TE Vfgh Erkenntnis 2022/12/7 E2303/2021

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Veröffentlicht am 07.12.2022
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Index

10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG

Leitsatz

Auswertung in Arbeit

Spruch

Der beschwerdeführende Verein ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Vorgeschichte:

1.1. Am 6. Oktober 2020 zeigte der beschwerdeführende Verein der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Abhaltung einer "täglich von Donnerstag, 08. Oktober Beginn 12:00 Uhr bis Mittwoch, 15. Oktober jeweils durchgehend von 06:00 Uhr bis 20:00 Uhr" stattfindenden Versammlung an. Hintergrund der Proteste und des Protestwillens in der Bevölkerung sei "der Umstand, dass trotz einer Gesamtprojektlaufzeit von über zwanzig Jahren, die wenigen Tage oder Wochen bis zum Vorliegen des VwGH-Urteils (das den Projektbetreibern entweder Rechtssicherheit gibt oder aber den UVP-Bescheid, auf Basis dessen die Bauarbeiten ohne Rechtssicherheit für den Projektbetreiber erfolgen, aufhebt und die Bauarbeiten stoppt) mit den Bauarbeiten nicht zugewartet wird." Auch betreffe die Versammlung das Thema "Nachhaltigkeit und Klimaschutz"; konkret würde die Freileitungsvariante der "380kv Salzburgleitung […] gesamt 800ha Wald – darunter wertvollsten Schutzwald – kosten. Dies ist mit Österreichs Klimapolitik und verantwortungsvoller Nachhaltigkeitspolitik NICHT vereinbar."

2. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2020 untersagte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung gestützt auf §6 Versammlungsgesetz 1953 iVm Art11 Abs2 EMRK diese Versammlung mit näherer Begründung. Dieser Bescheid wurde vom beschwerdeführenden Verein nicht in Beschwerde gezogen.

Am 10. Oktober 2020 wurde von einer anderen Person ebenfalls eine Anzeige für eine dieselbe Örtlichkeit und auch nahezu denselben Zeitraum betreffende Versammlung eingebracht. Auch diese Versammlung wurde mit Bescheid vom 11. Oktober 2020 gestützt auf §6 Versammlungsgesetz 1953 iVm Art11 Abs2 EMRK untersagt und die Untersagung wurde ebenfalls nicht bekämpft.

3. Sachverhalt betreffend die Beschwerde, die sich gegen die Auflösung der Versammlung vom 13. Oktober 2020 richtet:

3.1. Mit E-Mail vom Freitag, dem 9. Oktober 2020, um 21.57 Uhr zeigte der beschwerdeführende Verein erneut der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung eine Versammlung mit demselben Versammlungszweck an: Wieder wurde als Hintergrund der Proteste und des Protestwillens in der Bevölkerung das Thema "Nachhaltigkeit und Klimaschutz" angeführt; konkret würde die Freileitungsvariante der "380kv Salzburgleitung […] gesamt 800ha Wald – darunter wertvollsten Schutzwald – kosten. Dies ist mit Österreichs Klimapolitik und verantwortungsvoller Nachhaltigkeitspolitik NICHT vereinbar. Allein auf dem Heuberg werden zigtausend Quadratmeter Wald gerodet! Die Schneise der Rodung wird sich genau in diesem Bereich befinden bzw befindet sich schon dort, darum soll dieser Protest hier stattfinden, um den Teilnehmern dies vor Augen zu führen." Die Versammlung sei vom 12. bis 16. Oktober 2020 jeweils von 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr bzw am letzten Tag bis 13.00 Uhr im Rahmen von Protestmärschen und stillen Protesten im Sitzen in einem näher bezeichneten Abschnitt der Dax-Lueg-Straße geplant.

Diese Versammlungsanzeige ging – wie eingangs dargelegt – am Freitag, dem 9. Oktober 2020, um 21.57 Uhr bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ein, gelangte dem zuständigen Sachbearbeiter jedoch erst am Montag, dem 12. Oktober 2020, – nach Beginn der Versammlung – zur Kenntnis.

3.2. Diese – für den vorliegenden Fall einzig relevante – am 9. Oktober 2020 angezeigte Versammlung war zum Zeitpunkt des Beginns der Versammlung am Montag, 12. Oktober 2020, (noch) nicht untersagt:

Am Montag, dem 12. Oktober 2020, errichteten die Versammlungsteilnehmer am angezeigten Ort mit einem Absperrband eine Straßensperre und positionierten sich so, dass Baufahrzeuge an der Zufahrt zur behördlich bewilligten Baustelle gehindert wurden.

