TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/26 94/08/0099

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Veröffentlicht am 26.09.1995
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
SHG Wr 1973 §1;
SHG Wr 1973 §10;
SHG Wr 1973 §4;
SHG Wr 1973 §6;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/08/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung vom 14. März 1994,

Zlen. MA 12-11.910/90-I (angefochten zu hg. Zl. 94/08/0099) und MA 12-11.910/90-II (angefochten zu hg. Zl. 94/08/0100), betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der zu hg. Zl. 94/08/0099 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2. Der zu hg. Zl. 94/08/0100 angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 8. Jänner bis 14. Jänner 1993 keine Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gewährt wurde; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 22.240,--- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Jänner 1993 gewährte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12, Sozialreferat für den

21. Bezirk (erstinstanzliche Behörde) dem Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages vom 15. Jänner 1993 für die Zeit vom 15. Jänner 1993 bis 28. Jänner 1993 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes von S 3.801,-- einschließlich Mietbeihilfe und Heizbeihilfe.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer erstens dagegen, daß ihm Sozialhilfe erst ab 15. Jänner 1993 gewährt worden sei. Er habe seinen Antrag schon am 8. Jänner 1993 gestellt. Zur Begründung verwies er auf § 6 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), wonach die Hilfeleistung einzusetzen habe, sobald Tatsachen bekannt würden, die eine Hilfeleistung erforderten. Sein Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes beginne daher mit 8. Jänner 1993. Durch Datierung des amtsärztlichen Gutachtens und der Krankenkassenanfrage sei dies amtlich belegt. Zweitens stelle er folgendes Mehrbegehren: Durch die Anfrage an die Wiener Gebietskrankenkasse sei amtsbekannt, daß der Beschwerdeführer seit 1. Februar 1986 laufend sozialversichert sei. Es handle sich um eine Pflichtversicherung (Rechtsgrundlage: Künstlersozialversicherungsgesetz 1958). Durch diese Versicherung entstünden ihm monatliche Kosten von S 1.264,06. Er ersuche daher (unter Hinweis auf Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, S. 463) um eine entsprechende Erhöhung der Geldaushilfe durch Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung.

Mit einem weiteren Bescheid vom 3. Februar 1994 wies die erstinstanzliche Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1993 auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 9. Dezember 1993 bis 8. Jänner 1994 ab. Begründet wurde der Bescheid damit, daß dem Einkommen (des Beschwerdeführers) seit 26. Februar 1993 (letzte Geldaushilfe der erstinstanzlichen Behörde) von S 194.620,-- ein Sozialhilfe-Richtsatz von S 74.623,-- gegenüberstehe. Der Lebensbedarf sei daher mit dem erzielten Einkommen gedeckt.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, die Bescheidbegründung gehe davon aus, daß Einnahmen gleich dem Einkommen seien. Das sei falsch; "nachzulesen in den Österreichischen Steuergesetzen". Die Abweisung seines Antrages auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes sei daher gesetzwidrig.

Mit Bescheid vom 14. März 1994, MA 12-11.910/90-I, wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den zuletzt genannten Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 3. Februar 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides sowie der Berufung und nach Zitierung der §§ 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 WSHG ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seinem Vorbringen das Vorliegen eines verwertbaren Vermögens im Sinne des § 10 WSHG nicht bestritten. Schon allein deshalb sei nicht ersichtlich, zu welchem für den Beschwerdeführer positiven Ergebnis eine Erörterung der Begriffe "Einnahmen" und "Einkommen" unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten führen solle. Sollte man aber aus dieser Formulierung das Ansinnen des Beschwerdeführers entnehmen können, die Behörde möge von sich aus Beweise dahingehend aufnehmen, ob sich nicht aus im Steuerrecht angesprochenen Tatbeständen ein verwertbares Vermögen von weniger als S 74.673,-- ergebe, so laufe dies auf einen Erkundungsbeweis hinaus, der jedoch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig sei. Außerdem würde der Beschwerdeführer bei dieser Interpretation auch vollkommen außer acht lassen, daß ihn der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens nicht von der Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen entbinde.

Dagegen richtet sich die zur hg. Zl. 94/08/0099 protokollierte, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machend Beschwerde.

