TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/6 95/20/0060

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Veröffentlicht am 06.03.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §3;
AVG §37;
AVG §39a;
AVG §45 Abs2;
AVG §52 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0061 95/20/0062 95/20/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. der FM, mit mj. MS, 2. der NM, mit mj. KS, 3. des JS, und 4. des BS, alle in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1994, Zl. 4.344.178/1-III/13/94

Zl. 4.344.177/1-III/13/94, Zl. 4.344.178/1-III/13/94 und Zl. 4.344.177/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin werden als unbegründet abgewiesen.

Hinsichtlich des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers werden die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Bund hat dem Dritt- und dem Viertbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1994 wurden die Berufungen der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin (zweier Schwestern) sowie des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers (der Ehegatten der Erst- bzw. der Zweitbeschwerdeführerin), iranische Staatsangehörige, die am 14. Februar 1994 in das Bundesgebiet eingereist waren und am 16. Februar 1994 (Zweitbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführer) bzw. am 18. Februar 1994 (Erstbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer) Asyl beantragt hatten, gegen die abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes vom 28. Februar 1994 (Erst- und Zweitbeschwerdeführerin, Viertbeschwerdeführer) bzw. 1. März 1994 (Drittbeschwerdeführer) abgewiesen.

Vor dem Bundesasylamt gaben die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin im wesentlichen an, sie hätten den Iran verlassen, um ihren Ehegatten zu folgen. Die Erstbeschwerdeführerin fügte hinzu, es habe die "Möglichkeit" bestanden, daß sie im Iran "Schwierigkeiten" bekomme, wenn ihr Mann "nicht da" sei. Darüber hinaus sei es "mit den Nachbarn nicht mehr zum Aushalten" gewesen, seit die "Gardisten" das Haus wiederholt durchsucht hätten. Die Erstbeschwerdeführerin selbst sei allerdings keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Auch die Zweitbeschwerdeführerin gab an, nicht verfolgt worden zu sein. Sie habe sich jedoch durch Hausdurchsuchungen, die in den letzten drei Jahren dreimal stattgefunden hätten, bedroht gefühlt. Bei einem Verbleib im Iran hätte sie "auch Probleme mit den Revolutionsgardisten bekommen".

Das Bundesasylamt wies die Anträge der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin ab, weil diese in ihrem Heimatstaat keine Verfolgung zu befürchten hätten.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen Berufungen, die wortgleich wie folgt begründet waren:

"Entgegen der Ansicht der bescheiderlassenden Behörde erfülle ich die Voraussetzungen für die Asylgewährung, da mir in meinem Heimatland Verfolgung aus Gründen meiner politischen Gesinnung droht.

Ich halte meine Angaben vollinhaltlich aufrecht."

Die belangte Behörde hielt den Beschwerdeführerinnen in den sie betreffenden Bescheiden entgegen, sie hätten im gesamten Verfahren keine gegen sie gerichtete Verfolgung beschrieben, sondern ihre Asylbegehren jeweils mit der Flucht des Ehegatten begründet. Ein solcher Umstand könnte nur dann allenfalls "berücksichtigt werden", wenn hinsichtlich des Ehegatten die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl bestünden. Beim Dritt- bzw. Viertbeschwerdeführer sei dies aber jeweils nicht der Fall. Aus befürchteten Schwierigkeiten mit den Nachbarn, wie sie die Erstbeschwerdeführerin, und aus drei Hausdurchsuchungen in den vergangenen drei Jahren, wie sie die Zweitbeschwerdeführerin beschrieben habe, sei die Flüchtlingseigenschaft der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin nicht ableitbar.

Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer gaben vor dem Bundesasylamt im wesentlichen an, sie hätten zunächst unabhängig voneinander Propagandamaterial für die Modjahedin verteilt. Aus diesem Grund sei der Drittbeschwerdeführer für 18 Monate und der Viertbeschwerdeführer von März 1986 bis Juli 1987 inhaftiert worden. Der Drittbeschwerdeführer sei in der Haft geschlagen und mißhandelt worden. Nach der Entlassung habe er sich ständig bei den Behörden melden müssen, wobei er hin und wieder für ein oder zwei Nächte festgehalten worden sei. Nach einem Jahr sei ihm gesagt worden, er brauche sich nicht mehr zu melden, bleibe aber unter Beobachtung. Der Viertbeschwerdeführer sei in der Haft gefoltert worden, wodurch er eine Verletzung an der rechten Hüfte erlitten habe. Nach der Entlassung habe er sich drei Jahre lang immer wieder bei den Behörden melden müssen, wobei er zweimal für 24 Stunden festgehalten worden sei. Er habe keine Genehmigung für sein Geschäft bekommen, weil er als vorbestraft gegolten habe.

Beide Beschwerdeführer gaben an, ab 1987 gemeinsam Propaganda für die Modjahedin betrieben zu haben. Ihre Häuser seien in dieser Zeit mehrmals durchsucht worden. Das Propagandamaterial sei in einem (anderen) Haus in Isfahan vorbereitet worden, wo auch an der Übersetzung eines Werkes von Salman Rushdie gearbeitet worden sei. Im September 1993 hätten sich Revolutionsgardisten diesem Haus genähert, das Feuer eröffnet und einen Wachposten vor dem Haus getroffen. Den Beschwerdeführern sei es gelungen, aus dem Haus zu flüchten und gemeinsam mit ihren Ehegattinnen und Kindern das Ausland zu erreichen.

Das Bundesasylamt sprach diesen Darstellungen in weitgehend gleichlautenden Bescheiden die Glaubwürdigkeit ab und stützte dies in bezug auf die behaupteten Inhaftierungen darauf, daß die Beschwerdeführer nicht - wie dies bei der Auffindung von Propagandamaterial für die Modjahedin im Iran zu erwarten wäre - "hingerichtet, verstümmelt oder verbannt" worden seien. Die Inhaftierungen und damit verbundenen Mißhandlungen lägen aber auch schon zu lange zurück, um asylrelevant zu sein. Die späteren Ereignisse hätten die Beschwerdeführer teils vage und oberflächlich, teils widersprüchlich dargestellt.

In ihren weitgehend gleichlautenden Berufungen führten die Beschwerdeführer zunächst folgendes aus:

"Entgegen der Ansicht der bescheiderlassenden Behörde erfülle ich die Voraussetzungen für die Asylgewährung, da mir in meinem Heimatland Verfolgung aus Gründen meiner politischen Gesinnung droht.

Ich möchte hiermit feststellen, daß die Angaben in der Niederschrift des Bundesasylamtes nur zum Teil meinen Aussagen anläßlich der Erstvernehmung entsprechen.

Eine Korrektur dieser Angaben nach der Rückübersetzung war mir nicht möglich, da der Dolmetsch zwar meine Aussagen in stark verkürzter Form, nicht jedoch die davon abweichenden Textstellen wörtlich übersetzte.

Ich möchte daher, zur Klarstellung, meine Aussagen in den wesentlichen Punkten wiederholen und auf die angeblichen Widersprüche eingehen."

Daran schloß sich jeweils eine punkteweise Auseinandersetzung mit den vom Bundesasylamt angenommenen Unzulänglichkeiten der Aussagen.

