TE Vwgh Beschluss 1994/3/8 93/14/0174

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Veröffentlicht am 08.03.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1007;
BAO §103 Abs1;
BAO §103 Abs2;
BAO §213;
BAO §224;
BAO §7 Abs1;
BAO §83 Abs1;
BAO §83 Abs2;
ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, in der Beschwerdesache des F und des Dr. M in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Haftung für Abgabenschulden, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit jeweils getrennt ausgefertigten, am 22. Februar 1993 den Beschwerdeführern zugestellten Bescheiden nahm das Finanzamt die Beschwerdeführer nach §§ 9 und 80 BAO als Haftende für Abgabenschulden einer GmbH & Co KG in Anspruch.

Am 19. März 1993 langte beim Finanzamt eine, vom auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einschreitenden Rechtsanwalt verfaßte Berufung gegen die eben erwähnten Bescheide ein, in deren Rubrum die Worte "VM erteilt" aufscheinen. Eine Urkunde über die Bevollmächtigung (in der Folge: Urkunde) wurde nicht vorgelegt.

Mit (wiederum) jeweils getrennt ausgefertigten, am 7. Mai 1993 den Beschwerdeführern persönlich zugestellten Berufungsvorentscheidungen, in denen der einschreitende Rechtsanwalt als Vertreter bezeichnet wurde, wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

In der am 30. September 1993 zur Post gegebenen Beschwerde wird Verletzung der Entscheidungspflicht wegen Nichterledigung der Berufung gegen die Bescheide betreffend Haftung für Abgabenschulden geltend gemacht.

Mit am 17. November 1993 der belangten Behörde zugestellten Verfügung leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren ein, in der er die belangte Behörde aufforderte, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

In ihrer innerhalb offener Frist eingebrachten Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Ansicht, über die Berufung gegen die Bescheide betreffend Haftung für Abgabenschulden sei bereits mit den am 7. Mai 1993 den Beschwerdeführern zugestellten Berufungsvorentscheidungen entschieden worden. Mangels Vorlage einer Urkunde durch den Rechtsanwalt sei das Finanzamt davon ausgegangen, daß dieser zwar bevollmächtigt sei, die Beschwerdeführer zu vertreten, nicht jedoch, daß diesem alle Erledigungen zuzustellen seien. Im Rubrum der Berufung finde sich auch kein Hinweis auf eine Zustellungsbevollmächtigung. Aus den Worten "VM erteilt" sei nicht erkennbar, ob die Bevollmächtigung lediglich für die Einbringung der Berufungen oder zur allgemeinen Vertretung in den Haftungsverfahren gelten sollte. Sei die Bevollmächtigung lediglich für die Einbringung der Berufungen erteilt worden, dann sei die Zustellung der Berufungsvorentscheidungen an die Beschwerdeführer zulässig gewesen, weswegen diesfalls von einer Säumnis keine Rede sein könne. Selbst auf Anfrage des Finanzamtes vom 1. Dezember 1993 über den Umfang der Bevollmächtigung habe der Rechtsanwalt NUR auf § 8 Abs 1 letzter Satz RAO verwiesen und behauptet, die Berufungsvorentscheidungen seien ihm nicht zugekommen. Sollte jedoch davon ausgegangen werden, daß dem Rechtsanwalt auch eine Zustellungsbevollmächtigung erteilt worden sei, weswegen die Zustellung der Berufungsvorentscheidungen an die Beschwerdeführer zu Unrecht erfolgt sei, sei dieser Zustellmangel durch die am 17. Dezember 1993 erfolgte Zustellung der Berufungsvorentscheidungen an den Rechtsanwalt geheilt worden. Die Verzögerung der Erledigung sei diesfalls ausschließlich auf das Verschulden der Beschwerdeführer zurückzuführen, weil diese die Abgabenbehörde nicht vom Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung für den einschreitenden Rechtsanwalt informiert hätten bzw den allenfalls dadurch entstandenen Zustellmangel nicht durch die Übermittlung der ihnen zugestellten Berufungsvorentscheidungen an den Rechtsanwalt selbst geheilt hätten.

Unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragt die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung (richtig wohl: Zurückweisung) der Beschwerde, in eventu im Fall der Einstellung des Verfahrens wegen Nachholung des versäumten Bescheides § 55 Abs 1 VwGG nicht anzuwenden, weil die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Beschwerdeführer zurückzuführen sei.

