TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/23 94/17/0177

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Veröffentlicht am 23.02.1996
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Index

L37033 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
30/01 Finanzverfassung;

Norm

B-VG Art116 Abs2;
B-VG Art118 Abs2;
F-VG 1948 §11 Abs3;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §17;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §24a;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §3 litp;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §31;
LustbarkeitsabgabeG NÖ §8 Abs5;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des D in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 6. Dezember 1993, Zl. 00/37/3-1993, betreffend Vorschreibung von Lustbarkeitsabgabe für Februar 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt St. Pölten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 8. April 1993 wurde dem Beschwerdeführer an Lustbarkeitsabgabe für die Vermietung von Videofilmen für Februar 1993 S 44.400,-- sowie ein Verspätungszuschlag von S 4.440,-- und ein Säumniszuschlag von S 888,-- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte - neben verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Besteuerung des Vermietens von Videofilmen als Lustbarkeit durch § 3 lit. p des Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 3703-0 (im folgenden NÖ LustbarkeitsAbgG 1979), in der Fassung LGBl. 3703-1, - vor, aufgrund eines zwischen ihm und M abgeschlossenen Betreibervertrages sei nicht er, sondern der letztgenannte als Abgabepflichtiger anzusehen.

Mit einer am 26. April 1993 datierten Eingabe gab der Beschwerdeführer seinen Verleihumsatz für den Monat Februar 1993 mit S 207.570,-- bekannt.

Im Zuge des Berufungsverfahrens erfolgte die Vorlage des zwischen dem Beschwerdeführer als Auftraggeber und M als Auftragnehmer geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages vom 4. Juli 1991, der auszugsweise folgende Bestimmungen enthält:

"I.

Vertragsgegenstand

Der Auftraggeber ist Inhaber nachangeführter Videothek "X" in St. Pölten.

Der Auftragnehmer übernimmt es als selbständiger Kaufmann, diese Videothek zu führen und auf Rechnung sowie im Namen des Auftraggebers alle üblichen Verkaufs- und Verleihgeschäfte abzuwickeln.

...

III.

Pflichten des Auftragnehmers

1) Der Auftragnehmer hat seine Verpflichtungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu erfüllen. Er kann sich bei Erfüllung dieser Geschäfte eigener Hilfskräfte bedienen. Für Schäden, die durch den Einsatz von Hilfskräften entstehen, ist er ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden haftbar.

2) Der Auftraggeber vermittelt Leih- und Verkaufsgeschäfte. Er hat Vollmacht zum Abschluß aller erforderlichen Verträge. Er nimmt die Interessen des Auftraggebers wahr. ...

IV.

Inkasso

...

2) Der Auftragnehmer hat dafür Sorge zu tragen, daß die im Namen des Auftraggebers vereinnahmten Beträge strikt von den eigenen Geldern getrennt werden.

3) Der Auftraggeber ist verpflichtet, ein Kassenbuch zu führen, in das die Einnahmen und Ausgaben täglich einzutragen sind.

4) Weiters ist der Auftragnehmer verpflichtet, die vereinnahmten Beträge abzüglich etwaiger Ausgaben und des notwendigen Kassenbestandes am darauffolgenden Kalendertag auf ein vom Auftraggeber anzugebendes Konto einzuzahlen und jeden Abend eine Kopie der Eintragungen in das Kassenbuch sowie der Belege über verauslagte Beträge dem Auftraggeber zu übermitteln.

V.

Vergütung des Auftragnehmers

1) Der Auftragnehmer erhält von allen Einnahmen aus den von ihm vermittelten Geschäften 17 %. In diesem Betrag ist die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweiligen Höhe enthalten (nur Verleihumsätze).

...

5) Soweit der Auftragnehmer Ersatzbeschaffungen vornimmt, besteht Einigkeit darüber, daß das Eigentum an diesen Gegenständen im Zeitpunkt der Einbringung der Gegenstände in Räumlichkeiten der Videothek auf den Auftraggeber übergeht."