Mit einem weiteren Bescheid vom 14. März 1994, Zl. MA 12-11.910/90-II, bestätigte die belangte Behörde den erstgenannten Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 15. Jänner 1993 mit einer (im Beschwerdefall nicht relevanten) Maßgabe. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides sowie der Berufung und nach Zitierung der §§ 4, 8, 10 und 11 WSHG ausgeführt, § 4 WSHG widerlege das Argument des Beschwerdeführers, daß ihm bereits für Zeiträume vor dem 15. Jänner 1993 Sozialhilfe zu gewähren sei, weil daraus eindeutig hervorgehe, daß Sozialhilfe zwar für gegenwärtige oder bevorstehende Notlagen, nicht jedoch für in der Vergangenheit liegende, bereits überwundene Notlagen gewährt werden könne. Abgesehen davon, daß am 8. Jänner 1993 kein Antrag auf Sozialhilfe gestellt worden sei, vermöge daran auch der allgemeine Grundsatz, daß die Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen habe, nichts zu ändern. Zum Begehren, zusätzlich zur Geldaushilfe seien noch die Kosten für die Pflichtversicherung zu ersetzen, müsse dem Beschwerdeführer, insbesondere, weil er sich dabei auf Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, S. 463, berufe, folgendes entgegengehalten werden: Die in der zitierten Stelle angesprochene Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung betreffe jene Fälle, in denen der Sozialhilfeträger nicht direkt die Behandlungskosten im Rahmen der Krankenhilfe decke, sondern die Variante der Selbstversicherung des Hilfesuchenden gewählt werde, wobei die Beitragszahlungen vom Sozialhilfeträger übernommen würden. Dies setze aber voraus, daß ein Anspruch auf Krankenhilfe entstanden sein müsse. Im gegenständlichen Fall sei ein solcher Anspruch nicht gegeben, weil nach dem Grundsatz der Subsidiärität Sozialhilfeleistungen erst dann eingriffen, wenn sämtliche andere gesetzliche Möglichkeiten zur Deckung des Lebensbedarfes ausgeschöpft seien. Bei den in der Berufung genannten Sozialversicherungsbeiträgen handle es sich aber um Beiträge aus einer Pflichtversicherung, womit gerade jener Fall vorliege, in dem auf Grund des Subsidiäritätsprinzips Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die, zur

hg. Zl. 94/08/0100 protokollierte, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen Zusammenhanges verbunden und darüber erwogen:

1. Zu der zu hg. Zl. 94/08/0099 protokollierten Beschwerde:

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 leg. cit. sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach § 67 leg. cit. gelten die Vorschriften des dritten Teiles des gegenwärtigen Gesetzes (damit auch die §§ 58 Abs. 2 und 60 leg. cit.) auch für die Bescheide der Berufungsbehörde, doch ist der Spruch auch dann zu begründen, wenn dem Berufungsantrag stattgegeben wird.

Zwar ist die Behörde danach, entsprechend dem in der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes entwickelten Grundsatz, daß das innere Ausmaß der Begründungspflicht durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt wird (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Oktober 1965, Slg.Nr. 6.767/A, mit weiteren Judikaturhinweisen, insbesondere auf das Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Slg. Nr. 5.007/A, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1989, VfSlg. 12.184), zweifellos nicht verpflichtet, "zu allen im Verfahren von irgendeiner Stelle gemachten Äußerungen Stellung zu nehmen, sie zu widerlegen oder zu bekräftigen"; sie muß aber, soweit dieses anerkannte Rechtsschutzinteresse im konkreten Fall reicht, in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dartun, welcher (für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende) Sachverhalt mit den hiebei als feststehend angenommenen Tatsachen der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0027, vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, und vom 28. März 1985, Zl. 84/08/0083).

Unter Bedachtnahme darauf kann die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht nach § 67 AVG zwar auch durch den bloßen Hinweis auf die ihrer Meinung nach zutreffenden Gründe des unterinstanzlichen Bescheides nachkommen; dies jedoch nur dann, wenn in diesen Gründen auf alle im Rechtsmittel vorgebrachten relevanten Tatsachen und Rechtsausführungen eingegangen wurde und der Berufungsbehörde keine durch die Begründung der Unterinstanz offengelassene Frage vorgelegt worden ist (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/08/0126, vom 12. Februar 1982, Zl. 81/08/0086, und vom 14. November 1980, Zl. 753/78). Ist letzteres nicht der Fall, so hat die Berufungsbehörde in Auseinandersetzung mit den im Berufungsverfahren hervorgekommenen neuen Gesichtspunkten die Begründung des unterinstanzlichen Bescheides in der genannten, dem § 60 AVG entsprechenden Weise zu ergänzen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/08/0126).

