TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/31 94/01/0795

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Veröffentlicht am 31.05.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Z in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Oktober 1994, Zl. 4.172.870/3-III/13/92, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. September 1982 wurde der Beschwerdeführer - ein polnischer Staatsangehöriger - als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt. Das Bundesasylamt hat jedoch dem Beschwerdeführer gegenüber mit Bescheid vom 17. August 1992 "gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991 in Verbindung mit Artikel 1 Abschnitt C Z 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, festgestellt, daß Sie das Ihnen zuerkannte Recht auf Asyl verlieren". In Erledigung der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Oktober 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers "die im Artikel 1 Abschnitt C Ziffern 1 und 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Tatbestände eingetreten sind".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß 1. ihm in einem anderen Staat Asyl gewährt wurde; 2. ihm in einem anderen Staat ein dauerndes Aufenthaltsrecht gewährt wurde; 3. hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist. Auf Grund des § 5 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ist eine Feststellung gemäß Abs. 1 mit Bescheid der Asylbehörde von Amts wegen zu treffen.

Die belangte Behörde hat gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers nicht nur - wie auch bereits die Erstbehörde (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1995, Zlen. 94/01/0705 bis 0707) - den Eintritt des in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern darüber hinaus den Eintritt des in Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestandes festgestellt. Damit erhebt sich die Frage, ob die belangte Behörde insoweit die "Sache", in der sie gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu entscheiden hatte, überschritten hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A) ist unter diesem Begriff die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, zu verstehen, wobei der Akzent auf der "Angelegenheit" im Sinne der "in Verhandlung stehenden Angelegenheit", die der Spruch zu erledigen hat (§ 59 Abs. 1 AVG), und nicht auf dem verbalen "Inhalt des Spruches" liegt. Unter diesem Bezug kann die "Sache" nicht generell, sondern nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, die die konkrete Verwaltungssache bestimmt, eruiert werden.

Die im Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände lassen es jeder für sich allein - mit den die Z. 5 und 6 betreffenden Ausnahmen, die hier nicht zutreffen - als gerechtfertigt erscheinen, daß - wie es darin ausdrücklich heißt - dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden wird. Es handelt sich hiebei um Fallkonstellationen, denen der Eintritt von Umständen gemeinsam ist, auf Grund derer der auf der Flüchtlingseigenschaft einer Person beruhende, auf deren Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung ausgerichtete Zweck und dementsprechend das damit verbundene Sicherheitsbedürfnis der betreffenden Person weggefallen ist. Dem wurde sowohl im § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991, wonach einem Flüchtling unter anderem kein Asyl gewährt wird, wenn er unter Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention fällt, als auch im § 5 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. - wie bereits vorher im § 3 Asylgesetz (1968) - Rechnung getragen. Gegenstand des von der Erstbehörde auf Grund der bei ihr am 31. Juli 1992 eingelangten "Meldung" der Grenzkontrollstelle des Zollamtes W vom 18. Mai 1992 und der mit dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Linz, Fremdenpolizeiliches Referat, aufgenommene Niederschrift vom 28. Juli 1992 von Amts wegen eingeleiteten Verwaltungsverfahrens war die Prüfung der Frage, ob im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers einer der im Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist, und die Erstbehörde hatte im Falle des Vorliegens eines dieser Tatbestände bescheidmäßig dessen Eintritt - mit der Wirkung, daß ein derartiger Ausspruch ex lege den Verlust des Asyls nach sich zieht (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu den Zlen. 94/01/0705 bis 0707) - festzustellen. Der Umstand, daß nicht schon die Erstbehörde auf Grund der angeführten Unterlagen unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vor ihr am 17. August 1992 in diesem Zusammenhang niederschriftlich gemachten Angaben, deren wesentlichen Inhalt sie in ihrem Bescheid lediglich wiedergegeben hat, auch den Eintritt des Tatbestandes nach Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention angenommen, sondern sich abschließend dazu nicht geäußert hat, vermag daran nichts zu ändern, daß die "in Verhandlung stehende Angelegenheit", die der Spruch zu erledigen hatte, jedenfalls auch der (ihrer Beurteilung obliegende) Eintritt dieses Tatbestandes war. Ein Verstoß der belangten Behörde gegen die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG liegt daher diesbezüglich nicht vor.

