TE Vfgh Erkenntnis 2022/9/19 V188/2022 (V188/2022-7)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2022
beobachten
merken

Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z2
Bebauungsplan des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberndorf "Salzburger Straße – Bahnhofstraße" vom 28.05.2020
Sbg ROG 2009 §53, §60, §62, §65
Sbg BaupolizeiG 1997 §8, §8b, §9
Sbg BautechnikG §4
VfGG §7 Abs2
  1. B-VG Art. 139 heute
  2. B-VG Art. 139 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  5. B-VG Art. 139 gültig von 30.11.1996 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 659/1996
  6. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.1991 bis 29.11.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  7. B-VG Art. 139 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  8. B-VG Art. 139 gültig von 21.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 205/1962
  9. B-VG Art. 139 gültig von 19.12.1945 bis 20.07.1962 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  10. B-VG Art. 139 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung eines Bebauungsplans einer Salzburger Gemeinde betreffend die zwingende Voraussetzung einer positiven Beurteilung des Gestaltungsbeirats für die Erteilung einer Baubewilligung mangels gesetzlicher Grundlage; positives Sachverständigengutachten des Gestaltungsbeirats nicht aus dem Sbg ROG 2009 und dem Sbg BauPolG 1997 ableitbar

Spruch

I. Punkt 1.3.5. des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde Oberndorf "Salzburger Straße – Bahnhofstraße", beschlossen vom Gemeinderat am 28. Mai 2020, kundgemacht an der Amtstafel vom 29. Mai bis 18. Juni 2020, soweit er sich auf das Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, bezieht, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Salzburg verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E3909/2020 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Am 17. Februar 2020 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft beim Bürgermeister der Stadtgemeinde Oberndorf die Erteilung einer Baubewilligung für den Umbau des bestehenden Objektes auf dem bebauten Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, samt Widmungsänderung von Gastronomie auf elf Wohnungen.

Am 17. März 2020 erfolgte die Kundmachung der Auflage eines Entwurfes eines für dieses Grundstück gültigen Bebauungsplanes ("Salzburger Straße – Bahnhofstraße"; in der Folge: "Bebauungsplan") vom 17. März bis 14. Mai 2020 an der Amtstafel der Gemeinde.

Am 28. Mai 2020 wurde dieser Bebauungsplan von der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Oberndorf beschlossen und vom 29. Mai bis 18. Juni 2020 an der Amtstafel kundgemacht.

1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Oberndorf vom 18. Juni 2020 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 17. Februar 2020 abgewiesen. Begründet wurde dies mit einem Widerspruch zum Bebauungsplan, der einen Mindestanteil an gastronomischer Nutzung von 70 % der Geschoßfläche vorsehe, den das geplante Gebäude nicht erfülle.

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 28. September 2020 abgewiesen. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Salzburg aus:

Aus dem Räumlichen Entwicklungskonzept 1998 (REK 1998) der Stadtgemeinde Oberndorf gehe hervor, dass der Bereich Gastronomie und Beherbergung belebt werden solle. Für das Ortszentrum sollten Bebauungspläne mit geschoßweisen Nutzungsfestlegungen erstellt werden, wodurch verhindert werden solle, dass im Zentrum die betriebliche Nutzung durch Wohnnutzung verdrängt werde. Gegen die Zuordnung des in Rede stehenden Grundstückes zum Ortszentrum bestünden keine Bedenken. Das Bauvorhaben widerspreche dem Bebauungsplan, der auch nicht willkürlich nur zum Zwecke der Verhinderung des Bauvorhabens erlassen worden sei.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit von Punkt 1.3.5. des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde Oberndorf "Salzburger Straße – Bahnhofstraße", beschlossen vom Gemeinderat am 28. Mai 2020, kundgemacht an der Amtstafel vom 29. Mai bis 18. Juni 2020, soweit er sich auf das Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, bezieht, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 13. Juni 2022 beschlossen, diese Verordnungsbestimmung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"1. Bei Behandlung der Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit von Punkt 1.3.5. des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde Oberndorf 'Salzburger Straße – Bahnhofstraße' in der Fassung der vom Gemeinderat am 28. Mai 2020 beschlossenen Verordnung, kundgemacht an der Amtstafel vom 29. Mai 2020 bis 18. Juni 2020 ('Bebauungsplan'), entstanden, soweit sich diese Verordnung auf das im Anlassverfahren präjudizielle Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, bezieht.

2. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, dass das Landesverwaltungsgericht Salzburg bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung die in Prüfung gezogene Bestimmung zumindest denk-möglich angewendet hat und dass auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte.

3. Der Verfassungsgerichtshof hegt folgende Bedenken:

3.1. Der Bebauungsplan legt in Punkt 1.3.5. Folgendes fest:

'1.3.5. Besondere Festlegung im Text BF 1 – Gestaltungsbeirat

Eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirats im Sinne einer Einfügung in die Qualität des Bestandes ist zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren.'

Der Erläuterungsbericht hält dazu fest (S. 16):

'Die zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren ist eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirates im Sinne der Einfügung in die Qualität des Bestandes. Dies vor allem auch deshalb, da der ggst. Bereich einen markanten städtebaulichen Bereich darstellt, dessen architektonische Qualität ausgeprägte Auswirkungen auf das Stadtbild hat. Dies wird als BF1 in den ggst. Bebauungsplan aufgenommen und verordnet.'

3.2. Gemäß §62 Abs1 und 2 Sbg ROG 2009 dienen Gestaltungsbeiräte der städtebaulichen Beratung der Gemeinden und können in Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern von Gemeindevertretungen und von Gemeindeverbänden eingerichtet werden. Sie haben zu Entwürfen von Bebauungsplänen der Aufbaustufe (§53 Sbg ROG 2009) längstens binnen acht Wochen eine Stellungnahme aus städtebaulicher Sicht abzugeben. Zu Entwürfen von Bebauungsplänen der Grundstufe (§51 Sbg ROG 2009) kann die Gemeinde eine Stellungnahme einholen.

Ferner sieht das Sbg BauPolG eine Befassung von Gestaltungsbeiräten in Baubewilligungsverfahren vor: Gemäß §8b Sbg BauPolG hat die Baubehörde bei Ansuchen um Bewilligung zur Errichtung von oberirdischen Bauten oder erheblichen Änderungen der äußeren Gestalt solcher Bauten in Gebieten, für die ein Bebauungsplan der Aufbaustufe auf Grund des §50 Abs3 Z2 Sbg ROG 2009 aufgestellt ist, die Pläne und technischen Beschreibungen des Vorhabens zusammen mit einer Ausfertigung der betreffenden Teile des Bebauungsplanes dem nach §62 Sbg ROG 2009 für die Gemeinde in Betracht kommenden Gestaltungsbeirat zur Erstattung eines Gutachtens in Bezug auf die Gestaltungserfordernisse im Sinn des §4 Sbg BauTG zu übermitteln, wenn das Ansuchen nicht gemäß §8 Abs1 Sbg BauPolG abzuweisen ist. Gemäß §8b Abs3 Sbg BauPolG tritt das schriftliche Gutachten des Gestaltungsbeirates an die Stelle eines diesbezüglichen Gutachtens des bautechnischen Sachverständigen gemäß §8 Abs2 leg. cit., wonach ein bautechnischer Sachverständiger der mündlichen Verhandlung beizuziehen ist.

3.3. §62 Sbg ROG 2009 und §8b Sbg BauPolG sehen somit unter bestimmten Voraussetzungen die Einrichtung eines Gestaltungsbeirates sowie dessen zwingende Befassung in bestimmten Baubewilligungsverfahren vor. Ein entsprechendes Gutachten eines Gestaltungsbeirates tritt demnach an die Stelle eines bautechnischen Sachverständigengutachtens, das im Baubewilligungsverfahren der freien Beweiswürdigung der Behörde unterliegt (§45 Abs2 AVG; diese Bestimmung ist im Baubewilligungsverfahren auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anwendbar, vgl §17 VwGVG). Die Entscheidung über einen entsprechenden Antrag im Baubewilligungsverfahren trifft gemäß §9 Sbg BauPolG die Baubehörde, die auch das Gutachten eines Gestaltungsbeirates – wie jedes andere Sachverständigengutachten – in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat. Aus dem Sbg ROG 2009 und dem Sbg BauPolG lässt sich somit nicht ableiten, dass ein positives Gutachten des Gestaltungsbeirates zwingende Voraussetzung 'für das weitere Baubewilligungsverfahren', also für die Erteilung der begehrten Baubewilligung, wäre.

