TE OGH 2022/8/19 33R127/21w

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2022
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und den Kommerzialrat Komarek in der Rechtssache der klagenden Partei ***** gegen die beklagten Parteien 1. ***** Bank AG und 2. ***** wegen EUR 42.528,54 über die Berufung der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7.10.2021, 39 Cg 84/20a-68, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 3.068,70 (darin EUR 511,45 USt) zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

1. Das Verfahren zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten ist unterbrochen, weil über die Erstbeklagte ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde [...].

[Anm: Der Zweitbeklagte war bis Ende 2007 Mitglied/Vorsitzender des Vorstands der Erstbeklagten.]

2. Der Kläger kaufte im Dezember 2004, im März und im Oktober 2005 und im Februar 2006 bei der Erstbeklagten Zertifikate, die Aktien der A**** (in der Folge: A****; „E****“ steht für die [...], ein 100 %-Tochterunternehmen der Erstbeklagten) repräsentierten. Insgesamt kaufte er 4.291 Stück um einen Gesamtpreis (inklusive Spesen) von EUR 62.466,19. Abzüglich von Dividenden, die er bekommen hat, ergibt sich der eingeklagte Kapitalsbetrag.

3. Der Kläger begehrte zuletzt EUR 42.528,54 zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagszustellung Zug um Zug gegen die Übertragung von 4.291 Zertifikaten. Er focht die Kaufverträge mit der Erstbeklagten wegen List an und machte gegen beide Beklagte Schadenersatzansprüche geltend.

Dazu trug er – kurz zusammengefasst (§ 500a ZPO) – vor, die Erstbeklagte habe ihn durch Werbebroschüren in die Irre geführt und über wesentliche Umstände unrichtig informiert. Er sei darüber getäuscht worden, dass die Gelder nur in Immobilien investiert würden und dass es sich um ein sicheres Investment handle. In den Broschüren sei verschwiegen worden, dass keine Aktien, sondern Zertifikate erworben würden. In den Broschüren sei ein stetig steigender Kurs dargestellt worden. Wäre der Kläger richtig informiert worden, hätte er nicht in die Zertifikate investiert, sondern das Geld auf ein Sparbuch gelegt oder Anteile am T***** Fonds erworben.

Der Zweitbeklagte (in der Folge auch nur „der Beklagte“) sei in die Erstellung und Verbreitung der Werbung eingebunden gewesen. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Werbung irreführend sei; dennoch habe er ihre Verbreitung angeordnet.

Seit März 2005 habe die Erstbeklagte im Zusammenwirken mit der A**** den Kurs durch geheimgehaltene Rückkäufe manipuliert. Die Erstbeklagte habe mit Mitteln der A**** über die nur zu diesem Zweck gegründete B***** A.V.V. (in der Folge: B*****) die Hälfte der bei der Kapitalerhöhung vom März 2005 ausgegebenen Wertpapiere aufgekauft, weil die Kapitalerhöhung nicht habe platziert werden können. Dennoch habe eine Mitarbeiterin der Erstbeklagten namens der A**** die unrichtige Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht, dass die Kapitalerhöhung voll platziert worden sei. Gleiches sei im Jahr 2006 und im Februar 2007 passiert. Hätte der Kläger von den Rückkäufen gewusst, hätte er nicht in A**** investiert. Eine richtige Ad-hoc-Mitteilung hätte Einfluss auf den Kurs gehabt. Der Zweitbeklagte habe die Gründung der B*****, die Rückkäufe und die unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen veranlasst. Die Ad-hoc-Mitteilungen vom 22.3.2005 habe er zur Freigabe erhalten, und eine weitere Ad-hoc-Mitteilung am 9.11.2006 habe er genehmigt.

Laut Ad-hoc-Mitteilung der A**** vom 28.2.2006 habe die A**** 150 Millionen teileinbezahlte Aktien (partly paid shares, in der Folge: PPS) an institutionelle Investoren ausgegeben. Tatsächlich habe aber die C*****, eine Briefkastenfirma auf der Insel [...], alle PPS um EUR 0,01 pro Stück gezeichnet. Die C***** habe die Mittel zur Nachzahlung nicht gehabt. Während der Börsenwert ca EUR 2,3 Milliarden betragen habe, seien nur EUR 1,5 Millionen gezahlt worden, wovon die Erstbeklagte EUR 1 Million als Provision bezogen habe. Hätte der Kläger davon gewusst, hätte er keine Zertifikate erworben und erworbene Zertifikate verkauft.

Der Kläger habe sich im Juli 2010 dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen. Dadurch sei die Verjährungsfrist unterbrochen worden. Ein Vergleich mit der Erstbeklagten sei nicht zustandegekommen, weil zuvor das Insolvenzverfahren über die Erstbeklagte eröffnet worden sei.

4. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und brachte – kurz zusammengefasst (§ 500a ZPO) – vor: Er habe auf die Tätigkeit der A**** keinen Einfluss gehabt und dort nie eine organschaftliche Position eingenommen. Die A**** habe mit der Erstbeklagten und mit der D***** Ltd. eine auf drittüblichen Verträgen beruhende Geschäftsbeziehung gehabt. Er habe Werbemaßnahmen der A**** nicht veranlasst oder erstellt. Er habe darüber auch nicht entschieden. Dass er im A****-Marketing aufgeschienen sei, sei als Teil einer Lizenzvereinbarung zwischen der Erstbeklagten und der A**** zu sehen. Sein Interesse sei nur gewesen, dass die vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen sowie die Compliance-Richtlinien eingehalten würden. Er habe davon ausgehen dürfen, dass die A****-Werbung rechtskonform sei.

