TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/29 92/10/0449

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Veröffentlicht am 29.01.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §2;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 14. August 1992, Zl. KUVS-86/4/92, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe es, wie am 11. April 1991 von einem Organ der Lebensmittelinspektion des Amtes der Kärntner Landesregierung anläßlich einer Betriebsrevision dienstlich festgestellt worden sei, als der gemäß § 9 VStG nach außen verantwortlicher Filialleiter der Konsum-Filiale in S, unterlassen, für die Hygiene im Lebensmittelverkehr vorzusorgen, zumal er auf der Käsevitrine mehrere Tortenstücke ungekühlt und ohne entsprechende Abdeckung gegenüber den Konsumenten bereitgehalten habe und in einem Einkaufswagen mehrere Brote unverpackt gelagert gewesen seien, wobei Einkaufswagen zumeist eine gewisse Verschmutzung aufwiesen und somit eine Beeinträchtigung für unverpackte Lebensmittel darstellten. Damit habe er nicht vorgesorgt, daß die Waren nicht durch äußere Einwirkungen nachteilig hygienisch beeinflußt würden.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 20 in Verbindung mit § 74 Abs. 5 Z. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen) verhängt werde.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gehe die belangte Behörde - soweit für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung - von folgendem Sachverhalt aus: Am 11. April 1991 um ca. 09.00 Uhr sei durch Lebensmittelaufsichtsorgane in der genannten Filiale eine Betriebsrevision durchgeführt worden. Auf der Käsevitrine seien mehrere Schwarzwälder-Kirschtorten angeboten und ohne entsprechende Abdeckung gegenüber den Konsumenten bereitgehalten worden. Ein Bereithalten hinter einem Sturz bzw. gekühlt sei aufgrund der Größe der Mehlspeisen nicht möglich gewesen. Das Bereitstellen habe mit Wissen des Beschwerdeführers stattgefunden.

Ferner seien mehrere Brote unverpackt in einem Einkaufswagen gelagert worden, wobei Einkaufswagen zumeist eine gewisse Verschmutzung aufwiesen. Weder die vernommenen Zeugen noch der Beschwerdeführer hätten bestritten, daß zumindest Altbrot ohne Abdeckung in einem Verkaufswagen gelagert gewesen sei. Da jedoch Altbrot zum Erzeuger zurückkehre und daraus Bröseln udgl. gemacht würden, welche wiederum als Lebensmittel in den Verkehr gebracht würden, sei wiederum die Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung der Lebensmittel durch äußere Einwirkung gegeben gewesen.

Der Beschwerdeführer habe keinen Nachweis erbringen können, daß er Maßnahmen getroffen habe, welche unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift gewährleisteten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, hat gemäß § 20 LMG 1975 vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Wer unter anderem den Bestimmungen des § 20 zuwiderhandelt, macht sich gemäß § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG 1975, sofern die Tat nicht nach dem § 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen.

Was das Inverkehrbringen mehrerer Tortenstücke anlangt, so bringt der Beschwerdeführer dazu vor, diese Torten seien lediglich zur Abholung für Mitarbeiter einer bestimmten Firma bereitgestellt worden, die diese aufgrund einer Bestellung in einer nur knapp bemessenen Pause hätten abholen können.

Dazu ist zunächst zu sagen, daß nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ein erforderlicher Schutz der Torten aufgrund ihrer Größe im Verkaufslokal gar nicht verfügbar gewesen ist (vgl. die Niederschriften der Zeugenaussagen vor der Bezirkshauptmannschaft vom 11. September 1991). Die Bereitstellung der Torten auf der Käsevitrine verstieß daher gegen die Bestimmung des § 20 LMG, da - auch bei einer nur kurzfristigen Bereitstellung auf dieser Vitrine - eine hygienisch nachteilige Beeinflussung durch äußere Einwirkungen nicht ausgeschlossen werden kann.