Diesen Anforderungen entspricht - in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - die Begründung des angefochtenen Bescheides aus folgenden Erwägungen nicht:

    Die erstinstanzliche Behörde stützte ihre Abweisung des

Antrages des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1993 darauf, daß

"dem Einkommen seit 26. Februar 1993 ... von S 194.620,-- ...

ein Sozialhilfe-Richtsatz von S 74.623,--" gegenüberstehe und

"der Lebensbedarf mit dem erzielten Einkommen ... daher

gedeckt" sei. Diese Begründung ist nur verständlich in Verbindung mit den Aktenvorgängen ab dem Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1993, insbesondere seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 10. Dezember 1993, wonach er auf Grund eines Werkvertrages im Zeitraum vom 6. Februar bis 10. Mai 1993 Akontozahlungen vom Werkbesteller in der Gesamthöhe von S 180.000,-- erzielt habe, und einer von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommenen, im Akt erliegenden Berechnung, wonach der Beschwerdeführer im Jahre 1993 einen Gesamtanspruch auf Geldaushilfen von S 74.623,-- gehabt und zusätzlich zu den genannten Akontozahlungen noch an Geldaushilfen S 6.620,-- und eine Überbrückungshilfe vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst von S 8.000,-- erhalten habe. Mit der Angabe des Beschwerdeführers im Antragsformular, wonach er im Antragszeitpunkt über kein Vermögen verfüge, seiner Aussage in der niederschriftlichen Vernehmung vom 10. Dezember 1993, wonach er seinen Lebensbedarf zu einem geringen Teil aus den erhaltenen Zahlungen und zum größten Teil aus Darlehen seiner Mutter gedeckt habe, sowie mit den entsprechend seiner Angabe in der eben genannten Niederschrift ("über die davon gekauften und benötigten Materialien lege ich Rechnungen vor") vorgelegten Rechnungen ging die erstinstanzliche Behörde nicht ein.

Vor diesem aktenkundigen Hintergrund ist das oben wiedergegebene Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zu verstehen. Ungeachtet der steuerrechtlichen Hinweise wandte sich der Beschwerdeführer damit erkennbar gegen die Gleichsetzung der im ersten Halbjahr des Jahres 1993 bezogenen Akontozahlungen mit einem nach § 10 WSHG anrechenbaren Einkommen. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, es könne angesichts des "bloß hinweisartigen Berufungsvorbringens" nicht Aufgabe der Berufungsbehörde sein, dieses Manko durch - dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich entsprechende - Ermittlungen zu beseitigen, so übersieht sie, daß der Beschwerdeführer damit nur auf eine unzureichende Begründung des erstinstanzlichen Bescheides antwortete, angesichts derer er nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu u.a. das schon zitierte Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0027) zunächst (nämlich in der Berufung selber) nicht verpflichtet war, nach Eruierung der möglichen (rechtlichen und/oder tatsächlichen) Ursachen der Unterlassung einer Befassung der erstinstanzlichen Behörde mit den genannten Umständen die Richtigkeit des eigenen Standpunktes durch konkrete Sachverhaltsbehauptungen und darauf gestützte rechtliche Ausführungen aufzuzeigen.

Demnach genügte aber die belangte Behörde - unter Bedachtnahme auf die zu entscheidende "Sache", nämlich, ob der Beschwerdeführer nach der Sach- und Rechtslage im Zeitraum vom 9. Dezember 1993 bis 8. Jänner 1994 seinen Lebensbedarf zur Gänze aus eigenen Mitteln, nämlich aus Einkommen und/oder verwertbarem Vermögen im Sinne des § 10 WSHG, beschaffen konnte (vgl. dazu u.a. die ebenfalls zum WSHG ergangenen Erkenntnisse vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0036, und vom 25. Oktober 1994, Zl. 94/08/0077) - ihrer Begründungspflicht nicht dadurch, daß sie zwar in der zutreffenden Erkenntnis, daß der Beschwerdeführer im eben genannten Zeitraum über kein Einkommen mehr verfügte (vgl. zur Unterscheidung von "Einkommen" und "verwertbarem Vermögen" bei ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Sozialhilfe das auch für das WSHG beachtliche, zum Salzburger Sozialhilfegesetz ergangene Erkenntnis vom 30. September 1994, Zlen. 93/08/0001, 94/08/0144), prüfte, ob der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum über ein "verwertbares Vermögen" im Sinne des § 10 WSHG verfügte, diesbezüglich aber - ohne jegliche Begründung und durch die Aktenlage nicht gedeckt - feststellte, er habe "in seinem Vorbringen das Vorliegen eines verwertbaren Vermögens im Sinne des § 10 WSHG nicht bestritten" und es sei daher in Verbindung mit dem Umstand, daß er die Höhe dieses verwertbaren Vermögens nicht beziffert habe, nicht Aufgabe der belangten Behörde, zu ermitteln, ob das verwertbare Vermögen geringer als

