TE Vfgh Erkenntnis 1993/9/29 V104/92

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Veröffentlicht am 29.09.1993
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Index

50 Gewerberecht
50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

TaxiV des LH von Kärnten vom 16.12.90, LGBl 3/1991, betreffend die Festlegung der Verhältniszahl und Kundmachung der Höchstzahl der Taxifahrzeuge im Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt und der Stadt Villach
GelVerkG §10 Abs2

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Kärntner TaxiV 1990 mangels entsprechender Sachverhaltsermittlungen und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Berechnungsmethode

Spruch

Die Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 16. Dezember 1990, LGBl. für Kärnten Nr. 3/1991, betreffend die Festlegung der Verhältniszahl und Kundmachung der Höchstzahl der Taxifahrzeuge im Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt und der Stadt Villach, war gesetzwidrig.

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B436/92 das Verfahren über eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Der Landeshauptmann von Kärnten wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 13. Feber 1992 das Ansuchen der beschwerdeführenden Gesellschaft um Erteilung einer Konzession zum Betrieb des Taxi-Gewerbes mit dem Standort in Villach ab. Er berief sich hiebei auf §10 Abs2 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, BGBl. 85/1952 (GelVerkG) idF der Novelle BGBl. 125/1987, iVm der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten betreffend die Festlegung der Verhältniszahl und Kundmachung der Höchstzahl der Taxifahrzeuge im Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt und der Stadt Villach vom 16. Dezember 1990, LGBl. Nr. 3/1991 (in der Folge: Kärntner TaxiV 1990), und begründete die ablehnende Entscheidung damit, daß die in der zitierten Verordnung festgesetzte Höchstzahl der für das Betreiben des Taxigewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeuge bereits erreicht sei. Gegen diesen Bescheid wendet sich die eingangs erwähnte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß der erwähnten Beschwerde am 2. Oktober 1992 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit folgender Bestimmungen der Kärntner TaxiV 1990 von Amts wegen zu prüfen:

im §1 die Wortfolge "und die Stadt Villach";

im §2 die Wortfolge "und b) für das Gebiet der Stadt Villach die Verhältniszahl 1,18" sowie

im §3 die Wortfolge "und b) für das Gebiet der Stadt Villach eine Höchstzahl von 39 zugelassenen Kraftfahrzeugen".

a) aa) Die Kärntner TaxiV 1990 stützte sich auf §10 Abs2 letzter Satz GelVerkG idF der Novelle BGBl. 125/1987. Diese (als Verfassungsbestimmung erlassene) Gesetzesvorschrift lautete:

"§10. (1) Der Bundesminister für Verkehr (nunmehr Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) kann für die diesem Bundesgesetz unterliegenden Gewerbe mit Verordnung Vorschriften erlassen über

......

(2) .....

(Verfassungsbestimmung) Weiters hat der Landeshauptmann im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter Berücksichtigung der Anzahl und Lage der in einer Gemeinde vorhandenen Standplätze (§96 Abs4 StVO) sowie der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Fahrten für jeweils drei Jahre durch Verordnung festzulegen, daß in Gemeinden, in denen Standplätze eingerichtet sind und für deren Gebiet ein verbindlicher Tarif gemäß §10a Abs1 oder 2 verordnet wurde, Konzessionen zur Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerk-Gewerbes nur bis zu jener Höchstzahl erteilt werden dürfen, die einer in der Verordnung bestimmten Verhältniszahl, bezogen auf die Zahl der vorhandenen Auffahrmöglichkeiten auf Standplätzen, entspricht; die sich so ergebendenen Höchstzahlen von für das Betreiben des Platzfuhrwerk-Gewerbes zuzulassenden Kraftfahrzeugen sind entsprechend kundzumachen.

(3) ....."

§10 Abs2 letzter Satz GelVerkG idF der Novelle 1987 wurde durch die (als Verfassungsbestimmung erlassene) Z15 der GelVerkG Novelle 1993, BGBl. 129, aufgehoben.

bb) Die Kärntner TaxiV 1990 hatte folgenden Wortlaut (die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen sind hervorgehoben):

"§1

Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt für die Landeshauptstadt Klagenfurt und die Stadt Villach, für deren Gebiet jeweils ein verbindlicher Tarif gemäß §10a Abs1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes festgehalten worden ist.

