TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/20 95/21/0380

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Veröffentlicht am 20.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. September 1994, Zl. III 94-5/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (belangte Behörde) vom 7. September 1994, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer, der sich mit seiner Ehegattin sowie zwei minderjährigen Kindern seit Juli 1992 im Bundesgebiet aufhalte, erst im Oktober 1992 polizeilich gemeldet habe; er habe damit eine Übertretung des Meldegesetzes (§ 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Z. 1) begangen. Der Beschwerdeführer habe weiters am 20. April 1993 sowie am 5. Mai 1993 ein Kraftfahrzeug gelenkt, ohne im Besitz einer hiezu erforderlichen gültigen Lenkerberechtigung gewesen zu sein; er habe damit eine Übertretung des KFG (§ 64 Abs. 1) begangen. Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Bezirksgerichts Hopfgarten vom 17. Jänner 1994 wegen Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (Gebrauch eines total gefälschten jugoslawischen Führerscheins) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je S 200,--, Ersatzfreiheitsstrafe 75 Tage, verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe diese Fälschung sowie auch eine Color-Ablichtung davon beim Lenken eines Kraftfahrzeuges verwendet. Der Beschwerdeführer halte sich schließlich seit dem 16. Dezember 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, weshalb ihm auch eine Übertretung des Fremdengesetzes (§ 82 Abs. 1 Z. 4) zur Last liege. Diese Tatsachen rechtfertigten die Annahme, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde; die Permanenz der vom Beschwerdeführer gesetzten (Verwaltungs-)Straftaten rechtfertige eine negative Zukunftsprognose. Das Aufenthaltsverbot bewirke zwar einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse daran, daß am Straßenverkehr nicht Kraftfahrzeuglenker teilnehmen, die dazu nicht berechtigt sind, bzw. im Hinblick darauf, daß andere Verkehrsteilnehmer durch Verkehrsteilnehmer wie den Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten auf "körperliche Unversehrtheit sowie Vermögen" beeinträchtigt werden, und des weiteren im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der Rechte anderer sowie zum Schutz der öffentlichen (fremdenpolizeilichen) Ordnung gemäß § 19 FrG dringend geboten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zumal sich dieser mit seiner Familie erst zwei Jahre im Bundesgebiet aufhalte und die genannten öffentlichen Interessen im Vergleich dazu ein hohes Gewicht hätten. Die Möglichkeit einer durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie müsse aufgrund des genannten schwerwiegenden öffentlichen Interesses daran, daß sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte, in Kauf genommen werden. Auch sei die Familie des Beschwerdeführers nicht daran gehindert, mit ihm gemeinsam das Bundesgebiet zu verlassen, und derart die Familieneinheit aufrechtzuerhalten. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch gemäß § 20 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Aufenthaltsverbot kann ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 FrG) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 des genannten Gesetzes angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0149, m.w.N.).

