TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/20/0119

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1994, Zl. 4.336.316/8-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Sri Lanka, der am 13. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 14. Mai 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 15. September 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7. Juni 1992 an:

Er sei Tamile und hätte keiner politischen Partei oder Organisation angehört. Die derzeitige Regierung von Sri Lanka setze sich aus Singalesen zusammen, die Tamilen stellten eine Minderheit dar. Deshalb wolle man die Tamilen aus Sri Lanka vertreiben. Die bewohnten Gebiete würden von der Luft aus angegriffen und bombardiert. Jedes Haus habe Luftschutzkeller und ein normales Leben sei nicht möglich. Die Tamilen erkenne man an der Aussprache und an ihrem Personalausweis. Sie würden im allgemeinen benachteiligt, insbesondere bei Ämtern und Behörden sowie am Arbeitsplatz würden sie schikaniert. Da die Bombenangriffe in letzter Zeit immer heftiger geworden seien, habe er sich entschlossen, aus Sri Lanka zu fliehen. Müßte er jetzt zurückkehren, würde er bereits am Flughafen verhaftet werden. In seiner Berufung rügte er die niederschriftliche Einvernahme, weil er gezwungen gewesen sei, sich ohne einen Dolmetscher für seine Muttersprache zu verständigen (Anmerkung:

die Einvernahme fand unter Zuhilfenahme eines Dolmetsch für die englische Sprache statt). Er habe in der Niederschrift angeführt, daß er der - in Sri Lanka verfolgten - Minderheit der Tamilen angehöre. Die Tamilen würden vom derzeitigen Regime rücksichtslos verfolgt, und er habe auch angegeben, daß sein Elternhaus durch Bombenangriffe der regimetreuen Truppen zerstört worden sei. Er sei ständig der Gefahr der Verfolgung durch die Regierung und das Militär von Sri Lanka ausgesetzt, sei aus demselben Grund außerstande, einen Arbeitsplatz in seinem Heimatland zu erhalten, und seine Wohn- und Aufenthaltsmöglichkeit sei ihm durch die Zerstörung seines Elternhauses ebenfalls genommen worden. Die Tatsache der Verfolgung der Minderheit der Tamilen in Sri Lanka sei auch in Österreich bekannt und durch einfachste Erhebungen im Wege einer Anfrage beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und/oder Amnesty International leicht zu überprüfen. Im Nachhang zur Berufung legte der Beschwerdeführer einen Ausschnitt einer tamilischen Zeitung sowie ein Foto vor, wodurch die Zerstörung des Elternhauses des Beschwerdeführers dokumentiert werden sollte. Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, daß sein Vater in der Zwischenzeit - offenbar von Regierungstruppen - verschleppt und vom internationalen Roten Kreuz als vermißt registriert worden sei.

Die belangte Behörde erließ zunächst den Bescheid vom 17. Dezember 1993, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen wurde, daß er sich vor seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet drei Wochen in Rumänien aufgehalten habe und es ihm somit möglich gewesen wäre, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0807, auf, weil im gegenständlichen Fall von der belangten Behörde das Asylgesetz (1968) anzuwenden gewesen wäre und eine dem § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gleiche Regelung vor Erlassung dieses Gesetzes nicht bestanden habe. Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht ergeben hätte, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Die belangte Behörde führt in der Begründung aus, daß das Asylrecht lediglich Personen schütze, gegen die mit staatlichen Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht vorgegangen werde. In diesem Sinne gelte als Verfolgung nur zielgerichtetes Handeln des Heimatstaates, das sich direkt gegen den Einzelnen wende. Derartige Maßnahmen habe der Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren mit keinem Wort dargetan.

Weder in der Tatsache, daß es im Heimatland des Beschwerdeführers zu kriegerischen Handlungen komme, könne eine gegen den Asylwerber selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlung erblickt werden, noch könne die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe allein einen Grund für die Asylgewährung darstellen.

Der Beschwerdeführer hätte sowohl bei seiner niederschriftlichen Befragung als auch in seiner Berufung lediglich die allgemeine Situation seiner Volksgruppe in Sri Lanka geschildert. Die von ihm ins Treffen geführte Zerstörung seines Elternhauses durch einen Bombenangriff stelle einen Nachteil dar, der sich aus der allgemeinen bürgerkriegsähnlichen Situation in seinem Heimatland ergäbe, und der jedermann treffen könne, der dort lebt. Etwaige Repressalien, denen der Vater des Beschwerdeführers ausgesetzt gewesen sei, würden keinen asylrelevanten Umstand darstellen, da in einem Verfahren nur solche Umstände Berücksichtigung finden könnten, die eine Person unmittelbar betreffen und nicht solche, die sich auf irgendwelche Familienangehörige beziehen.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bereits in der Berufung behaupteten Verfahrensmängel führte die belangte Behörde aus, daß das Vorbringen des Asylwerbers im Asylverfahren als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen sei. Es obläge dem Asylwerber, alles Zweckdienliche für die Erlangung der angestrebten Rechtsstellung vorzubringen.