§2

Verhältniszahl

Im Interesse einer geordneten Gewerbeausübung sowie unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unter Berücksichtigung der Anzahl und der Lage der in der Gemeinde vorhandenen Standplätze sowie der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Fahrten wird

a)

für das Gebiet der Landeshauptstadt Klagenfurt die Verhältniszahl 1,15 und

b)

für das Gebiet der Stadt Villach die Verhältniszahl 1,18,

jeweils bezogen auf die Zahl der vorhandenen Auffahrmöglichkeiten auf Standplätzen, festgelegt.

§3

Höchstzahl der Taxifahrzeuge

Unter Berücksichtigung der im §2 festgelegten Verhältniszahlen ergeben sich

a)

für das Gebiet der Landeshauptstadt Klagenfurt eine Höchstzahl von 45 zugelassenen Kraftfahrzeugen und

b)

für das Gebiet der Stadt Villach eine Höchstzahl von 39 zugelassenen Kraftfahrzeugen

des Platzfuhrwerk-Gewerbes.

§4

Konzessionserteilung

Konzessionen zur Ausübung des mit Kraftfahrzeugen betriebenen Platzfuhrwerk-Gewerbes dürfen nur bis zu der in §3 jeweils angeführten Höchstzahl erteilt werden.

§5

Geltungsdauer

Dieser Verordnung tritt drei Jahre nach ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt außer Kraft."

b) Der Verfassungsgerichtshof ging im Einleitungsbeschluß vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen präjudiziell sind.

Er äußerte ob ihrer Gesetzmäßigkeit das Bedenken, daß sie dem §10 Abs2 letzter Satz GelVerkG widersprächen:

Die Kärntner TaxiV 1990 sei anscheinend ohne vorangegangene ausreichende Sachverhaltsfeststellungen erlassen worden; außerdem dürfte der Verordnungsgeber eine gesetzwidrige Methode zur Berechnung der Verhältniszahl und der Höchstzahl iS des §10 Abs2 letzter Satz GelVerkG gewählt haben.

3. Der Landeshauptmann von Kärnten (als jene Behörde, die die Kärntner TaxiV 1990 erlassen hat) und der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (als die zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Bundes) haben im Verordnungsprüfungsverfahren davon abgesehen, Äußerungen zu erstatten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Anlaßbeschwerde (s.o. I.1.) ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Hiebei hätte er jene Bestimmungen der Kärntner TaxiV 1990 anzuwenden, die sich auf die Stadt Villach beziehen; jene Stellen, die nur die Landeshauptstadt Klagenfurt betreffen, sind hingegen nicht präjudiziell (s. jedoch unten II.3.b und c).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die im Einleitungsbeschluß (s.o. I.2.b) geäußerten Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Stellen der Kärntner TaxiV 1990 dem §10 Abs2 letzter Satz GelVerkG widersprechen, treffen zu.

a) Mit der Kärntner TaxiV 1987 war für Klagenfurt die Verhältniszahl 1,08 und die Höchstzahl der zugelassenen Taxis mit 42, für Villach die Verhältniszahl mit 1,09 und die Höchstzahl der zugelassenen Taxis mit 36 festgesetzt worden.

Aus dem diese Verordnung betreffenden Akt, Zl. Gew-550/90, geht hervor, daß der verordnungserlassende Landeshauptmann für Klagenfurt von 39, für Villach von 33 Stellplätzen für Taxis ausgegangen war und - unter Übernahme des Antrages der Fachgruppe für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten - die Zahlen der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung zum Taxiverkehr zugelassenen Fahrzeuge (42 bzw. 36) ohne weitere Erhebungen als die festzusetzenden Höchstzahlen angenommen und daraus die Verhältniszahlen errechnet hatte.

b)aa) Aus dem vorgelegten, die Kärntner TaxiV 1990 betreffenden Verordnungsakt des Landeshauptmannes von Kärnten, Zl. Gew-550/90, ergibt sich, daß die federführende Abteilung 7 (Gewerbe) des Amtes der Kärntner Landesregierung vor Erlassung der Kärntner TaxiV 1990 erhoben hat, daß in Klagenfurt (unverändert) 39, in Villach (unverändert) 33 Auffahrmöglichkeiten auf Taxistandplätzen bestehen.

bb) Die Behörde stützte sich bei der Verordnungserlassung nahezu ausschließlich auf die Angaben der Fachgruppe in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft.

cc) Die Abteilung 2 V (Verfassungsdienst) beim Amt der Kärntner Landesregierung begutachtete den Entwurf der zu erlassenden Verordnung (der mit der letztendlich erlassenen Kärntner TaxiV 1990 übereinstimmt) und stellte fest, daß diese einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht standhalten werde. Sie begründete ihre Ansicht damit, daß die Verhältniszahl zu niedrig angesetzt sei und dies vom Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Versteinerung der Zahl der Taxikonzessionen als nicht zulässig angesehen werden könnte.