3.4. Der Bebauungsplan sieht in Punkt 1.3.5. eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirates (im Sinne einer Einfügung in die Qualität des Bestandes) als zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren vor. Da sich eine derartige Voraussetzung aber nicht aus den gesetzlichen Grundlagen des Bebauungsplanes ergibt, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass diese Bestimmung (Punkt 1.3.5.) schon aus diesem Grund gesetzwidrig sein dürfte.

3.5. Dazu kommt, dass im Falle der Nichtzustimmung des Gestaltungsbeirates die behördliche Entscheidungskompetenz an die Zustimmung eines nichtbehördlichen Organes gebunden wird. Es ist jedoch – nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes – mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, der zuständigen Behörde auf diese Weise die Verantwortung für eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten Bewilligung und damit die eigentliche behördliche Vollzugsentscheidung zu entziehen (vgl VfGH 14.12.2021, G232/2021 mwN)."

4. Im Rahmen des vom Verfassungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahrens erstattete die verordnungserlassende Behörde (Bürgermeister der Stadtgemeinde Oberndorf) eine Äußerung, worin sie ausführt, dass jede Salzburger Gemeinde, so auch die Stadtgemeinde Oberndorf, gemäß dem Sbg ROG 2009 Bebauungspläne aufzustellen habe, um die städtebauliche Ordnung zu gewährleisten. Um dieser Aufgabe ordentlich und qualifiziert nachkommen zu können, bediene sich die Behörde des Gestaltungsbeirates. Im baurechtlichen Verfahren könne der Bürgermeister aus einer positiven Stellungnahme des Gestaltungsbeirates schließen, dass die angefragten Maßnahmen dem Zweck der Norm nicht widersprächen.

5. Die Salzburger Landesregierung verzichtete auf eine Äußerung.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997 (Bau-PolG), LGBl 40/1997, idF LGBl 33/2019, wie sie zum Zeitpunkt der Erlassung des Bebauungsplanes in Kraft waren, lauteten bzw lauten auszugsweise:

"Ermittlungsverfahren

§8

(1) […]

(2) Einer mündlichen Verhandlung sind beizuziehen:

1. […]

2. ein bautechnischer Sachverständiger sowie nach Bedarf weitere Sachverständige (zB elektrotechnische, maschinenbautechnische, ärztliche Sachverständige, der zuständige Rauchfangkehrer);

3. – 4. […]

(3) […]

Begutachtung durch den Gestaltungsbeirat

§8b

(1) Die Baubehörde hat bei Ansuchen um Bewilligung zur Errichtung von oberirdischen Bauten oder erheblichen Änderung der äußeren Gestalt solcher Bauten in Gebieten, für die ein Bebauungsplan der Aufbaustufe auf Grund des §50 Abs3 Z2 ROG 2009 aufgestellt ist, die Pläne und technischen Beschreibungen des Vor-habens zusammen mit einer Ausfertigung der betreffenden Teile des Bebauungs-planes dem nach §62 ROG 2009 für die Gemeinde in Betracht kommenden Gestaltungsbeirat zur Erstattung eines Gutachtens in bezug auf die Gestaltungserfordernisse im Sinn des §4 BauTG zu übermitteln, wenn das Ansuchen nicht gemäß §8 Abs1 abzuweisen ist. In Gebieten, für die ein Bebauungsplan der Aufbaustufe gemäß §50 Abs3 Z1 ROG 2009 aufgestellt ist, kann in der gleichen Weise vorgegangen werden. Mit Zustimmung des Bewilligungswerbers kann die Begutachtung durch den Gestaltungsbeirat auch in anderen Fällen erfolgen. Das Gutachten ist so rasch wie möglich, tunlichst aber innerhalb von zwei Monaten zu erstatten.

(2) Die Heranziehung der Gestaltungsbeiräte kommt nur für Bauvorhaben in Gebieten in Betracht, die außerhalb des Schutzgebietes nach dem Salzburger Altstadterhaltungsgesetz 1980 bzw außerhalb von Ortsbildschutzgebieten nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz 1999 liegen.

(3) Das schriftliche Gutachten des Gestaltungsbeirates tritt an die Stelle eines diesbezüglichen Gutachtens des bautechnischen Sachverständigen gemäß §8 Abs2.

(4) Die Kosten der Begutachtung durch den Gestaltungsbeirat sind in den Fällen des Abs1 erster Satz vom Bewilligungswerber und ansonsten von der Gebietskörperschaft zu tragen, die für den Aufwand der Behörde aufzukommen hat.