Die belangte Behörde hielt dem entgegen, daß beide Beschwerdeführer bei der Ersteinvernahme ausreichend Gelegenheit gehabt hätten, alle Fluchtgründe darzulegen, und daß sie die Richtigkeit und Vollständigkeit (der Niederschriften) mit ihrer Unterschrift bestätigt hätten. Bezüglich der jeweils behaupteten Tätigkeit für die Modjahedin und der daraus jeweils resultierenden Haft (18 Monate beim Drittbeschwerdeführer, von März 1986 bis Juli 1987 beim Viertbeschwerdeführer) werde ausgeführt, daß schon längere Zeit zurückliegende Umstände nicht mehr beachtlich seien. Der von beiden Beschwerdeführern behauptete Vorfall vom September 1993 (Erstürmung eines Hauses, in dem sie sich aufgehalten hätten, und Tötung eines Wächters durch Revolutionsgardisten) sei von ihnen nicht glaubwürdig geschildert worden. Die "Grundzüge eines polizeitaktischen Vorgehens" bestünden darin, das Objekt, worin zu inhaftierende Personen vermutet werden, zu umstellen, um eine Flucht von Verdächtigen hintanzuhalten. Bei der Erstürmung eines Hauses sei sogar für Laien logisch, die Erstürmung keinesfalls mit einem Schußwechsel zu beginnen, bevor nicht das Umfeld des Objektes abgesichert worden ist. Überdies bestehe das Bestreben von "Sicherheitsorganen" sicherlich darin, der Verdächtigen habhaft zu werden, um allfällige Informationen über Ziele und geplante Aktionen sowie Hintermänner in Erfahrung bringen zu können. Den Ausführungen der Beschwerdeführer (es sei beim Herannahen von Revolutionsgardisten vor dem Haus zu einem Schußwechsel gekommen und sie seien geflohen) fehle daher die volle Glaubwürdigkeit. Der Viertbeschwerdeführer habe behördliche Kenntnisse über seine behaupteten Tätigkeiten ausdrücklich verneint. "Entsprechende Indizien" für eine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz seien dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführer nicht entnehmbar gewesen. Die Beschwerdeführer seien daher nicht Flüchtlinge.

Gegen diese Bescheide richten sich die in weiten Teilen gleichlautenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach ihrer Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen des persönlichen und sachlichen

Zusammenhanges - erwogen hat:

Zur Erst- und Zweitbeschwerdeführerin:

Beide Beschwerdeführerinnen rügen, die belangte Behörde habe "primär gegen die Bestimmungen des § 39a AVG verstoßen". Die genannte Bestimmung verweise auf § 52 Abs. 2 AVG (in der Fassung vor der AVG-Novelle BGBl. 1995/471), sodaß ein nichtamtlicher Dolmetscher "nur ausnahmsweise" hinzuzuziehen und (ergänze: wenn er nicht schon "im allgemeinen beeidet" ist) zu beeiden sei. Den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt sei aber "kein Amtsdolmetscher und auch kein gerichtlich beeideter Dolmetscher" beigezogen worden. Ein solcher "hätte mit Sicherheit eine größere Sorgfalt bei der Übersetzung der maßgebenden Textpassagen an den Tag gelegt".

Dem steht, soweit es die "nur ausnahmsweise" Heranziehung eines nichtamtlichen Dolmetschers betrifft, schon die hier unmittelbar anzuwendende Bestimmung des § 18 Asylgesetz 1991 entgegen, worin die vorrangige Beiziehung von Amtsdolmetschern - in inhaltlichem Zusammenhang mit der Unmöglichkeit, die Kosten des nichtamtlichen Dolmetschers auf die Partei zu überwälzen - nicht vorgesehen ist ("ein geeigneter Dolmetscher"; vgl. dazu das Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0777, und daran anschließende Erkenntnisse). Die Beschwerdeführerinnen legen auch nicht dar, daß Amtsdolmetscher zur Verfügung gestanden wären. Was die mangelnde Beeidigung anlangt, so wäre sie auch nach dem Maßstab des § 52 AVG nur erheblich, wenn ihre Relevanz konkret dargelegt würde (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Juni 1987, Zlen. 83/05/0146, 0147 = Slg. 12.492 A). Nach dem Inhalt der Niederschriften vom 16. Februar 1992 (und auch des Verzeichnisses der allgemein beeideten gerichtlichen Dolmetscher für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Graz) ist der für die Einvernahmen aller vier Beschwerdeführer beigezogene Dolmetscher aber ohnehin gerichtlich beeidet.