Zur Lagerung von Brot in einem Einkaufswagen bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß es sich dabei um altes Brot gehandelt habe, das nicht dazu bestimmt gewesen sei, in Verkehr gebracht zu werden. Das Brot habe sich außerhalb der Verkaufsräumlichkeiten in einem Lagerraum befunden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, daß dann, wenn in den Betriebsräumen eines Lebensmittelbetriebes Lebensmittel vorgefunden werden, diese - sofern keine in der Außenwelt in Erscheinung tretenden, objektiven Merkmale vorhanden sind, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen - auch tatsächlich als Lebensmittel (§ 2 LMG 1975) in Verkehr gebracht werden (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 89/10/0202, und vom 31. Jänner 1992, Zl. 90/10/0165). Solche objektiven Merkmale, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen, sind im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen.

Bei der Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG 1975 handelt es sich um Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 14. März 1983, VwSlg. 10.997/A).

Nach der zuletzt genannten Vorschrift (in der Fassung BGBl. Nr. 516/1987) hat der Täter nicht mehr - wie die belangte Behörde annimmt - zu beweisen, sondern bloß glaubhaft zu machen, daß ihn in der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die Behörde ist damit von der Wahrscheinlichkeit und nicht mehr von der Richtigkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache zu überzeugen. Der Beschuldigte hat jedoch weiterhin initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht.

Wenn in der Beschwerde in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe seine Mitarbeiter ständig und nicht nur kurzfristig oder stichprobenartig kontrolliert, sodaß er es bei der Überwachung nicht an einer pflichtgemäßen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen, so setzt er sich damit in Widerspruch mit dem Akteninhalt. In seiner Berufung hat er nämlich ausdrücklich erklärt, bei seinen langjährigen Mitarbeitern sei seines Erachtens lediglich erforderlich, die Kontrollen in größeren Abständen bzw. stichprobenartig durchzuführen. Zwar ist ihm im Hinblick auf die im Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung zuzubilligen, daß die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich überlassen wird und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf jene möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/17/0332). Dabei ist jedoch durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen, daß den Anordnungen entsprochen wird, wobei bei einem Verstoß gegen die entspechenden Vorschriften das System im einzelnen darzulegen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 90/19/0040). Davon, daß der Verantwortliche das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft gemacht hätte, kann nur gesprochen werden, wenn konkret dargelegt wird, in welcher Weise im Unternehmen sichergestellt wird, daß Verletzungen der in Rede stehenden Vorschriften vermieden bzw. Verstöße wahrgenommen und abgestellt werden; insbesondere ist darzulegen, auf welche Weise der Verwantwortliche seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen nachgekommen ist und wieso er dessen ungeachtet die in Rede stehende Übertretung nicht verhindern konnte (vgl. die Erkenntnisse vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0345, und vom 30. April 1992, Zl. 91/10/0253). Der Hinweis auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen genügt den oben dargelegten Anforderungen nicht (vgl. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 93/10/0186, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Das Vorliegen eines adäquaten Kontrollsystems ist vom Beschwerdeführer somit nicht dargetan worden.

Der Beschwerde kommt jedoch aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu: Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG bestraft, so erfordert es § 44a lit. a VStG, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, der zufolge der Täter "zur Vertretung nach außen berufen ist", eindeutig angeführt wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 89/10/0162). Die Kennzeichnung des Beschwerdeführers mit "als der gemäß § 9 VStG nach außen verantwortlicher Filialleiter der ...-Filiale in ..." bringt jedoch nicht zum Ausdruck, im Betrieb welcher juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit die strafbare Handlung begangen wurde bzw. aus welcher Beziehung des Beschwerdeführers zu dieser sich dessen Verantwortlichkeit ergibt (vgl. die Erkenntnisse vom 17. Februar 1992, Zl. 90/10/0169, und vom 27. November 1995, Zl. 93/10/0136).

Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand (S 12.500,--) konnten nur Stempelgebühren für drei Beschwerdeausfertigungen (S 360,--), eine Vollmacht (S 120,--) und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (S 120,--) zugesprochen werden.

Schlagworte

Verantwortlichkeit (VStG §9) Vertreter Verantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes Organ Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992100449.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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