In der zu dieser Gegenschrift erstatteten Replik wird darauf hingewiesen, der Rechtsanwalt habe sich in der Berufung ausdrücklich auf die bestehende Bevollmächtigung berufen und sei dies nach § 8 Abs 1 letzter Satz RAO ausreichend. Die Vorlage einer Urkunde sei nicht erforderlich. Die einem Rechtsanwalt erteilte Bevollmächtigung schließe jedenfalls eine Zustellungsbevollmächtigung ein. Das Finanzamt habe die im Vollmachtsnamen erhobene Berufung in der Sache selbst behandelt, sei also davon ausgegangen, daß ein Vollmachtsverhältnis bestehe.

Im Beschwerdefall ist zu prüfen, ob die Berufungsvorentscheidungen, die wie Entscheidungen über die Berufung wirken, den Beschwerdeführern bereits am 7. Mai 1993 rechtswirksam zugestellt worden sind. Ist diese Frage zu bejahen, dann wäre über die Berufung, von der in der Beschwerde behauptet wird, sie sei noch nicht erledigt, bereits vor Einbringung der Beschwerde entschieden worden, weswegen eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorläge.

Nach § 83 BAO können sich die Parteien durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich mit einer Urkunde auszuweisen haben. Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich nach der Urkunde.

Gemäß § 8 Abs 1 letzter Satz RAO ersetzt vor allen Gerichten und Behörden die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.

Es genügt daher bei Einschreiten eines Rechtsanwaltes vor der Abgabenbehörde der Hinweis auf die erfolgte Bevollmächtigung. Einer Urkunde bedarf es nicht.

Aus dem Hinweis auf dem Rubrum der Berufung "VM erteilt" ist nicht erkennbar, ob auch eine ausdrückliche Zustellungsbevollmächtigung erteilt worden ist. Eine an sich unbeschränkte Bevollmächtigung schließt aber stets die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken einer Abgabenbehörde ein (vgl das hg Erkenntnis vom 1. Dezember 1986, 85/15/0149).

Gemäß § 103 Abs 2 BAO ist eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle, dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zug eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 leg cit zusammengefaßt verbucht wird.

Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (162 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP S 12) ist zu entnehmen, daß die gegenüber den sonstigen Bestimmungen des Entwurfes des Zustellgesetzes einschränkende Regelung des § 103 Abs 2 BAO im Hinblick auf die in Massen ergehenden, weitgehend unter Einsatz der EDV-Anlage des Bundesrechenamtes erstellten Erledigungen notwendig erscheint.

In den Fällen des § 103 Abs 2 BAO ist die Abgabenbehörde daher nur dann zur Zustellung von Erledigungen an einen (gewillkürten) Vertreter verpflichtet, wenn dieser die ausdrückliche Erklärung abgibt, daß alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen dem Bevollmächtigten zuzustellen sind (vgl den hg Beschluß vom 20. November 1990, 90/14/0003), die im Zug eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefaßt verbucht wird (hier § 213 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 BAO). Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Rechtsanwalt einschreitet. Auch dieser muß ungeachtet des Umstandes, daß die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, auf Grund des im Abgabenverfahren anzuwendenden § 103 Abs 2 BAO eine Erklärung hinsichtlich der Zustellungsbevollmächtigung abgeben, ansonsten die Abgabenbehörde nicht verpflichtet ist, Erledigungen dem Bevollmächtigten zuzustellen.

Abgesehen davon handelt es sich bei der Geltendmachung von Haftungen gemäß § 224 BAO um Erledigungen im Einhebungsverfahren iSd § 103 Abs 1 BAO (§ 224 BAO findet sich im 6. Abschnitt der Bundesabgabenordnung, der von der Einhebung der Abgaben handelt). Das Finanzamt war daher nach dieser Gesetzesstelle aus Zweckmäßigkeitsgründen trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung zur unmittelbaren Zustellung der Berufungsvorentscheidungen an die Beschwerdeführer als Vollmachtgeber berechtigt, handelte es sich doch auch bei diesen Erledigungen um solche im Einhebungsverfahren (vgl den hg Beschluß vom 24. November 1993, 92/13/0288). Daß Zweckmäßigkeitsgründe nicht vorgelegen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht. Das Vorliegen solcher durfte das Finanzamt schon im Hinblick auf die bei ihm entstandenen Zweifel am Bestand oder am Umfang einer Zustellungsbevollmächtigung als gegeben annehmen.

Das Finanzamt war daher nicht verpflichtet, die Berufungsvorentscheidungen dem Rechtsanwalt zuzustellen, weswegen deren bereits am 7. Mai 1993 erfolgte Zustellung an die Beschwerdeführer rechtswirksam gewesen ist.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zur Beschwerdeerhebung (§ 27 VwGG) gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993140174.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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