Entscheidungen über das Bewilligungsansuchen

§9

(1) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn die bauliche Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig erscheint. Dies ist der Fall, wenn

1. die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung oder der jeweiligen Kennzeichnung widerspricht, sofern es sich nicht um eine im Einzelfall zulässige Verwendung (§§40 Abs4, 46 und 47 ROG 2009) handelt;

2. die bauliche Maßnahme mit einem Bebauungsplan oder der Bauplatzerklärung nicht im Einklang steht;

2a. für die Grundfläche trotz Erfordernis keine Bauplatzerklärung besteht, es sei denn, die Bauplatzerklärung wird als Teil der Baubewilligung erteilt;

3. die bauliche Maßnahme den Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz zuwiderläuft;

4. die bauliche Maßnahme den sonstigen baurechtlichen Vorschriften, insbesondere den bautechnischen sowie den die gesundheitlichen Anforderungen und die Belange von Gestalt und Ansehen betreffenden, widerspricht;

5. die bauliche Maßnahme den von den Parteien gemäß §7 Abs1 Z2 wahrzunehmenden Interessen erheblich widerspricht;

6. durch die bauliche Maßnahme ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz;

7. der Eigentümer eines von einem allfälligen Abbruchauftrag gemäß Abs2 dritter und vierter Satz betroffenen Baues oder Bauteiles dem Abbruch widerspricht.

Liegen solche Gründe nicht vor, hat die Baubehörde die Bewilligung zu erteilen.

(1a) – (7) […]

Behörden

§22

(1) Baubehörde im Sinn dieses Gesetzes ist

a) soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, der Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde;

b) […]

(2) – (3) […]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 über die Raumordnung im Land Salzburg (Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 – ROG 2009), LGBl 30/2009, idF LGBl 82/2019, wie sie zum Zeitpunkt der Erlassung des Bebauungsplanes in Kraft waren, lauteten bzw lauten auszugsweise:

"Aufbaustufe

§53

(1) Ein Bebauungsplan der Aufbaustufe ist aufzustellen, wenn im Bebauungsplan oder einer Verordnung nach §50 Abs3 letzter Satz eine entsprechende Festlegung getroffen ist. Die Gemeinde hat bei Vorliegen einer konkreten Bauabsicht, die durch ein entsprechendes Projekt zu belegen ist, mit der Aufstellung zu beginnen. Wenn binnen sechs Monaten ab bekannt gegebener Bauabsicht keine Auflage des Entwurfs oder binnen Jahresfrist keine Kundmachung des Bebauungsplans erfolgt, steht das Fehlen des Bebauungsplans der Aufbaustufe der Erteilung von Bauplatzerklärungen und nach baurechtlichen Vorschriften des Landes erforderlichen Bewilligungen nicht entgegen.

(2) Unter möglichster Berücksichtigung der gemäß §51 Abs1 erfassten Umstände und auf der Grundlage der im Bebauungsplan der Grundstufe festgelegten Bebauungsgrundlagen können im Bebauungsplan der Aufbaustufe festgelegt werden:

1. ergänzende Straßenfluchtlinien und Verläufe von Gemeinde- und anderen Erschließungsstraßen;

2. die Art der Energie- und der Wasserversorgung sowie der Abwasserbeseitigung nach Maßgabe besonderer Vorschriften;

3. die Bauplatzgrößen und -grenzen;

4. die Baugrenzlinien und die Situierungsbindungen;

5. die Bauweise (geschlossene, offene, offen-freistehende, offen-gekuppelte oder besondere );

6. die Mindest- und Höchstabmessungen der Bauten (Länge, Breite) bzw die höchstens bebaubare Fläche;

7. die äußere architektonische Gestaltung (einschließlich Dachform, Dach-neigung, Dachdeckung, Firstrichtung und Farbgebung);

8. Überbauten bei Durchfahrten und Durchgängen, insbesondere auch im Bereich von Verkehrsflächen;

9. die Erhaltungs- und Abbruchgebote;

10. die Nutzung von Bauten bzw der Ausschluss bestimmter Nutzungen;

11. Mindest- oder Höchstzahlen für Wohneinheiten;

12. der Ausbau der Verkehrsflächen der Gemeinde (Straßenprofile, Grünstreifen), die verkehrstechnische Aufschließung im Bauplatz einschließlich etwaiger Verbote und Beschränkungen der Einmündungen von Zu(Aus)fahrten in Verkehrsflächen sowie die Lage, Zahl und Art der Stellplätze für Kraftfahrzeuge (zB Tiefgaragen) und von Fahrradstellmöglichkeiten;

