TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/16 94/16/0268

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Veröffentlicht am 16.11.1995
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §891;
BAO §198;
BAO §20;
BAO §4 Abs1;
BAO §6 Abs1;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §17;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der Dr. Elisabeth H. in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 27. September 1994, GZ B 133-7/94, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 13. Oktober 1980 erwarb Marianne N. von der Beschwerdeführerin und ihrem zwischenzeitig verstorbenen Ehemann Dr. Friedrich H. die diesen je zu Hälfte gehörige Liegenschaft EZ 1352, KG W, um den Preis von S 1,100.000,--. Die von der Käuferin im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 (Arbeiterwohnstättenbau) begehrte Befreiung von der Grunderwerbsteuer wurde zunächst nicht gewährt. Die im Instanzenzug ergangene Grunderwerbsteuervorschreibung wurde in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Februar 1984, 83/16/0017, 0018, aufgehoben. Mit der im fortgesetzten Verfahren ergangenen, an Marianne N. gerichteten Berufungsentscheidung vom 28. Mai 1984, B 134/8-7/84, wurde der Berufung stattgegeben und der vorgeschriebene Grunderwerbsteuerbetrag "abgeschrieben".

Nach einer entsprechenden Anfrage gab die in Garmisch-Partenkirchen wohnhaft gewesene Käuferin mit einer am 3. Oktober 1990 eingelangten Eingabe an, daß das Grundstück noch unbebaut sei. Trotz entsprechender Amtshilfeersuchen an deutsche Meldeämter und Abgabenbehörden war es in der Folge nicht möglich, der Käuferin einen Grunderwerbsteuerbescheid zuzustellen.

Schließlich erließ das Finanzamt am 11. Mai 1994 je einen Grunderwerbsteuerbescheid an (den wie ausgeführt inzwischen verstorbenen) Dr. Friedrich H. - diese Vorschreibung ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - sowie an die Beschwerdeführerin, womit Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Hälfteanteils an der gegenständlichen Liegenschaft durch Marianne N. geltend gemacht wurde.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere darauf verwiesen, daß die Grunderwerbsteuer von Marianne N. im Jahre 1981 bereits bezahlt worden sei. Sei die Abgabe in der Folge wieder zurückgezahlt worden, so könne daraus kein Wiederaufleben des Gesamtschuldverhältnisses abgeleitet werden. Die nachträgliche Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin nach annähernd 14 Jahren stelle eine unbillige Härte dar, zumal die Beschwerdeführerin nach dem Ableben ihres Ehemannes als Pensionistin nicht über die Mittel verfüge, um die Steuer ohne Beeinträchtigung ihres Lebensunterhaltes bezahlen zu können.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde verwies dabei insbesondere auf den Umstand, daß alle Versuche gegenüber der seinerzeitigen Käuferin die Grunderwerbsteuer geltend zu machen, erfolglos geblieben seien.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die Gegenschrift, in der die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1955 - welche Bestimmung im Beschwerdefall noch anzuwenden ist (vgl. § 12 bzw. nunmehr § 18 Abs. 2 GrEStG 1987) - unterliegen unter anderem die im § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 (Erwerb zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten) bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes vom Erwerber zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist.

Ist wie im Beschwerdefall der Erwerbsvorgang ein Kaufvertrag, so sind die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen Steuerschuldner. Nach § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften - wie hier - dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB).

Die Beschwerdeführerin vertritt im wesentlichen die Meinung, durch die - im Jahre 1981 erfolgte - Entrichtung der Grunderwerbsteuer durch die Käuferin sei - ungeachtet der späteren Rückzahlung des Abgabenbetrages an diese - das Gesamtschuldverhältnis der Vertragspartner erloschen.

Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzubilligen, daß die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Meinung, das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses sei erst "denkbar" ab Kenntnisnahme der Behörde von der Nichterfüllung des begünstigten Zweckes, unzutreffend ist. Ebensowenig ist aber aus der Sicht des Beschwerdefalles für den Bestand des Steuerschuldverhältnisses die Verwirklichung des Erwerbsvorganges (Abschluß des Kaufvertrages) maßgebend. Vielmehr ist hiezu auf § 4 Abs. 1 BAO zu verweisen, wonach der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Wird wie im Beschwerdefall hinsichtlich des verwirklichten Erwerbsvorganges zunächst die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 geltend gemacht, so entsteht die Steuerschuld nach ungenütztem Verstreichen der Acht-Jahres-Frist im Sinne des ersten Satzes des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955. (Anhaltspunkte dafür, daß allenfalls der begünstigte Zweck bereits früher aufgegeben worden ist, lagen im Beschwerdefall nicht vor und wurden auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht in Erwägung gezogen.) In diesem Zeitpunkt, also acht Jahre nach Verwirklichung des Erwerbsvorganges, ist erst der Steueranspruch und damit auch das Gesamtschuldverhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer entstanden.

Demgegenüber führte das vorhergehende Verfahren, auf das sich die Beschwerdeführerin beruft (siehe das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1984, 83/16/0017, 0018), eben zu dem Ergebnis, daß eine solche Steuerschuld im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorganges noch nicht entstanden war. Die seinerzeitige Zahlung der Käuferin kann daher nicht in einen Zusammenhang mit der erst am 13. Oktober 1988 entstandenen Steuerschuld gebracht werden. Keinesfalls ist durch die 1980/1981 erfolgte Entrichtung der (damals in Wahrheit noch nicht entstandenen) Steuer das (tatsächlich erst am 13. Oktober 1988 entstandene) Gesamtschuldverhältnis erloschen. Im Hinblick darauf, daß die Steuerschuld also in Wahrheit erst mit Ablauf der Acht-Jahres-Frist entstanden war, kann auch keine Rede von einem "Wiederaufleben" der Steuerschuld sein.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, sie hätte bei einer Ermessensabwägung im Sinne des § 20 BAO nicht zur Abgabenleistung herangezogen werden dürfen, ist ihr entgegenzuhalten, daß eine Zustellung eines Grunderwerbsteuerbescheides an die seinerzeitige Käuferin des Grundstückes mangels entsprechender Mitwirkung der im Amtshilfeweg ersuchten deutschen Behörden nicht möglich gewesen ist. Die Abgabenbehörde war daher gar nicht mehr in der Lage, im Rahmen eines Ermessensspielraumes eine andere Entscheidung zu treffen, um ihrer Verpflichtung, für die Einbringung der ausstehenden Abgaben zu sorgen, nachzukommen (vgl. z.B. das Erkennntis vom 31. Oktober 1991, 90/16/0150). Die der Beschwerdeführerin implizit vorschwebende Lösung, unter bestimmten Voraussetzungen könnte die Erhebung der Steuer im Festsetzungsverfahren nach Lage des Falles unterbleiben, findet im Gesetz keine Deckung (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Juni 1983, 16/3023/80, und vom 27. Oktober 1983, 82/16/0163).

Davon abgesehen, hat die Beschwerdeführerin - unter Hinweis auf eine nicht näher substantiierte "Beeinträchtigung ihrer Lebensumstände" - eine in der EINHEBUNG der Abgabe gelegene unbillige Härte geltend gemacht. Damit übersieht die Beschwerdeführerin, daß Gegenstand des Verfahrens nicht die Einhebung, sondern die Festsetzung der Abgabe ist. Eine Unbilligkeit der Einhebung ist nicht in einem solchen Verfahren, sondern allenfalls in einem Nachsichtsverfahren im Sinne des § 236 BAO geltend zu machen.

Auch dem Umstand, daß die seinerzeit von der Käuferin entrichtete Abgabe in der Folge wieder an diese zurückgezahlt wurde, kommt für die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Abgabenleistung keine Bedeutung zu. Ebensowenig ist von Bedeutung, daß zwischen dem Ende der Acht-Jahres-Frist am 13. Oktober 1988 und der Weiterveräußerung der Liegenschaft durch die Käuferin am 16. August 1989 nahezu ein Jahr verstrichen ist, zumal der Abgabenbehörde keinerlei Anzeichen dafür vorlagen, daß Marianne N. sich einer Abgabenentrichtung entziehen würde.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994160268.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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