TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/17 95/03/0269

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Veröffentlicht am 17.04.1996
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Index

L87907 Straßenverkehr Geschwindigkeitsbeschränkung Nachtfahrverbot
Tirol;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

Sektorales Fahrverbot LKW Tir Loferer Straße B312 1993;
StVO 1960 §43 Abs2 lita;
StVO 1960 §45 Abs2;
StVO 1960 §45 Abs2a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der F Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Dezember 1993, Zl. IIb2-V-9/61-2/1993, betreffend Ausnahmebewilligung von einem sektoralen Fahrverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den mit Eingabe vom 29. September 1993 gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, ihr zum Zwecke der Beförderung von Bruchglas für ein bestimmtes Lastkraftfahrzeug eine Ausnahmebewilligung von dem auf der B 312 Loferer Straße bestehenden sektoralen Fahrverbot zu erteilen, gemäß §§ 45 Abs. 2a und 94a Abs. 1 StVO 1960 ab. In der Begründung verneinte die belangte Behörde das Vorliegen eines erheblichen öffentlichen Interesses an den von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Transporten. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht glaubhaft darzulegen vermocht, "daß die Fahrten auf der B 312 Loferer Straße von Str.Km. 0,00 bis Str.Km. 49,63 durch organisatorische Maßnahmen nicht über das sogenannte "Große Deutsche Eck" verlegt werden können und unbedingt auf dem in Rede stehenden Straßenabschnitt durchgeführt werden müssen."

Die entsprechende organisatorische Umstellung sei der Beschwerdeführerin umso mehr zuzumuten, "als nunmehr auch die Ausgabe von Zählkarten für das Große Deutsche Eck zentral von der ÖKOMBI in Wien erfolgt, wobei die Anforderung kurzfristig per Telefax möglich ist."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser sprach mit Erkenntnis vom 20. Juni 1995, B 166/94 und Folgezahlen aus, daß - unter anderen - die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid weder in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Über die gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie einer Replik durch die Beschwerdeführerin erwogen:

Mit § 1 der aufgrund des § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 erlassenen Verordnung der belangten Behörde vom 13. Juli 1993, LGBl. Nr. 58, wurde auf der B 312 Loferer Straße von Straßenkilometer 0,00 in der Gemeinde Kirchbichl bis Straßenkilometer 49,63 in der Gemeinde Waidring das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t, die mit Hackschnitzel, Glasbruch, Schrott, Autos, Schlacke, Zement, Leergebinden, Maschinen, Verpackungsmaterial, Baustoffen und Betonfertigteilen beladen sind, verboten.

Gemäß § 45 Abs. 2a StVO 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenen Fassung der 16. StVO Novelle, BGBl. Nr. 562/1989, hat die Behörde Ausnahmen von Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverboten (§ 43 Abs. 2 lit. a) nur für Fahrten zu bewilligen, die ausschließlich der Beförderung von Milch, Schlacht- und Stechvieh, leicht verderblichen Lebensmitteln, von periodischen Druckwerken, unaufschiebbaren Reparaturen an Kühlanlagen oder dem Einsatz von Fahrzeugen des Straßenerhalters zur Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs dienen, zu bewilligen. In allen anderen Fällen ist eine Ausnahmebewilligung nur zu erteilen, wenn daran ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Der Antragsteller hat in beiden Fällen glaubhaft zu machen, daß die Fahrt weder durch organisatorische Maßnahmen noch durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels vermieden werden kann.

Im Beschwerdefall kommt die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von dem mit der genannten Verordnung angeordneten Fahrverbot nach dem ersten Satz des § 45 Abs. 2a StVO 1960 sachverhaltsbezogen nicht in Betracht. Es handelt sich vielmehr um einen "anderen Fall" im Sinne des zweiten Satzes der angeführten Bestimmung, für den das Vorliegen eines "erheblichen öffentlichen Interesses" erforderlich ist. Dieses muß für die jeweilige vom Antragsteller beabsichtigte Fahrt bzw. "für alle Straßenbenützungen des Antragstellers von der annähernd gleichen Art" im Sinne des § 45 Abs. 2b StVO 1960 gegeben sein. Im Hinblick auf den bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen von Verordnungen nach § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 anzuwendenden besonders strengen Maßstab (vgl. 1077 BlgNR 17.GP, 1) kann ein "erhebliches öffentliches Interesse" nur bei unbedingt erforderlichen Fahrten angenommen werden (vgl. auch Dittrich-Stolzlechner, StVO3, Rz 28 zu § 45).

Die Beschwerdeführerin erblickt das "erhebliche öffentliche Interesse" darin, daß mit den vorgesehenen Fahrten "Bruchglas, Altpapier und sonstige Abfallwaren von verschiedenen Sammelorten in Vorarlberg zu deren Verwertung und Recyclierung in verschiedenen Betrieben Ostösterreichs transportiert" würden. Weiters wäre "bei Nichtdurchführen der Transporte eine große Zahl von Arbeitsplätzen im Bereich der Wiederverwertung von Abfällen gefährdet". Insbesondere wäre auch die Beschwerdeführerin "wirtschaftlich gezwungen, das Transportunternehmen in Liquidation zu führen und sämtliche Mitarbeiter zu entlassen, was besonders für die strukturschwache Region des hinteren Montafones ganz gravierende Nachteile mit sich brächte".

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Annahme eines "erheblichen öffentlichen Interesses" im oben dargestellten Sinne zu begründen. Da es nicht erkennen läßt, warum die genannten Abfallstoffe nur in "Betrieben Ostösterreichs" einer Wiederverwertung zugeführt werden können, fehlt es an der Dartuung der unbedingten Notwendigkeit der beabsichtigten Fahrten. Der Hinweis auf die bei Nichtdurchführung der Transporte zu befürchtenden wirtschaftlichen Folgen vermag daran nichts zu ändern, handelt es sich hiebei doch nicht um unmittelbare, auf die spezifische Art der Fahrten zurückzuführende Auswirkungen.

Solcherart begegnet die Annahme, daß das Tatbestandselement des "erheblichen öffentlichen Interesses" für die beabsichtigten Fahrten nicht gegeben sei, keinen Bedenken.

Bei dieser Sachlage braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführerin die Glaubhaftmachung im Sinne des letzten Satzes des § 45 Abs. 2a StVO 1960 gelungen ist.

Im Hinblick auf das eingangs angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sieht der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, die Anregung der Beschwerdeführerin auf Stellung eines Antrages gemäß Art. 139 B-VG hinsichtlich der in Rede stehenden Verordnung aufzugreifen. Da der Inhalt der Verordnung wegen seiner Kompliziertheit nicht durch Straßenverkehrszeichen ausgedrückt werden kann, kommt für die Kundmachung § 44 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1991, Zl. 91/03/0024). Die Kundmachung hat daher im Landesgesetzblatt für Tirol zu erfolgen. Aus diesem Grund gehen die im Zusammenhang mit aufgestellten Straßenverkehrszeichen vorgetragenen Einwendungen betreffend Kundmachungsmängel ins Leere.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995030269.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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