Das die Behauptung von Übersetzungsmängeln zum Nachteil der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin betreffende Beschwerdevorbringen ist auch aktenwidrig, weil - entgegen den Beschwerdebehauptungen - weder die belangte Behörde den Beschwerdeführerinnen eine Inkonsistenz ihrer Darstellungen vorgeworfen noch auch nur eine der Beschwerdeführerinnen die Leistungen des Dolmetschers in ihrer Berufung kritisiert hat. Diese Beschwerdeausführungen beziehen sich inhaltlich auf den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer und sind erkennbar nur das Ergebnis einer ungeprüften Übernahme für deren Beschwerden entworfener Formulierungen. Aus demselben Grund geht auch die Rüge fehl, die Behörde hätte sich nicht mit dem "relativ konkreten Berufungsvorbringen" der Beschwerdeführerinnen auseinandergesetzt. Beide Beschwerdeführerinnen haben sich - im Gegensatz zum Dritt- und Viertbeschwerdeführer - in ihren wörtlich gleichlautenden Berufungen darauf beschränkt, ihre erstinstanzlichen Angaben "vollinhaltlich aufrecht" zu erhalten.

Unter den Gesichtspunkten der mangelhaften Bescheidbegründung (in Wahrheit: einer Verletzung der Ermittlungspflicht) und der inhaltlichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide versuchen die Beschwerdeführerinnen darzutun, sie hätten in ausreichendem Ausmaß auf eigener Verfolgung beruhende Fluchtgründe dargetan.

Die Erstbeschwerdeführerin verweist auf ihre Aussage, sie hätte "mit den Nachbarn Schwierigkeiten" gehabt, und leitet daraus ab, die Behörde hätte ermitteln müssen, "welcherart Schwierigkeiten dies gewesen sind" und ob diese nicht wegen der Verweigerung staatlichen Schutzes den Heimatbehörden zuzurechnen gewesen seien. Nach der in ihrer Berufung nicht kritisierten Niederschrift vom 18. Februar 1994 hatte die Erstbeschwerdeführerin ihre Flucht aber insgesamt wie folgt begründet:

"Ich kann meinen Gatten nicht alleine lassen. Ich muß zu meinem Mann halten, aber es besteht auch die Möglichkeit, daß ich Schwierigkeiten bekäme, wenn er nicht da ist. Es war auch mit den Nachbarn nicht mehr zum Aushalten, seit die Gardisten unser Haus wiederholt durchsuchten. Ich selbst war allerdings keiner Verfolgung ausgesetzt... Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen".

In dieser Darstellung lag kein deutlicher Hinweis auf die Gefahr einer Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin aus Konventionsgründen. Fehlt ein solcher Hinweis, so besteht auch keine Pflicht der Behörde zu weitergehenden Ermittlungen (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0950, und vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/1006, und zahlreiche daran anschließende Erkenntnisse).

Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit führt die Erstbeschwerdeführerin aus, die belangte Behörde sei ihrem Vorbringen insofern gefolgt, als die Verfolgung ihres Ehegatten "zumindest nicht als unglaubwürdig dargestellt" worden sei. Das Bundesasylamt habe ausgeführt, Angehörige der Modjahedin würden "bei einer Verhaftung hingerichtet, verstümmelt oder verbrannt" (richtig: verbannt). Da der Drittbeschwerdeführer den Modjahedin zugehöre und im Iran eine Sippenhaftung für derartige Verstöße gegen die Rechtsordnung bestehe, sei die Erstbeschwerdeführerin Flüchtling.

Diese Ausführungen geben den Inhalt der Bescheide nicht richtig wieder. Die Angaben des Drittbeschwerdeführers über seine Fluchtgründe wurden vom Bundesasylamt zur Gänze und von der belangten Behörde insoweit, als sie sich damit auseinandersetzte, als unglaubwürdig eingestuft. Der Hinweis auf die "amtsbekannte Tatsache", wie im Iran mit "Mitgliedern der Modjahedin" verfahren würde, diente dem Bundesasylamt nur als - anzweifelbares - Beweiswürdigungsargument dafür, daß der Drittbeschwerdeführer, der trotz seiner Verhaftung nach eigenen Angaben keine derartigen Sanktionen erlitt, über seine Aktivitäten für die Modjahedin nicht die Wahrheit gesagt habe.