13. die Lage von Spielplätzen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen;

14. die Erhaltung und Schaffung von Grünbeständen (Grünflächen, Pflanz-bindungen, Pflanzgebote) sowie Geländegestaltungen;

15. die Errichtung und Gestaltung der Einfriedungen;

16. die Standplätze für Abfallbehälter und Altstoffcontainer;

17. Maßnahmen zu Zwecken des Immissionsschutzes (zB Lärmschutzwände oder -wälle, Lärmschutzfenster);

18. Maßnahmen zur Steigerung der Endenergieeffizienz von Bauten.

Festlegungen, die die architektonische Gestaltung betreffen (Z7), sind nur für solche Bereiche zulässig, in denen dies im Interesse der Erhaltung oder der damit im Zusammenhang stehenden Gestaltung eines charakteristischen Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes nach den Erkenntnissen und Erfahrungen des Städtebaues erforderlich ist.

(3) In den Bebauungsplan der Aufbaustufe sind auch die im Bebauungsplan der Grundstufe getroffenen Bebauungsgrundlagen aufzunehmen. Dabei können, die die bauliche Ausnutzbarkeit betreffenden Festlegungen ausgenommen, abweichende Bebauungsbedingungen getroffen werden, soweit die Änderungen mit den Festlegungen des Räumlichen Entwicklungskonzepts und der im Bebauungsplan der Grundstufe angestrebten städtebaulichen Ordnung sowie mit den Bebauungsbedingungen der nicht im Planungsgebiet der Aufbaustufe erfassten Bereiche vereinbar sind.

(4) Der Bebauungsplan der Aufbaustufe kann für selbstständig bebaubare, aber unbebaute Flächen außer Kraft gesetzt werden, wenn binnen fünf Jahren ab Inkrafttreten keine Baubewilligung erwirkt wird oder wenn deren Wirksamkeit erlischt. Mit dem Außerkrafttreten tritt der Bebauungsplan der Grundstufe wieder in Kraft.

Nutzung (Verwendung) von Bauten

§60

(1) Soweit es zufolge der bisherigen oder mit Grund anzunehmenden künftigen Entwicklung notwendig ist, können zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses der vielfältigen urbanen Funktionen, insbesondere einer angemessenen Wohnnutzung in den Stadt- und Ortskernen, bestimmte, nach Maßgabe der Flächenwidmung zulässige Nutzungen (Verwendungen) von Bauten verbindlich angeordnet oder auch beschränkt werden. Solche Festlegungen können sich auf die Wohnnutzung, die Nutzung durch Handelsbetriebe, die Nutzung durch sonstige Dienstleistungsbetriebe udgl beziehen und sind durch Bestimmung von Mindest- oder Höchstanteilen in Bezug auf die Geschoßfläche der Bauten zu treffen.

(2) Soweit dies nicht bereits nach den allgemeinen baupolizeilichen Vorschriften des Landes der Fall ist, bedarf die Zuführung von bestehenden Bauten oder Teilen davon zu einer anderen Nutzungsart als der, für die eine Mindestgrenze gemäß Abs1 gilt, oder zu einer Nutzungsart, für die eine Höchstgrenze gilt, jedenfalls einer baubehördlichen Bewilligung. Eine solche Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn

1. durch die Nutzungsänderung die festgelegte Mindest- bzw Höchstgrenze nicht unter- bzw überschritten wird;

2. der Bau oder Teile davon keine gute Eignung für die bisherige Nutzung aufweist, insbesondere Wohnraum keine gute Wohnqualität, und eine solche auch bei Anwendung aller technisch möglichen und allgemein wirtschaftlich vertretbaren Mittel nicht zu erreichen ist;

3. an der beabsichtigten Nutzung ein besonderes öffentliches Interesse besteht; oder

4. durch die Nutzungsänderung die Eignung des gesamten Baues für die bisherige Nutzung, insbesondere die Wohnqualität verbessert wird.

(3) Eine Bewilligung zum Abbruch eines Baues oder von Teilen davon mit Nutzungen, für die Mindestgrenzen gemäß Abs1 gelten, darf nur erteilt werden, wenn an dessen Stelle ein Bauvorhaben rechtskräftig bewilligt ist, in dem Räume für eine solche Nutzung zumindest im festgelegten Ausmaß geschaffen werden, oder wenn an der beabsichtigten anderweitigen Nutzung ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Diese Bedingung besteht auch bei Erlöschen oder Änderung der Baubewilligung für das neue Bauvorhaben fort.