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Abgabenbescheid dahingehend ab, daß ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 207.570,-- die Lustbarkeitsabgabe mit S 34.602,--, der Verspätungszuschlag mit S 3.460,-- und der Säumniszuschlag mit S 692,-- festgesetzt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 8 Abs. 5 NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 gelte bei Veranstaltungen im Sinne des § 3 lit. p leg. cit. der Vermieter als Unternehmer und damit als Abgabepflichtiger. Aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag gehe hervor, daß der Auftragnehmer des Beschwerdeführers die Mietverträge in Ansehung der Videofilme im Namen und für Rechnung des Beschwerdeführers abschließe. Die Rechtswirkungen der Vertretungshandlungen des als direkten Stellvertreter anzusehenden Auftragnehmers treten damit unmittelbar für den Vertretenen, also den Beschwerdeführer, ein. Hieraus folge, daß der Beschwerdeführer Vermieter der Videofilme sei.

Der Beschwerdeführer habe den Umsatz für den Monat Februar 1993 mit S 207.570,-- bekanntgegeben. Von dieser Bemessungsgrundlage sei die Abgabe zu berechnen gewesen.

Die Vorschreibung des Verspätungszuschlages gründe auf § 109 NÖ AO 1977, jene des Säumniszuschlages auf § 165 NÖ AO 1977.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet es als "verfassungsrechtlich bedenklich, daß der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten im eigenen Wirkungsbereich rechtskräftige Entscheidungen fällt und ein ordentliches Rechtsmittel an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung nicht zuläßt" und rügt "auch die Tatsache, daß die belangte Behörde ein ordentliches Rechtsmittel an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung nicht zuläßt", als Verfassungswidrigkeit. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier für die Bestimmung der Behördenzuständigkeit maßgebenden Gesetzesbestimmungen zu wecken.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 9 des Finanzausgleichsgesetzes, BGBl. Nr. 30/1993, sind Lustbarkeitsabgaben ohne Zweckwidmung des Ertrages ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben. Gemäß § 2 NÖ LustbarkeitsabgG 1979 werden die Gemeinden gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45 (F-VG), ermächtigt, durch Gemeinderatsbeschluß Lustbarkeitsabgaben, die nicht in Hundertteilen des Eintrittsgeldes bemessen werden, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben. Nach § 31 LustbarkeitsAbgG 1979 besorgt die Gemeinde ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich. Im Lichte der Art. 116 Abs. 2 und 118 Abs. 2 B-VG sowie des § 11 Abs. 3 F-VG bestehen gegen die Übertragung des Vollzuges des NÖ LustbarkeitsabgG 1979 in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bezüglich der Selbstverwaltung der Gemeinde ist der Landesgesetzgeber zur Regelung des Instanzenzuges zuständig (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 510) und hat dies für die Landeshauptstadt St. Pölten im St. Pöltner Stadtrecht, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 1015-0 (im folgenden St. Pöltner Stadtrecht 1977), getan. Gemäß § 47 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977 sind die behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches durch den Magistrat zu besorgen, während die Entscheidung über Berufungen gegen dessen Bescheide durch § 38 Abs. 3 Z. 7 St. Pöltner Stadtrecht 1977 dem Stadtsenat übertragen ist. Der Ausschluß eines weiteren ordentlichen Rechtsmittels gegen dessen Bescheide folgt aus § 215 NÖ AO 1977. Der Ausschluß einer Vorstellung an die Aufsichtsbehörde durch § 75 Abs. 1 St. Pöltner Stadtrecht 1977 findet seine Deckung in Art. 119a Abs. 5 letzter Satz B-VG.

Insoweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die Besteuerung des Vermietens von Programmträgern und von Videofilmen durch § 3 lit. p NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 verstoße gegen Art. 8 MRK, weil der Verleiher dazu verpflichtet sei, Aufzeichnungen über seine Kunden, die entliehenen Filme und die Entleihdauer zu führen und diese bei Auseinandersetzung über die Höhe der abzuführenden Steuer der Behörde bekanntzugeben, ist er darauf zu verweisen, daß die gemäß § 24a

NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 auch bei Vermieten von Videofilmen bestehende Pflicht zur Führung von Nachweisen (Kassenrapporten) im Sinne des § 17 NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 sich nicht darauf erstreckt, auch die Person der jeweiligen Entleiher in Evidenz zu halten und daß eine Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Vorschrift nur dann gegeben wäre, wenn ein Gesetz derartiges vorsehen sollte (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 12689/1991 und das denselben Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1995, G 298/94, sowie das hg. Erkenntnis vom 15. September 1995, Zlen. 94/17/0339 bis 0343). Auch die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 15. Dezember 1992 über die Ausschreibung der Lustbarkeitsabgabe sieht keine derartigen Aufzeichnungspflichten vor. Im Lichte der zitierten Judikatur sind daher gegen die in Rede stehenden Bestimmungen beim Verwaltungsgerichtshof ebensowenig verfassungsrechtliche Bedenken entstanden wie beim Verfassungsgerichtshof.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, eine Auslegung des vorgelegten Geschäftsbesorgungsvertrages, insbesondere seiner Punkte III. und V. ergebe, daß nicht er, sondern sein Auftragnehmer als Unternehmer im Sinne des § 8 NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 anzusehen sei.

Dieser Argumentation ist jedoch, der belangten Behörde folgend, entgegenzuhalten, daß gemäß § 8 Abs. 5

NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 bei Veranstaltungen im Sinne des § 3 lit. p der Vermieter als Unternehmer und damit als Abgabepflichtiger gilt. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, obliegt es dem Auftragnehmer gemäß Punkt I. des Geschäftsbesorgungsvertrages alle Verkaufs- und Verleih-(gemeint wohl: Vermietungs-)geschäfte IM NAMEN DES AUFTRAGGEBERS, also als dessen direkter Stellvertreter, abzuwickeln. Daraus folgt, daß der Geschäftsbesorger nach Maßgabe des Vertrages die einzelnen Mietverträge betreffend Videofilme namens des Beschwerdeführers aufgrund seiner ihm durch Punkt III. 2.) dieses Vertrages eingeräumten Vollmacht abzuschließen hat. Auch das Inkasso des Entgelts für die Vermietung hat gemäß Punkt IV. 2.) des Vertrages namens des Beschwerdeführers zu erfolgen. Die Bestimmung des Punktes III. 1.) begründet lediglich die Vereinbarung des an den Auftragnehmer anzulegenden Sorgfaltsmaßstabes. Sie sagt nichts darüber aus, wer als Vermieter der Videofilme anzusehen ist. Die Bestimmung über die Vergütung des Auftragnehmers in Punkt V. 1.) des Geschäftsbesorgungsvertrages rückt seine Stellung in die Nähe eines Provisionsvertreters und spricht keinesfalls für die Annahme, dieser habe die Mietverträge im eigenen Namen abzuschließen.

Der Beschwerdeführer hat sich sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst auf den Geschäftsbesorgungsvertrag berufen und kein Vorbringen erstattet, wonach die tatsächliche Gebarung seines Auftragnehmers dem Geschäftsbesorgungsvertrag widersprochen hätte.

Insoweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die Voraussetzungen für eine Schätzung seien nicht gegeben gewesen, ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde die Abgabenbemessung ohnedies auf der Grundlage der von ihm angegebenen Umsatzzahlen vorgenommen hat.

Im übrigen tritt der Beschwerdeführer der Abgabenbemessung der Höhe nach, welche auf Basis des im Abgabenzeitraum geltenden Höchstsatzes des § 24a NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 in seiner Fassung vor der Novelle LGBl. 3703-2 von 25 vH und dessen volle Ausschöpfung durch die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 15. Dezember 1992 (Punkt B. des Tarifes) jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist, ebensowenig entgegen, wie der Vorschreibung des Verspätungszuschlages und des Säumniszuschlages.

In Ansehung des erstgenannten Zuschlages ist festzuhalten, daß die Verspätung im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des unzweideutigen Sinngehaltes des Geschäftsbesorgungsvertrages nicht mit einem Rechtsirrtum über die Unternehmereigenschaft nach § 8 Abs. 5

NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 entschuldbar ist. Die Verfassungsbedenken des Beschwerdeführers gegen die landesgesetzlichen Abgabenvorschriften berechtigten ihn nicht, die Selbstbemessung der Abgabe nach §§ 24a, 17 Abs. 2 NÖ LustbarkeitsAbgG 1979 zu verweigern.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994170177.X00

Im RIS seit

15.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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