TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/5 94/15/0001

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Veröffentlicht am 05.10.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §101 Abs3;
BAO §81 Abs1;
BAO §81 Abs2;
ZustG impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Dr. H in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 5. November 1993, Zl. B 187-3/92, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Kalenderjahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein öffentlicher Notar, unterhielt zusammen mit dem öffentlichen Notar Dr. R eine Kanzleigemeinschaft. Am 24.11.1989 teilte der gemeinsame Steuerberater dem Finanzamt die Auflösung dieser Kanzleigemeinschaft per 31.10.1989 mit.

Am 22.3.1991 erließ das Finanzamt einen Bescheid, in dem einerseits für das Jahr 1989 Umsatzsteuer festgesetzt und andererseits die im Kalenderjahr 1989 erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO festgestellt wurden. Seine Zustellung erfolgte am 26.3.1991 dergestalt, daß der Erstadressat die Sendung persönlich übernahm und die Bescheidausfertigung in der Folge auch dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist. Dies ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig. Der Bescheid blieb unbekämpft.

Ungeachtet dessen bestellte das Finanzamt in der Folge mit Bescheid vom 27. Juni 1991 Dr. R als Vertreter für die "Kanzleigemeinschaft Dr. R-Dr. H.

Am 12.10.1992 erließ das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer als "ehemaligen Gesellschafter der Kanzleigemeinschaft Dr. R/Dr. E" einen Bescheid, mit dem wiederum die im Kalenderjahr 1989 erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO festgestellt wurden.

Dagegen berief der Beschwerdeführer unter anderem mit dem Argument, es sei bereits mit dem Bescheid vom 22.3.1991 anläßlich der Betriebsaufgabe der Kanzleigemeinschaft mit 31.10.1989 der Aufgabegewinn festgestellt worden. Nunmehr werde der Versuch unternommen, in ein bereits rechtskräftiges Abgabenverfahren neu einzugreifen.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat zur Frage der Bedeutung des Bescheides des Finanzamtes vom 22.3.1991 unter Hinweis auf die

hg. Erkenntnisse vom 20. März 1989 Zl. 88/15/0131,

4. April 1990, Zl. 89/13/0059 und 27. Juni 1991, Zl. 91/13/0002 die Auffassung, daß der genannte Bescheid als Feststellungsbescheid, der nicht an einen gemäß § 81 BAO Vertretungsbefugten zugestellt worden sei, gar nicht erlassen und daher rechtlich nicht existent geworden sei. Es habe, weil weder eine vertretungsbefugte Person namhaft gemacht noch vom Finanzamt bestellt worden sei, an der zwingend geforderten Zustellung an eine für die Gemeinschaft vertretungsbefugte Person gefehlt. Für eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO habe daher kein Raum bestanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich u.a. in seinem Recht darauf verletzt, daß in die Rechtskraft des Bescheides vom 22.3.1991 nicht eingegriffen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Feststellungsbescheid vom 22. März 1991 dem Rechtsbestand angehört und somit die (neuerliche) Erlassung eines Feststellungsbescheides im selben Gegenstand unzulässig war. Sachverhaltsbezogen besteht Übereinstimmung darüber, daß der Bescheid beiden Mitgliedern der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit zugestellt wurde, wobei die Ausfertigung vom Bescheidadressaten Dr. R persönlich übernommen wurde und in der Folge dem Beschwerdeführer tatsächlich zukam (vgl. den - letzteren betreffend - § 7 ZustG).

Die belangte Behörde vertritt unter Berufung auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1989, Zl. 88/15/0131, vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0059, und vom 27. Juni 1991, Zl. 91/13/0002, die Auffassung, daß (ungeachtet einer den Vorschriften des Zustellgesetzes entsprechenden Zustellung des Bescheides an beide Mitglieder der Personengemeinschaft) der Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden sei, weil er keiner gemäß § 81 BAO von der Personengemeinschaft namhaft gemachten bzw. vom Finanzamt bestellten Person zugestellt worden sei.

Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.

Die Vertretung von Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit ist in § 81 BAO geregelt. Danach sind zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten einer Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, die (d.h. sämtliche) Gesellschafter bzw. Mitglieder berufen (vgl. § 81 Abs. 1 BAO); gegebenenfalls

-

unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 leg. cit. - haben die nach Abs. 1 zur Vertretung Berufenen gegenüber der Abgabenbehörde eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen. Im Beschwerdefall lag weder ein Fall des Abs. 2 vor noch waren - im Sinne des im § 81 Abs. 1 BAO bezogenen ersten Falles - bestimmte Mitglieder der Personengemeinschaft zur Führung der Geschäfte bestellt. "Vertreter" der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit waren somit im Sinne des § 81 Abs. 1 BAO zweiter Fall ihre beiden Mitglieder. Ein Sachverhalt, der dem § 9 Abs. 1 ZustG zu unterstellen wäre, ist im Beschwerdefall nicht ersichtlich. Der Bescheid vom 22. März 1991 konnte somit mit der Wirkung seiner Erlassung an Dr. R und den Beschwerdeführer zugestellt werden, weil es sich bei diesen Personen um sämtliche Gesellschafter (Mitglieder) der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 81 Abs. 1 BAO zweiter Fall handelte.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ergibt sich auch aus § 101 Abs. 3 BAO - und der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nichts anderes. § 101 Abs. 3 BAO normiert nur eine Zustellfiktion, die der Vereinfachung der Zustellung an Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit dienen soll. Die Vorschrift zwingt die Behörde jedoch nicht, von der Fiktion Gebrauch zu machen; sie hindert insbesondere nicht eine anderweitig wirksame, etwa

-

wie dargelegt - in der Zustellung an sämtliche Mitglieder der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit bestehende Zustellung von an die Personengemeinschaft gerichteten Bescheiden.

Auch der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, nichts Gegenteiliges entnommen werden: Die Erkenntnisse vom 20. März 1989, Zl. 88/15/0131, und vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0059, betreffen Fälle, in denen der Feststellungsbescheid (lediglich) einem Mitglied einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, das weder als Vertreter namhaft gemacht noch von der Abgabenbehörde als Vertreter bestellt worden war bzw. dessen steuerlichem Vertreter zugestellt worden war. Das Erkenntnis vom 27. Juni 1991, Zl. 91/13/0002, betrifft einen Fall, in dem einem Feststellungsbescheid, der einem im Sinne des § 81 Abs. 2 BAO bestellten Vertreter einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit zugestellt worden war, deshalb keine Wirkung zukam, weil eines der Mitglieder der Personengemeinschaft nicht voll handlungsfähig und kein Sachwalter bestellt war.

Die belangte Behörde hat daher mit ihrer Auffassung, der Bescheid vom 22. März 1991 gehöre nicht dem Rechtsbestand an, das Gesetz verkannt; sie hat infolge ihrer verfehlten Rechtsansicht nicht erkannt, daß der Erlassung eines neuerlichen Feststellungsbescheides betreffend die Einkünfte des Jahres 1989 die Rechtskraft des ersterwähnten Bescheides, der weder von der Oberbehörde behoben noch im Zuge eines Wiederaufnahmsverfahrens aufgehoben worden war, entgegenstand.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz für Stempelgebühren war dem Beschwerdeführer nur betreffend die Beschwerdeschrift in dreifacher Ausfertigung und die beigelegte Berufungsentscheidung zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994150001.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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