S 74.673,-- gewesen sei. Angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 9. Dezember 1993, daß er am Antragstag über kein Vermögen mehr verfügt habe, und der unzureichenden und in zweifacher Hinsicht rechtsirrigen Begründung des erstinstanzlichen Bescheides (einerseits deshalb, weil die erstinstanzliche Behörde die Akontozahlungen des Beschwerdeführers mit dem sozialhilferechtlich relevanten Einkommen gleichsetzte, und andererseits, unabhängig davon, weil sie ein Einkommen aus dem ersten Halbjahr des Jahres 1993 als ein solches im Zeitraum vom 9. Dezember 1993 bis 8. Jänner 1994 wertete) hätte die belangte Behörde vielmehr

-

unter der gebotenen Mitwirkung des Beschwerdeführers (vgl. zur sozialhilferechtlichen Ausprägung der sogenannten Mitwirkungspflicht: Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 494 ff), der er im übrigen bis dahin durchaus nachgekommen war - klären müssen, ob der Beschwerdeführer im genannten Zeitraum überhaupt noch über ein verwertbares Vermögen verfügte und bejahendenfalls, wie hoch dieses Vermögen war. Sollte aber der (sonst nicht recht verständliche) Hinweis in der Bescheidbegründung auf "ein verwertbares Vermögen von weniger als S 74.673,--" so zu verstehen sein, daß die belangte Behörde meinte, die Hilfsbedüftigkeit des Beschwerdeführers im relevanten Zeitraum hänge - unabhängig davon, ob er ohnehin noch über ein "verwertbares Vermögen" verfügte - davon ab, wie hoch sein Einkommen oder sein verwertbares Vermögen in der Zeit vor dem Antragstag war, so wäre dies in dieser Allgemeinheit unrichtig (vgl. dazu das Erkenntnis zum WSHG vom 16. November 1993, Zl. 92/08/0261; Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 401 f). Auch ein allfälliges Verschulden an der eingetretenen Notlage könnte - unter der gebotenen Mitberücksichtigung des § 26 Abs. 1 Z. 2 WSHG schon bei der Gewährung der Sozialhilfe - nur bei Vorliegen des Tatbestandes der eben genannten Gesetzesstelle bedeutsam sein. Das aber ist

-

in Erwiderung auf ein diesbezügliches Vorbringen in der Gegenschrift - nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Beschwerdeführer "erhebliche Geldausgaben zur Beschaffung von Materialien für seine Projekte getätigt" hat; dies vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er aus einem dieser Projekte eben jene Akontozahlungen erhalten hat, um deren Anrechnung es im Beschwerdefall geht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Zu der zu hg. Zl. 94/08/0100 protokollierten Beschwerde:

Mit dem Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 15. Jänner 1993 wurde dem Beschwerdeführer "auf Grund seines Antrages vom 15. 1. 1993" (erst) ab 15. Jänner 1993 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährt. Dagegen hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung eingewendet, er habe den Antrag schon am 8. Jänner 1993 gestellt, und zur "Begründung" angeführt, es habe nach § 6 WSHG die Hilfeleistung einzusetzen, sobald Tatsachen bekannt würden, die eine Hilfeleistung erfordern. Der Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes beginne daher mit 8. Jänner 1993. Durch die Datierung des amtsärztlichen Gutachtens und der Krankenkassenanfrage sei dies amtlich belegt. Ob er damit behaupten wollte, er habe tatsächlich schon am 8. Jänner 1993 einen förmlichen mündlichen Antrag (ein schriftlicher ist nicht aktenkundig) gestellt, ist nach dem Berufungsvorbringen nicht klar. Es wäre auch eine Deutung dahin möglich, daß er den Umstand, wonach der erstinstanzlichen Behörde seine Hilfsbedürftigkeit schon am 8. Jänner 1993 bekannt wurde, als "Antrag" wertete. Die belangte Behörde hat das darauf gestützte Begehren des Beschwerdeführers auf Gewährung der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes schon ab 8. Jänner 1993, also auch für die Zeit vom 8. Jänner bis 14. Jänner 1993, aus zwei Gründen abgelehnt: Erstens sei am 8. Jänner 1993 vom Beschwerdeführer gar kein Antrag gestellt worden und zweitens folge aus § 4 WSHG, daß Sozialhilfe zwar für gegenwärtige oder bevorstehende Notlagen, nicht jedoch für in der Vergangenheit liegende, bereits überwundene Notlagen gewährt werden könne. Daran vermöge der (in § 6 WSHG verankerte) allgemeine Grundsatz, daß die Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen habe, nichts zu ändern.

Dagegen wendet der Beschwerdeführer in der Beschwerde ein, er habe bereits am 8. Jänner 1993 "bei der Leiterin der Amtshandlung" einen formellen mündlichen Antrag gestellt, der zur Folge gehabt habe, daß er sich "einer Untersuchung beim Amtsarzt und bei der Gebietskrankenkasse unterzogen" habe. Diese Maßnahmen wären nicht erfolgt, wenn nicht zuvor ein entsprechender (mündlicher) Antrag eingebracht worden wäre. Abgesehen davon sei aber nach § 6 WSHG eine formelle Antragstellung gar nicht erforderlich. Die Argumentation der belangten Behörde, Sozialhilfe könne nicht für in der Vergangenheit liegende, bereits überwundene Notlagen gewährt werden, sei in dieser Form unzutreffend, wie sich überdies aus § 31 Abs. 1 WSHG ergebe.

Die belangte Behörde bringt dazu in der Gegenschrift vor, die Aktenlage lasse nicht den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer bereits am 8. Jänner 1993 einen Antrag gestellt habe. Er habe an diesem Tag (wie sich aus einem Aktenvermerk ergebe) wohl bei der erstinstanzlichen Behörde vorgesprochen. Aus den noch am selben Tag veranlaßten Schritten, konkret aus der Anfrage an die Wiener Gebietskrankenkasse und der Veranlassung seiner amtsärztlichen Untersuchung, gehe jedoch lediglich die Einleitung behördlicher Ermittlungen hervor; eine förmliche Antragstellung sei darin nicht zu erblicken.

Die belangte Behörde verdeutlichte damit ihre Auffassung, daß eine Antragstellung nicht erfolgt sei, ohne die aber im Beschwerdefall - ungeachtet der Vorsprache des Beschwerdeführers am 8. Jänner 1993 und der an diesem Tag von der erstinstanzlichen Behörde gesetzten Maßnahmen - eine Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gesetzlich nicht gedeckt sei. Dem ist (dann, wenn der Beschwerdeführer am 8. Jänner 1993 keinen formellen mündlichen Antrag gestellt haben sollte, was nicht mängelfrei geklärt wurde) nicht beizupflichten. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Jänner 1985, Zl. 85/11/0116, ausgeführt hat (vgl. dazu auch Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, S. 488 f), bedarf es nach dem WSHG keines förmlichen Antrages des Hilfesuchenden für die Gewährung von Sozialhilfe. Nach § 6 leg. cit. hat die Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen; sie ist auch ohne Antrag des Hilfesuchenden zu gewähren, sobald Tatsachen bekannt werden, die eine Hilfeleistung erfordern. In diesem Zusammenhang besteht wohl eine Mitwirkungspflicht des Hilfesuchenden. Die Tatsachen, die eine Hilfeleistung von seiten des Sozialhilfeträgers erforderlich machen, müssen der Behörde zur Kenntnis gebracht werden. Dies wird in der Regel Aufgabe des Hilfesuchenden sein, weil er über die näheren Umstände seiner Bedürftigkeit am besten Bescheid weiß und sich die Behörde ohne seine Mitwirkung nicht oder nur sehr schwer Kenntnis davon verschaffen kann. Diese Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung erschöpft sich weder in einer förmlichen Antragstellung noch setzt sie diese voraus. Sollte die Behörde daher aus anderen Quellen als aus einem förmlichen Antrag des Hilfesuchenden Kenntnis von einer Notlage haben, so hat sie Sozialhilfe zu gewähren, auch wenn ein förmlicher Antrag nicht gestellt worden ist.