(4) Soweit es aus Gründen des Immissionsschutzes notwendig ist, kann die Situierung von Wohn- und anderen Räumen in den Bauten festgelegt werden.

Gestaltungsbeiräte

§62

(1) Von den Gemeindevertretungen der Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern und von Gemeindeverbänden können Gestaltungsbeiräte eingerichtet werden. Für jene Gemeinden, für die kein so eingerichteter Gestaltungsbeirat besteht, ist bei jeder Bezirkshauptmannschaft ein Gestaltungsbeirat einzurichten.

(2) Gestaltungsbeiräte dienen der städtebaulichen Beratung der Gemeinden. Sie haben zu Entwürfen von Bebauungsplänen der Aufbaustufe längstens binnen acht Wochen eine Stellungnahme aus städtebaulicher Sicht abzugeben. Zu Entwürfen von Bebauungsplänen der Grundstufe kann die Gemeinde eine Stellungnahme einholen.

(3) Eine Befassung des Gestaltungsbeirats kommt bei Planungsgebieten innerhalb von Schutzgebieten nach dem Salzburger Altstadterhaltungsgesetz 1980 oder Ortsbildschutzgebieten nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz nicht in Betracht. Es bleibt der Altstadterhaltungskommission nach Maßgabe der Bestimmungen des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes 1980 jedoch unbenommen, Mitglieder des Gestaltungsbeirats als Fachexperten beizuziehen.

(4) Die Gestaltungsbeiräte bestehen aus drei bis fünf Mitgliedern, die von der Gemeindevertretung, von der Verbandsversammlung bzw vom Bezirkshauptmann zu bestellen sind. Sie haben Fachleute auf dem Gebiet der Architektur, der Orts-, Stadt- und Landschaftsbildpflege oder der Orts- und Stadtplanung zu sein. Die Gestaltungsbeiräte beschließen mit Stimmenmehrheit.

(5) Die näheren Bestimmungen über die Funktionsdauer, die Bestellung der Mitglieder und Ersatzmitglieder, die Beiziehung von weiteren Fachleuten mit beratender Stimme und die Geschäftsführung der Gestaltungsbeiräte werden durch Verordnung der Landesregierung erlassen. Die Gestaltungsbeiräte haben ergänzende Geschäftsordnungen zu beschließen, die der Genehmigung des jeweiligen Bürgermeisters oder der jeweiligen Bürgermeisterin, des Verbandsausschusses bzw des Bezirkshauptmannes oder der Bezirkshauptfrau vom Standpunkt der Gesetzmäßigkeit bedürfen.

(6) Die Kosten der Befassung der Gestaltungsbeiräte sind Kosten der Bebauungs-planung.

5. Teil

Verfahrensvorschriften

Verfahren für die Neuaufstellung und Änderung

von Plänen der örtlichen Raumplanung

§65

(1) Der Entwurf eines Räumlichen Entwicklungskonzeptes, eines Flächenwidmungsplanes und eines Bebauungsplanes ist vom Bürgermeister oder von der Bürgermeisterin zu erstellen. Eine Beschlussfassung des Entwurfs durch die Gemeindevertretung ist erforderlich:

1. für die Neuaufstellung (Revision) oder Änderung eines Räumlichen Entwicklungskonzeptes,

2. für die Neuaufstellung (Revision) eines Flächenwidmungsplanes,

3. für die Änderung eines Flächenwidmungsplanes, wenn die Änderungsfläche 5.000 m² überschreitet.

In den Fällen der Z1 bis 3 hat der Beschlussfassung der Gemeindevertretung eine ausreichende Öffentlichkeitsarbeit voranzugehen.

(2) Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin hat den Planentwurf samt erforderlichem Wortlaut im Gemeindeamt für mindestens vier Wochen ab Kundmachung zur allgemeinen Einsicht während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden aufzulegen. Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sind der Entwurf und der erforderliche Wortlaut auch im Internet auf der Homepage der Gemeinde zu veröffentlichen.