Für die Erstbeschwerdeführerin ist aber ohnehin nur rechtlich relevant, inwieweit sie wegen einer Verfolgung des Drittbeschwerdeführers auch wohlbegründete Furcht (§ 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) vor einer sie selbst betreffenden Verfolgung haben konnte. Wenn sich die Erstbeschwerdeführerin in dieser Hinsicht nun pauschal auf "Sippenhaftung" beruft, so ist sie wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes auf ihre im Berufungsverfahren aufrecht erhaltenen Angaben vor dem Bundesasylamt zu verweisen, die keine mit Sippenhaftung begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 dargestellten Gründen erkennen ließen.

Die Zweitbeschwerdeführerin rügt pauschal, sie habe "sehr wohl auch Umstände angeführt, die sie allein in die Lage versetzen würden, als Flüchtling im Sinne der Konvention anerkannt zu werden". Welche Umstände dies seien, wird nicht dargetan. Der anschließende Vorwurf, die Behörde habe "geeignete Fragestellungen" unterlassen und sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, wird nur mit dem Hinweis untermauert, die Zweitbeschwerdeführerin habe ohnedies eine Hausdurchsuchung geschildert.

Die Zweitbeschwerdeführerin hatte ihre Flucht wie folgt begründet:

"Ich bin wegen meines Ehegatten geflüchtet. Ich selbst habe keinen Grund das Land zu verlassen. (Frage: Waren Sie selbst in irgendeiner Form einer konkreten Verfolgung ausgesetzt?) Nein, ich war nicht verfolgt. Ich fühlte mich jedoch durch die Hausdurchsuchungen bedroht".

Auf Befragen gab sie an, das Haus sei in den letzten drei Jahren dreimal durchsucht worden, Genaueres könne sie nicht angeben. Die Frage, was bei einem Verbleib im Iran mit ihr geschehen wäre, beantwortete sie zunächst wieder mit dem Hinweis, es sei ihre "Bestimmung", ihrem Mann "zu folgen". Sie "hätte auch Probleme mit den Revolutionsgardisten bekommen".

In der Beschwerde legt die Zweitbeschwerdeführerin nicht dar, welche "geeigneten Fragestellungen" sich im Anschluß an dieses Vorbringen ergeben hätten, und in welcher Hinsicht es weiterer Ermittlungen bedurft hätte, zumal die Beschwerdeführerin in der - in ihrer Berufung nicht kritisierten - Niederschrift erklärt hatte, sie habe ihren Angaben nichts mehr hinzuzufügen. Wenn die Beschwerdeführerin trotz des beschriebenen Gefühls einer Bedrohung durch die Hausdurchsuchungen und trotz ihrer Einschätzung, sie hätte "Probleme mit den Revolutionsgardisten" bekommen, angab, sie selbst habe "keinen Grund, das Land zu verlassen", so ergab sich daraus mit hinreichender, die Pflicht zu weiteren Ermittlungen (im besonderen zu eingehenderer Befragung der Beschwerdeführerin) ausschließender Deutlichkeit, daß sie den Iran nicht aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 beschriebenen Gründen, sondern deshalb verlassen hatte, weil sie sich nicht vom Viertbeschwerdeführer trennen wollte. Die Beschwerde vermag daher nicht darzutun, daß die belangte Behörde das erstinstanzliche Verfahren von Amts wegen als mangelhaft anzusehen und gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 seine Ergänzung oder Wiederholung anzuordnen gehabt hätte.

Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit verweist die Zweitbeschwerdeführerin nur nochmals auf die Hausdurchsuchungen, die sich nicht nur gegen den Viertbeschwerdeführer, sondern auch gegen sie selbst gerichtet hätten. Daß Hausdurchsuchungen allein keine wohlbegründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu begründen vermögen, hat die belangte Behörde aber richtig erkannt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. November 1993, Zlen. 93/01/0234, 0499). Wenn die Zweitbeschwerdeführerin abschließend meint, es sei "nicht auszuschließen", daß in diesem Zusammenhang (gemeint offenbar: im Zusammenhang mit den Hausdurchsuchungen) direkt gegen sie selbst gerichtete Verfolgungshandlungen stattgefunden hätten, so ist dem zu erwidern, daß die Flüchtlingseigenschaft nicht dadurch im Sinne des § 3 Asylgesetz 1991 "glaubhaft" wird, daß vom Asylwerber nicht beschriebene Verfolgungshandlungen nicht auszuschließen sind.

Sowohl für die Erst- als auch für die Zweitbeschwerdeführerin kommt daher keine Asylgewährung nach § 3 Asylgesetz in Frage. Die Beschwerden der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Zum Dritt- und Viertbeschwerdeführer:

Insoweit auch der Dritt- und Viertbeschwerdeführer sich gegen die Beiziehung eines nichtamtlichen Dolmetschers wenden und dessen vermeintlich fehlende Beeidigung rügen, sind sie auf die Ausführungen zu den Beschwerden der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin zu verweisen. Im Gegensatz zu diesen haben der Dritt- und Viertbeschwerdeführer in ihren insoweit gleichlautenden Berufungen jedoch geltend gemacht, die Niederschriften über ihr Vorbringen entsprächen nur zum Teil ihren Angaben und eine sofortige Korrektur sei unterblieben, weil die abweichenden Textstellen nicht wörtlich rückübersetzt worden seien. In sachlichem Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge stellten sie im weiteren Text ihrer Berufungen jeweils punkteweise dar, inwiefern das Bundesasylamt ihre Angaben zu Unrecht als widersprüchlich oder zu wenig detailliert gewertet oder daraus falsche Schlüsse gezogen habe.

Die angefochtenen Bescheide gegen den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer lassen eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen vermissen. Der Hinweis auf Übersetzungsmängel (vgl. einen solchen, der noch während der Vernehmung des Viertbeschwerdeführers hervorkam, auf der letzten Seite der mit ihm aufgenommenen Niederschrift) wird gegenüber beiden Beschwerdeführern mit der unzulänglichen Bemerkung abgetan, sie hätten ausreichend Gelegenheit gehabt, ihre Fluchtgründe darzulegen, und überdies die Richtigkeit und Vollständigkeit mit ihrer Unterschrift bestätigt. Letzteres kann nicht von Belang sein, wenn die Rückübersetzung oberflächlich war. Ersteres geht insofern ins Leere, als sich die Beschwerdeführer in ihren Berufungen nicht auf zusätzliche Fluchtgründe stützen wollten, sondern die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes kritisierten, in der aus Details der Aussagen (und aus dem Fehlen von Details, wobei weitergehende Fragen aber nicht protokolliert wurden) auf die Unglaubwürdigkeit der Angaben geschlossen worden war.

Aus ihrer eigenen Beweiswürdigung - die keinen Hinweis darauf enthält, daß sich die belangte Behörde den Überlegungen des Bundesasylamtes anschließe - klammert die belangte Behörde hinsichtlich beider Beschwerdeführer deren behauptete Tätigkeit für die Modjahedin mit der Begründung aus, diese liege schon zu lange zurück. Dabei übersieht die belangte Behörde, daß zwar die Haft der Beschwerdeführer jeweils schon längere Zeit zurückliegt, ihre (geheime) Propagandatätigkeit für die Modjahedin aber nach den Angaben der Beschwerdeführer im Anschluß an ihre Enthaftung jeweils wieder aufgenommen wurde und nicht nur die Übersetzung eines Buches von Salman Rushdie, sondern auch die Vorbereitung von Propagandamaterial für die Modjahedin zuletzt in dem Haus stattgefunden haben soll, dessen Erstürmung durch Revolutionsgardisten im September 1993 nach den Behauptungen der Beschwerdeführer ihre Flucht auslöste. Entsprechen diese Angaben der Wahrheit und fehlt es an Gründen, eine Änderung der Verhältnisse im Iran anzunehmen, so sind die wegen der Propagandatätigkeit für die Modjahedin (oder des bloßen Verdachts einer solchen Tätigkeit) von den Beschwerdeführern schon erlittenen Nachteile daher nicht ohne Bedeutung.

