschwerdeführers an dessen Ehefrau zu entrichten wären, deswegen nicht als (zusätzlich) zu kapitalisierenden Rentenwert, weil sie in diesem Wirtschaftsgut ein solches erblickt, dessen Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung (Tod des Beschwerdeführers) abhängt, und das daher gemäß § 4 BewG erst berücksichtigt werden kann, wenn die Bedingung eingetreten ist. Aus der Sicht des Bewertungsgesetzes ist diese Rechtsauffassung zweifellos zutreffend. Fraglich erscheint aber, ob dem § 4 BewG auch im Bereich des Einkommensteuergesetzes, insbesondere im Bereich des § 29 Z. 1 EStG 1972 Bedeutung zukommt.

Gemäß § 1 Abs. 1 BewG gelten die Bestimmungen des ersten Teiles dieses Bundesgesetzes (§§ 2 bis 17), soweit sich nicht aus den abgabenrechtlichen Vorschriften oder aus dem zweiten Teil dieses Gesetzes etwas anderes ergibt, für die bundesrechtlich geregelten Abgaben und somit grundsätzlich auch für die Einkommensteuer. Hinsichtlich des § 4 BewG finden sich allerdings verschiedene Anhaltspunkte dafür, daß dieser Bestimmung zumindest im Bereich der Ermittlung der Einkünfte keine Bedeutung zukommt. Zunächst wird im § 4 Abs. 2 und im § 5 EStG 1972 normiert, daß der Gewinn nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln ist. Da zu diesen Grundsätzen zweifellos auch die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen und Lasten zählt - besonders deutlich wird dies bei der Bildung von Rückstellungen -, ist § 4 BewG im Rahmen des Bilanzsteuerrechtes nicht anwendbar. Aber auch außerhalb des Bilanzsteuerrechtes finden sich Grundsätze, die mit § 4 BewG unvereinbar wären. Dazu gehört unter anderem der häufig verwendete Begriff der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes, der insbesondere bei der Abschreibung von Wirtschaftsgütern (§§ 7 und 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972), bei der Inanspruchnahme von Investitionsbegünstigungen (§§ 8, 9, 10, 12 und 13 leg. cit.) und im Zusammenhang mit der Ermittlung des Überschusses bei Veräußerungsgeschäften im Sinne der §§ 30 und 31 leg. cit. von besonderer Bedeutung ist. Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind ohne Rücksicht darauf in voller Höhe zu berücksichtigen, ob in ihnen ein aufschiebend bedingter Anspruch enthalten ist oder nicht, weil alles, was der Erwerber eines Wirtschaftsgutes für dessen Erwerb aufwenden muß, also auch die Übernahme aufschiebend bedingter Lasten, zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes zählt.

Betrachtet man nun die Vorschriften des § 29 Z. 1 EStG 1972 so fällt auf, daß auch in der Vorgängerbestimmung des § 22 Z. 1 EStG 1967 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines gegen Leibrente veräußerten Wirtschaftsgutes als Gegenwert zu berücksichtigen waren, um jenen Teil der Rentenzahlungen zu ermitteln, der einen Vermögenszuwachs beinhaltete. Wenn auch diese Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof - wie bereits erwähnt - aufgehoben wurde, so darf doch nicht übersehen werden, daß dies deswegen geschah, weil mit dem Ansatz der Anschaffungs- oder Herstellungskosten NOCH NICHT AUSREICHEND das Ziel einer bloß den Vermögenszuwachs erfassenden Besteuerung von Gegenleistungsrenten erreicht wurde. Der Umstand, daß nach der nunmehrigen Rechtslage aus dem kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung auf den Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes zum Zeitpunkt seiner Übertragung rückgeschlossen wird, ändert nichts daran, daß eine verfassungskonforme Vorgangsweise im Sinne des § 29 Z. 1 EStG 1972 es erfordert, den Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes im wesentlichen so zu berücksichtigen, wie es seinem tatsächlichen Wert entspricht.