3.3. Im Laufe des Vormittages traf schließlich der Behördenvertreter am Versammlungsort ein und versuchte die Teilnehmer zunächst zu überzeugen, freiwillig auseinanderzugehen. Dies lehnten die Versammlungsteilnehmer – wie sich unstrittig aus der Beschwerdeschrift sowie dem Inhalt des angefochtenen Erkenntnisses ergibt – jedoch unter Hinweis darauf ab, dass sie diesfalls um ihr Recht auf eine Maßnahmenbeschwerde fielen. Um 11.30 Uhr untersagte der Behördenvertreter schließlich mit an die Versammlungsteilnehmer gerichteter Ansage die Versammlung und löste diese mittels Lautsprecherdurchsage um 13.03 Uhr auf. Er wiederholte die Aufforderung auseinanderzugehen mehrfach und drohte schließlich die zwangsweise Räumung des Versammlungsortes an. Ungeachtet dessen blieben die Versammlungsteilnehmer bis zirka 16.00 Uhr am Versammlungsort, verließen diesen jedoch, nachdem von weiteren Bautätigkeiten an diesem Tag abgesehen wurde; eine Anwendung von Zwangsgewalt durch die anwesenden Exekutivbeamten erfolgte nicht.

Sowohl die Untersagung der Versammlung als auch deren Auflösung sind in einem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 12. Oktober 2020 dokumentiert.

3.4. Der beschwerdeführende Verein bestreitet in seiner Beschwerde zunächst, dass vor Beginn der Versammlung am 12. Oktober 2020 bereits eine Untersagung erfolgt sei. Auch wird bestritten, dass eine Auflösung der Versammlung am 12. Oktober 2020 erfolgt sei; vielmehr hätten die Versammlungsteilnehmer den Versammlungsort freiwillig verlassen, nachdem aus ihrer Sicht der Versammlungszweck erfüllt schien, indem von weiteren Bautätigkeiten an diesem Tag abgesehen wurde. Eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Untersagung und Auflösung der Versammlung am 12. Oktober 2020 erfolgte daher zunächst nicht.

3.5. Am Dienstag, dem 13. Oktober 2020, um 7.00 Uhr versammelten sich die Teilnehmer erneut unmittelbar vor dem zum Baustellenbereich führenden Stichweg, sodass eine Zufahrt zur Baustelle für Fahrzeuge auch an diesem Tag verhindert wurde.

Über telefonischen Auftrag des Behördenvertreters löste ein vor Ort anwesender Exekutivbeamter um 11.23 Uhr die Versammlung gemäß §13 Versammlungsgesetz 1953 iVm Art11 EMRK auf und wiederholte diese Auflösung um 11.40 Uhr. Nach Eintreffen am Versammlungsort wiederholte der Behördenvertreter um 12.03 Uhr erneut die Auflösung der Versammlung. Auch dies ist in einem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 13. Oktober 2020 dokumentiert.

Gegen diese am 13. Oktober 2020 behaupteterweise erfolgte Untersagung und Auflösung der Versammlung richtet sich die vorliegende Beschwerde:

4. Beschwerde:

4.1. Mit Schriftsatz vom 23. November 2020 erhob der beschwerdeführende Verein die zur Zahl 405-12/60/1/36-2021 protokollierte Maßnahmenbeschwerde und beantragte, das Landesverwaltungsgericht Salzburg möge "die Untersagung und Auflösung der Versammlung auf der Dax-Lueg-Straße in Salzburg vom 13.10.2020 als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklären".

4.2. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg am 15. Februar 2021 gab der beschwerdeführende Verein erstmals niederschriftlich zu Protokoll, dass er auch gegen die Untersagung und Auflösung der Versammlung am 12. Oktober 2020 Maßnahmenbeschwerde erhebe. Diesen Antrag konkretisierte er in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom 29. März 2021. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg protokollierte diese Beschwerde zur Zahl 405-12/65/1/2-2021.

5. Weiterer Verfahrensgang

5.1. Mit Beschluss vom 30. April 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die "Beschwerde betreffend am 12.10.2020 beanstandete Maßnahmen" als verspätet und die "Beschwerde […] gegen eine behauptete Untersagung der Versammlung am 13.10.2020" mangels Vorliegens einer Untersagung als unzulässig zurück.

