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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des I in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. September 1994, Zl. 4.311.914/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, der am 10. Oktober 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat am 23. Oktober 1990 einen schriftlichen Asylantrag gestellt, den er damit begründete, er sei Aktivist der kommunistisch-kurdischen Partei TKPLM gewesen und sei wegen des Verteilens von Propagandamaterial verhaftet, geschlagen, mit Elektroschock behandelt und in eine Zelle mit Salzwasser gesperrt worden. 1978 seien wegen seiner politischen Tätigkeit Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Er sei, nachdem er 1980 die kurdische Sache unterstützt habe, polizeibekannt gewesen und immer wieder verhört und gefoltert worden. 1987 seien politisch engagierte Familienmitglieder eingesperrt und geschlagen worden. Der Bruder des Beschwerdeführers sei 1989 geflüchtet; der Beschwerdeführer habe schließlich auch flüchten müssen, weil ihn die Polizei gesucht habe.
Bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 4. Jänner 1991 stellte der Beschwerdeführer seine Tätigkeit für die kommunistisch-marxistisch-leninistische Partei der Türkei näher dar und gab an, 1980 das erste Mal von der Polizei festgenommen worden zu sein. Er machte weitere, detaillierte Angaben über die in der Folge immer wieder erfolgten Verhaftungen und die dabei erlittenen Mißhandlungen bzw. Folterungen, wobei er als Zeitpunkt des letzten derartigen Vorkommnisses den 29. April 1989 mit einer daran anschließenden einwöchigen Inhaftierung anführte. Im Jahr 1990 habe er sich um eine Anstellung beim NATO-Stützpunkt in Kürecik, wo sein Bruder beschäftigt gewesen sei, beworben. Eine Überprüfung der Person des Beschwerdeführers aus diesem Anlaß habe aber ergeben, daß er sich für die verbotene Partei und für das Kurdentum engagiere, weshalb er nicht aufgenommen worden sei und sein Bruder seine Arbeit verloren habe. Seinen Reisepaß habe er am 22. Juni 1989 beim Paßamt in Malatya erhalten, wobei er aber eine Million türkische Lira an einen Mittelsmann habe bezahlen müssen. Er habe bisher keine Möglichkeit gehabt, aus der Türkei zu flüchten.
Mit Bescheid vom 12. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen. Diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Berufung bekämpft, in der er seine bisherigen Angaben bekräftigte und geltend machte, ihm drohe in der Türkei Gefängnis. Er wolle in Österreich warten, bis es in seiner Heimat demokratische Zustände gebe und politisch Aktivitäten friedlich entfaltet werden könnten. In letzter Zeit sei die politische Lage für Kurden sehr gefährlich geworden.
Mit Bescheid vom 1. September 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers insbesondere deswegen verneint, weil zwischen der letzten von ihm angeführten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlung und dem Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Türkei eineinhalb Jahre verstrichen seien und der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum keinerlei von den türkischen Behörden ausgehende Beeinträchtigungen geltend gemacht habe. Die ins Treffen geführten Vorfälle aus der Zeit von 1978 bis 1989 lägen aber so weit zurück, sodaß aus ihnen keine begründete Furcht vor Verfolgung abgeleitet werden könne. Mit dieser Argumentation befindet sich die belangte Behörde im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, für sich allein nicht geeignet sind, begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0205). Insbesondere hat der Beschwerdeführer keine Umstände vorgebracht, die den Schluß zuließen, es habe eine allenfalls damals bestandene Furcht vor Verfolgung bis zu seiner Ausreise angedauert. Die in dieser Hinsicht vom Beschwerdeführer in der Beschwerde betonte Verweigerung einer Anstellung beim NATO-Stützpunkt im Jänner 1990, von der nicht behauptet wurde, sie habe eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage des Beschwerdeführers dargestellt, kann mangels hinreichender Intensität nicht als Verfolgungshandlung gewertet werden (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0717), sodaß daraus, daß die belangte Behörde auf dieses Vorbringen nicht weiter eingegangen ist, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abgeleitet werden kann.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Gemäß § 3 Asylgesetz 1991 obliegt der Asylbehörde die Entscheidung darüber, ob einem Asylwerber Asyl zu gewähren ist, wobei einem solchen Antrag nur dann stattzugeben ist, wenn nach dem Asylgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 ausgeschlossen ist. Es müssen demnach im Falle der Asylgewährung kumulativ beide Voraussetzungen vorliegen, was bedeutet, daß es dann, wenn schon eine dieser Voraussetzungen - wie im Beschwerdefall die Flüchtlingseigenschaft - fehlt, rechtlich nicht mehr der Klärung bedarf, ob allenfalls die weitere Voraussetzung - hier das Nichtbestehen des Ausschlußgrundes der Erlangung von Verfolgungssicherheit in einem anderen Staat (§ 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) - gegeben wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 94/01/0161, 0162). Auf die Frage des Vorliegens der von der belangten Behörde ebenfalls für die Abweisung der Berufung herangezogenen Erlangung von Verfolgungssicherheit im ehemaligen Jugoslawien brauchte daher nicht eingegangen zu werden.
Die sich insgesamt sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200767.X00Im RIS seit
20.11.2000