Der Beschwerdeführer bestreitet weder seine Verurteilung, noch die Begehung der von der belangten Behörde festgestellten rechtswidrigen Handlungen. Er hält den angefochtenen Bescheid jedoch deswegen für rechtswidrig, weil die über ihn verhängte Strafe geringer als drei Monate sei und daher nicht dem § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG subsumiert werden könne. Er hält auch den Umstand, daß er mehrfach einen Pkw ohne die hiezu notwendige Lenkerberechtigung gelenkt habe, bloß für eine einmalige, und nicht schwerwiegende Verwaltungsübertretung. Zwar sei er wegen Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt, er habe jedoch seinen Führerschein von der zuständigen Behörde in Bosnien erworben, im Hinblick auf die dortigen Kriegsereignisse sei es ihm nicht möglich, den entsprechenden Nachweis zu führen, daß es sich bei seinem Führerschein um keine Fälschung handle. Im übrigen habe er am 9. September 1994 von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel einen Führerschein für die Gruppe B ausgestellt erhalten. Es könne ihm auch nicht vorgeworfen worden, daß er sich vom Juli 1992 bis zum Oktober 1992 nicht ordnungsgemäß polizeilich angemeldet habe, zumal er als bosnischer Flüchtling nach Österreich gekommen und hier auch als solcher betreut worden sei. Die polizeiliche Meldung der Flüchtlinge werde grundsätzlich von den hiefür eingesetzten und angestellten Leitern der Flüchtlingsorganisation vorgenommen, insbesondere wenn die Flüchtlinge in einem Heim aufgenommen würden. Weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde hätten Erhebungen darüber gepflogen, wo er in der ersten Zeit seines Aufenthaltes in Österreich Unterkunft genommen habe. Diesfalls hätte sich nämlich herausgestellt, daß er vor dem 8. Oktober 1992 in einem Flüchtlingsheim gewohnt habe; eine Verletzung der Meldepflicht könne ihm für diese Zeit daher nicht vorgeworfen werden. Auch der Umstand, daß er sich seit dem 10. Dezember 1993 ohne Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufhalte, könne ihm deswegen nicht zur Last gelegt werden, weil die Verlängerung seiner Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz wegen der Erlassung des nunmehr bekämpften Aufenthaltsverbotes versagt worden sei. Soweit das Aufenthaltsverbot auf von ihm begangene Verwaltungsübertretungen gegründet werde, berufe sich die belangte Behörde nur auf bestimmte Sachverhalte; dies widerspreche aber § 18 FrG, wonach bestimmte Tatsachen im Sinne dieser Gesetzesstelle nur dann gegeben seien, wenn rechtskräftige Bestrafungen vorliegen.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer im Ergebnis nicht aufzuzeigen, daß der angefochtene Bescheid dem § 18 FrG widerspricht. Die belangte Behörde durfte nämlich zu Recht aus dem Umstand der Verurteilung des Beschwerdeführers sowie den dieser zugrundeliegenden Handlungen davon ausgehen, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährden würde (§ 18 Abs. 1 FrG). Soweit der Beschwerdeführer behauptet, ihm sei nunmehr (am 9. September 1994) von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel ein Führerschein für die Gruppe B ausgestellt worden, stellt dies eine für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht maßgebliche Neuerung dar.

Zwar trifft der Beschwerdehinweis zu, daß die - auch vom Beschwerdeführer unbestrittenen - Verwaltungsübertretungen mangels einer rechtskräftigen Bestrafung nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gewertet werden dürfen. Die belangte Behörde durfte aber das diesbezügliche rechtswidrige Verhalten des Beschwerdeführers als Umstand werten, welcher im Zusammenhalt mit dem seiner rechtskräftigen Verurteilung zugrundeliegenden Verhalten ein Gesamtfehlverhalten ausmacht, welches gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG als bestimmte Tatsache zu werten ist, das die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch im Hinblick auf eine fehlerhafte Berücksichtigung seiner privaten und familiären Interessen für rechtswidrig. Die Auffassung der belangten Behörde, daß seine Familie nicht daran gehindert sei, zusammen mit ihm Österreich zu verlassen, stehe im krassen Gegensatz zur MRK. Es stelle eine Zumutung dar, zu verlangen, daß seine Familie mit ihm in ein umkämpftes, total zerstörtes Heimatgebiet zurückehren solle. Dem Beschwerdeführer selbst drohe im Falle seiner erzwungenen Rückkehr in seine Heimat Verfolgung und allenfalls sogar der Tod.

Auch mit diesen Ausführungen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hielt sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie etwas mehr als zwei Jahre im Bundesgebiet auf. Trotz dieses relativ kurzen Aufenthaltes ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, daß auch im Falle des Beschwerdeführers ein gegen ihn erlassenes Aufenthaltsverbot einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben bewirkt. Sie durfte im vorliegenden Fall - angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit - zu Recht davon ausgehen, daß dieser Eingriff gemäß § 19 FrG zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens sowie im Bereich der für den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geltenden Vorschriften (Fremdenwesen) dringend geboten war.

Daß der Beschwerdeführer - wie er behauptet - bei einer Abschiebung in sein Heimatland im Sinne des § 37 FrG bedroht wäre, hätte zwar die Unzulässigkeit seiner Abschiebung in diesen Staat zur Folge, steht jedoch der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, zumal mit diesem nicht auch eine Abschiebung des Fremden (in ein bestimmtes Land) angeordnet wird, sondern vielmehr ausschließlich das Verbot, sich weiterhin in Österreich aufzuhalten (vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 27. September 1995).

Der angefochtene Bescheid widerspricht auch nicht § 20 Abs. 1 FrG. Angesichts der vorliegend relativ kurzen Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Familie kann im Lichte des § 20 Abs. 1 Z. 1 FrG nämlich gerade noch nicht gesagt werden, daß die durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides bewirkten Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer wögen, als die - für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden - nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Die Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes wurde nicht bekämpft.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210380.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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