TE Vwgh Erkenntnis 1992/2/17 90/10/0169

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Veröffentlicht am 17.02.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §45 Abs3;
LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §8 litg;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Dkfm. N in D, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 31. Juli 1990, Zl. IVb-449-19/1990, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer - durch Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - schuldig erkannt, er habe

"als gemäß § 9 VStG. verantwortliches zur Vertretung nach außen berufenes Organ des XY-Abholmarktes in H, am 31.10.1988 in diesem Markt ein als Gewürzsalz einzustufendes Produkt unter der Bezeichnung 'Universal-Mix', Hersteller O, abgepackt in Dosen zu 500 g, feilgeboten und dadurch in Verkehr gebracht, obwohl dieses Produkt als falsch bezeichnet (irreführende Angabe) im Sinne des LMG einzustufen sei, weil auf der Packung mit den Bezeichnungen Gewürzsalz, Gewürzmischung und Gewürzzubereitung drei widersprüchliche Bezeichnungen angeführt seien."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 74 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) begangen. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) verhängt.

In der Begründung berief sich die belangte Behörde im wesentlichen auf die ergänzende Stellungnahme der Vorarlberger Umweltschutzanstalt vom 23. November 1989, die nachstehenden Inhalt aufwies:

"Es ist festzustellen, daß es nach § 7 Abs. 1 lit. c LMG verboten ist, falsch bezeichnete Lebensmittel in Verkehr zu setzen.

Aus den Begriffsbestimmungen des § 8 lit. f LMG ist ersichtlich, daß Lebensmittel falsch bezeichnet sein können, ohne daß sie verdorben, unreif, nachgemacht, verfälscht oder wertgemindert sind (z.B. falsches Gewicht, falsche Herkunft, falsche Sachbezeichnung usw.).

Die Bezeichnungen 'Gewürzsalz', 'Gewürzmischung' und 'Gewürzzubereitung' sind, wie bereits im Gutachten zu GZ. 6254/88 angeführt, in den Usancen definiert (siehe Beilage 1). Auch nach dem Sprachgebrauch ist eine Gewürzmischung etwas anderes als ein Gewürzsalz. Ähnlich den österreichischen Usancen lauten auch die Leitsätze in der BRD. Im Einspruch werden die Begriffe 'Gewürzsalz' und 'Gewürzmischung' jedoch als gleichsinnig angesehen. Dies ist nach obigen Ausführungen unrichtig.

Es ist auch darauf hinzuweisen, daß Kochsalz nie unter den Gewürzen angeführt wurde, wie aus den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches in der II. und III. Auflage (B 21) ersichtlich ist. Auch der Begriff der Zubereitung ist, seit durch die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung der Ausdruck 'Bestandteile' eingeführt ist, als Angabe einer Zusammensetzung unüblich. Ganz abgesehen davon, daß der Ausdruck 'Gewürzzubereitung' einen eigenen Begriff darstellt.

Durch das Aufscheinen verschiedener Ausdrücke mit unterschiedlichen im Lebensmittelverkehr festgelegten Begriffsinhalten auf der gleichen Ware wird eine Irreführung des Käufers über die Art der Ware erzielt. Die Art der Ware ist aber, wie sich schon aus der Festlegung in den Usancen ergibt, eine für die Verkehrsauffassung, damit die Verbrauchererwartung, wesentliche Bezeichnung. Dies ist im Lebensmittelgesetz als falsche Bezeichnung definiert."

Im Hinblick auf die dargelegte rechtliche Situation und den unbestrittenen Sachverhalt, welcher im Zuge einer lebensmittelpolizeilichen Revision im XY-Markt in H durch eine amtlich entnommene Probe des "Universal-Mix" und das Gutachten der Vorarlberger Umweltschutzanstalt vom 19. April 1989 festgestellt worden sei, sei es nach Auffassung der belangten Behörde erwiesen, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung schuldhaft begangen habe. Zur Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers werde festgestellt, daß im Zeitpunkt der Probenentnahme noch keine Bestellung eines Verantwortlichen gemäß § 9 VStG vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer sei daher als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ des XY-Abholmarktes wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung zu bestrafen.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs.1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 LMG 1975 ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die... c) falsch bezeichnet sind.

Der mit "Begriffsbestimmungen" überschriebene § 8 LMG 1975 lautet auszugsweise:

"§ 8. Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind...

f) falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden;

..."

Der mit "Verwaltungstrafen" überschriebene § 74 Abs. 1

LMG 1975 hat folgenden Inhalt:

"§ 74. (1) Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z. 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000,-- S zu bestrafen."

2.2.1. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zunächst die Verletzung des Parteiengehörs. Die bereits von der Behörde erster Instanz eingeholte Stellungnahme der Umweltschutzanstalt vom 23. November 1989 sei mit dem Beschwerdeführer nicht förmlich erörtet worden. Da das Straferkenntnis diese Stellungnahme nicht verwertet habe, sei die Unterlassung des Parteiengehörs im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nicht erheblich gewesen. Da die belangte Behörde diese Stellungnahme in ihrer Entscheidung jedoch verwertet habe, sei die Unterlassung des Parteiengehörs in diesem Verfahrensstadium wesentlich.