Was den unmittelbaren Anlaß zur Flucht anlangt, so setzt sich die belangte Behörde mit den Angaben der Beschwerdeführer, den Zweifeln des Bundesasylamtes und den Gegenargumenten der Beschwerdeführer in ihren Berufungen nicht auseinander. Sie begegnet den Darstellungen ausschließlich mit dem Argument, die Beschreibungen - die dem Bundesasylamt nicht genau genug erschienen - ließen einen Widerspruch zu dem erkennen, was nach der Ansicht der belangten Behörde den "Grundzügen eines polizeitaktischen Vorgehens" entspräche. Dieser abstrakten Überlegung, die den iranischen Revolutionsgarden "Polizeitaktik" unterstellt und aus der Sicht der belangten Behörde eine mit einer Schießerei eröffnete, mißglückte Festnahmeaktion offenbar generell in den Bereich des Unglaubwürdigen verweist, fehlt jede gedankliche Schlüssigkeit (vgl. zum Gebrauch derartiger Argumentationsmuster auch das Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zl. 94/20/0806). Ob die Angaben der Beschwerdeführer über das auslösende Moment für ihre Flucht glaubhaft sind, kann nur in einer konkreten Auseinandersetzung mit ihren Darstellungen beurteilt werden, wobei es - falls die Darstellungen als zu ungenau empfunden werden und weiterführende Fragen bisher nicht gestellt wurden - wegen der dann gegebenen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens auch dessen Ergänzung bedarf (§ 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991).

Gegenüber dem Viertbeschwerdeführer stützt sich die belangte Behörde auch darauf, er habe die behördliche Kenntnis seiner behaupteten Tätigkeiten ausdrücklich verneint. Tatsächlich hatte der Viertbeschwerdeführer die Frage, ob seine Propagandatätigkeit den Behörden bekannt gewesen sei, mit dem Hinweis verneint, die Behörden wüßten nicht, daß er ebenfalls in dem gestürmten Haus gewesen sei. Er fügte aber hinzu, er habe flüchten müssen, weil überall "Material der Modjahedin" umhergelegen sei und man auch gewußt habe, daß der Mann, der Wache gestanden hatte, ein Bekannter von ihm gewesen sei. Wäre er im Iran geblieben, so wäre er erschossen worden. Der Drittbeschwerdeführer gab an, die Revolutionsgardisten hätten gewußt, daß er in diesem Haus verkehre. Ob man von seiner Anwesenheit am Tag der Erstürmung des Hauses gewußt habe, könne er nicht sagen.

Nach dem Inhalt der mit ihm aufgenommenen Niederschrift wurde der Viertbeschwerdeführer nicht weiter gefragt, worauf sich seine Gewißheit gründe, er wäre bei einem Verbleib im Iran erschossen worden. Daß diese Behauptung nicht noch näher begründet wurde, kann in der Beweiswürdigung daher nicht gegen ihn verwendet werden (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 24. März 1994, Zl. 94/19/0089, vom 16. Juni 1994, Zl. 94/19/0298, und vom 27. Juli 1995, Zl. 94/19/0497). Sollten die Angaben der Beschwerdeführer aber wahr sein, so wäre aus ihnen in rechtlicher Hinsicht abzuleiten, daß die Beschwerdeführer den Iran aus wohlbegründeter Furcht, daß nach der Erstürmung des Hauses im September 1993 ihre Tätigkeit für die Modjahedin entdeckt würde und sie deshalb zumindest gleichschwere Sanktionen wie in der Vergangenheit zu erwarten hätten, verlassen haben. Bei einer ernsthaften, ins Detail gehenden Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt hätte die belangte Behörde daher zu anderen Bescheiden kommen können.

Hinsichtlich des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers waren die angefochtenen Bescheide daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 b und c VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Aussprüche über den Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beeidigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200060.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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