TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/6 94/20/0256

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Veröffentlicht am 06.07.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Oktober 1993, Zl. 4.335.869/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, ist am 4. Februar 1992 nach Österreich eingereist. Er hat am 25. Februar 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt.

In der Vernehmung durch die Behörde erster Instanz am 29. Februar 1992 gab der Beschwerdeführer insbesondere an, keinen Verfolgungen aus politischen oder religiösen Gründen, jedoch als Angehöriger der kurdischen Minderheit in der Türkei Verfolgungen und Unterdrückungen ausgesetzt gewesen zu sein.

Wegen Unruhen in Tunceli habe er 1978 nach Aydin übersiedeln müssen, weil sein Vater die ständigen Hausdurchsuchungen durch die Soldaten und die Polizei nicht mehr ertragen habe können. In Aydin seien die Kurden jedoch nicht von der türkischen Bevölkerung aufgenommen worden; er habe keinen geregelten Arbeitsplatz bekommen. In den letzten zwei Jahren habe die Polizei auf der Straße immer wieder Ausweiskontrollen durchgeführt. Wenn durch Einsicht in den Ausweis ersichtlich geworden sei, daß der Beschwerdeführer aus Tunceli stammte, habe er "gleich ein paar Ohrfeigen" bekommen.

Da er dies nicht länger ertragen wollte, habe er sich entschlossen, die Türkei zu verlassen und nach Österreich zu gehen.

Mit Bescheid vom 3. April 1992 wurde der Antrag des Beschwerdeführers im Hinblick darauf, daß keine einwandfreien Anhaltspunkte für das Zutreffen der Behauptungen gegeben seien, abgewiesen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die Berufung abgewiesen und festgestellt wurde, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers die "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne des § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 nicht gegeben sei. Die allgemeine Situation, in der sich die kurdische Bevölkerung in der Türkei befinde, genüge für sich allein für die Gewährung des Asyls nicht. Für die Asylgewährung bedürfte es einer gegen den Asylwerber persönlich gerichteten Benachteiligung. Eine Bedrohung der Rechtsgüter des Beschwerdeführers durch gegen ihn gerichtete staatliche Maßnahmen oder durch die Androhung solcher Maßnahmen sei nicht gegeben. Das allgemeine Mißtrauen, die polizeilichen Belästigungen und die allgemeinen Benachteiligungen träfen den Großteil der kurdischen Bevölkerung in der Türkei in ähnlicher Weise und richteten sich nicht speziell gegen die Person des Beschwerdeführers.

Die Benachteiligungen könnten zudem nicht als für die Asylgewährung genügend intensive Eingriffe gesehen werden.

Zu der geltend gemachten Arbeitslosigkeit bzw. den generell schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen wird ausgeführt, daß diese Folgen der schlechten allgemeinen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten seien und nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 qualifizierbar seien.

Im Zusammenhang mit Ausweiskontrollen durch die Polizei angeblich erlittene Mißhandlungen stellten keinen ernsthaften Nachteil im Sinne des Asylgesetzes 1991 dar.

Die belangte Behörde ging auch auf das Berufungsvorbringen, in welchem weitere Sachverhaltselemente angeführt sind, die zur Begründung des Antrages angeführt wurden, ein.

Die belangte Behörde führt dazu zusammenfassend aus, daß diesen Angaben die Glaubwürdigkeit mangle.

Schließlich geht die belangte Behörde auch eingehend auf die Tätigkeit der PKK, welche der Beschwerdeführer seinen Angaben in der Berufung zufolge unterstützt hat, ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Beschwerdeführer zum Kostenersatz zu verhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da das Berufungsverfahren am 1. Juni 1992 vor dem Bundesminister für Inneres anhängig war, ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß das Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen ist.

Aus § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 folgt insbesondere, daß auf das Berufungsvorbringen, soweit es die Behauptung neuer Fluchtgründe enthält, nicht Bedacht zu nehmen ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0774 und vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0789). Soferne der Asylwerber keine Umstände aufzeigt, auf Grund derer die Sachverhaltsermittlung der Behörde erster Instanz im Hinblick auf die vom Asylwerber gemachten Angaben sich als ungenügend erweist, kann die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung von dem entsprechend den Angaben des Asylwerbers in der ersten Instanz von der Behörde erster Instanz erhobenen Sachverhalt ausgehen.

Im Beschwerdefall ist somit von ausschlaggebender Bedeutung, ob die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Vernehmung am 29. Februar 1992 richtig gewürdigt hat und ob die diesbezüglichen Sachverhaltsermittlungen ausreichend sind.

In diesem Zusammenhang kommt den Ausführungen im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der allgemein die kurdische Bevölkerung in der Türkei treffenden Benachteiligungen und der Würdigung der ins Treffen geführten Ausweiskontrollen und Mißhandlungen ausschlaggebende Bedeutung zu.

Es kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit es im Hinblick auf die schlechte Aufnahme in Aydin die allgemeine Situation der Kurden geltend macht, keine Relevanz im Hinblick auf das Asylgesetz 1991 beimißt.

Auch die Wertung der angeführten Ausweiskontrollen, die zwar zweifelsohne den Beschwerdeführer selbst getroffen haben (und nicht nur die kurdische Bevölkerung allgemein), kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenngleich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch Festnahmen, Verhöre unter Mißhandlungen oder unter Anwendung von Foltermethoden konkrete Verfolgungshandlungen darstellen, die eine Furcht vor weiterer Verfolgung als wohlbegründet erkennen lassen können (vgl. in diesem Sinne beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 7. November 1990, Zl. 90/01/0138), so unterscheiden sich die im vorliegenden Fall vorgebrachten (willkürlichen) Ausweiskontrollen doch signifikant von einer bewußt gegen bestimmte Personen gerichteten Verhaftung oder Verhören. Aufgrund der geltend gemachten Vorfälle kann daher nicht auf das Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 geschlossen werden.

Da somit die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200256.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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