2.2.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Was die behauptete Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren vor der Behörde erster Instanz anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß dem im § 45 Abs. 3 AVG verankerten, verfahrensrechtlichen Anspruch der Partei eines Verwaltungsverfahrens, vor der Erlassung des Bescheides Gelegenheit zu erhalten, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen, auch durch die Aufforderung der Behörde zur Akteneinsicht Genüge getan werden kann. Diese Aufforderung ist aber nach dem Sinne dieser Verfahrensnorm nur dann ausreichend, wenn einerseits für die Partei aus der Aufforderung erkennbar ist, daß ihr damit Gelegenheit gegeben werden soll, von durchgeführten Beweisaufnahmen Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen, und ihr andererseits auch die Möglichkeit der Überlegung und einer entsprechenden Formulierung ihrer Stellungnahmen geboten wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 12. April 1983, Zl. 82/11/0252). Mit Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom

5. Dezmber 1989 ist eine solche förmliche Aufforderung dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt worden (vgl. Seite 35 des Verwaltungsstrafaktes). Der Beschwerdeführer hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Im übrigen ist die Stellungnahme der Umweltschutzanstalt in ihren entscheidenden Teilen auch bereits im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz verwertet worden (vgl. Seite 3 oben des Straferkenntnisses). Legt die Berufungsbehörde den von der Vorinstanz angenommenen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrunde, so muß sie dem Berufungswerber keine Möglichkeit der Stellungnahme nach § 45 Abs. 3 AVG geben (vgl. das Erkenntnis vom 16. November 1966, Zl. 2167/65).

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Parteiengehörs lag daher nicht vor.

2.3. Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, worin die "Falschbezeichnung" eingentlich bestehe, d.h. wie die Bezeichnung des "Universal-Mix" richtig hätte lauten müssen, so kann ihm auch dabei nicht gefolgt werden.

Schon dem Spruch des Straferkenntnisses ist zu entnehmen, daß das ALS GEWÜRZSALZ EINZUSTUFENDE PRODUKT neben der Bezeichnung "Gewürzsalz" auch die Bezeichnungen "Gewürzmischung" und "Gewürzzubereitung" aufgewiesen habe.

Nach dem "Handelsbrauch hinsichtlich der Begriffe und Sachbezeichnungen bei Gewürz, Gewürzmischungen, Gewürzzubereitungen, Gewürzextrakten, Würzmitteln usw."

(Abgedruckt bei Barfuß-Pindur-Smolka, Österreichisches Lebensmittelrecht, Abschnitt IV B 3, Seite 27) sind "Gewürzsalze" Mischungen von überwiegend Kochsalz mit Gewürzen und/oder würzenden Vegetabilien, wie Zwiebel, Knoblauch, Lauch, Petersilie usw. "Gewürzmischungen" sind hingegen Mischungen von Gewürzen ohne jeden anderen Zusatz. Sie werden als Gewürzmischungen bezeichnet, können aber auch bei Angabe des Verwendungszweckes in Wortkombination als -gewürz (z.B. Gulaschgewürz) bezeichnet werden. "Gewürzzubereitungen" bestehen aus Gewürzen oder Gewürzmischungen, denen andere Lebensmittel und/oder Zusatzstoffe beigemischt sind, um zusätzlich technologische und geschmackliche Wirkungen zu erzielen oder eine bessere Dosierung oder Anwendung zu ermöglichen.

Das ein als "Gewürzsalz" einzustufendes Produkt durch die weitere Bezeichnung als "Gewürzmischung" und "Gewürzzubereitung" falsch im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 8 lit. g LMG 1975 bezeichnet ist, bedarf im Hinblick auf die Eignung, dadurch beim Verbraucher eine unrichtige Vorstellung über die Art des Produktes hervorzurufen, keiner weiteren Begründung.

Daß das vom Beschwerdeführer in Verkehr gebrachte Produkt kein Gewürzsalz sei oder etwa ein anderer Handelsbrauch bestehe, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Seine in der Beschwerde ohne jede Begründung geäußerten Zweifel an der Systematik des Lebensmittelgestzes bzw. daran, daß die "Usancen dem Determinierungsgebot des Art. 18 B-VG und dem Typenzwang des Strafrechtes genügen", gehen daher ins Leere.

2.5. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, die Verwendung mehrerer Bezeichnungen nebeneinander sei der beste Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer "keine Irreführungsabsicht hat, sondern sich eben der Bedeutung der drei Bezeichnungen gar nicht bewußt gewesen sein dürfte", ist nicht geeignet, mangelndes Verschulden an der angelasteten Verwaltungsübertretung im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen.

2.6. Der Beschwerde kommt jedoch aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu: Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG bestraft, so erfordert es § 44a lit. a VStG, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, der zufolge der Täter "zur Vertretung nach außen berufen ist", eindeutig angeführt wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 89/10/0162). Die Kennzeichnung der Personen des Beschwerdeführers mit "als gemäß § 9 VStG verantwortliches zur Vertretung nach außen berufenes Organ des 'XY-Abholmarktes' in H" bringt jedoch nicht zum Ausdruck, ob es sich bei diesem Abholmarkt überhaupt um eine juristische Person oder eine Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit handelt bzw., wenn dies der Fall sein sollte, aus welcher Stellung des Beschwerdeführers zu dieser Gesellschaft sich dessen Verantwortlichkeit ergibt.

2.7. Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß Art. III Abs. 2 anzuwenden war.

Schlagworte

AkteneinsichtParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenVerantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes OrganParteiengehör Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990100169.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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