Im Beschwerdefall weisen schon die aktenkundigen Umstände, nämlich die Vorsprache des Beschwerdeführers am 8. Jänner 1993 und die Zuweisung zur amtsärztlichen Untersuchung an diesem Tag mit dem "Grund der Untersuchung: ... Zuerkennung von Aushilfen" darauf hin, daß der Beschwerdeführer am 8. Jänner 1993 - wenn schon keinen formellen mündlichen Antrag gestellt, so doch - der erstinstanzlichen Behörde die Tatsachen, die seiner Auffassung nach eine Hilfeleistung erforderlich machten, zur Kenntnis gebracht und dies die erstinstanzliche Behörde zu den genannten Maßnahmen veranlaßt hat, gegen die sich der Beschwerdeführer auch nicht ausgesprochen, vielmehr sich der amtsärztlichen Untersuchung unterzogen hat.

Wenn die belangte Behörde (schon unter diesen Umständen) die Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes schon ab 8. Jänner 1993 mit der auf § 4 WSHG gestützten Begründung abgelehnt hat, es sei am 15. Jänner 1993, dem Tag der formellen Antragstellung, die in der Vergangenheit liegende Notlage bereits "überwunden" gewesen (womit sie, da sie ja am 15. Jänner 1993 bestand, wohl meint, daß sie nicht mehr gegenwärtig gewesen, in der Vergangenheit aber aus anderen Quellen überwunden worden sei), so ist dies unter Bedachtnahme auf die obigen rechtlichen Darlegungen rechtsirrig. Die belangte Behörde hätte vielmehr auf Grund des Berufungsvorbringens - im Sinne der entsprechend anzuwendenden Darlegungen im Erkenntnis vom 27. November 1985, Zl. 85/11/0116 - klären müssen, ob der Beschwerdeführer am 8. Jänner 1993 nicht ohnedies einen formellen mündlichen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe gestellt hat, verneinendenfalls, welche Äußerungen zwischen ihm und Organen der erstinstanzlichen Beörde anläßlich seiner Vorsprache am 8. Jänner 1993 in Ansehung seiner Bedürftigkeit gefallen sind.

Da die belangte Behörde, ausgehend von ihrer rechtsirrigen Auffassung, § 4 WSHG stehe (wegen Fehlens eines formellen Antrages) auf jeden Fall der Zuerkennung von Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes ab 8. Jänner 1993 entgegen, war der angefochtene Bescheid insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Hingegen entspricht die Ablehnung des in der Berufung gestellten "Mehrbegehrens" auf "Erhöhung der Geldaushilfe" durch "die Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung" in der Höhe von S 1.264,06 monatlich im Ergebnis dem Gesetz. Denn unabhängig davon, ob dieser (aus der Teilpflichtversicherung des Beschwerdeführers u.a. in der Krankenversicherung durch § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG resultierende) Geldaufwand überhaupt als "erhöhter Bedarf" eine Richtsatzüberschreitung nach § 13 Abs. 4 WSHG rechtfertigen könnte (eine Subsumtion unter die §§ 11 Abs. 1 Z. 3, 16 WSHG, scheidet - entgegen dem Beschwerdevorbringen - jedenfalls aus: vgl. das Erkenntnis vom 9. November 1979, Slg. Nr. 9.962/A), stand einer entsprechenden "Erhöhung der Geldaushilfe" im Beschwerdefall der Umstand entgegen, daß auch eine allfällige Nichtzahlung oder nicht rechtzeitige Zahlung der Pflichtbeiträge an den Krankenversicherungsträger nicht die Entlastung des Versicherungsträgers von seiner Verpflichtung zur Erbringung allfälliger Krankenversicherungsleistungen zur Folge gehabt hätte und insofern mangels einer Notlage ein Bedarf des Beschwerdeführers nach dem WSHG nicht gegeben war.

Die erhobene Beschwerde war daher insofern gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, allerdings begrenzt durch das (den in dieser Verordnung festgelegten Pauschalsatz unterschreitende) Begehren des Beschwerdeführers.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994080099.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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