TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/18 95/21/0411

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Veröffentlicht am 18.10.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Jänner 1995, Zl. III 128/94, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (belangte Behörde) vom 2. Jänner 1995, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen Kroatiens, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer am 20. Februar 1992 ohne den erforderlichen Sichtvermerk nach Österreich eingereist sei und sich bis zum 22. Mai 1992, an welchem Tage ihm ein österreichischer Sichtvermerk erteilt worden sei, rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe und wegen seiner unrechtmäßigen Einreise mit einer Geldstrafe von S 1.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen, bestraft worden sei. Der Beschwerdeführer sei ferner vom 21. Juni bis zum 6. Juli 1993 nicht in Besitz eines erforderlichen Sichtvermerks gewesen, weshalb er gemäß § 5 iVm §§ 15 und 82 Abs. 1 Z. 4 FrG mit einer Geldstrafe von S 1.500,--, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, bestraft worden sei. Der Beschwerdeführer habe am 11. Dezember 1992 einen durch chemische Waschung verfälschten jugoslawischen Führerschein zum Zwecke der Umschreibung auf einen österreichischen Führerschein der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vorgelegt und sei deswegen wegen des Vergehens der Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs. 2 StGB mit einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen von je S 200,--, Ersatzfreiheitsstrafe 60 Tage, Probezeit drei Jahre, verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer habe ein Gesamtfehlverhalten gesetzt, welches die Annahme rechtfertige, daß sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG gefährde. Das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot bewirke einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick "auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sowie im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an der Nicht-Verwendung verfälschter öffentlicher Urkunden durch Fremde im Bundesgebiet zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung sowie zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten". Es brauche "gerade in Zeiten wie diesen" nicht weiter erläutert werden, daß der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukomme. Der Beschwerdeführer halte sich seit nicht ganz drei Jahren im Bundesgebiet auf, er habe hier Freunde und Bekannte und sei mit einer jungen Frau, die in Österreich lebe, verlobt. Er arbeite rechtmäßig seit dem 21. Mai 1992 als Monteur bei einer Elektrofirma. Familiäre Beziehungen habe er zu seinem in Österreich lebenden Bruder, seine Eltern befänden sich in Kroatien. Die beschriebenen Bindungen des Beschwerdeführers an das Bundesgebiet bzw. an im Bundesgebiet lebende Menschen würden durch das Aufenthaltsverbot zwar beeinträchtigt, diese Beeinträchtigungen würden aber angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden großen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in den Hintergrund treten, zumal weder der Bruder noch die Verlobte des Beschwerdeführers gehindert seien, zusammen mit dem Beschwerdeführer das Bundesgebiet zu verlassen. Das Aufenthaltsverbot sei daher gemäß § 20 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Bis zum Wegfall des Grundes für seine Erlassung sei das Verstreichen von fünf Jahren vonnöten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Geltendmachung der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sie sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3. Die Beschwerde wendet sich zunächst dagegen, daß die Behörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer ein auf § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gestütztes Aufenthaltsverbot erlassen habe; demgegenüber habe die belangte Behörde ihre Entscheidung auf § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 FrG gestützt und damit dem Bescheid "durch das Austauschen der rechtlichen Beurteilung einen völlig anderen Inhalt" gegeben. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Änderung der Rechtsgrundlagen des Bescheides Parteiengehör einräumen müssen.

Dieser Einwand ist schon deswegen nicht berechtigt, weil es sowohl im Verfahren vor der Behörde erster Instanz als auch im Verfahren vor der belangten Behörde um die - auch vom Beschwerdeführer unbestrittene - Frage ging, ob gemäß § 18 Abs. 1 FrG die Annahme gerechtfertigt war, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet, ob also bestimmte Tatsachen vorliegen, welche diese Annahme rechtfertigen. Im übrigen gibt die Beschwerde keinen Hinweis, durch Vorbringen welcher Tatsachen im Rahmen des Parteiengehörs die Behörde zur Erlassung eines anderen Bescheides kommen hätte können.

4. Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerde auch darin, daß die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht hinsichtlich der Festlegung der Dauer des Aufenthaltsverbotes mit fünf Jahren nicht nachgekommen sei. Es stelle "eine bloße Scheinbegründung ... von inhaltsleeren Floskeln" dar, wenn die belangte Behörde bloß ausführe, daß aufgrund des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers in der relativ kurzen Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von fünf Jahren vonnöten sei.

Der Beschwerde ist einzuräumen, daß der angefochtene Bescheid eine ausführliche Begründung der Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes nicht enthält. Angesichts des § 21 Abs. 2 FrG, wonach bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch der belangten Behörde keine rechtswidrige Vorgangsweise vorzuwerfen, zumal die Prognose vertretbar ist, daß die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers manifestierte Gefahr fünf Jahre andauern werde.

5. Die Beschwerde erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß die belangte Behörde Verhaltensweisen des Beschwerdeführers als die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 1 FrG rechtfertigende Tatsachen gewertet habe, die den in § 18 Abs. 2 FrG genannten Verwaltungsstraftaten und gerichtlich strafbaren Handlungen nicht gleichartig oder gleichwertig wären. Der Gesetzgeber habe im § 18 Abs. 2 FrG konkrete Maßstäbe festgesetzt, bei welcher Schwere gerichtliche Verurteilungen und verwaltungsrechtliche Bestrafungen als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG zu gelten hätten. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Umstände und Tatsachen seien wegen ihrer Geringfügigkeit den in § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG genannten Tatbeständen nicht zu subsumieren. Für die vollziehende Behörde bliebe kein Raum, "die konkrete Gesetzesbestimmung durch eine Analogie oder extensive Auslegung zu umgehen".

Mit diesen Ausführungen weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, daß im vorliegenden Falle kein einziger der in § 18 Abs. 2 FrG genannten Tatbestände erfüllt ist. Auch die belangte Behörde hat dies jedoch erkannt, und ihre Entscheidung auf § 18 Abs. 1 FrG gestützt. Der Beschwerde ist zwar darin rechtzugeben, daß die im § 18 Abs. 2 FrG beispielsweise genannten Sachverhalte durchaus als Maßstab für die Schwere jener Tatsachen herangezogen werden können, die auch bei der Verhängung eines bloß auf § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG gegründeten Aufenthaltsverbotes vorliegen müssen. Auch wenn nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle vorliegen, kann ein Aufenthaltsverbot aber gerechtfertigt sein, wenn Umstände vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539). Der belangten Behörde kann daher Rechtswidrigkeit nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall zwei fremdenrechtliche Bestrafungen sowie eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung im Ergebnis als den im § 18 Abs. 2 Z. 1 oder 2 FrG genannten Tatbeständen gleichwertige Gefährdungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit betrachtet hat.

6. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer schließlich darin, daß die belangte Behörde seine private und familiäre Lebenssituation im Lichte der §§ 19 und 20 FrG unzureichend in Betracht gezogen habe und durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes in sein Privatleben in unzulässiger Weise eingegriffen würde. Die Beschwerde erachtet es als zynisch, wenn die belangte Behörde darauf hinweise, daß weder der Bruder noch die Verlobte des Beschwerdeführers daran gehindert seien, mit ihm gemeinsam das Bundesgebiet zu verlassen.

Auch mit diesen Ausführungen wird die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erwiesen. Es ist im Ergebnis nämlich nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde in Anwendung der §§ 19 und 20 FrG die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers und die seiner Familie nicht als höher bewertete, als die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften sowie an der Verhinderung von strafbaren Handlungen. Zwar hätte sie durchaus auf ausführlichere Weise in Betracht ziehen können, angesichts welcher Umstände es dem Bruder und der Verlobten des Beschwerdeführers, die ebenfalls Fremde sind, zumutbar wäre, dem Beschwerdeführer in das Ausland zu folgen und dort die bestehenden privaten und familiären Beziehungen fortzusetzen, um deren Berücksichtigung es bei Anwendung des § 20 FrG geht. Diesbezüglich enthält die Beschwerde aber kein konkretes Vorbringen, sodaß der angefochtene Bescheid auch in dieser Hinsicht nicht rechtswidrig erscheint.

7. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210411.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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