Es könne nicht Pflicht der Behörde sein, den Asylwerbern Unterweisungen zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten hätten bzw. durch Stellung welcher Anträge sie eine Stattgebung ihres Asylantrages erreichen könnten.

Auch sei der Inhalt der Niederschrift dem Beschwerdeführer vom Dolmetsch zur Kenntnis gebracht worden, und es habe der Beschwerdeführer bestätigt, daß er der englischen Sprache mächtig sei. Aus diesen Gründen ergebe sich, daß das Ermittlungsverfahren erster Instanz nicht mangelhaft gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der belangten Behörde ist zu widersprechen, wenn ihre Ausführungen dahingehend zu verstehen sind, die Gewährung asylrechtlichen Schutzes knüpfe ausschließlich an das Vorliegen von bereits gesetzten Verfolgungsmaßnahmen an. Dies widerspräche den in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, welche Grundlage für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 AsylG 1968 war, genannten Fluchtgründen, sieht die Konvention doch Asylgewährung bereits dann vor, wenn ein Asylwerber "aus wohlbegründeter Furcht, ... verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen". Dabei läßt die allgemeine Lage im Heimatland des Asylwerbers grundsätzlich durchaus Rückschlüsse auch auf seine konkrete Situation zu und ist daher jedenfalls beachtlich (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0774, und vom 16. März 1993, Zlen. 93/01/0249, 93/01/0286). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zwar die Ansicht, daß sich aus § 13a AVG keine Verpflichtung der Behörde ableiten läßt, im Verfahren über ein Asylansuchen dem Asylwerber Unterweisungen darüber zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe er anzugeben habe, damit seinem Verlangen nach Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden könne (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1986, Zl. 85/01/0320, und vom 11. Juni 1986, Zl. 85/01/0183 u.v.m.). Doch hätte die belangte Behörde ihre amtswegige Ermittlungspflicht im Sinne des § 37 AVG wahrnehmen müssen. Angesichts der kriegerischen Ereignisse in Sri Lanka und den Angaben, des Beschwerdeführers, daß die ihn individuell treffende Zerstörung seines Elternhauses durch Bombardierung der Regierungstruppen als Ausfluß einer den Tamilen drohenden systematischen Verfolgung zu sehen sei, um die Tamilen zur Ausreise zu bringen, und der dem Vater des Beschwerdeführers widerfahrenen Ereignisse bedurfte es amtswegiger Ermittlungen zur näheren Konkretisierung dieser Angaben. Wären die Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers dergestalt, daß systematisch eine Gruppenverfolgung der Tamilen aus Gründen ihrer Nationalität anzunehmen sei, wäre eine Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung gerechtfertigt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982). Das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers enthielt einen deutlichen Hinweis darauf, daß für ihn eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr von erheblicher Intensität bestehen könnte. Hiebei war nicht allein die Tatsache von Bedeutung, daß es im Heimatland des Beschwerdeführers zu kriegerischen Handlungen gekommen ist, weil darin noch kein Grund gelegen wäre, darin gegen ihn selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1989,

Zlen. 89/01/0283-0286). Vielmehr hätten solche (bereits in Gang befindliche) Aktivitäten gegen die Gesamtheit der dort lebenden Tamilen gerichtete Maßnahmen zum Ziel, die nicht bloß in Beeinträchtigungen allgemeiner Natur bestünden

(vgl. hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1994, Zl. 93/01/0291). Dabei wäre es dem Beschwerdeführer (auf dem Boden seines Vorbringens) auch nicht zumutbar gewesen, sich den auch von ihm persönlich zu erwartenden (weiteren) Repressionshandlungen nicht rechtzeitig durch Flucht zu entziehen.

Ohne weitere Ermittlungen (z.B. in der vom Beschwerdeführer in der Berufung beantragten Weise) kann den Angaben des Beschwerdeführers somit nicht die mögliche asylrechtliche Relevanz abgesprochen werden.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200119.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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