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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1994, Zl. 4.318.546/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, der am 7. November 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, gab bei einer Befragung durch die Bundespolizeidirektion Graz am 9. November 1990 als Grund für seine Einreise nach Österreich an, er sei in seinem Heimatland vom Juni 1981 bis Juli 1982 in Haft gewesen, weil er über den Aufenthaltsort seines Bruders, dem man Aktivitäten für die Volksmudjahedin vorgeworfen habe, keine Angaben gemacht habe. Nach seiner Haftentlassung sei er, obwohl seine Anhaltung bekannt gewesen sei, ohne Probleme im Sozialministerium in Teheran als Buchhalter eingestellt worden. Er habe diese Tätigkeit auch nach der Verhaftung seines Bruders weiter ausführen können. Erst nachdem sein Bruder hingerichtet worden sei, habe er über Anraten des Ministeriums das Dienstverhältnis aus eigenem gelöst. Der Beschwerdeführer sei dann bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt und - über ausdrückliches Befragen - bis zu seiner Ausreise keiner Verfolgung oder Benachteiligung irgendwelcher Art ausgesetzt gewesen. Als Grund für seine Ausreise gab er an, daß im Oktober 1990 der Bruder eines gemeinsam mit dem Bruder des Beschwerdeführers Hingerichteten verhaftet worden sei. Der Beschwerdeführer habe diesen nunmehr Verhafteten gelegentlich gesehen und zwei Tage vor der Verhaftung zufällig auf der Straße getroffen. Den Grund für die Verhaftung kenne er nicht.
In einer mit 27. November 1990 datierten Eingabe stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag, den er damit begründete, daß seine gesamte Familie der politischen Verfolgung ausgesetzt sei. Er sei 1981 anläßlich einer Hausdurchsuchung verhaftet und ein Jahr lang festgehalten worden. Sein Bruder sei "im Jahre 1984/85" hingerichtet worden, seine Schwester sei als Konventionsflüchtling anerkannt worden und halte sich in Österreich auf. Nach seiner Entlassung sei der Beschwerdeführer permanent observiert worden, da er im Verdacht gestanden sei, mit den Mudjahedin zu sympathisieren. Von Freunden sei ihm die Möglichkeit geboten worden, ohne Kenntnis der Behörden illegal im Ministerium zu arbeiten. Die politische Situation habe sich verschlechtert und die Observierungen hätten zugenommen; ein Freund, der ebenfalls der Zusammenarbeit mit den Mudjahedin verdächtigt worden sei, sei nach einem Treffen mit dem Beschwerdeführer von den Pasderan verhaftet worden. Dies sei der Anlaß für die Flucht des Beschwerdeführers gewesen. Telefonisch habe er von seinen Eltern erfahren, daß er in seinem Heimatland bereits gesucht werde. Bei einer Rückkehr dorthin müsse er mit Gefängnis oder sogar seiner Hinrichtung rechnen.
Zu diesem Asylantrag wurde der Beschwerdeführer von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 18. Februar 1991 einvernommen. Hiebei änderte er seine oben wiedergegebenen Angaben dahin ab, daß er mit den Mudjahedin sympathisiert habe und 1981 deshalb verhaftet worden sei, weil bei einer Hausdurchsuchung bei ihm verbotene Schriften und Flugblätter der Mudjahedin gefunden worden seien. Er sei nicht im Sozialministerium, sondern in einem Sozialamt bzw. einer wohltätigen Institution tätig gewesen und habe nach der Hinrichtung seines Bruders gekündigt. Seit dem Jahr 1985 sei er von Revolutionsgardisten kontrolliert worden, habe mit diesen zwar nie Kontakt gehabt, habe aber von seiner Mutter erfahren, daß diese nach ihm gefragt hätten, weil sie eine politische Betätigung des Beschwerdeführers - er habe seinen Angaben nach für die Mudjahedin gelegentlich Flugblätter verteilt und Kontakte zu ihnen gepflogen - angenommen hätten. Seit seiner Haftentlassung im Jahre 1982 habe er weder mit Behörden noch mit den Revolutionsgarden Kontakt gehabt. Er sei nach seiner Haft nie irgendwelchen Verfolgungen ausgesetzt gewesen und habe den Iran primär deshalb verlassen, weil er Angst vor den Revolutionsgarden gehabt habe und außerdem nicht dauernd im Untergrund habe leben wollen. Da er eine Schwester in Österreich habe, sei ihm der Entschluß leicht gefallen.