Am 25. Juni 1990 fand unter dem Vorsitz des Leiters der Abteilung 7 eine Bürobesprechung statt, an der ein Vertreter der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten und ein weiterer Vertreter der Abteilung 7 teilnahmen. Die Besprechung diente dazu, unter dem Gesichtspunkt der Stellungnahme der Abteilung 2 V die weitere Vorgangsweise bei der Verordnungserlassung abzusprechen und etwaige weitere Ermittlungstätigkeiten zu koordinieren.

Insbesondere heißt es in dem bezughabenden Aktenvermerk:

"Die ergänzenden Ermittlungen werden im folgenden Bereich zu veranlassen sein:

1. Genaue Ermittlung der Anzahl und durchschnittliche Dauer der Fahrten der Taxiunternehmer für die Monate Jänner bis Mai 1990.

Diese Unterlagen werden seitens der Fachgruppe für das Taxigewerbe dem ho. Amte zur Verfügung gestellt werden.

Nach Vorliegen dieser Materialien wird eine stichprobenweise Überprüfung der Fahrtenbücher von je drei Taxiunternehmern in Klagenfurt und Villach durch die ho. Abteilung vorgenommen werden.

Die erforderlichen Fahrtenbücher werden durch die Fachgruppe besorgt und zur behördlichen Überprüfung übermittelt werden.

2. Zur Frage der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs wird ein entsprechender Erhebungsauftrag an die beiden Polizeidirektionen Klagenfurt und Villach durch die ho. Abteilung gerichtet werden.

3. Um die ordnungsgemäße Ausübung des Taxigewerbes beurteilen zu können, wären seitens der Fachgruppe entsprechende Argumente hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eines Taxiunternehmers, der Ausstattung der Fahrzeuge sowie des Einsatzes von geeignetem Fahrpersonal zu liefern."

dd) Die Bundespolizeidirektion Klagenfurt stellte in ihrer Stellungnahme fest, daß - bedingt durch die sowieso bereits sehr hohe Anzahl an zugelassenen Fahrzeugen - eine Erhöhung der Verhältniszahl der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zuwiderlaufen würde. Die Bundespolizeidirektion Villach sprach sich gegen eine diesbezügliche Erhöhung aus; dies mit der Begründung, die Praxis, ebensoviele Konzessionen zu bewilligen, wie Stellplätze zur Verfügung stehen, habe sich gut bewährt.

Die Fachgruppe für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten erstattete einen Bericht, in dem allerdings im wesentlichen nur auf den hohen Konkurrenzdruck und die schwierige wirtschaftliche Lage der Konzessionsinhaber Bezug genommen wird.

ee) Die federführende Abteilung 7 blieb entgegen dem insbesondere mit Hinweisen auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ausführlich begründeten Rat der Abteilung 2 V bei ihrem - vom Landeshauptmann durch Erlassung der Kärntner TaxiV 1990 gebilligten - Vorschlag.

Im "Amtsvortrag" vom 12. Dezember 1990 (OZ 12 des Verordnungsaktes) wird als "Entscheidungsgrundlage" angeführt:

"Die Gutachten der Fachgruppe für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen in der Sektion Verkehr der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten vom 7. Mai 1990, 27. Juni 1990 und 28. November 1990. Die Ergebnisse einer umfassenden Erhebung zur Ermittlung der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Taxifahrten in den Städten Klagenfurt und Villach in der Zeit vom 17. April bis einschließlich 19. April 1990. Zur Erhärtung der diesbezüglichen Ergebnisse hat die gewerbliche Interessenvertretung der ho. Gewerbeabteilung einen repräsentativen Querschnitt von Fahrtenbuchaufzeichnungen des Klagenfurter und Villacher Taxi-Gewerbes sowie buchhalterische Geschäftsaufzeichnungen eines mit allen anderen Betrieben vergleichbaren namhaften Klagenfurter Taxiunternehmens freimütig zur Verfügung gestellt. Sämtliche Unterlagen wurden nach Sichtung und Würdigung an die betreffenden Unternehmungen retourniert. Nicht unmaßgebend für die endgültige Fassung vorliegenden Verordnungsentwurfes waren nicht zuletzt die im Grunde gegen jede weitere Erhöhung der Verkehrskapazitäten auf dem Taxisektor sprechenden erfahrungsgeprägten Gutachtensausführungen der Bundespolizeidirektion Villach vom 25. Juli 1990.

Unverändert gegenüber dem Stand von 1987 geblieben sind Anzahl und Lage der in Klagenfurt und Villach vorhandenen Taxi-Auffahrmöglichkeiten; dies ergibt sich aus den diesbezüglichen Mitteilungen der zuständigen Behörden erster Instanz. Bei der Ermittlung der Anzahl und Dauer der durchschnittlich durchgeführten Fahrten ging man jedenfalls davon aus, daß als Betrachtungszeitraum aus Gründen der Intensität des Verkehrsaufkommens tagsüber die Zeit von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr besondere Beachtung finden sollte. Dabei wurde festgestellt, daß innerhalb dieses Zeitraumes in Klagenfurt und Villach durchschnittlich elf bis zwölf Fahrten mit einer durchschnittlichen Dauer pro Fahrt von ca. 30 Minuten (von der Abfahrt vom Standplatz bis zur Rückkehr zum Standplatz) durchgeführt werden. Von anderer Seite aus betrachtet bedeutet dies eine durchschnittliche Stehzeit der Taxifahrzeuge auf den Standplätzen von jeweils siebeneinhalb Stunden innerhalb des Betrachtungszeitraumes von zwölf Stunden. Diese Daten ergeben sich aus den von der Handelskammer durchgeführten Erhebungen und finden in den beigebrachten und gesichteten Fahrtenbuchaufzeichnungen ihre volle Bestätigung.

Seit dem Jahre 1987 hat sich eine nicht unmerkliche Erhöhung des tatsächlichen Auslastungsgrades der gewerblichen Betriebsmittel von damals ca. 35 % auf heute leicht über 40 % ergeben. Die zuständige Kammerorganisation begründete die Verringerung der durchschnittlichen Warte- bzw. Stehzeiten der Taxifahrzeuge damit, daß infolge Fehlens gesonderter Taxispuren und der gewaltigen Zunahme des Personen-Individualverkehrs die Fahrten längere Zeit beanspruchen, wobei die Anzahl der durchschnittlich durchgeführten Fahrten jedoch gleichgeblieben sei. Diese Erklärung erscheint durchaus plausibel."

Sodann wird auf die völlig verschiedene Auslastung der Taxistandplätze und auf die "prekäre wirtschaftliche Situation" der Taxiunternehmen hingewiesen und bemerkt, daß eine Vermehrung der Zahl der zuzulassenden Taxis zu einer untragbaren Belastung des Umfeldes der Taxistandplätze führen würde.

c)aa) Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 12510/1990 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) dargetan, daß §10 Abs2 zweiter Satz GelVerkG idF der Nov. 1987 (auf den die Kärntner TaxiV 1990 gegründet wird) im Sinne einer weitestmöglichen Erwerbsausübungsfreiheit auszulegen ist und daß diese nur aus schwerwiegenden - durch detaillierte Feststellungen belegten - öffentlichen Interessen eingeschränkt werden darf.

bb) Hier hat nun der Verordnungsgeber wesentliche Sachverhaltselemente unrichtig und unvollständig erhoben; zumindest aber gab es hiefür keine nachprüfbaren Grundlagen. Der Verordnungsgeber des Jahres 1990 hat nämlich die Kärntner TaxiV 1987 zur Grundlage seiner Überlegungen genommen und ist davon ausgegangen, daß sich seither nichts Maßgebendes geändert habe, sodaß die Verhältnis- und Höchstzahlen im wesentlichen unverändert bleiben könnten. Die weitere Argumentation (die sich den Anschein einer Berechnung gibt), wie sie im "Amtsvortrag" vom 12. Dezember 1990 (s.o. II.2.b.ee) enthalten ist, kann der Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehen. Die federführende Abteilung 7 - und ihr folgend der Verordnungsgeber - hat es unterlassen, den Ausführungen der Abteilung 2 V fundierte Sachverhaltsfeststellungen und rechtliche Argumente entgegenzusetzen.