In einem wurde mit Erkenntnis die "Beschwerde, soweit sie sich gegen die Wiederholung der Auflösung der Versammlung" durch das näher genannte Behördenorgan am 13. Oktober 2020 um 12.03 Uhr richtet, als unbegründet abgewiesen und die Maßnahme für rechtmäßig erklärt.

5.2. Begründend führt das Landesverwaltungsgericht Salzburg zu seinen Beschlüssen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der beschwerdeführende Verein habe am 12. Oktober 2020 von den an diesem Tag gesetzten Maßnahmen Kenntnis erlangt. Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde gegen die an diesem Tag gesetzten Akte unmittelbarer Befehlsgewalt sei am 15. Februar 2021 bereits abgelaufen, da für den Beginn der Beschwerdefrist nicht auf die rechtliche Beurteilung der Befehlsgewalt, sondern auf deren faktische Ausübung abzustellen sei. Ferner sei die Versammlung am 13. Oktober 2020 nicht untersagt worden, weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde mangels Vorliegens einer Untersagung als unzulässig zurückzuweisen sei.

5.3. Zur Abweisung der Maßnahmenbeschwerde gegen die Auflösung der Versammlung am 13. Oktober 2020 führt das Landesverwaltungsgericht Salzburg auf das Wesentliche zusammengefasst aus, es sei bereits mit Bescheid vom 7. Oktober 2020, dem beschwerdeführenden Verein am selben Tag zugestellt, eine Versammlung, die für den Zeitraum von 8. bis 15. Oktober 2020 jeweils von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr angezeigt worden sei, zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter untersagt worden, da die Befahrung der Straße in einem Zeitraum von "6,5 Tagen" nur für einen sehr eingeschränkten Personenkreis gewährleistet sei und insbesondere Fahrten zur Baustelle zur Errichtung der Freileitung nicht möglich seien. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Der beschwerdeführende Verein habe daraufhin mit Eingabe vom 9. Oktober 2020 eine weitere Versammlung angezeigt, die sich lediglich hinsichtlich des Zeitraumes (12. bis 16. Oktober 2020, jeweils von 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr bzw am letzten Tag bis 13.00 Uhr) und hinsichtlich der Zulassung von Versorgungsfahrten unterschieden habe. Diese Versammlung sei nicht untersagt worden, weshalb sie grundsätzlich als angezeigt und rechtmäßig gegolten hätte, wäre die Abhaltung einer Versammlung am 13. Oktober 2020 nicht auch schon mit Bescheid vom 7. Oktober 2020 untersagt worden. Einer der wesentlichen Entscheidungsgründe für die Untersagung sei die Hintanhaltung der Beeinträchtigung von Rechten Dritter, nämlich die Zufahrtsmöglichkeit des Bauunternehmens bzw von diesem beauftragter Dritter zur Baustelle, gewesen. Insofern unterscheide sich aber die erste Versammlungsanzeige nicht von der zweiten, da auch mit letzterer eine Zufahrt zur Baustelle für Baufahrzeuge nicht erlaubt werden sollte. Insofern stimmten die beiden Versammlungen bezogen auf den 13. Oktober 2020 in einem der wesentlichen Bescheiduntersagungsgründe überein und sei sohin die Versammlung an diesem Tag von vornherein als nicht rechtmäßig, weil bescheidmäßig untersagt, zu erachten gewesen. Ausgehend davon sei die Rechtmäßigkeit der Auflösung zu untersuchen:

Die sich über mehrere Tage erstreckende Unterbindung der Zufahrt zu einer Baustelle stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzes des Rechtes eines Anderen dar. Wäre die Versammlung behördlicherseits nicht aufgelöst worden, so wäre – ex ante betrachtet – angesichts des angezeigten Versammlungszeitraumes die Zufahrt zum Baustellenbereich mehrere Tage lang unterbunden worden. Zudem könne, zumal die Versammlungsteilnehmer bereits am 13. Oktober 2020 über mehrere Stunden ihren Unmut zum Ausdruck gebracht hätten, in der erfolgten Auflösung der Versammlung keine Beeinträchtigung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Versammlungsfreiheit erblickt werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass an diesem Tag lediglich zwei Baustellenfahrzeuge zurückgewiesen worden seien, zumal es nachvollziehbar sei, dass das Bauunternehmen auf Grund der offensichtlich drohenden Erfolglosigkeit keine weiteren Anfahrtsversuche unternommen habe. Unbedeutend sei auch, dass das Bauunternehmen über einen weitläufigen Umweg zum Baustellenbereich gelangen hätte können, da die Zufahrt zur Baustelle gemäß dem UVP-Bescheid nur über die abgesperrte Seite erlaubt gewesen sei und ein Umweg einen erheblichen Mehraufwand bedeutet hätte. Schließlich sei davon auszugehen, dass in diesem Fall auch die andere Seite abgesperrt worden wäre. In der Wiederholung der Versammlungsauflösung durch den Behördenvertreter sei daher keine Verletzung des Versammlungsrechtes zu erkennen.

6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Versammlungsfreiheit, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.

7. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

8. Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung verweist in ihrer Gegenschrift auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung und bringt ergänzend zusammengefasst vor, es sei davon auszugehen, dass die Versammlung eine Behinderung der Baustelle bezweckte. Dies laufe dem Schutz der Bewilligungsinhaberin auf den rechtmäßigen Konsum ihrer Bewilligung zur Errichtung der Freileitung zuwider. Gezielte Störungen der Ausübung von Grundrechten würden aber die Untersagung einer Versammlung wegen Beeinträchtigung des öffentlichen Wohles rechtfertigen (VfSlg 18.601/2008). Ferner sei davon auszugehen, dass bei einer in der angezeigten Dauer anhaltenden Sperre einer öffentlichen Straße für die (überwiegende) Allgemeinheit von einer Intensität auszugehen sei, welche das erträgliche Maß erheblich überschreite. Die Botschaften und Ziele der Versammlung hätten auch auf eine weniger eingriffsintensive Art und Weise artikuliert werden können. Es überwiege hier das Interesse der Allgemeinheit am unbeeinträchtigten Verkehrsfluss. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass das Nichteinschreiten der Behörde die Wirkung eines Baustopps entfaltet hätte, der eine zentrale Forderung des beschwerdeführenden Vereins darstelle. Es werde daher beantragt, die Beschwerde mangels Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes abzuweisen und dem beschwerdeführenden Verein den Ersatz der entstandenen Prozesskosten aufzutragen.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§13 Versammlungsgesetz 1953, BGBl 98, idF BGBl I 63/2017 lautet wie folgt:

"§13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§16 Abs1 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet:

2. Der beschwerdeführende Verein bringt hinsichtlich der hier zu beurteilenden Rechtsfrage – auf das Wesentliche zusammengefasst – vor, das Landesverwaltungsgericht Salzburg gehe rechtsirrig von einer Bindungswirkung des Bescheides vom 7. Oktober 2020 auch für die mit E-Mail vom 9. Oktober 2020 angezeigte und von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung deshalb nicht untersagte Versammlung aus. Da dies unzutreffend und die am 9. Oktober 2020 angezeigte Versammlung nicht untersagt worden sei, daher rechtmäßig stattfinden habe können, hätte die Versammlung auch nicht aufgelöst werden dürfen.

In der Sache verweist der beschwerdeführende Verein darauf, dass es sich nicht um eine systematische Blockade, sondern um eine rechtmäßig abgehaltene Versammlung gehandelt habe, die – fernab jeglicher Zivilisation – ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erregen müsse, um den Demonstrationszweck zur Geltung zu bringen. Dadurch sei aber keine unzumutbare Beeinträchtigung von Rechten Dritter erfolgt, die eine Auflösung gemäß §13 Abs2 Versammlungsgesetz 1953 rechtfertigen würde. Die Veranstalter hätten diverse Fahrzeuge durchgelassen, ferner sei eine andere Zufahrtsstraße zur Verfügung gestanden. Die Versammlung sei sohin der Allgemeinheit und konkret den bauführenden Gesellschaften zumutbar gewesen. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe im Rahmen seiner Interessenabwägung die Rechte Dritter zu stark gewichtet und dadurch den beschwerdeführenden Verein im Recht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit verletzt.

3. Zur Auflösung der Versammlung am 13. Oktober 2020:

3.1. Ein Eingriff in das durch Art11 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art11 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde; ein solcher Fall liegt vor, wenn die Entscheidung mit einem so schweren Fehler belastet ist, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise ein verfassungswidriger, insbesondere ein dem Art11 Abs1 EMRK widersprechender und durch Art11 Abs2 EMRK nicht gedeckter Inhalt unterstellt wurde (vgl zB VfSlg 19.961/2015, 19.962/2015).

3.2. §13 Versammlungsgesetz 1953 erlaubt es, eine Versammlung aufzulösen, wenn diese gegen die Vorschriften des Versammlungsgesetzes veranstaltet wird und deren Abhaltung eine drohende Gefahr für die in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgüter (ua öffentliche Ordnung und Sicherheit, Rechte und Freiheiten anderer) darstellt (vgl VfSlg 19.818/2013 mwN).

3.3. Vorerst ist dem beschwerdeführenden Verein dahingehend zuzustimmen, dass maßgeblich zur Beurteilung der nun gemäß Art144 B-VG eingebrachten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof – ohne auf die in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls vertretene Rechtsauffassung einzugehen, dass bereits dem untersagenden Bescheid vom 7. Oktober 2020 Rechtskraftwirkung zukäme – bloß die am 13. Oktober 2020 in Gefolge der am 12. Oktober 2020 ausgesprochenen Untersagung (vgl Punkt I.3.) erfolgte Auflösung der Versammlung ist.

3.4. Dem beigeschafften Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass der Behördenvertreter der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Auflösung der Versammlung am 13. Oktober 2020 deshalb verfügt hat, weil die Blockade – seiner Einschätzung nach – "bewirkt bzw bezweckt […], dass die Bauarbeiten der 380 kV Starkstrommasten nicht durchgeführt werden können. Zudem ist der weitere öffentliche Verkehr auf der Dax-Lueg-Straße massiv gestört."

3.5. Dem beschwerdeführenden Verein ist ebenfalls zuzustimmen, dass durch eine Versammlung ausgelöste kurzfristige Verkehrsbehinderungen im Lichte des Rechtes auf Versammlungsfreiheit an sich hinzunehmen sind (vgl VfSlg 19.818/2013 mwN). Dies insbesondere auch dann, wenn der gewählte Versammlungsort – wie hier – wegen seiner besonderen symbolischen Bedeutung ausgewählt wurde (vgl VfGH 17.6.2021, E3728/2020 mwN). Nichtsdestotrotz hat die Behörde im Fall einer zu gewärtigenden Auflösung einer Versammlung vor Ort die Interessen an der Durchführung der Versammlung mit gegenläufigen Interessen im Lichte des Art11 EMRK abzuwägen.

Im vorliegenden Fall hat die Behörde die durch das Verhalten der Versammlungsteilnehmer im Ergebnis bewirkte Straßensperre, die es für die Bauberechtigten – wie schon am 12. Oktober 2020 – auch am 13. Oktober 2020 ab zirka 7.00 Uhr unmöglich machte, die Baustelle mit Fahrzeugen zu erreichen, gegenüber den Rechten der Versammlungsteilnehmer abgewogen und berücksichtigt, dass am 13. Oktober 2020 erneut die bereits rechtskräftig bewilligte und ua für diesen Tag geplante fortgesetzte Durchführung des Bauvorhabens nicht hätte stattfinden können. Das öffentliche Interesse, der Rechtsordnung zum Durchbruch zu verhelfen (dem Recht eines Dritten auf Durchführung eines bewilligten Bauvorhabens), war daher zutreffend mit dem Recht der Versammlungsteilnehmer, die Versammlung abzuhalten, abzuwägen.

Das Recht auf Versammlungsfreiheit schützt jedenfalls auch das Recht, seinen Unmut in geeigneter Weise friedlich kundzutun; es darf nicht jede Möglichkeit genommen werden, ein an sich nicht zu beanstandendes Ziel einer Versammlung – hier der Schutz der Umwelt und des Klimas – mit friedlichen Mitteln der Öffentlichkeit gegenüber zu vermitteln (vgl VfSlg 15.170/1998).

Wenn nun das Landesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung davon ausgeht, dass der Zeitraum der geplanten Versammlung erneut – wie bereits in den vorangegangenen (untersagten) Versammlungen vom 6. Oktober 2020 bzw vom 10. Oktober 2020 – stets auf eine Arbeitswoche ausgerichtet war, das Ziel der Versammlung unverändert die Verhinderung von Bautätigkeiten war und die tags zuvor erfolgte, erneut durch Ansage "wiederholte" Untersagung von den Versammlungsteilnehmern nicht zur Kenntnis genommen wurde, ist ihm vor dem Hintergrund dieser Sachlage bei seinem Ergebnis, die Auflösung der Versammlung sei gerechtfertigt, zuzustimmen; eine Verhinderung der Zufahrt der Baufahrzeuge hätte zumindest für diese Arbeitswoche die Ausübung der Rechte Dritter verhindert.

Bei der Abwägung der Interessen der Versammlungsteilnehmer, denen es zumindest am Montag, dem 12. Oktober 2020, bis 16.00 Uhr möglich war, sich zu versammeln und damit die Öffentlichkeit über ihr Anliegen zu informieren, mit den Interessen der Bauwerber ist – nach Lage dieses Falles – keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

4. Das Landesverwaltungsgericht verstößt daher im Ergebnis nicht gegen Art11 Abs2 EMRK iVm §13 Versammlungsgesetz 1953, wenn es vor dem Hintergrund der konkreten Ereignisse vor Ort davon ausging, dass die Auflösung der – neuerlichen – Versammlung im Interesse von im Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgütern (Aufrechterhaltung der Ordnung und Schutz der Rechte anderer) notwendig und daher gesetzmäßig war (vgl VfSlg 10.955/1986, 14.367/1995, 14.761/1997, 19.818/2013; EGMR 15.10.2015, Fall Kudrevicius, Appl 37.553/05, Newsletter Menschenrechte 2015, 5 mwN).

5. Das Landesverwaltungsgericht hat auch die Zurückweisung der Beschwerden zutreffend begründet:

5.1. Zur Zurückweisung der Beschwerde "mangels Vorliegens einer Untersagung" am 13. Oktober 2020:

Der beschwerdeführende Verein beantragt mit Schriftsatz vom 23. November 2020, die "Untersagung und Auflösung der Versammlung auf der Dax-Lueg-Straße in Salzburg vom 13.10.2020 als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig [zu] erklären".

Soweit das Landesverwaltungsgericht Salzburg diese Maßnahmenbeschwerde nicht abweist (in Bezug auf die Auflösung), weist es diese mangels erfolgter Untersagung an diesem Tag als unzulässig zurück.

Gemäß §13 Versammlungsgesetz 1953 hat die Behörde eine Versammlung, die gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, zu untersagen. Anhaltspunkte für eine am 13. Oktober 2020 erfolgte Untersagung mit Bescheid bzw für eine Untersagung, die als Maßnahme zu qualifizieren wäre (vgl VfSlg 11.132/1986), sind den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg legt insoweit auch nachvollziehbar dar, dass am 13. Oktober 2020 keine neuerliche Untersagung erfolgte.

Im Einklang damit führt der beschwerdeführende Verein in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aus, "[d]ie Versammlungsauflösung wurde mit Lautsprecherdurchsage um 12:03 Uhr wiederholt, eine Untersagung war zuvor nicht ausgesprochen worden. Der Behördenleiter hatte von einer Untersagung Abstand genommen […]."

Die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde gegen eine Untersagung der Versammlung am 13. Oktober 2020 ist daher nicht zu beanstanden und die Beschwerde dagegen sohin abzuweisen.

5.2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Beschwerde "betreffend am 12.10.2020 beanstandete Maßnahmen (Untersagung und Auflösung einer Versammlung)" richtet, wird die Beschwerde ebenfalls abgewiesen:

Wie sich aus dem unter Punkt I. wiedergegebenen – und unwidersprochen gebliebenen – Sachverhalt ergibt, hat der beschwerdeführende Verein gegen die durch Ansage erfolgte Untersagung und Auflösung der Versammlung vom 12. Oktober 2020 erst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2021 ein Rechtsmittel erhoben.

Dem Landesverwaltungsgericht Salzburg ist daher zu folgen, dass dieses – somit etwa 4 Monate nach Ausspruch der Untersagung vom 12. Oktober 2020 erhobene – Rechtsmittel, jedenfalls verspätet und daher schon deshalb zurückzuweisen war.

6. Der beschwerdeführende Verein wurde daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit nicht verletzt.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der beschwerdeführende Verein in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung ist daher abzuweisen.

2. Dem Antrag der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl zB VfSlg 17.873/2006 mwN).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E2303.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2023
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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