TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/27 96/01/0014

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Veröffentlicht am 27.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des K, vertreten duch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 1995, Zl. 4.327.068/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation" ist am 11. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat noch am selben Tag den Asylantrag gestellt. Am 16. September 1991 sei er vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich niederschriftlich befragt worden und hat dabei angegeben, er sei jugoslawischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kroatischen Volksgruppe. Er sei nie Mitglied einer politischen Organisation gewesen und habe auch wegen seines Glaubensbekenntnisses in seinem Heimatland nie Probleme gehabt. Er sei in Split eingerückt gewesen. Einige Tage vor seiner Desertion sei die Kaserne blockiert worden, sodaß er nichts mehr zu essen bekommen habe. Damals seien sehr viele Soldaten davongelaufen. Zu seinen Eltern in den Kosovo habe er nicht gehen können, weil ihn dort die Militärpolizei gefangengenommen hätte. Aus diesem Grunde sei er zu seinem Schwager nach Zagreb gegangen, wo er auch öfters Hilfe der Caritas in Anspruch genommen habe, weil "es zum Schluß keine Beschäftigung mehr gegeben" habe. Er habe sein Heimatland verlassen, weil er Angst gehabt habe, von der Militärpolizei festgenommen und ins Gefängnis gebracht zu werden bzw., weil er nicht bereit gewesen sei, auf unschuldige Menschen zu schießen. Er habe mit der Polizei sonst nie Schwierigkeiten gehabt und sei auch nie Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Seinen Personalausweis habe er in der Kaserne vergessen. Im Falle der Beruhigung der Situation in seinem Heimatland wäre er bereit, wieder nach Hause zu fahren. Er sei am 10. September 1991 mit der Bahn von Zagreb nach Maribor, von dort mit dem Taxi bis Spielfeld gefahren und habe die grüne Grenze zu Fuß illegal überquert.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 28. Oktober 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen fristgerechten Berufung hat er von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abweichende Umstände nicht geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl. Sie begründete dies im wesentlichen damit, die vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Ersteinvernahme geschilderten Beweggründe seien asylrechtlich insofern unbeachtlich, als sie für sich noch keine Rückschlüsse auf eine Verfolgungsmotivation des Staates zuließen. Es sei dem Vorbringen auch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen gewesen, daß er im Rahmen seiner Militärdienstleistung mit asylrechtlich relevanter Verfolgung zu rechnen gehabt hätte. Der von ihm geschilderte Versorgungsengpaß sei keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung gewesen, sondern habe grundsätzlich alle Militärangehörigen gleichermaßen betroffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer - ohne einen von den soeben wiedergegebenen, von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegten Angaben des Beschwerdeführers abweichenden Sachverhalt zu behaupten - geltend, die belangte Behörde habe ihrer Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit im Sinne des § 16 AsylG (§§ 37 bis 55 AVG) nicht Genüge getan. Sie hätte vielmehr insbesondere Feststellungen über die konkrete Kriegssituation im Heimatland des Beschwerdeführers zu treffen gehabt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen Erkenntnissen in insoweit unveränderter Rechtsprechung wiederholt dargelegt, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht der Asylbehörden maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise daraufhinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben für die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht begründet. Dies übersieht der Beschwerdeführer. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, u.v.a.). Da im Beschwerdefall hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen eines weiteren Grundes zur Flucht im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war auch die belangte Behörde, da ein Mangel des Ermittlungsverfahrens erster Instanz nicht hervorgekommen ist und auch in der Berufung nicht gerügt wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen. Bereits aus diesem Grunde sieht sich auch der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, der Anregung des Beschwerdeführers auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages hinsichtlich der neuen Fassung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 beim Verfassungsgerichtshof näherzutreten.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit verweist der Beschwerdeführer unter weiterer Heranziehung des UNHCR-Handbuches sowie Judikatur des deutschen Bundesverwaltungsgerichtshofes auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377. Aus den dort aufgestellten Grundsätzen ist jedoch für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen. Wie auch in diesem Erkenntnis ausgeführt, stellt die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, ebensowenig wie eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. - wie hier - wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung (vgl. als Beispiel für viele die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718, vom 21. April 1993, Zlen. 92/01/1121, 1122, vom 27. Juli 1995, Zl. 94/19/1369, und vom 28. November 1995, Zl. 95/20/0134). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben, insbesondere auch betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (wie auch im bereits zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994). Nach den in diesem Erkenntnis festgelegten Kriterien könnte die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst oder Desertion nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Weigerung bzw. Desertion aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre, oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre. Daß dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen eine härtere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen gedroht hätte, hat er laut der unbestritten gebliebenen, im angefochtenen Bescheid enthaltenen Darstellung seiner erstinstanzlichen Ausführungen aber weder im Verwaltungsverfahren noch auch in seiner Beschwerde vorgebracht. Der belangten Behörde kann jedenfalls nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie allein aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer - wie viele seiner Kameraden - infolge eines Versorgungsengpasses desertiert ist, nicht auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers geschlossen hat. Auch die vom Beschwerdeführer geäußerte weitere Motivation, sich dem Wehrdienst zu entziehen, er sei nämlich nicht bereit, "auf unschuldige Menschen zu schießen", mag zwar als "politische Gesinnung" anzusehen sein, doch hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren und auch in der Beschwerde nicht behauptet, daß diese politische Gesinnung kausal im Sinne der im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 aufgestellten Kriterien gewesen sei, zumal den Angaben des Beschwerdeführers auch nicht zu entnehmen ist, daß den zuständigen Militärbehörden diese "politische Gesinnung" überhaupt bekanntgeworden wäre. Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde einen Bezug zu einer "ethnischen Minderheit" herstellt und daran Rechtsfolgen zu knüpfen sucht, geht er nicht von dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt aus, wonach der Beschwerdeführer kroatischer Abstammung ist.

Da die Beschwerde bereits erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Auf Grund dieses Ergebnisses erübrigt sich auch ein Ausspruch des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996010014.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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