TE Vwgh Beschluss 2022/10/25 Ra 2022/08/0119

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Veröffentlicht am 25.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schramel, über die Revision der X Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Strasser und Mag. Dr. Christian Strasser, Rechtsanwälte in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 11, gegen das am 13. Juni 2022 mündlich verkündete und am 1. Juli 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W156 2253639-1/13E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit eines Beitragszuschlags nach § 113 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 30. November 2021 verpflichtete die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) die revisionswerbende Partei gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG zur Zahlung eines Beitragszuschlags von € 1.400, weil sie es als Dienstgeberin unterlassen habe, zwei am 14. Oktober 2021 bei der Verrichtung von Arbeiten in ihrem Unternehmen betretene Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung anzumelden.

2        Mit Schreiben vom 11. Jänner 2022 teilte die ÖGK der revisionswerbenden Partei mit, ihr sei mit Bescheid vom 30. November 2021 gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag von € 1.400 vorgeschrieben worden, weil sie zwei näher bezeichnete Dienstnehmer am 14. Oktober 2021 nicht zur Sozialversicherung angemeldet habe. Dieser - mit seiner Geschäftszahl bezeichnete - Bescheid habe Rechtskraft erlangt. Es werde daher nunmehr ersucht, hinsichtlich der zwei Dienstnehmer eine (nachträgliche) Anmeldung zur Sozialversicherung vorzunehmen. Am 27. Jänner 2022 urgierte die ÖGK bei der revisionswerbenden Partei nochmals schriftlich die Anmeldung der Dienstnehmer zur Sozialversicherung.

3        Der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei replizierte mit Schreiben vom 2. Februar 2022, seiner Mandantin sei der in den Mitteilungen der ÖGK vom 11. und 27. Jänner 2022 genannte Bescheid vom 30. November 2021 nicht bekannt. Er ersuche die ÖGK um Aufklärung darüber, ob eine Zustellung mittels Zustellnachweis erfolgt sei. Eine rechtswirksame Zustellung werde bestritten und um eine Übermittlung des Bescheides ersucht.

4        Darauf übermittelte die ÖGK mit Schreiben vom 4. Februar 2022 eine Ausfertigung des Bescheides vom 30. November 2021 an den Rechtsvertreter und teilte mit, dass der Bescheid wirksam durch Hinterlegung am 2. Dezember 2021 zugestellt worden sei.

5        Die Revisionswerberin beantragte daraufhin mit am 21. Februar 2022 zur Post gegebenem Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. November 2021. Unter einem erhob sie eine Beschwerde gegen diesen Bescheid. Sie brachte vor, die Hinterlegungsanzeige sei der revisionswerbenden Partei nicht zugegangen, sodass sie keine Kenntnis von der Hinterlegung erlangt habe. Dies könne nur so erklärt werden, dass die Hinterlegungsanzeige bei der Entleerung des Postkastens durch die Ehegattin des Geschäftsführers offensichtlich versehentlich unter das Werbematerial gerutscht und mit dem Werbematerial entsorgt worden sei. Den Bescheid vom 30. November 2021 habe der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei erst am 8. Februar 2022 - gemeinsam mit dem Schreiben der ÖGK vom 4. Februar 2022 - erhalten.

6        Mit Bescheid vom 10. März 2022 wies die ÖGK den Wiedereinsetzungsantrag der revisionswerbenden Partei als verspätet zurück.

7        Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid vom 10. März 2022 als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

8        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, der Bescheid vom 30. November 2021 sei der revisionswerbenden Partei wirksam durch Hinterlegung am 2. Dezember 2021 zugestellt worden. Die Sendung sei nicht behoben worden. Die 14-tägige Frist, innerhalb der nach § 71 Abs. 2 AVG der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden müsse, beginne mit Wegfall des unabwendbaren oder unvorhergesehenen Ereignisses zu laufen. In einem Fall wie dem vorliegenden habe die Frist daher im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, in dem die revisionswerbende Partei vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt habe (Hinweis auf VwGH 12.11.1996, 95/19/0392). Diese Kenntnis sei jedenfalls zum Zeitpunkt des Schreibens des Rechtsvertreters vom 2. Februar 2022 bereits eingetreten gewesen, sodass sich der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet erweise.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es liege entweder eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs oder eine krasse Fehlbeurteilung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Es treffe nämlich wohl zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in einzelnen Entscheidungen ausgesprochen habe, dass eine Partei ab Kenntnis des Zustellvorgangs in die Lage versetzt werde, durch geeignete Handlungen die Unkenntnis vom Inhalt des Bescheides zu beenden, und damit die Frist des § 71 Abs. 2 AVG zu laufen beginne. Andererseits habe der Verwaltungsgerichtshof aber auch zum Ausdruck gebracht, dass der bloße Eingang einer Mahnung hinsichtlich einer aus einem Straferkenntnis offenen Geldstrafe noch nicht zum Wegfall der Hindernisse führe, die der Einbringung eines Rechtsmittels gegen dieses Straferkenntnis (bzw. gegen eine Strafverfügung) entgegenstünden, weil dadurch noch nicht die für den Wiedereinsetzungsantrag maßgebenden Umstände bekannt geworden seien (Hinweis auf VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0015; 21.5.1992, 92/09/0009; 22.10.1990, 90/19/0314; 7.9.1988, 88/18/0104). Ebenso habe der Verwaltungsgerichtshof die bloße Kenntnis von der „Existenz“ eines einen Asylantrag abweisenden Bescheides nicht als Wegfall des Hindernisses im Sinn des § 71 Abs. 2 AVG erachtet (Hinweis auf VwGH 15.9.1994, 94/19/0393). Im vorliegenden Fall liege eine diesen zuletzt genannten Entscheidungen vergleichbare Konstellation vor. Auch wenn die revisionswerbende Partei bereits aufgrund der Schreiben der ÖGK vom 11. Jänner 2022 und 27. Jänner 2022 von der Existenz des gegenständlichen Bescheides der ÖGK erfahren habe, sei ihr dessen Inhalt erst aufgrund der am 8. Februar 2022 erfolgten Übermittlung bekannt geworden. Aufgrund der Schreiben vom 11. Jänner 2022 und 27. Jänner 2022 sei im Übrigen nicht bekannt gewesen, ob der Bescheid tatsächlich rechtskonform zugestellt worden sei.

13       Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages beginnt gemäß § 71 Abs. 2 AVG mit dem „Wegfall des Hindernisses“. Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat (vgl. etwa VwGH 9.6.2022, Ra 2022/10/0013, mwN). Wann der Wegfall des Hindernisses in diesem Sinn anzunehmen ist, obliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 12.2.2020, Ra 2020/11/0005, mwN).

14       Mit dem - unstrittig zugegangenen - Schreiben vom 11. Jänner 2022, wurde die revisionswerbende Partei nicht nur über den Bescheid vom 30. November 2021 - samt der Geschäftszahl, dem Inhalt der Entscheidung (Vorschreibung eines Beitragszuschlages von € 1.400) und der wesentlichen Begründung (Nichtanmeldung zweier namentlich bezeichneter Dienstnehmer am 14. Oktober 2021) -, sondern auch über den Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides und damit die bereits erfolgte Zustellung in Kenntnis gesetzt. Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages daher jedenfalls vor dem 2. Februar 2022 in Lauf gesetzt wurde, ist somit auch vor dem Hintergrund der vom Revisionswerber zitierten Judikatur zumindest nicht unvertretbar.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080119.L00

Im RIS seit

23.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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