Mit diesem Erfordernis ist die Anwendung des § 4 BewG unvereinbar. Es lassen sich unschwer Fälle finden, in denen ein Rentenanspruch zur Gänze aufschiebend bedingt ist, was bei Anwendung des § 4 BewG zur Folge hätte, daß genau jenes, bereits wiederholt als verfassungswidrig erkannte Ergebnis eintreten würde, wonach der Wert des veräußerten Wirtschaftsgutes völlig unberücksichtigt bliebe, weil zum Zeitpunkt der Übertragung kein kapitalisierter Rentenwert und damit auch kein Gegenwert des übertragenen Wirtschaftsgutes anzusetzen wäre. Die gesamte Rente wäre daher ab ihrem Zufließen der Einkommensteuer zu unterziehen, was die vom Verfassungsgerichtshof ausdrücklich als verfassungswidrig, weil gleichheitswidrig erkannte Besteuerung von Veräußerungsgeschäften "kraft Rentenform" zur Folge hätte.

Wenn auch die einfach gesetzlichen Vorschriften nicht ausdrücklich normieren, daß § 4 BewG im Bereich des § 29 Z. 1 EStG 1972 nicht zu berücksichtigen ist, so ergibt sich doch aus der dargelegten Rechtsentwicklung und in Beachtung des Erfordernisses einer verfassungskonformen Interpretation, daß dies der Fall ist. Daraus folgt, daß der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig ist und daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen zur Bewertung der streitgegenständlichen Rentenverpflichtung sieht sich der Gerichtshof noch zu folgendem Hinweis für das fortzusetzende Verfahren veranlaßt:

Es wurde bereits dargelegt, daß im Beschwerdefall keine einheitliche Rente, sondern mehrere aufeinander folgende Renten vorliegen. Um den kapitalisierten Wert dieser Renten insgesamt zu ermitteln, ist nach Ansicht des Gerichtshofes jede der Renten gesondert zu kapitalisieren und der Rentenwert zu addieren. Dabei ist die Fiktion des § 16 Abs. 2 BewG bezüglich der Lebenserwartung des Rentenberechtigten konsequent zu beachten; dies bedeutet:

Zunächst ist der kapitalisierte Wert der Rentenverpflichtung in bezug auf die Person des Beschwerdeführers zu ermitteln:

25.000 x 12 x 5 = 1,500.000.

Sodann ist der kapitalisierte Wert der Rentenverpflichtung in bezug auf die Ehefrau des Beschwerdeführers zu ermitteln, wobei entsprechend der Fiktion des § 16 Abs. 2 BewG als Lebensalter jenes anzusetzen ist, das die Ehefrau zum Zeitpunkt des zu erwartenden Ablebens des Beschwerdeführers haben wird. Aus dem in den Verwaltungsakten befindlichen Kaufvertrag geht hervor, daß das Lebensalter der Ehefrau des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Veräußerung 59 Jahre betragen hat. Erhöht man dieses Alter um fünf Jahre (= Lebenserwartung des Beschwerdeführers), so beträgt das für den kapitalisierten Wert maßgebende Alter der Ehefrau des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seines fiktiv anzunehmenden Todes 64, was einem Faktor von 9 entspricht.

16.667 (= 2/3 der Rente des Beschwerdeführer) x 12 x 9 = 1,800.000.

Kapitalisierter Wert der Rentenverpflichtung somit insgesamt: S 3,300.000,--.

Erst sobald dieser summierte kapitalisierte Rentenwert durch die laufend bezahlten Renten überschritten wird, sind diese gemäß § 29 Z. 1 EStG 1972 einkommensteuerlich zu erfassen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Soweit Stempelgebührenaufwand durch das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof verursacht wurde, war er nicht zu ersetzen, weil Ersatz nur für solchen Aufwand gebührt, der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entstanden ist (§ 48 VwGG).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1989140289.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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