Weder die Erstbeklagte noch die A**** hätten eine beherrschende Stellung über die B***** gehabt. Diese sei eine Tochtergesellschaft der von der [Ersrbeklagten] unabhängigen D***** AG und habe ausreichende Mittel gehabt. Er habe die B***** und die A**** niemals beeinflusst. Die B***** habe unabhängig agiert. Die Kapitalerhöhungen seien vollständig platziert und gezeichnet worden. Er habe vor den Kapitalerhöhungen nicht gewusst, wer wie viel gezeichnet habe. Er habe keine Rückkäufe angeordnet; diese seien nur auf Aufträge der A**** zurückzuführen. In die Erstellung und Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen sei er nicht involviert gewesen. Die Ad-hoc-Meldungen seien richtig gewesen. Zwischenveranlagungen von Gesellschaften mit ausreichender Bonität seien nicht ad-hoc-meldepflichtig. Ad-hoc-Meldungen habe er nur dann bekommen, wenn ein Zusammenhang mit seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Erstbeklagten bestanden habe.

Die Ansprüche des Klägers seien verjährt; im Privatbeteiligtenanschluss seien sie nicht ausreichend individualisiert worden.

Die Höhe des Klagebegehrens sei nicht nachvollziehbar. Da der Kläger dem Klagevertreter bereits mitgeteilt habe, einen angebotenen Vergleich anzunehmen, sei der Vergleich zustande gekommen.

5. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte auf den Seiten 6 bis 24 der Urteilsausfertigung den Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird.

Rechtlich erwog das Erstgericht – ebenfalls kurz zusammengefasst –, dass der Anspruch nicht verjährt sei, weil die Verjährungsfrist durch den Privatbeteiligtenanschluss gehemmt wird. Da erstmals im August 2007 in den Medien über die negative Kursentwicklung der A****-Zertifikate berichtet worden sei, sei die dreijährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt des Privatbeteiligtenanschlusses noch nicht abgelaufen gewesen.

Eine Außenhaftung eines Organs einer juristischen Person komme nach dem allgemeinen Deliktsrecht in Betracht, wenn durch das Handeln des Organs auch Normen zum Schutz der Gläubiger verletzt worden seien. Die Bestimmungen des Börsengesetzes zur Ad-hoc-Publizitätspflicht und zu den marktmanipulativen Handlungen seien Schutzgesetze, die auch den einzelnen Anleger davor schützen sollen, nicht auf unrichtige Informationen zu vertrauen.

Die Werbebroschüre sei grob irreführend gewesen und habe suggeriert, die investierten Gelder würden in Immobilienbesitz investiert. Tatsächlich hätten die Anleger aber Anteile an einem Unternehmen erworben, deren Preis an der Börse gebildet werde. Die Anleger seien darüber getäuscht worden, dass sie nicht in Immobilien mit einem grundsätzlich nachprüfbaren Verkehrswert investiert hätten, sondern dass ihr Investment den Schwankungen des Aktienmarkts unterliege. Die Investitionen als „sichere Anlage“ in Zeiten „stark schwankender Aktienmärkte“ zu bezeichnen, habe einen in Wahrheit nicht existierenden Unterschied zwischen der beworbenen Investition und der Investition in Aktien vorgetäuscht. Dabei komme es nicht auf den gesamten Inhalt der Werbung an, sondern auf den Gesamteindruck. Der Zweitbeklagte habe die Irreführungseignung der Werbung gekannt und gewusst, dass die Werbung für die Anlageentschlüsse der Käufer entscheidend sei.

Die Tatsache, dass eine andere Gesellschaft bei den Kapitalerhöhungen einen erheblichen Teil davon mit Geldern der A**** erwerben habe müssen, um eine vollständige Platzierung zu erreichen, sei eine Information, die hätte veröffentlicht werden müssen. Die tatsächlichen Ad-hoc-Meldungen seien unrichtig und irreführend gewesen. Obwohl 37,8 % des Volumens der Kapitalerhöhung vom Februar 2006 mit Geldern der A**** selbst erworben worden sei, habe die A**** am 27.2.2006 verlautbart, dass die Kapitalerhöhung erfolgreich beendet worden und wegen Überzeichnung vorzeitig geschlossen worden sei. Dies sei irreführend.

Auch die Ad-hoc-Meldung vom 9.2.2007, wonach „die bisher größte Kapitalerhöhung der Unternehmensgeschichte erfolgreich abgeschlossen und vollständig platziert“ worden sei, sei irreführend, weil 42 % des Volumens von der A**** mittelbar selbst erworben worden seien.

6. Dagegen richtet sich die Berufung des Zweitbeklagten, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Feststellungen auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Er beantragt, die Entscheidung zu ändern und das Klagebegehren abzuweisen, in eventu das Urteil aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

7. Zum behaupteten Verfahrensmangel:

Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte, dass das Gericht drei Zeugen nicht vernommen habe, auf die er sich zum Beweis dafür berufen habe, dass der Vergleich zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten gemäß der Rahmenvereinbarung (./2-14) und der Ergänzungsvereinbarung (./XXX) deswegen zustande gekommen sei, weil die Vertragsparteien dieser Vereinbarungen sie so verstanden hätten (was auch so gelebt worden sei), dass schon das Einlangen einer zustimmenden Willenserklärung eines Anlegers beim Klagevertreter oder beim Prozessfinanzierer genüge, um den Vergleich wirksam zustande kommen zu lassen. Da die Erklärung des Klägers gegenüber dem Klagevertreter, einen Vergleich anzunehmen, bereits abgegeben gewesen sei, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (was zwischen den Streitteilen außer Streit steht), der Klagevertreter diese Erklärung aber nur nicht an die Erstbeklagte weitergeleitet habe, sei der Vergleich bereits geschlossen worden und habe die Bereinigungswirkung auch gegenüber dem Beklagten entfaltet.

