TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/27 95/21/0149

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Veröffentlicht am 27.09.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §223 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 1. August 1994, Zl. III 29/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 1. August 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten am 1. Oktober 1991 dem Arbeitsamt Kitzbühel als Beilage zum Antrag ihres künftigen Dienstgebers auf Erteilung einer entsprechenden Beschäftigungsbewilligung einen gefälschten "jugoslawischen" Qualifikationsnachweis ("Diplom") samt beglaubigter Übersetzung vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer und seine Ehegattin Facharbeiter - nämlich Koch bzw. Kellnerin - seien, dies eben zum Erhalt einer Beschäftigungsbewilligung und in weiterer Folge eines Sichtvermerkes. Nach Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung mit Bescheid vom 23. Dezember 1991 hätten sie schließlich am 24. Jänner 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel unter Hinweis auf die Beschäftigungsbewilligung des Arbeitsamtes Kitzbühel um die Erteilung eines Sichtvermerkes angesucht. Am 27. Jänner 1992 hätten sie den beantragten Sichtvermerk bis 7. Juni 1992 und in weiterer Folge die Verlängerung ihrer Beschäftigungs- und Aufenthaltsberechtigungen erhalten.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. April 1993 seien der Beschwerdeführer und seine Ehefrau aufgrund der Vorlage der gefälschten "Diplome" beim Arbeitsamt Kitzbühel wegen Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig verurteilt worden. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau stellte die belangte Behörde fest, daß sie seit Jänner 1992 im Bundesgebiet aufhältig und als Hilfskräfte im selben Gastronomiebetrieb, wo ihnen vom Dienstgeber eine Wohnung zur Verfügung gestellt werde, tätig seien. Ihr mittlerweile 7jähriges gemeinsames Kind befinde sich nach wie vor in Bosnien.

Das Verhalten des Beschwerdeführers, der sich durch Vorlage eines gefälschten "Diploms" beim zuständigen Arbeitsamt eine Beschäftigungsbewilligung verschafft habe, erfülle zwar entgegen der Auffassung der in erster Instanz zuständig gewesenen Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel nicht den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG, jedoch rechtfertige ein solcherart verwerfliches Verhalten ungeachtet dessen die Annahme des § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit., der (weitere) Aufenthalt des Berufungswerbers gefährde die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen (unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0482). Trotz des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei diese Maßnahme zulässig, weil sie zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie (im vorliegenden Fall seiner Ehefrau), wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, zumal auch gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers wegen deren gleichgelagerten Verhaltens ebenfalls ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Der Beschwerdeführer halte sich mit seiner Frau erst seit etwas mehr als 2 Jahren im Bundesgebiet auf. Seine Integration sei daher dementsprechend gering. Es dürfe nicht übersehen werden, daß sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau die Beschäftigungs- und die damit zusammenhängende erstmals erteilte Aufenthaltsberechtigung erschlichen hätten. Die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Der Umstand, daß der Berufungswerber in seiner schriftlich erhobenen Berufung sein gesetztes Verhalten bedauere, falle nicht besonders ins Gewicht, weil derartige Absichtserklärungen zunächst durch ein entsprechendes Verhalten unter Beweis zu stellen seien. Dafür habe die belangte Behörde einen Zeitraum von 5 Jahren angesetzt, der ihr angesichts des bisherigen Verhaltens als erforderlich erscheine. Daß dem Berufungswerber kein Parteiengehör eingeräumt worden wäre, wie in der Berufungsschrift behauptet, stehe mit dem Akteninhalt nicht in Einklang. Danach sei der Berufungswerber anläßlich einer mit ihm aufgenommenen Niederschrift vom 17. Dezember 1993 vielmehr sowohl hinsichtlich des beabsichtigen Aufenthaltsverbotes als auch seiner persönlichen Verhältnisse ausreichend befragt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sicht die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Ein Aufenthaltsverbot kann ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0247, und vom 8. Juli 1993, Zlen. 93/18/0283, 0284).

Das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers, der dem Arbeitsamt eine gefälschte Urkunde über seine beruflichen Fähigkeiten vorlegte, um die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung zu erreichen, und der sich auf der Grundlage der solcherart erschlichenen Bewilligung eine Aufenthaltsberechtigung (im Wege der Erteilung eines Sichtvermerkes) verschaffte, ist nicht weniger verwerflich als ein dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG subsumierbares Verhalten. Unter Zugrundelegung dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die Annahme der belangten Behörde, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde (§ 18 Abs. 1 leg. cit.), nicht rechtswidrig.

Der vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrüge, ihm sei (entgegen § 45 Abs. 3 AVG) keine Gelegenheit gegeben worden, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, ist nicht zu entnehmen, welche konkreten Ergebnisse von Beweisaufnahmen der Beschwerdeführer meint, sodaß seine Verfahrensrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde. Mit der Behauptung, sein Recht auf Akteneinsicht im Sinn des § 17 Abs. 1 AVG sei verletzt worden, zeigt der Beschwerdeführer keinen Verfahrensmangel auf, weil er gar nicht konkret behauptet, daß ihm Akteneinsicht überhaupt verweigert worden sei. Die Beschwerde läßt auch jegliche konkrete Ausführungen dazu vermissen, warum die Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Da der Beschwerdeführer es unterlassen hat, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen.

Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen kann der belangten Behörde durchaus beigepflichtet werden, wenn sie die Auffassung vertrat, das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und insoweit zulässig. Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe Bosnien als Wehrdienstverweigerer verlassen und sei deshalb unter einem großen psychischen Druck gestanden, weshalb er erstmals eine strafbare Tat gesetzt habe, weshalb sein Weiterverbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung nicht gefährde, ist entgegenzuhalten, daß gerade diese Vorgangsweise des Beschwerdeführers das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens schwer beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer hat seine Aufenthaltsberechtigung unter Umgehung der grundlegenden Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes erhalten, weshalb gerade in derartigen Fällen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheint. Daß der Beschwerdeführer - wie er behauptet - bei einer Abschiebung in sein Heimatland im Sinne des § 37 FrG bedroht wäre, hätte zwar die Unzulässigkeit der Abschiebung in diesen Staat zur Folge, steht jedoch der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Mit dem Aufenthaltsverbot wird nicht auch eine Abschiebung des Fremden (in ein bestimmtes Land) angeordnet, sondern vielmehr ausschließlich das Verbot, sich weiterhin in Österreich aufzuhalten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0445). Die belangte Behörde hatte die Frage des Aufenthaltsverbotes auch ohne Bindung an die vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren aus fremdenrechtlichen Gesichtspunkten selbständig zu betrachten.

Mit dem Hinweis auf seinen (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) Aufenthalt in der Dauer von rund zweieinhalb Jahren und die daraus abgeleitete Integration vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung aufzuzeigen. Auf die vom Beschwerdeführer genannten Umstände hat die belangte Behörde ohnehin Bedacht genommen. Zum einen ist der ohnedies nur verhältnismäßig kurze Aufenhalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf seine rechtswidrige Vorgangsweise zurückzuführen, sodaß der während dieser Zeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, zum anderen wird das Gewicht der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner ebenfalls hier lebenden Ehefrau - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - dadurch relativiert, daß auch ihr die gleiche rechtswidrige Vorgangsweise angelastet werden muß. Wenn also die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, kann ihr im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verorndung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210149.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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