TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/0777

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §11 Abs1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §39a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Besein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juni 1992, Zl. 4.292.666/3-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juli 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein rumänischer Staatsangehöriger, der am 21. Jänner 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juni 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist zunächst darauf hinzuweisen, daß mit dem angefochtenen Bescheid ausschließlich über seine Flüchtlingseigenschaft und damit darüber, ob ihm Asyl zu gewähren sei, abgesprochen wurde und dies nicht auch - wie er offenbar meint - hinsichtlich seiner Ehegattin und ihres gemeinsamen minderjährigen (erst in Österreich geborenen) Kindes zutrifft. Im übrigen könnte er durch derartige, nicht ihn selbst betreffende behördliche Absprüche nicht in seinen eigenen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt sein. Der Beschwerdeführer übersieht auch, daß im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0821) nur Nachteile, die der Asylwerber selbst erleidet, nicht aber Maßnahmen, die gegen seine Angehörigen gesetzt werden, als Grund für die Asylgewährung in Frage kommen können. Er verkennt daher die Rechtslage, wenn er unter Bezugnahme auf seine bereits anläßlich seiner Erstbefragung im Asylverfahren am 11. Mai 1990 gemachten Angaben, wonach "einer der wichtigsten Fluchtgründe jener meiner Frau" gewesen sei und wobei es sich darum handelte, daß seine Ehegattin einer psychiatrischen Behandlung unterzogen worden sei, weil sie als Krankenschwester Auseinandersetzungen mit ihrer Vorgesetzten gehabt habe, die Auffassung vertritt, daß auch diese Umstände bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen gewesen wären. Das Beschwerdevorbringen geht demnach, soweit es sich auf diese Umstände bezieht, - ungeachtet der weiteren Frage, ob sie, wie der Beschwerdeführer darzutun versucht, mit einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründe im Zusammenhang gestanden sind - ins Leere. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe nur mit Hilfe des Bürgermeisters von Sibiu, eines Sohnes des ehemaligen Staatspräsidenten Ceausescu, seine Ehegattin "aus der Internierung des Psychiatrischen Krankenhauses befreien können", er sei jedoch nach dem Umsturz in seinem Heimatland "von den postkommunistischen Behörden" beschuldigt worden, ein Kommunist zu sein, und dies sei "wieder zum Anlaß genommen" worden, ihn als Angehörigen der deutschen Minderheit zu schikanieren, wurde im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt und verstößt daher gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, sodaß schon aus diesem Grunde darauf nicht einzugehen ist.

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Befragung am 11. Mai 1990 - abgesehen von dem seine Ehegattin betreffenden Fluchtgrund - angegeben, daß er Rumänien "schon sehr lange" habe verlassen wollen, weil es dort sehr schwierig sei, als Freiberufler zu arbeiten. Er habe immer wieder Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt, weil er religiöse Glückwunschkarten für verschiedene (offiziell zugelassene) Glaubensgemeinschaften erzeugt habe, und sein Gewerbeschein sei ab August 1989 nicht mehr verlängert worden, weshalb er "zuletzt schwarz" habe arbeiten müssen. Es sei ihm auch der Personalausweis abgenommen worden. Er habe später beim "Kreistransportbüro der Front der nationalen Rettung", welche Hilfsgüter aus dem Westen entgegengenommen habe, gearbeitet. Am 13. Jänner 1990 sei bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden, weil man ihn fälschlich verdächtigt habe, Güter "abgezweigt" zu haben; bei ihm seien solche ausländischer Herkunft nicht gefunden worden. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer - mit dem Bemerken, dies sei "durch viele Dokumente bestätigt, die ich vorgelegt habe", und er habe "beim ersten Interview offenbar nicht alle Details meiner politischen Verfolgung genau genug darlegen können" - geltend gemacht, der deutschen Minderheit in Rumänien anzugehören. Er hat "um ein nochmaliges Interview" gebeten, "wo ich nochmals alles erklären und dokumentieren werde", und abschließend betont, daß "die Situation in Rumänien derzeit eher noch schlechter als unter Ceausescu" sei. Eine nochmalige Befragung des Beschwerdeführers fand nicht statt.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - dessen Bestimmungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits anzuwenden waren - hat der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung über eine zulässige Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit dieses Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 - wie in den beiden anderen dort angeführten, aber ebenfalls nicht vorliegenden Fällen - seine Ergänzung oder Wiederholung erforderlich gemacht hätte, war für die belangte Behörde aufgrund der Aktenlage auch unter Berücksichtigung des Inhaltes der Berufung nicht erkennbar. Die Rüge des Beschwerdeführers, der seiner Vernehmung beigezogene Dolmetscher sei kein Amtsdolmetscher im Sinne des § 39a AVG gewesen, ist nicht berechtigt, weil es gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 genügt, daß ein geeigneter Dolmetscher, der den gesamten Verlauf der Vernehmung in die Muttersprache des Beschwerdeführers oder eine ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hatte, beigezogen wurde und dies - wie bereits bei Anwendung des (zur Zeit der Vernehmung geltenden) § 11 Asylgesetz - nicht bedeutet, daß sich die Behörde eines Amtsdolmetschers hätte bedienen müssen (siehe in diesem Sinne auch Steiner, Asylrecht 92, Seite 38). Daß seine damals gemachten Angaben unrichtig oder unvollständig in der Niederschrift wiedergegeben worden seien, behauptet der Beschwerdeführer (ebensowenig wie in der Berufung) selbst nicht. Aus welchen Gründen er bei seiner Befragung - wie er sich nunmehr in der Beschwerde ausdrückt - "nicht alle Details über meine politische Verfolgung sofort und genau darlegen konnte", wurde von ihm auch jetzt nicht näher dargetan.