Dem ist zu erwidern, dass der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet hat, die genannten Vereinbarungen hätten einen anderen Inhalt, als sich aus ihrem Text ergibt. Diese Behauptung stellt er erst in der Berufung auf, womit er gegen das Neuerungsverbot verstößt. Im Schriftsatz, der sich ausführlich mit den Vereinbarungen befasst (Replik vom 27.7.2020, ON 45), stellt sich der Beklagte zwar schon auf den Standpunkt, ein Vergleich komme schon zustande, wenn ein Anleger (hier der Kläger) den Klagevertreter darüber informiere, den Vergleich anzunehmen (nach den Formulierungen der Vereinbarungen: „den Abschluss eines Vergleichs anzubieten“), er argumentiert aber zu diesem Zweck ausschließlich mit dem Text der Vereinbarungen und mit dem Umstand, dass der Vergleichsbetrag schon beim Klagevertreter treuhänderisch deponiert gewesen sei.

Die Behauptung, die Parteien hätten etwas gewollt, was sich nicht aus dem Text der Vereinbarungen ergebe, stellt der Beklagte nicht auf. Daraus ergibt sich, dass der nun behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt, der nach dem Berufungsvortrag nur den Beweis einer Tatsache verhindert hätte, die in erster Instanz nicht behauptet worden ist.

8. Zu den Tatsachenrügen:

8.1. Der soeben erwähnte Vergleich ist auch Thema einer Tatsachenrüge. Der Beklagte rügt die Feststellung, dass der Kläger seine Erklärung zum Vergleichsabschluss dem Klagevertreter vor dem [...] (Datum der Insolvenz) übermittelt habe. Er begehrt hingegen die Ergänzung, dass diese Erklärung den Inhalt gehabt habe, den Vergleich annehmen zu wollen.

Dazu geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass die erwähnte Feststellung ohnedies keinen anderen Inhalt hat. Dass es dennoch nicht zum Abschluss des Vergleichs gekommen ist, beruht auf rechtlichen Überlegungen.

8.2. Aus Gründen der Systematik wird hier auch die auf das Thema „Vergleich“ bezogene Rechtsrüge des Beklagten behandelt.

Auf den Berufungsvortrag ist nur insofern einzugehen, als er vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Soweit auch in der Rechtsrüge erörtert wird, dass die Praxis zwischen den Streitteilen abweichend vom Vertragstext gelebt worden sei und dass etwas anderes gemeint gewesen sei, als sich aus den Texten ergebe, ist der Beklagte auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

Das Erstgericht hat auf der Basis der Vertragstexte überzeugend argumentiert, dass ein Vertrag nicht zustande kommen kann, wenn eine entsprechende Willenserklärung beim Vertragspartner gar nicht eingelangt ist, sei sie ausdrücklich oder konkludent. Gerade die Überlegung, dass die Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Klagevertreter die Sphäre des Klägers betrifft, macht deutlich, dass allein diese Kommunikation noch kein Vertragsverhältnis zu den Beklagten knüpft. Weder der Klagevertreter noch der Prozessfinanzierer sind als Vertreter oder Empfangsboten der Erstbeklagten anzusehen.

Sowohl in der Rahmenvereinbarung als auch in der Ergänzung dazu wird stets auf den Eingang einer Erklärung bei der Erstbeklagten abgestellt. Punkt 3. der Ergänzung zur Rahmenvereinbarung (./XXX) macht deutlich, dass sich die Erstbeklagte zur Annahme eines Vergleichsangebots (das von einem Anleger stammt) verpflichtet, „wenn das Angebot binnen einer bestimmten Frist bei dieser (gemeint: bei der Erstbeklagten) einlangt“. Auch die Rahmenvereinbarung selbst (Punkt 5.5., ./2-14) spricht von einer Annahme durch die Erstbeklagte, da der Klagevertreter „als Vertreter der Anleger“ (so wörtlich) innerhalb einer bestimmten Frist Vergleichsangebote „stellen kann“. Auch diese Formulierung macht deutlich, dass entsprechende Erklärungen gegenüber der Erstbeklagten abgegeben werden müssen, um einen Vergleich zustandekommen zu lassen.

Für den Fall, dass überhaupt keine Erklärung bei der Erstbeklagten einlangt, konnte kein Vergleich zustande kommen. Dieser Negativtatbestand ist auch dadurch erfüllt, dass zwar Erklärungen der Anleger beim Klagevertreter eingelangt sind, dieser sie aber nicht weitergeleitet hat.

Im Ergebnis kann sich der Beklagte (der vom Vergleich entlastet worden wäre) gegenüber dem Kläger nicht auf einen solchen Vergleich berufen.

9. Zu den weiteren Tatsachenrügen:

9.1. Zum Thema der Kaufentscheidungen des Klägers rügt der Beklagte folgende Feststellungen als unrichtig (zusammengefasst wiedergegeben):

a) Der Kläger habe etwas Sicheres gesucht; bei gleicher Sicherheit wie beim Sparbuch habe er eine höhere Rendite wollen; für die Investitionsentscheidung seien die Werbebroschüre und der Anlageberater miteinander wichtig gewesen. Wichtig seien für den Kläger die in der Broschüre angeführten Immobilien sowie der Name des Beklagten sowie die Betonung der Sicherheit gewesen. Wenn der Kurs-Chart selbst bei gleichen Anfangs- und Endpunkten große Zacken gezeigt hätte, hätte der Kläger nicht investiert.