Mit Bescheid vom 14. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Anerkennung seiner Schwester als Konventionsflüchtling geltend, daß die gleichen Voraussetzungen auch auf ihn zutreffen müßten. Seine Angaben über seine Tätigkeit im Ministerium seien falsch protokolliert worden, da er nicht offiziell, sondern nur durch Hilfe von Freunden dort ohne Kenntnis der Behörden einer sehr schlecht entlohnten Tätigkeit habe nachgehen können. Nach der Hinrichtung seines Bruders habe er auch diese inoffizielle Tätigkeit nicht mehr aufrecht erhalten können und sei er zu diesem Zeitpunkt wesentlich stärkeren Sanktionen seitens der Behörden ausgesetzt gewesen. Zufolge der Verhaftung des Bruders des gemeinsam mit dem Bruder des Beschwerdeführers Hingerichteten habe der Beschwerdeführer auch mit seiner eigenen Verhaftung rechnen müssen.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Verhaftung im Jahre 1981 dahin gewürdigt, daß die diesen Angaben zugrunde liegenden Ereignisse zeitlich so weit zurücklägen, daß aus ihnen begründete Furcht vor Verfolgung nicht mehr abgeleitet werden könne. Diese Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers steht in Übereinstimmung mit der ständigen hg. Judikatur, derzufolge Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet haben, nicht mehr beachtlich sind; die wohlbegründete Furcht muß vielmehr bis zur Ausreise andauern (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0205).
Der belangten Behörde ist auch zuzustimmen, wenn sie bei ihrer Entscheidung von den Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Einvernahmen durch die Bundespolizeidirektion Graz und die Behörde erster Instanz, die hinsichtlich der problemlosen Beschäftigung des Beschwerdeführers im Anschluß an seine Haftentlassung im wesentlichen übereinstimmen, ausgegangen ist, weil sie durchaus dem vom Asylantrag abweichenden Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark die Bedeutung einer Relativierung und Berichtigung der Behauptungen im schriftlichen Asylantrag beimessen konnte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0819). Ebenso hat die belangte Behörde richtig gefolgert, daß, selbst wenn man von den Behauptungen in der Berufung über die lediglich inoffizielle, schlecht bezahlte Tätigkeit ausginge, daraus für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden könnte, weil er eine Gefährdung seines Lebensunterhaltes nicht ins Treffen geführt hat. Damit kommt aber auch der sowohl in der Berufung als auch in der Beschwerde erhobenen Rüge, die Angaben des Beschwerdeführers über seine Beschäftigung im Sozialministerium bzw. in einem Sozialamt seien unrichtig protokolliert worden, für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens keine Bedeutung zu.
Auch was die in der Berufung behaupteten - im übrigen in keiner Weise näher konkretisierten - "stärkeren Sanktionen" im Anschluß an die Hinrichtung seines Bruders und die Überwachung durch Revolutionsgarden anbelangt, ist die Behörde zu Recht von den in den niederschriftlichen Einvernahmen enthaltenen Angaben des Beschwerdeführers, er sei seit seiner Haftentlassung im Juli 1982 keinerlei Verfolgungshandlungen oder Benachteiligungen ausgesetzt gewesen und habe seither auch keinen Kontakt mit Behörden oder Revolutionsgarden gehabt, ausgegangen. Den Umstand, daß bei seiner Mutter nach ihm gefragt worden sei, hat die belangte Behörde zutreffend als nicht ausreichend erachtet, um daraus Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) abzuleiten.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wegen der Verhaftung des Bruders eines gleichzeitig mit dem Bruder des Beschwerdeführers Hingerichteten geflohen zu sein, weist insoweit Widersprüchlichkeiten auf, als er einerseits in der Niederschrift vom 9. November 1990 angegeben hat, er habe den Verhafteten lediglich gelegentlich und insbesondere zwei Tage vor dessen Festnahme zufällig auf der Straße getroffen und er kenne auch weder den Grund der Verhaftung noch wisse er, welcher Art die politische Aktivität des Verhafteten gewesen sei, während er andererseits im Asylantrag angegeben hat, es habe sich beim Verhafteten um einen Freund gehandelt, der im Verdacht gestanden sei, mit den Volksmudjahedin zusammen zu arbeiten. Bei diesem die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens in Frage stellenden Sachverhalt ist der belangten Behörde aber im Ergebnis zuzustimmen, wenn sie der Auffassung war, das Vorbringen des Beschwerdeführers habe keine Anhaltspunkte dafür erbracht, daß die Behörden gegen den Beschwerdeführer ebenso wie gegen den Verhafteten vorgehen würden.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Amtsdolmetschers nicht verpflichtend vorgesehen. Gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 reicht die Beiziehung eines Dolmetschers - also auch eines solchen, der nicht die Funktion eines Amtsdolmetschers innehat - für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache aus. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, seine Angaben hinsichtlich seiner ministerialen Beschäftigung seien unrichtig protokolliert worden, wurde bereits oben dargelegt, daß selbst im Fall des Zutreffens dieser Behauptung und somit auch für den Fall, daß dies auf den beigezogenen Dolmetscher zurückzuführen wäre, aus der in der Berufung gebotenen Darstellung des Geschehens für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen wäre.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Die sich insgesamt sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200849.X00Im RIS seit
20.11.2000