Auch wenn die belangte Behörde (aufgrund der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten, jedoch nicht ins Deutsche übersetzten Urkunden, auf die in der Berufung Bezug genommen wurde) davon hätte ausgehen müssen, daß der Beschwerdeführer - was sie allerdings im angefochtenen Bescheid gar nicht in Abrede gestellt hat - der deutschen Minderheit in Rumänien angehört, bestand für sie kein konkreter Anhaltspunkt dafür, daß die von ihm anläßlich seiner Befragung behaupteten Vorfälle auf seine Nationalität (oder seine politische Gesinnung) zurückzuführen gewesen seien. Dazu kommt, daß

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selbst wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte - aufgrund seiner Behauptungen nicht angenommen werden könnte, daß individuell gegen ihn gerichtete, staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnende Verfolgungshandlungen gesetzt worden wären, die eine solche Intensität erreicht hätten, daß ein Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen wäre. Das gilt aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowohl hinsichtlich allfälliger Schwierigkeiten, die er als Freiberufler hatte, weil er gar nicht ins Treffen geführt hat, daß damit eine massive Bedrohung seiner Lebensgrundlagen verbunden gewesen wäre (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0119), als auch hinsichtlich der allfälligen Abnahme seines Personalausweises, stellt doch selbst die Abnahme eines Reisepasses noch keine relevante Verfolgungshandlung dar (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586), sowie hinsichtlich der allenfalls wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung durchgeführten Hausdurchsuchung, weil auch darin - abgesehen davon, daß sie zugunsten des Beschwerdeführers verlaufen sei - für sich allein noch keine taugliche Verfolgungshandlung erblickt werden kann (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0146). Auf das Beschwerdevorbringen, man habe deshalb den Beschwerdeführer verdächtigt, Hilfsgüter "abgezweigt" zu haben, weil der politische Druck auf die ethnischen Minderheiten, um sie zum Verlassen Rumäniens zu zwingen, auch "von den postkommunistischen Behörden" massiv fortgesetzt werde, und ihn, obwohl er von diesem Verdacht "freigesprochen" worden sei, zur Aufgabe seiner Tätigkeit "in der Hilfsgüterorganisation" gezwungen, "um mich und meine Familie der Not, der Arbeitslosigkeit und dem Elend preiszugeben", weshalb er sein Heimatland mit seiner Familie habe "fluchtartig verlassen" müssen, "um überleben zu können", kann ebenfalls aufgrund des Neuerungsverbotes gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht Bedacht genommen werden. Wenn der Beschwerdeführer schließlich

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und dies betrifft einen Großteil der Beschwerdeausführungen - auf die allgemeine Lage der Minderheiten in Rumänien, ohne Bezug auf seine eigene konkrete Situation, verweist, so ist ihm zu entgegnen, daß die Zugehörigkeit zu einer Minderheit für sich allein noch nicht zur Asylgewährung führen kann (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0400).

Die belangte Behörde hat demnach zumindest im Ergebnis zu Recht die Auffassung vertreten, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen nach § 3 in Verbindung mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht erfüllt sind. Die von ihm geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften (Begründungsmängel, Verletzung des rechtlichen Gehörs) ist daher, soweit sie überhaupt vorliegt, nicht als wesentlich anzusehen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010777.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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