(3) Die Auflage des Entwurfs ist durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde, in der Stadt Salzburg auch in deren Amtsblatt, allgemein kundzumachen. Von der Auflage des Entwurfs sind zu verständigen:

1. bei Räumlichen Entwicklungskonzepten und Flächenwidmungsplänen:

a) die Nachbargemeinden und der Regionalverband, dem die Gemeinde angehört, bei Neuaufstellungen (Revisionen);

b) die Gemeindebürger, und zwar

aa) bei Neuaufstellungen (Revisionen): mittels Postwurfsendung an alle Haushalte in der Gemeinde,

bb) bei Planänderungen: durch geeignete Bekanntmachung im Planungsgebiet (Postwurfsendung, Ankündigungstafeln und
-ständer oder schriftliche Verständigung der Planbetroffenen und Anrainer),

c) die Grundeigentümer bei geplanter Rückwidmung ihrer Flächen von Bauland in Grünland oder Verkehrsfläche, wobei die Verständigung ordnungsgemäß erfolgt ist, wenn sie an die Zustelladresse des Grundsteuerbescheides versendet worden ist;

2. bei Bebauungsplänen der Aufbaustufe: der Gestaltungsbeirat zur Abgabe einer Stellungnahme aus städtebaulicher Sicht.

In der Kundmachung und den Verständigungen gemäß der Z1 ist auf die Möglichkeiten der Einsichtnahme gemäß Abs2 und der Erhebung von Einwendungen innerhalb der Auflagefrist hinzuweisen. Besteht die Möglichkeit der Einsichtnahme über Internet, ist zusätzlich die diesbezügliche Internetadresse anzugeben.

(4) Innerhalb der Auflagefrist können von Trägern öffentlicher Interessen und von Personen, die ein Interesse glaubhaft machen, schriftliche Einwendungen zum Entwurf erhoben werden.

(5) Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin kann den Entwurf eines Flächenwidmungsplans vor der Beschlussfassung der Landesregierung zur Stellungnahme längstens innerhalb von acht Wochen übersenden.

(6) Die Gemeindevertretung beschließt das Räumliche Entwicklungskonzept, den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan. Vor Beschlussfassung hat sie sich mit den vorgebrachten Einwendungen und Stellungnahmen auseinander zu setzen und dies im Planungsbericht darzustellen. Grundeigentümer, deren Einwendungen betreffend ihre Grundstücke nicht berücksichtigt worden sind, sind davon schriftlich zu verständigen.

(7) Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin hat für beschlossene Räumliche Entwicklungskonzepte und Flächenwidmungspläne die aufsichtsbehördliche Genehmigung bzw Kenntnisnahme unter Vorlage des gesamten Verwaltungsaktes nach Maßgabe des §74 zu beantragen. Dem Antrag sind je eine Ausfertigung des Plans samt erforderlichem Wortlaut in digitaler Form anzuschließen.

(8) Als Verordnung nach den gemeinderechtlichen Vorschriften sind kundzumachen:

1. der beschlossene Flächenwidmungsplan nach Vorliegen der Genehmigung (Kenntnisnahme) der Landesregierung;

2. der beschlossene Bebauungsplan.

Die Verordnungen treten mit dem auf den Beginn der Kundmachung folgenden Tag, in der Stadt Salzburg nach Maßgabe des §19 Abs3 des Salzburger Stadtrechts 1966 in Kraft."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung des Bebauungsplanes zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Das im Prüfungsbeschluss dargelegte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hat sich als zutreffend erwiesen:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte in seinem Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass Punkt 1.3.5. des Bebauungsplanes, der eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirates als zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren vorsehe, gesetzwidrig sei (soweit sich diese Bestimmung auf das Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, beziehe), weil sich eine derartige Voraussetzung nicht aus den gesetzlichen Grundlagen ergebe.

2.2. Die verordnungserlassende Behörde und die Salzburger Landesregierung traten dem im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken nicht entgegen.

2.3. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was das im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnungsbestimmung zerstreut hätte.

2.3.1. Der Bebauungsplan legt in Punkt 1.3.5. Folgendes fest:

"1.3.5. Besondere Festlegung im Text BF 1 – Gestaltungsbeirat

Eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirats im Sinne einer Einfügung in die Qualität des Bestandes ist zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren."

Der Erläuterungsbericht hält dazu fest (S 16):

"Die zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren ist eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirates im Sinne der Einfügung in die Qualität des Bestandes. Dies vor allem auch deshalb, da der ggst. Bereich einen markanten städtebaulichen Bereich darstellt, dessen architektonische Qualität ausgeprägte Auswirkungen auf das Stadtbild hat. Dies wird als BF1 in den ggst. Bebauungsplan aufgenommen und verordnet."