Die belangte Behörde ging auf Grund der "Meldung" vom 18. Mai 1992 davon aus, daß der Beschwerdeführer an diesem Tag um 0.10 Uhr mit einem dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kleinbus bei der Grenzkontrollstelle W in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und sich mit einem von der Bezirkshauptmannschaft Baden am 9. Februar 1983 ausgestellten, bis 6. April 1994 gültigen Konventionsreisedokument ausgewiesen habe. In seiner Begleitung habe sich seine Frau, die im Besitz eines polnischen Reisepasses mit Wiedereinreisesichtvermerk gewesen sei, befunden. Laut seinen eigenen Angaben sei der Beschwerdeführer geschäftlich in Polen gewesen. Den Grenzübertrittstempeln zufolge habe er sich schon mehrmals in Polen aufgehalten. Der Geltungsbereich des Konventionsreisedokumentes habe sich nicht auf Polen erstreckt. Nachdem der Beschwerdeführer Ladungen der Bundespolizeidirektion Linz, Fremdenpolizeiliches Referat, nicht Folge geleistet habe bzw. sich durch seinen Vertreter habe entschuldigen lassen, sei ihm am 28. Juli 1992 der sich aus dieser "Meldung" ergebende Sachverhalt vorgehalten worden. Im Zuge dieser niederschriftlichen Einvernahme habe der Beschwerdeführer behauptet, daß ein Mißverständnis vorliege, weil er bei seinem Grenzübertritt am 18. Mai 1992 gemeint habe, der Beamte begehre mit der Frage, von wo er denn käme, zu wissen, Staatsbürger welchen Landes er sei, weshalb er "aus Polen" geantwortet habe. Daß in seinem Konventionsreisedokument polnische Grenzstempel angebracht seien, sei unrichtig. Er könne jedoch nicht mehr beweisen, daß seine Behauptung den Tatsachen entspreche, weil er dieses Reisedokument am 26. Juli 1992 in H verloren habe. Dies habe er auf dem Polizeirevier in H angezeigt, wofür er dessen schriftliche Bestätigung vom selben Tag vorlege. Er sei geschäftlich sehr viel im Ausland unterwegs, jedoch nie nach Polen gereist. Er sei bei einem näher genannten Import-Export-Unternehmen beschäftigt, welches Niederlassungen in der Bundesrepublik Deutschland und der CSFR, für welche Gebiete er zuständig sei, sowie in Polen habe. Er nehme auch Bestellungen von Polen entgegen, die über Fax zu ihm nach Hause gelangten, und gebe diese weiter. Bestimmte Speditionen lieferten die Ware nach Polen; somit hätte er keinen Grund, nach Polen zu reisen. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 17. August 1992 habe der Beschwerdeführer dazu im wesentlichen ausgeführt, daß es beim Grenzübertritt am 18. Mai 1992 vermutlich zu einem Mißverständnis gekommen sei, weil er den Beamten habe klar machen wollen, daß er diese Reise trotz des derzeit ungültigen Passes (in bezug darauf, daß sich das Foto darin in einem losen Zustand befunden habe) habe antreten müssen, da er in Prag eine geschäftliche Verabredung gehabt habe. Der Beamte dürfte jedoch irrtümlich angenommen haben, daß der Beschwerdeführer nach Polen gereist sei. Zur Behauptung, in seinem Paß hätten sich polnische Grenzübertrittstempel befunden, habe er angegeben, "daß sich das Grenzorgan geirrt haben dürfte, da ich nie nach Polen zurückkehrte".

Die belangte Behörde vertrat dazu die Auffassung, es lägen deutliche Anhaltspunkte vor, daß der Beschwerdeführer "sich bereits selbst wieder - zumindest temporär -" unter den Schutz seines Heimatlandes begeben habe, indem er dieses mehrfach bereist habe. "Signifikanterweise" habe er sein Konventionsreisedokument zwei Tage vor seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28. Juli 1992 im Fremdenpolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Linz "verloren". Hieraus resultiere, daß im Rahmen der Beweiswürdigung der Wahrnehmung des am 18. Mai 1992 an der Grenzkontrollstelle W diensttuenden Beamten, dessen "Meldung" vom selben Tag das gegenständliche Verfahren letztlich in Gang gesetzt habe, höhere Beweiskraft zugemessen worden sei als den späteren, hiezu im Gegensatz stehenden Beteuerungen des Beschwerdeführers, zumal dem Beamten wohl zuzutrauen sei, allein auf Grund seiner beruflichen Routine polnische Ein- bzw. Ausreisestempel einwandfrei zu identifizieren.

Der Beschwerdeführer bringt gegen diese Beweiswürdigung, die der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur in der Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. u.a. das insoweit in Slg. Nr. 11.894/A nicht veröffentlichte Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053), nichts Maßgebliches vor. Seiner Rüge, es gebe "tatsächlich keine Beweisergebnisse" für die Annahme der belangten Behörde, daß er sich (im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention) freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe, steht der Inhalt der "Meldung" eines Beamten der Grenzkontrollstelle des Zollamtes W vom 18. Mai 1992 entgegen, die als geeignetes Beweismittel gemäß § 46 AVG zu werten ist und aus der sich zweifelsfrei ergibt, daß sich der Beschwerdeführer (nach seiner Anerkennung als Flüchtling) "den Grenzübertrittsstempeln zufolge schon mehrmals in Polen aufhielt". Der Annahme der belangten Behörde liegen nicht "bloße Vermutungen" oder "Anhaltspunkte", die jeglicher Grundlage entbehren würden, zugrunde. Wenn die belangte Behörde auch den Umstand, daß der Beschwerdeführer, anstatt durch das Vorweisen seines Reisedokumentes die Darstellung des Beamten zu entkräften, was nur auf diese Weise objektiv möglich gewesen wäre, den zwischenzeitigen, - was doch besonders auffällt - in engem zeitlichem Konnex zu seiner in Aussicht genommenen Einvernahme stehenden Verlust dieser Urkunde ins Treffen geführt hat, zu seinen Ungunsten in ihre Überlegungen miteinbezogen hat, so ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, daß dies den Denkgesetzen oder dem menschlichen Erfahrungsgut widersprechen würde. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wurde durch die von ihm vorgelegte Verlustbestätigung nicht die Tatsache des Verlustes seines Reisedokumentes, sondern lediglich der Umstand, daß er diesbezüglich eine Verlustanzeige erstattet hat, "dokumentiert". Es ist daher auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Aktenwidrigkeit nicht gegeben.

Da sich somit die Beschwerde schon aus diesem Grunde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Es war daher nicht mehr darauf einzugehen, ob - entsprechend der weiteren, vom Beschwerdeführer bestrittenen Bescheidbegründung - hinsichtlich seiner Person auch der Tatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention eingetreten ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010795.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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