TE Vfgh Beschluss 2022/10/4 G262/2021

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Veröffentlicht am 04.10.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

ZPO §146
VfGG §7 Abs2, §35 Abs1
  1. ZPO § 146 heute
  2. ZPO § 146 gültig ab 01.05.1983 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/1983
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur vollständigen elektronischen Einbringung eines Parteiantrags; teilweise Nichterfüllung des Verbesserungsauftrags mangels elektronischer Einbringung der Beilagen nicht im Weg der Wiedereinsetzung zu beseitigen

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit Schriftsatz vom 16. August 2021 brachten die Antragsteller einen Parteiantrag auf Normenkontrolle gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG samt Beilagen beim Verfassungsgerichtshof ein, und zwar entgegen §14a Abs1 und 4 VfGG iVm §1 VO des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, BGBl II 82/2013 idF BGBl II 221/2016, und §7 Geo-VfGH über die elektronische Durchführung von Verfahren, BGBl II 218/2013 idF BGBl II 235/2016, nicht elektronisch, sondern per Post.

1.1. Mit Verfügung vom 6. September 2021 – zugestellt am 7. September 2021 – forderte der Verfassungsgerichtshof die Antragsteller gemäß §18 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, diesen Mangel innerhalb von zwei Wochen zu beheben oder darzulegen und zu bescheinigen, dass die konkreten technischen Möglichkeiten für eine elektronische Einbringung ausnahmsweise nicht vorlägen.

1.2. Mit Eingabe vom 15. September 2021 brachten die Antragsteller zwar innerhalb der gesetzten Frist den Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) ein, jedoch nicht die Beilagen, und bescheinigten diesbzgl. auch kein Hindernis im obigen Sinn. Der Formmangel wurde also nicht vollumfänglich behoben.

1.3. Mit Beschluss vom 28. Februar 2022 – zugestellt am 24. März 2022 – wies der Verfassungsgerichtshof den Parteiantrag vom 16. August 2021 wegen Nichtbehebung des Formmangels gemäß §19 Abs3 Z2 litc VfGG zurück.

2. Mit am 6. April 2022 via ERV eingebrachtem Schriftsatz begehren die Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung des Parteiantrages auf Normenkontrolle. Zur Begründung führen die Antragsteller im Wesentlichen aus, dass ihr Rechtsanwalt bei seiner kanzleiangestellten Mitarbeiterin die Verbesserung des Parteiantrages durch Einbringung des Antrages und der Beilagen via ERV in Auftrag gegeben habe. Diese Mitarbeiterin habe aber am 15. September 2021 unter starkem Husten und Kopfschmerzen gelitten, sodass sie die Erfüllung des Verbesserungsauftrages an einen anderen Mitarbeiter (Rechtsanwaltsanwärter) übergeben habe, um zur Apotheke gehen zu können. Dieser Mitarbeiter habe dann zwar den Parteiantrag fristgerecht per ERV eingebracht, aber aus Versehen nicht die dazugehörigen Beilagen. Beide Mitarbeiter hätten bis dato regelmäßig Sekretariatsarbeiten einschließlich der Einbringung von Schriftsätzen via ERV fehlerfrei ausgeführt. In der dem Rechtsanwalt der Antragsteller täglich vorgelegten Mappe der via ERV eingebrachten Schriftstücke sei in der Bestätigung der maßgeblichen Übermittlung bei der Anlage auch "Beilagen" aufgeschienen, sodass er angenommen habe, dass die Verbesserung auftragsgemäß erfolgt sei.

2.1. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 VfGG die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

2.2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor: Gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §146 Abs1 ZPO ist eine Wiedereinsetzung nur bei Versäumung einer Frist zulässig, also bei vollständiger Unterlassung einer Parteihandlung. Die vom Antragsteller vorgenommene Verbesserung war aber lediglich unvollständig (vgl Punkt 1.2.). Dieser – nicht erneut verbesserbare – Mangel kann daher nicht im Wege der Wiedereinsetzung beseitigt werden (vgl VfSlg 16.420/2002; VfGH 19.9.2022, E858/2022).

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen (§35 VfGG iVm §§146 ff ZPO).

4. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, elektronischer Rechtsverkehr, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:G262.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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