2.3.2. Gemäß §62 Abs1 und 2 Sbg ROG 2009 dienen Gestaltungsbeiräte der städtebaulichen Beratung der Gemeinden und können in Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern von Gemeindevertretungen und von Gemeindeverbänden eingerichtet werden. Sie haben zu Entwürfen von Bebauungsplänen der Aufbaustufe (§53 Sbg ROG 2009) längstens binnen acht Wochen eine Stellungnahme aus städtebaulicher Sicht abzugeben. Zu Entwürfen von Bebauungsplänen der Grundstufe (§51 Sbg ROG 2009) kann die Gemeinde eine Stellungnahme einholen.

Ferner sieht das Sbg BauPolG eine Befassung von Gestaltungsbeiräten in Baubewilligungsverfahren vor: Gemäß §8b leg cit hat die Baubehörde bei Ansuchen um Bewilligung zur Errichtung von oberirdischen Bauten oder erheblichen Änderungen der äußeren Gestalt solcher Bauten in Gebieten, für die ein Bebauungsplan der Aufbaustufe auf Grund des §50 Abs3 Z2 Sbg ROG 2009 aufgestellt ist, die Pläne und technischen Beschreibungen des Vorhabens zusammen mit einer Ausfertigung der betreffenden Teile des Bebauungsplanes dem nach §62 Sbg ROG 2009 für die Gemeinde in Betracht kommenden Gestaltungsbeirat zur Erstattung eines Gutachtens in Bezug auf die Gestaltungserfordernisse im Sinn des §4 Sbg BauTG zu übermitteln, wenn das Ansuchen nicht gemäß §8 Abs1 Sbg BauPolG abzuweisen ist. Gemäß §8b Abs3 Sbg BauPolG tritt das schriftliche Gutachten des Gestaltungsbeirates an die Stelle eines diesbezüglichen Gutachtens des bautechnischen Sachverständigen gemäß §8 Abs2 leg cit, wonach ein bautechnischer Sachverständiger der mündlichen Verhandlung beizuziehen ist.

2.3.3. §62 Sbg ROG 2009 und §8b Sbg BauPolG sehen somit unter bestimmten Voraussetzungen die Einrichtung eines Gestaltungsbeirates sowie dessen zwingende Befassung in bestimmten Baubewilligungsverfahren vor. Ein entsprechendes Gutachten eines Gestaltungsbeirates tritt demnach an die Stelle eines bautechnischen Sachverständigengutachtens, das im Baubewilligungsverfahren der freien Beweiswürdigung der Behörde unterliegt (§45 Abs2 AVG; diese Bestimmung ist im Baubewilligungsverfahren auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anwendbar, vgl §17 VwGVG). Die Entscheidung über einen entsprechenden Antrag im Baubewilligungsverfahren trifft gemäß §9 Sbg BauPolG die Baubehörde, die auch das Gutachten eines Gestaltungsbeirates – wie jedes andere Sachverständigengutachten – in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat. Aus dem Sbg ROG 2009 und dem Sbg BauPolG lässt sich somit nicht ableiten, dass ein positives Gutachten des Gestaltungsbeirates zwingende Voraussetzung "für das weitere Baubewilligungsverfahren", also für die Erteilung einer begehrten Baubewilligung, wäre.

2.3.4. Der Bebauungsplan sieht in Punkt 1.3.5. eine positive Beurteilung des Gestaltungsbeirates (im Sinne einer "Einfügung in die Qualität des Bestandes") als zwingende Voraussetzung für das weitere Baubewilligungsverfahren vor. Da sich eine derartige Voraussetzung aber nicht aus den gesetzlichen Grundlagen des Bebauungsplanes ergibt, ist diese Bestimmung (Punkt 1.3.5.), soweit sie sich auf Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, bezieht, schon deshalb gesetzwidrig.

IV. Ergebnis

1. Punkt 1.3.5. des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde Oberndorf "Salzburger Straße – Bahnhofstraße", beschlossen vom Gemeinderat am 28. Mai 2020, kundgemacht an der Amtstafel vom 29. Mai bis 18. Juni 2020, soweit er sich auf das Grundstück Nr 812/6, KG Oberndorf, bezieht, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Salzburger Landes-Verlautbarungsgesetz.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bebauungsplan, Raumordnung, Beweiswürdigung, Sachverständige, Bindung (der Verwaltungsbehörden an Prüfungsergebnisse), Bebauungsvorschriften, Baurecht, Raumplanung örtliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V188.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten