TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/15 94/19/0393

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Veröffentlicht am 15.09.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/19/0396

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden des S u.a., sämtliche in F und sämtliche vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen die Bescheide des BMI vom 29. 9. 1993, (hins des Erstbf) und vom 30. 9. 1993 (hins der Zweitbf), Zlen. 4.343.077/1-III/13/93, beide betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit des Asylwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat jedem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren im Kostenpunkt wird abgewiesen.

Begründung

Mit jeweils im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1993 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers) und vom 30. September 1993 (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin) wurden - in Erledigung der Berufungen gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 7. Juli 1993, mit denen die Wiedereinsetzungsanträge der Beschwerdeführer abgewiesen worden waren - die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in die jeweils versäumten Berufungsfristen gemäß § 71 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, daß der Verwaltungsgerichtshof dem jeweils in den am 2. Juni 1993 erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer primär verfolgten Standpunkt, daß die jeweiligen Berufungsfristen infolge rechtsunwirksam gebliebener Zustellungen nicht versäumt worden seien, im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 94/19/0394, 0395, nicht gefolgt ist, sodaß der als Grundlage eines Wiedereinsetzungsverfahrens erforderliche Eintritt eines Rechtsnachteiles bzw. von Säumnis im vorliegenden Fall beider Beschwerdeführer zu bejahen ist.

Zentraler Aspekt des vorliegenden Falles (beider Beschwerdeführer) ist die in den angefochtenen Bescheiden für die Zurückweisung der Wiedereinsetzungsanträge herangezogene Begründung, das die Fristwahrung hindernde Ereignis sei aufgrund eines im Rahmen der Bundesbetreuung erlassenen Schreibens bereits am 12. Mai 1993 weggefallen und habe den Lauf der Frist des § 71 Abs. 2 AVG ausgelöst.

Gemäß § 71 Abs. 2 (erster Fall) AVG 1991 (wiederverlautbart mit BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. Nr. 357/1990) muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Unter dem vorerwähnten Hindernis ist der Wiedereinsetzungsgrund des § 71 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0009).

Die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages kann dann nicht in Lauf gesetzt werden, wenn die Partei (oder deren Vertreter) gehindert ist, die versäumte Verfahrenshandlung durch Vornahme der dafür notwendigen rechtlichen Schritte nachzuholen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0009, und vom 16. März 1994, Zl. 94/01/0121).

Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten die jeweils versäumte Verfahrenshandlung schon am 12. Mai 1993 nachholen können, allerdings nicht gefolgt werden. Die bloße Kenntnis der Beschwerdeführer von der "Existenz" eines den Asylantrag abweisenden Bescheides ist dem Wegfall des Hindernisses im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG nicht gleichzusetzen, weil den Beschwerdeführern durch diesen Vorgang die maßgebenden Umstände, die sie in die Lage versetzt hätten, eine Berufung mit einem im Sinne von § 63 Abs. 3 AVG ausreichenden Inhalt zu erheben, nicht zur Kenntnis gebracht worden sind.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage somit die meritorische Auseinandersetzung mit den Wiedereinsetzungsanträgen unterlassen hat, mußten die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesonders deren Art. III Abs. 2.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz von Stempelgebühren nur im Ausmaß der gesetzlichen Gebührenpflicht zuerkannt werden konnte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190393.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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