TE Vwgh Erkenntnis 1992/1/31 90/10/0165

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Veröffentlicht am 31.01.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §2;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs2 Z1;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §44a lita;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des S in H, verteten durch Dr. W, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. August 1990, Zl. Vd-San-14.832/1, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. August 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 74 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. b und § 8 lit. g des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegte Tat wurde im Sinne des § 44a lit. a VStG wie folgt umschrieben:

"Er habe es als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der 'S-Gesellschaft mbH' mit Sitz in H, zu verantworten, daß durch die genannte Unternehmung in deren Niederlassung in I, am 4.9.1989 sog. Fleischkäsebrät" (60 dag), welches aufgrund dessen, daß es gegenüber qualitativ einwandfreier derartiger Ware Geschmacksabweichungen und eine abwegige Beschaffenheit, die durch die überhöhten Keimzahlen objektiviert wird, aufwies, als wertgemindert im Sinne des § 8 lit.g) des Lebensmittelgesetzes 1975, zu qualifizieren war, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht war, durch Feilhalten in der Kühlvitrine im Verkaufslokal der genannten Unternehmung in I, in Verkehr gebracht wurde."

Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. § 7 Abs. 1 lit. b LMG bestimmt:

    "§ 7. (1) Es ist verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte

und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die

   ......

    b) verdorben, unreif, nachgemacht, verfälscht oder

wertgemindert sind, ohne daß dieser Umstand deutlich und

allgemein verständlich kenntlich gemacht ist;"

    Der mit "Begriffsbestimmungen" überschriebene § 8 lit. g

LMG lautet:

    "§ 8. Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind

   ......

g) wertgemindert, wenn sie nach der Herstellung, ohne daß eine weitere Behandlung erfolgt ist, eine erhebliche Minderung an wertbestimmenden Bestandteilen oder ihrer spezifischen, wertbestimmenden Wirkung oder Eigenschaft erfahren haben, soweit nicht Verdorbenheit vorliegt."

§ 74 Abs. 2 Z. 1 LMG hat folgenden Inhalt:

"(2) Wer

1. Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, die unreif oder wertgemindert sind, wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist oder wenn sie auch mit einer solchen Kenntlichmachung nicht in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 7 Abs. 2), in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000,-- zu bestrafen."

2.2.1. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zunächst, daß der Angestellte K nicht ausreichend befragt worden sei. Wäre dies geschehen, so hätte sich ganz deutlich ergeben, daß der Fleischkäse getrennt von sämtlichen übrigen Waren aufbewahrt worden sei, und zwar in der Form, daß kein Konsument der Auffassung sein konnte, daß diese Ware feilgeboten oder in den Verkehr gebracht werde. Auch die bei der Probenentnahme anwesende Verkäuferin sei nicht befragt worden, ob die Ware irgendeiner innerbetrieblich angeordneten Verkehrsbeschränkung unterliege.

2.2.2. Mit diesem Vorbringen bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, daß heißt, ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärken Senates, vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Im Sinne dieser Rechtsprechung kann der Verwaltungsgerichtshof keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erkennen, wenn die belangte Behörde im wesentlichen den Angaben des Marktkommissärs folgte. Insbesondere ist die Beweiswürdigung nicht unschlüssig, der Angestellte sei insofern nicht besonders glaubhaft, da er in der Zeugeneinvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft angegeben habe, der Fleischkäse sei im Kühlraum der Filiale liegen geblieben, obwohl dieser nach den Wahrnehmungen des Marktkommissärs in der Kühlvitrine des Verkaufsraumes gelegen sei. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zu verweisen, wonach dann, wenn in Betriebsräumen eines Lebensmittelbetriebes Lebensmittel vorgefunden werden, davon auszugehen ist, daß diese - sofern keine in der Außerwelt in Erscheinung tretenden, objektiven Merkmale vorhanden sind, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen - auch tatsächlich als Lebensmittel (§ 2 LMG) in Verkehr gebracht werden (vgl. das Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 89/10/0202).

2.3. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß ihm im erstinstanzlichen Verfahren keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden sei und ihm auch das behördliche Ermittlungsergebnis nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, so ist ihm zu erwidern, daß ein allfälliger Mangel des Parteigehörs im Verfahren erster Instanz durch die im Berufungsverfahren mit der Berufung gegebene Möglichkeit der Stellungnahme saniert wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Februar 1986, Zl. 85/07/0305).

2.4.1. Des weiteren rügt der Beschwerdeführer, daß die Vergeßlichkeit und das Versehen des Angestellten K trotz Kenntnis der Sachlage dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden könne, da der Angestellte aufgrund ständiger Schulungen und Anweisungen gewußt habe, daß das gegenständliche Fleischkäsebrät getrennt von allfälligen feilgebotenen Waren gelagert zu werden habe. Überdies bestehe das Unternehmen des Beschwerdeführers aus mehr als 100 Filialen in ganz Österrich. Es sei daher geradezu denkunmöglich, wolle man vom Beschwerdeführer verlangen, daß er jede einzelne Filiale und jeden einzelnen Mitarbeiter täglich selbst kontrolliere.

2.4.2. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Umstand, daß ein Unternehmen über eine so große Anzahl von Filialen verfügt, daß dem strafrechtlich Verantwortlichen persönlich eine ausreichende Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nicht möglich ist, nicht hinreicht, die Schuldlosigkeit des Verantwortlichen anzunehmen. In einem solchen Fall ist es Pflicht des Unternehmers, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen, daß die im Unternehmen zu beachtenden Vorschriften dem Betroffenen nicht nur bekannt sind, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Februar 1986, Zl. 85/09/0037).

2.5. Wenn der Beschwerdeführer die Erteilung entsprechender Anweisungen behauptet, so ist ihm zu erwidern, daß dies allein nicht zur Glaubhaftmachung seines mangelnden Verschuldens (§ 5 Abs. 1 VStG) ausreicht. Er hätte vielmehr auch darzutun, daß er für die wirksame Überwachung der Einhaltung seiner Anweisungen gesorgt hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0185).

Die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 3 VStG ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden.

2.6. Der Beschwerde kommt jedoch aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu: Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG bestraft, so erfordert es § 44a lit. a VStG, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, derzufolge der Täter "zur Vertetung nach außen berufen ist", eindeutig angeführt wird. Die Kennzeichnung der Person des Beschwerdeführers mit "satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der 'S-Gesellschaft mbH'" bringt jedoch nicht zum Ausdruck, aus welcher Stellung des Beschwerdeführers zu dieser Gesellschaft sich dessen Verantwortlichkeit ergibt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 89/10/0162, mit weiteren Judikaturhinweisen).

2.7. Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990100165.X00

Im RIS seit

31.01.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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