TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/29 90/10/0041

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Veröffentlicht am 29.03.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs6;
AVG §63 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VStG §64 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/10/0090

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerden der S in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide 1. (zu Zl. 90/10/0041) des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Dezember 1989, Zl. SanRB-4933/3-1989-Hau/Dau, betreffend Übertretung nach § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 314/1974 und

2. (zu Zl. 90/10/0090) der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. Februar 1990, Zl. Pol.-4577/3-1989 Kü/S/Rei, betreffend Übertretung nach dem Oberösterreichischen Polizeistrafgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. Mai 1989 wurde die Beschwerdeführerin wegen übertretung des § 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 9. Mai 1974, BGBl. Nr. 314, und des § 2 Abs. 3 lit. a des Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979, bestraft.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Anwalt der Beschwerdeführerin Berufung ein.

Die belangten Behörden beauftragten die Bundespolizeidirektion Linz mit ergänzenden Erhebungen.

Anläßlich einer Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Linz am 4. bzw. 5. Juli 1989 erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe das Vertretungsverhältnis mit ihrem Anwalt gelöst und sei daher derzeit nicht anwaltlich vertreten. Sie habe ihren Anwalt nicht beauftragt, eine Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom vom 5. Mai 1989 einzubringen. Sie habe daher keine Kenntnis davon gehabt, daß gegen dieses Straferkenntnis überhaupt eine Berufung eingebracht worden sei. Es wundere sie, daß der Anwalt eine Berufung eingebracht habe, ohne die Beschwerdeführerin davon in Kenntnis zu setzen. Das Vertretungsverhältnis mit dem Anwalt habe sie deshalb gelöst, weil sie das Gefühl gehabt habe, daß er sich nicht entsprechend um sie kümmere und daß sie bei ihm bzw. von ihm nicht gut vertreten werde. Weitere Verfahrensschritte werde sie selbst unternehmen. Sie wolle auf die einzelnen Anschuldigungspunkte des Strafverfahrens bzw. des Straferkenntnisses gar nicht eingehen und daher keine Aussagen machen. Sie lege nämlich auf die vom Anwalt ohne ihr Wissen eingebrachte Berufung keinen Wert, denn sie habe gegen dieses Straferkenntnis gar nicht berufen wollen. Sie erkläre hiemit ausdrücklich, daß sie diese Berufung zurückziehe.

In der Folge teilte der Anwalt der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 21. September 1989 der Bundespolizeidirektion Linz mit, das Vollmachtsverhältnis sei weder von der Beschwerdeführerin selbst noch vom Anwalt mündlich oder schriftlich aufgelöst worden. Die fristgerecht eingebrachte Berufung werde keinesfalls zurückgezogen. Die Beschwerdeführerin sei ohne Beiziehung ihres Rechtsbeistandes vorgeführt und es sei ihr eine Unterschrift abverlangt worden. Dieser Termin sei nicht von der Beschwerdeführerin oder ihrem Rechtsbeistand beantragt, erbeten oder provoziert worden. Die Beschwerdeführerin habe den unterschriebenen Text nicht verstanden und diesen ohne Möglichkeit zur Rücksprache mit ihrem Rechtsbeistand unterfertigt, weil sie den Eindruck gewonnen habe, daß damit die gegenständliche Rechtssache ohne weitere Rechtsfolgen abgeschlossen wäre.

Bei einer weiteren Vernehmung am 4. Oktober 1989 gab die Beschwerdeführerin bei der Bundespolizeidirektion Linz persönlich an, etwa Anfang Juli 1989 habe ihr Lebensgefährte mit ihrem Rechtsvertreter ein Telefongespräch geführt und diesem bekanntgegeben, daß die Beschwerdeführerin nicht mehr von ihm vertreten sein wolle und daß er daher nichts mehr für sie tun brauche. Der Anwalt sei darüber offensichtlich nicht recht erfreut gewesen und habe sie in sein Büro gebeten. Einige Wochen später sei die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten bei ihrem Anwalt gewesen und habe mit ihm vereinbart, daß nun doch das Vertretungsverhältnis aufrecht bleiben solle. Wenn sie auf die Niederschrift vom 5. Juli 1989 angesprochen werde, so erkläre sie, daß eben damals vorher ihr Lebensgefährte mit dem Rechtsanwalt gesprochen habe und die Beschwerdeführerin daher davon ausgegangen sei, daß das Vertretungsverhältnis gelöst sei. Nach dem neuerlichen Gespräch mit dem Rechtsanwalt erkläre sie aber nun, daß sie derzeit doch von ihrem Anwalt vertreten werde.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1989 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis, soweit es die Übertretung nach § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 314/1974, betraf, ab und verpflichtete die Beschwerdeführerin, einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu entrichten.

Mit Bescheid vom 26. Februar 1990 setzte die Oberösterreichische Landesregierung die Strafe wegen Übertretung des Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes herab und wies im übrigen die Berufung als unbegründet ab, wobei der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses neu gefaßt wurde.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen jeweils Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die belangten Behörden haben die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über sie erwogen:

Die Zurücknahme einer Berufung ist ebenso wie ein Rechtsmittelverzicht eine unwiderrufliche Prozeßerklärung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1972, Slg. N.F. 4466/F u. a.).

Ob die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt, da sie die Zurückziehung der Berufung erklärte, anwaltlich vertreten war oder nicht, spielt keine Rolle. Nach § 10 Abs. 6 AVG schließt die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt. Davon abgesehen hat die Beschwerdeführerin am 4. Oktober 1989 bei der Bundespolizeidirektion Linz noch einmal bestätigt, daß sie bei ihrer Vernehmung am 5. Juli 1989 davon ausging, daß sie nicht anwaltlich vertreten war. Die die Berufungszurückziehung enthaltende Niederschrift vom 5. Juli 1989 gibt wieder, was die Beschwerdeführerin selbst gesagt hat. Die Aussage ist völlig klar und eindeutig. Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 21. September 1989 aufgestellte Behauptung, die Beschwerdeführerin habe den unterschriebenen Text nicht verstanden, grenzt daher an Mutwillen.

War aber die Berufung wirksam zurückgezogen, dann durften die belangten Behörden die Berufung nicht abweisen, sondern mußten die von der Beschwerdeführerin nach der Zurückziehung der Berufung durch die Erklärung des Widerrufs dieser Zurückziehung aufrechterhaltene Berufung zurückweisen. Die inhaltliche Entscheidung über die Berufung macht die angefochtenen Bescheide objektiv rechtswidrig. Dies führt im Falle des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich auch zu einer Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin, da ihr Kosten des Berufungsverfahrens auflegt wurden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Oktober 1993, Zl. 92/08/0138, vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/04/0278 u.a.).

Hingegen wurde die Beschwerdeführerin dadurch, daß die oberösterreichische Landesregierung über ihre Berufung inhaltlich entschied, nicht in ihren Rechten verletzt, da ihr keine Verfahrenskosten auferlegt wurden (vgl. die

hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 1987, Zl. 86/03/0158; vom 23. Dezember 1987, Zl. 87/18/0086, vom 25. Oktober 1994, Zl. 93/08/0033 u.v.a.).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Hingegen erweist sich die Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1990100041.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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