Die Kärntner TaxiV 1990 knüpft an die TaxiV 1987 an, deren Erlassung aber keine entsprechenden Sachverhaltsermittlungen vorangegangen waren. Der TaxiV 1990 liegt keine Ergänzung des Sachverhalts zugrunde. Außerdem hat der Verordnungsgeber insofern eine gesetzwidrige Berechnungsmethode gewählt, als er zunächst die Höchstzahl bestimmt und erst daraus die Verhältniszahl errechnet hat, anstatt - wie dies §10 Abs2 letzter Satz GelVerkG vorsieht - den umgekehrten Weg zu gehen (vgl. etwa VfSlg. 12310/1990; VfGH 6.12.1991 V407/90 ua. Zlen., 29.2.1992 V270/91 ua. Zlen.).

cc) Wie aus dem die Kärntner TaxiV 1990 betreffenden Verordnungsakt hervorgeht, sind die Taxistandplätze äußerst unterschiedlich ausgelastet; manche Standplätze werden überhaupt nicht angenommen, andere hingegen sind (permanent) überlastet. Bei Errechnung der Verhältniszahl und der Höchstzahl wäre auch darauf Bedacht zu nehmen gewesen (vgl. VfGH 29.2.1992 V270/91 u. a. Zlen.).

3.a) Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Kärntner TaxiV 1990 haben sich sohin als gesetzwidrig erwiesen.

Die Kärntner TaxiV 1990 ist inzwischen außer Kraft getreten:

Mit der als Verfassungsbestimmung erlassenen Z15 der Gelegenheitsverkehrs-Novelle 1993, BGBl. 129, wurde §10 Abs2 zweiter Satz GelVerkG aufgehoben. Mangels einer besonderen Inkrafttretungsregelung wurde die Aufhebung mit Ablauf des 18. Feber 1993 (dem Tag der Ausgabe des betreffenden Bundesgesetzblattes) wirksam. Mit diesem Zeitpunkt ist auch die Kärntner TaxiV 1990 (eine Verordnung, die auf §10 Abs2 zweiter Satz GelVerkG - eine als Verfassungsbestimmung erlassene Vorschrift - gegründet war) weggefallen (vgl. zB VfSlg. 2326/1952, 3119/1956, 3820/1960, 6182/1970, 11643/1988).

b) Gemäß Art139 Abs3 hat der Verfassungsgerichtshof nicht bloß die als gesetzwidrig erkannte Verordnungsstelle, sondern die ganze Verordnung u.a. dann als gesetzwidrig aufzuheben, wenn die ganze Verordnung der gesetzlichen Grundlage entbehrt (lita). Das ist dann der Fall, wenn die festgestellte Gesetzwidrigkeit der präjudiziellen Verordnungsstelle offenkundig auch alle übrigen Verordnungsbestimmungen erfaßt (vgl. zB VfSlg. 8213/1977, 8697/1979).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die oben zu II.2. festgestellten Gesetzwidrigkeiten betreffen offenkundig nicht bloß die auf Villach, sondern auch die auf Klagenfurt bezogenen Verordnungsstellen.

c) Im Hinblick auf diese Ausführungen war nicht mit Aufhebung der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen vorzugehen, sondern gemäß Art139 Abs3 und 4 B-VG auszusprechen, daß die gesamte Kärntner TaxiV 1990 gesetzwidrig war.

Umstände, die gemäß Art139 Abs3 letzter Satz B-VG einem solchen Ausspruch entgegenstünden, sind nicht hervorgekommen.

4. Die Verpflichtung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zur Veröffentlichung der Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG (vgl. zB VfSlg. 7586/1975; VfGH 9.3.1990, V101/89; 6.12.1991,

V 407,408,410,411/90, 29.2.1992 V270/91 u.a. Zlen.).

5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nach §19 Abs4 erster Satz VerfGG entbehrlich.

Schlagworte

Gewerberecht, Gelegenheitsverkehr, Taxis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:V104.1992

Dokumentnummer

JFT_10069071_92V00104_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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