b) Der Kläger habe gedacht, dass das Investment absolut sicher sei, dass es sich quasi um Realbesitz handle, dass er von einer Schwankung der Rendite ausgegangen sei, aber auch davon, dass sich Immobilien nicht einfach in Luft auflösen könnten.

c) Der Kläger hätte den Inhalt richtiger Ad-hoc-Meldungen erfahren.

d) Hätte der Kläger gewusst, dass das Risiko sogar eines Totalverlusts bestanden habe, hätte er nicht investiert. Hätte er gehört, dass bei den Kapitalerhöhungen eine Gesellschaft letztlich mit Geldern der A**** Anteile gekauft habe, hätte er das nicht akzeptiert, sondern den Ausstieg erwogen. Hätte der Kläger gehört, dass ein großer Teil des Vermögens der A**** nicht in Immobilien gesteckt werde, hätte er die Zertifikate nicht gekauft. Hätte der Kurs vor den Nachkäufen einmal eine große Zacke nach unten ausgewiesen, hätte er verkauft.

e) Wenn der Kläger nicht in A**** investiert hätte, hätte er den Betrag in Festgeld angelegt.

Der Kläger begehrt stattdessen die jeweiligen Negativfeststellungen, wonach die genannten Tatsachen also nicht festgestellt werden könnten.

Der Beklagte formuliert Bedenken an der Beweiswürdigung des Erstgerichts, in dem er darauf hinweist, die Aussage des Klägers betreffe Geschehnisse, die 15 Jahre in der Vergangenheit lägen. Außerdem weist er – kurz zusammengefasst – darauf hin, dass der Kläger sich zwar an das Investment in die A****-Zertifikate erinnere, nicht jedoch auch an zwei weitere Investments, die er über Vermittlung desselben Anlageberaters getätigt hat. Dass er diese anderen Investments vergessen habe, mache auch seine Aussagen zum Investment in A**** unglaubwürdig.

Das Berufungsgericht teilt diese Bedenken nicht. Dass es dem Kläger darauf angekommen ist, in eine sichere Anlage zu investieren, ergibt sich letztendlich daraus, dass kein Zweifel daran besteht, dass er sich von der Werbebroschüre leiten ließ, die ihm als Informationsgrundlage gedient hat. Wenn dort die besondere Sicherheit des Investments hervorgestrichen wird (zum Beispiel durch den Hinweis auf die Investitionen in Immobilien), liegt äußerst nahe, dass es dem Kläger auch auf diese Sicherheit angekommen ist. Dieser einfache Zusammenhang geht auch dadurch nicht verloren, dass die Geschehnisse mehrere Jahre zurückliegen.

Die Feststellung allerdings, dass der Kläger den Inhalt von „richtigen Ad-hoc-Meldungen“ erfahren hätte, kann nicht aufrecht erhalten werden, weil sie – wie der Beklagte zutreffend vorträgt – in jeder Hinsicht hypothetisch ist, weil die Feststellung auch davon ausgeht, es habe solche „richtigen Ad-hoc-Meldungen“ gar nicht gegeben, und weil nicht definiert ist, welche Ad-hoc-Meldungen in Bezug auf welche „falschen Ad-hoc-Meldungen“ gemeint sind.

9.2. Zur Werbebroschüre rügt der Beklagte folgende Feststellungen und begehrt folgende Ersatzfeststellungen:

 

Gerügte Feststellung

Ersatzfeststellung

a)

Die Erstbeklagte erstellte im gemeinsamen Zusammenwirken mit der E***** wiederholt Broschüren und Fact Sheets für den Verkauf von A****-Zertifikaten, koordinierte diese mit der A**** und veröffentlichte sie. Während die in den Werbebroschüren enthaltenen Daten regelmäßig aktualisiert wurden, blieb die Sicherheit vermittelnde Grundaussage gleich. Stets wurde die sichere Anlage in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte betont.

Es kann nicht festgestellt werden dass die Erstbeklagte im gemeinsamen Zusammenwirken mit der E***** wiederholt Broschüren und Fact Sheets für den Verkauf von A****-Zertifikaten erstellte und diese mit der A**** koordinierte. Während die in den Werbebroschüren enthaltenen Daten regelmäßig aktualisiert wurden, blieb die Sicherheit vermittelnde Grundaussage gleich. Stets war die Aussage „die sichere Anlage in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte“ enthalten.

b)

Die Erstbeklagte, genauer ihre Entscheidungsträger inklusive des Zweitbeklagten waren in Kenntnis des Werbematerials und hatten die Nutzung der Firma der Erstbeklagten auf der Rückseite der Werbebroschüren genehmigt. Der Zweitbeklagte wusste, dass es bei einem Investment in A****-Zertifikate zu hohen Verlusten bis zu einem Totalverlust des investierten Kapitals kommen kann und dass die Anleger keine Aktie, sondern ein Zertifikat erwerben würden, womit das Risiko der Insolvenz der Emittentin des Globalzertifikats hinzutritt. Dem Zweitbeklagten war bewusst, dass die Werbebroschüre bei Anlegern einen falschen Eindruck der Sicherheit erwecken konnte; dennoch nahm er in Kauf, dass Anleger aufgrund der Werbebroschüre eine Anlageentscheidung trafen, die sie bei richtiger Information nicht getroffen hätten.

Der Zweitbeklagte war nicht in Kenntnis des Werbematerials.

(In eventu: Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeklagte in Kenntnis des Werbematerials war.)

Hätte der Zweitbeklagte das Werbematerial gekannt, wäre ihm nicht bewusst gewesen, dass die Werbebroschüre bei Anlegern einen falschen Eindruck der Sicherheit erwecken konnte; er hätte nicht in Kauf genommen, dass Anleger auf Grund der Werbebroschüre eine Anlageentscheidung trafen, die sie bei richtiger Information nicht getroffen hätten.

Dazu ist vorweg anzumerken, dass der letzte Satz der Feststellung a) nur in Bezug auf die „Betonung“ der Sicherheit der Anlage gerügt wird. Ob die Sicherheit „betont“ wurde oder ob sie stets als Aussage nur „enthalten“ war, ist aber rechtlich bedeutungslos. Dass eine sichere Anlage in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte jedenfalls behauptet wurde, ist in tatsächlicher Hinsicht nicht strittig.

Dass die Erstbeklagte und die E***** bei der Gestaltung der Broschüren zusammengewirkt haben, hat das Erstgericht überzeugend schon allein damit begründet, dass die Erstbeklagte im Placement & Market Making Agreement (PMMA) mit der A**** vereinbart hat, dass sie (die Erstbeklagte) die Marketing- und Werbemaßnahmen mit der Emittentin (A****) koordiniert und dass sich die A**** verpflichtet, vor der Verwendung jedweden (sic) Marketing-, Werbe- bzw Informationsmaterials die schriftliche Zustimmung der Erstbeklagten einzuholen (PMMA Punkt 3.8.).

Die Ausführungen in der Berufung (ab Seite 17 unten) überzeugen nicht. Der Beklagte trägt dazu vor, aus dieser Vereinbarung könne nicht geschlossen werden, dass sie auch eingehalten worden wäre; dies wäre ein unzulässiger Schluss von einem Sollen auf ein Sein. Die Berufung enthält aber nicht die Behauptung, dass diese Vereinbarung tatsächlich nicht eingehalten worden wäre.

Die weiteren Ausführungen, wonach sich aus dieser Vereinbarung ergebe, dass die Erstbeklagte (deren Vorstandsvorsitzender der Zweitbeklagte war) als Besorgungsgehilfin der A**** agiert habe, weshalb sich die A**** allfällige Handlungen der Erstbeklagten zurechnen lassen müsse, dass sich aber die Erstbeklagte nicht allfällige Handlungen der A**** zurechnen lassen müsse, lassen außer Acht, dass im vorliegenden Fall nicht geprüft werden muss, welche Vertragsbeziehungen durch das Verhalten der A**** oder der Erstbeklagten entstanden sind, sondern dass zu beurteilen ist, ob der Zweitbeklagte ex delicto für sein eigenes Verhalten haftet. Dabei ist bedeutsam, was er wusste und wie er sein Verhalten an diesem Wissen ausgerichtet hat. Nicht bedeutsam ist, welche Person jeweils eine andere (juristische) Person rechtsgeschäftlich verpflichten konnte.

Die Formulierung im PMMA widerspricht auch dem Berufungsvortrag, dass die A**** verantwortlich gewesen sei, was sich nach der Lesart durch das Berufungsgericht nur dahin verstehen lässt, dass die A**** (zumindest) überwiegend oder allein verantwortlich gewesen sei. Die Verpflichtung, vor der Verwendung jedweden Werbematerials die schriftliche Zustimmung der Erstbeklagten einzuholen, verbietet es, eine überwiegende oder eine alleinige Verantwortung bei derjenigen Person anzunehmen, die für jede Maßnahme eine schriftliche Zustimmung einholen muss. Die Frage, ob eine Verantwortung eine „Letztverantwortung“ sei, ist bedeutungslos; rechtlich bedeutsam ist, wovon die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte wussten. Die daraus resultierende Verantwortung des Zweitbeklagten folgt – in Beantwortung einer Rechtsfrage – aus dessen Stellung als Organ der Erstbeklagten.

Das Erstgericht hat plausibel auch gewürdigt, dass der Zweitbeklagte an einer Sitzung der Direktoren der A**** im April 2005 teilgenommen hat (vgl ./C). Die dortige Intervention des Zweitbeklagten (Seite 3 der deutschen Übersetzung unten und Seite 4 oben) lässt sich auch nach Überzeugung des Berufungsgerichts nur so verstehen, dass ihm die Werbelinie und die Werbebroschüren bekannt waren, denn sonst wäre ein konkreter Vorschlag nicht verständlich; immerhin sind konkrete Vorschläge nur sinnvoll, wenn dem Vorschlagenden auch die bisherige Gestaltung der Werbemaßnahmen bekannt war.

Das Argument in der Berufung, „trotz zig-tausender im Strafverfahren ausgewerteter Dokumente und trotz aller Zivilverfahren, die seit mehr als zehn Jahren geführt worden seien, gebe es keinen einzigen konkreten Beweis dafür, dass dem Zweitbeklagten der Inhalt der Werbung bekannt gewesen sei“, lässt sich nicht auf den einzelnen und hier vorliegenden konkreten Fall umlegen. Im hier zu beurteilenden Fall liegt eine überzeugende Beweiswürdigung des Erstgerichts vor. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Frage keine Rolle spielt, ob eine „Flut von Dienstanweisungen und Verschriftlichungen“ überhaupt gegeben war, welchen Grund eine solche Dokumentation hätte und welche Schlüsse man in Bezug auf die hier gefragte Beweiswürdigung ziehen könnte. Die darauf bezogenen Ausführungen in der Beweisrüge sind weder in die eine noch in die andere Richtung verwertbar.

Das Berufungsgericht sieht es auch deshalb als erwiesen an, dass der Zweitbeklagte über die Gestaltung der Werbebroschüren informiert war, weil immerhin auch massiv mit seinem Familiennamen geworben wurde, er also nicht nur als Vorstandsvorsitzender der Erstbeklagten, sondern auch persönlich betroffen war.

9.3. Zu den Ad-hoc-Meldungen rügt der Beklagte folgende Feststellungen:

 

Gerügte Feststellung

Ersatzfeststellung

a)

(Zur Ad-hoc-Meldung vom 22.3.2005)

Dies entsprach jedoch nicht den Tatsachen, weil bei dieser Kapitalerhöhung 50 % der neu ausgegebenen Zertifikate nicht bei Dritten am Kapitalmarkt platziert werden konnten, sondern von der B***** gezeichnet wurden.

Eine Richtigstellung der Ad-hoc-Meldung vom 22.3.2005 wurde weder beschlossen noch durchgeführt.

Dass bei dieser Kapitalerhöhung 50 % der neu ausgegebenen Zertifikate von der B***** gezeichnet wurden, wurde nicht erwähnt. Es gab auch keine weitere Ad-hoc-Meldung zu dieser Kapitalerhöhung, in der dieser Umstand angeführt worden wäre.

b)

(Zur Ad-hoc-Meldung vom 27.2.2006)

Dies entsprach jedoch nicht der Wahrheit, weil bei dieser Kapitalerhöhung rund 37,8 % der neu ausgegebenen Zertifikate nicht platziert werden konnten.

Eine Richtigstellung der Ad-hoc-Meldung vom 27.2.2006 wurde weder beschlossen noch durchgeführt.

Dass bei dieser Kapitalerhöhung rund 37,8 % der neu ausgegebenen Zertifikate von der B***** gezeichnet wurden, wurde nicht erwähnt. Es gab auch keine weitere Ad-hoc-Meldung zu dieser Kapitalerhöhung, der dieser Umstand angeführt worden wäre.

c)

(Zur Ad-hoc-Meldung vom 9.11.2006)

Dies entsprach jedoch nicht der Wahrheit, weil bei dieser Kapitalerhöhung rund 13,2 Millionen Zertifikate, also rund 29,3 % aller Zertifikate nicht bei Dritten am Kapitalmarkt platziert, sondern von der B***** gezeichnet worden waren.

Dass bei dieser Kapitalerhöhung rund 13,2 Millionen Zertifikate, also rund 29,3 % aller Zertifikate, von der B***** gezeichnet worden waren, wurde nicht erwähnt.

Zu dieser Tatsachenrüge ist zu bemerken, dass die rechtlich bedeutsame Frage, nämlich der Kauf der neuen Zertifikate durch die B***** im jeweils genannten Umfang verschwiegen wurde. Dieser rechtlich zu beurteilende Umstand ist somit in tatsächlicher Hinsicht nicht strittig.

9.4. Zur Involvierung des Zweitbeklagten in die Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldungen rügt der Zweitbeklagte folgende Feststellungen:

 

Gerügte Feststellung

Ersatzfeststellung

a)

Ad-hoc-Meldungen betreffend die Kapitalerhöhungen der A**** – darunter auch jene vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 – schickte sie vor deren Veröffentlichung zudem an den Zweitbeklagten in seiner Funktion als Vorstand der Erstbeklagten zur Genehmigung. F***** hatte keine Anweisung, Ad-hoc-Meldungen mit Mitarbeitern der Erstbeklagten abzustimmen. Die Ad-hoc-Meldungen betreffend die Kapitalerhöhungen der A**** – darunter auch jene vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 – wurden jedoch jeweils erst nach Genehmigung durch den Zweitbeklagten in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Erstbeklagten veröffentlicht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Ad-hoc-Meldungen betreffend die Kapitalerhöhungen der A**** – darunter auch jene vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 – von F***** sie vor deren Veröffentlichung zudem an den Zweitbeklagten in seiner Funktion als Vorstand der Erstbeklagten zur Genehmigung geschickt wruden. F***** hatte keine Anweisung, Ad-hoc-Meldungen mit Mitarbeitern der Erstbeklagten abzustimmen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ad-hoc-Meldungen betreffend die Kapitalerhöhungen der A**** – darunter auch jene vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 – wurden jedoch jeweils erst nach Genehmigung durch den Zweitbeklagten in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Erstbeklagten veröffentlicht wurden.

b)

Der Zweitbeklagte wusste im Zeitpunkt der Genehmigung der Ad-hoc-Meldungen, dass die Kapitalerhöhungen der A**** in den Jahren 2005 bis 2007 nicht vollständig bei Drittanlegern platziert worden waren, dass die A**** den Erwerb eigener Zertifikate durch die B***** finanzierte und welcher Anteil der Kapitalerhöhungen auf die B***** entfiel. Er wusste, dass die Öffentlichkeit von diesen Umständen nicht informiert wurde und wollte dies auch. Der Zweitbeklagte wusste, dass F***** die ihm übersandten Ad-hoc-Meldungen der A**** nach seiner Genehmigung veröffentlichen würde. Der Zweitbeklagte wusste, dass die festgestellten falschen Informationen in den Ad-hoc-Meldungen zur Irreführung geeignet waren, und wollte, dass Anleger aufgrund der in den Ad-hoc-Meldungen enthaltenen Informationen davon ausgehen, dass die Kapitalerhöhungen zur Gänze am Markt platziert wurden und eine starke Nachfrage nach A****-Zertifikaten besteht, und deshalb eine Investitionsentscheidung treffen, die sie bei Kenntnis der nicht platzierten Kapitalerhöhungen und der Rückkäufe nicht gewollt hätten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeklagte im Zeitpunkt der Genehmigung der Ad-hoc-Meldungen wusste, dass die Kapitalerhöhungen der A**** in den Jahren 2005 bis 2007 ein bestimmter Anteil von der B***** gezeichnet worden ist, insbesondere wie hoch dieser Anteil ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeklagte wusste, dass die Öffentlichkeit von diesen Umständen nicht informiert wurde und er dies auch nicht wollte. Der Zweitbeklagte hat Ad-hoc-Meldungen der A**** nicht genehmigt. Der Zweitbeklagte wusste von keinen zur Irreführung geeigneten Angaben in Ad-hoc-Meldungen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger wollte, dass Anleger auf Grund der in den Ad-hoc-Meldungen enthaltenen Informationen davon ausgehen, dass die Kapitalerhöhungen zur Gänze am Markt platziert wurden und eine starke Nachfrage nach A****-Zertifikaten besteht, und deshalb eine Investitionsentscheidung treffen, die sie bei Kenntnis der nicht platzierten Kapitalerhöhungen und der Rückkäufe nicht gewollt hätten.

Dazu hat das Berufungsgericht erwogen: Abgesehen davon, dass das Erstgericht ausführlich begründet hat, wie es dazu gekommen ist, die Feststellungen für wahr zu halten (Seiten 29 bis 36 der Urteilsausfertigung), bewirken folgende Überlegungen, dass das Berufungsgericht keine Bedenken gegen diese Feststellungen hat:

Die Erstbeklagte, deren Vorstand der Zweitbeklagte vorsaß, hatte sich gegenüber der A**** vorbehalten, die mit der Vermarktung der Zertifikate verbundenen Marketing- und Werbemaßnahmen im Einzelnen zu genehmigen (Punkt 3.8 des PMMA). Für die Vermarktung der Zertifikate wurde der zumindest in Österreich über Generationen der Namensträger sehr bekannte Familienname des Zweitbeklagten – trotz diverser Zusätze („[...] AG“, [...]) prägend – mit dominierender Wirkung und mit Verwendung eines bekannten Logos verwendet. Der Zweitbeklagte hat – dokumentiert zumindest im April 2005 – an einer Sitzung des Boards der A**** teilgenonnem und seinen Standpunkt zur Werbegestaltung konkret eingebracht. Der Zweitbeklagte wurde – in zwei Fällen dokumentiert – unternehmensintern vor deren Veröffentlichung um die Genehmigung des Inhalts von Ad-hoc-Meldungen gebeten.

Diese Indizien und die vom Erstgericht verwertete Aussage der Zeugin F***** sowie zusätzlich die folgende Überlegung verhindern Bedenken des Berufungsgerichts an den Feststellungen des Erstgerichts:

Das Erstgericht hat festgestellt (Seite 14 der Urteilsausfertigung), dass nach der Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung vom 22.3.2005 der Zweitbeklagte am 19.4.2005 an einer Sitzung des Boards der A**** teilgenommen hat, bei der die Anwesenden (somit auch der Zweitbeklagte) darüber informiert worden sind, dass bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2005 (auf die sich die Ad-hoc-Meldung bezog) nur 50 % der Werpapiere platziert werden konnten, und dass bei dieser Sitzung nicht beschlossen wurde, die Ad-hoc-Meldung vom 22.3.2005 gegenüber der Öffentlichkeit zu berichtigen. Dass der Zweitbeklagte danach über weitere Ad-hoc-Meldungen zum Thema der Kapitalerhöhung nicht informiert worden wäre und nicht in die Gestaltung der Ad-hoc-Meldungen eingebunden gewesen wäre, ist genauso wenig lebensnah und daher unglaubwürdig, wie es schon der Umstand wäre, dass der Zweitbeklagte schon die Gestaltung der Ad-hoc-Meldung von 22.3.2005 nicht gekannt hätte; denn wäre dies der Fall gewesen, wäre ohne übertriebene Anforderungen an die Redlichkeit eines Vorsitzenden des Vorstands einer Aktiengesellschaft, die mit der Emittentin von Wertpapieren durch ein PMMA verbunden war, zu erwarten gewesen, dass eine falsche Ad-hoc-Meldung der Emittentin („größte Kapitalerhöhung erfolgreich abgeschlossen“ gegenüber „nur 50 % platziert“) berichtigt wird oder zumindest ihre Berichtigung intern gefordert wird (./C Seite 14 der Übersetzung). Dass der Zweitbeklagte überhaupt weder von der Existenz von Ad-hoc-Meldungen der A**** wusste noch ihren Inhalt kannte, kann nach allen Aspekten der Lebenserfahrung (und nach dem soeben zitierten Inhalt der PMMA) ausgeschlossen werden.

9.5. Der Beklagte bekämpft weiters folgende Feststellungen:

 

Gerügte Feststellung

Ersatzfeststellung

a)

Hätte die A**** die B***** nicht finanziert und hätte diese daher keine Zertifikate der A**** mit Geldern der A**** erworben, hätte die A**** die jeweiligen Zertifikate nicht, insbesondere nicht in derselben Zeit platzieren können. Hätte die A**** wahrheitsgemäß darüber informiert, dass der jeweilige Anteil an Zertifikaten der jeweiligen Kapitalerhöhung nicht platziert wurde, hätte sich auch der Kurs anders und zumindest kurzfristig stagnierende oder negativ entwickelt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass – hätte die B***** keine Zertifikate der A**** erworben – die A**** die jeweiligen Zertifikate nicht hätte platzieren können. Es kann nicht festgestellt werden, dass – hätte die A**** darüber informiert, dass der jeweilige Anteil an Zertifikaten bei der jeweiligen Kapitalerhöhung von der B***** erworben wurde – sich auch der Kurs anders und zumindest kurzfristig stagnierend oder negativ entwickelt hätte.

b)

Bei früheren Bekanntwerden dieser Tatsachen wäre früher darüber berichtet worden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass bei früherem Bekanntwerden dieser Tatsachen früher darüber berichtet worden wäre.

Dazu genügt es, auf die allgemein bekannte Tatsache hinzuweisen, dass sich der Preis von Waren (und auch von Wertpapieren) nach dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage richtet. Wenn die Nachfrage gegenüber dem Angebot steigt, steigt auch der Preis. Wenn die Nachfrage gegenüber dem Angebot sinkt, sinkt auch der Preis. Jedenfalls dann, wenn die beteiligten Kreise (Anbieter und Nachfrager) darüber informiert sind, tritt diese Gesetzmäßigkeit ein. Hätte also die A**** die zutreffende Information veröffentlicht, dass die Nachfrage hinter dem Angebot zurückgeblieben ist, weil nur 50 % der angebotenen Wertpapiere beim Publikum untergebracht werden konnten, wäre der oben beschriebene Effekt eingetreten: Die Nachfrage wäre hinter dem Angebot – stark – zurückgeblieben und der Preis wäre gesunken. Das Sinken des Preises von Wertpapieren wirkt sich in einer Verringerung des Kurses aus.

Der Beklagte trägt in der Berufung keine Argumente vor, warum in der gegebenen Situation diese allgemein bekannten Überlegungen nicht wirksam geworden wären.

10. Zur Rechtsrüge (die in Bezug auf den Vergleich bereits behandelt worden ist):

10.1. Zum Verjährungseinwand hält das Berufungsgericht die Überlegungen des Erstgerichts für zutreffend (§ 500a ZPO) und weist zusätzlich auf die Judikatur des OGH hin: RS0034631 [T13, T14, T15]; RS0041512 [T2, T3, T4].

10.2. Zur Erinnerung ist voranzustellen, dass das Erstgericht in Bezug auf das Wissen und den Vorsatz des Zweitbeklagten folgende Feststellungen getroffen hat (Seite 11 der Urteilsausfertigung), die erfolgreich zu bekämpfen dem Beklagte nicht gelungen ist:

«Die Erstbeklagte [...] [und] der Zweitbeklagte waren in Kenntnis des Werbematerials und hatten die Nutzung der Firma der Erstbeklagten auf der Rückseite der Werbebroschüren genehmigt. Der Zweitbeklagte wusste, dass es bei einem Investment in A****-Zertifikate zu hohen Verlusten bis zu einem Totalverlust des investierten Kapitals kommen kann und dass die Anleger keine Aktie, sondern ein Zertifikat erwerben würden, womit das Risiko der Insolvenz der Emittentin des Globalzertifikats hinzutritt. Dem Zweitbeklagten war bewusst, dass die Werbebroschüre bei Anlegern einen falschen Eindruck der Sicherheit erwecken konnte; dennoch nahm er in Kauf, dass Anleger auf Grund der Werbebroschüre eine Anlageentscheidung trafen, die sie bei richtiger Information nicht getroffen hätten.»

Damit gehen die Argumente der Berufung ins Leere, wonach es an den Feststellungen zum Vorsatz des Zweitbeklagten mangle.

Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung des Erstgerichts, der Zweitbeklagte hafte als Mittäter nach § 1301 ABGB für die „absichtliche Schadenszufügung“ nach § 1295 Abs 2 ABGB ist nicht zu beanstanden, zumal der Terminus „absichtlich“ hier nicht den Absichtsbegriff des StGB meint, sondern bedingter Vorsatz genügt (RS0026603, auch schon Wolff in Klang2 VI 42).

Die Rechtswidrigkeit des Handelns ergibt sich aus der – vom OGH in ständiger Rechtsprechung klargestellten – Überlegung, dass alle Vorschriften, die unrichtige Informationen aus Anlass der Auflegung und des Verkaufs von Wertpapieren und vergleichbaren Produkten verbieten und die wahrheitsgemäße Information der Käufer fordern, Schutzgesetze zu Gunsten des Publikums sind.

Wiewohl der Zweitbeklagte mit dem Kläger keinen Vertrag schloss, konnte er sich deliktisch (nach § 1295 Abs 2 iVm § 1301 ABGB sowie nach § 874 ABGB) gegenüber dem Kläger haftbar machen, weil die Erstbeklagte, deren Vorstand er vorsaß, kraft des PMMA ausdrücklich berechtigt war, alle Werbe- und Informationsmaßnahmen der Zertifikats-Emittentin zu genehmigen, womit eine Verantwortung einherging, aus der sich auch die Rechtswidrigkeit der Duldung der irreführenden Information ergibt, sofern sie – wie oben dargelegt und hier gegeben – vom entsprechenden Vorsatz begleitet war.

Umso mehr ergibt sich die Haftung auch daraus, dass der Zweitbeklagte es unterlassen hat, trotz Kenntnis und trotz seiner Befassung darauf hinzuwirken, dass über die Kapitalerhöhungen zutreffende Ad-hoc-Meldung verbreitet werden.

Da der Kläger seinen Kaufentschluss auf der Basis der unzutreffenden Information über die angepriesene Sicherheit der Investition fasste und wegen der Unrichtigkeit der Ad-hoc-Meldungen zu den Kapitalerhöhungen und der davon verursachten künstlichen Gestaltung eines günstigen Kurses daran gehindert war, einen früheren Verkaufsentschluss zu fassen, treffen die rechtlichen Überlegungen des Erstgerichts zu (§ 500a ZPO).

11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

12. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung von Tatfragen (Kenntnis und Vorsatz des Zweitbeklagten) abhing und daran anschließend keine Rechtsfragen zu beantworten waren, die zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erheblich bedeutsam sind.

Schlagworte

Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, Schadenersatzrecht, Anlegerrecht

Textnummer

EW1165

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2022:03300R00127.21W.0819.000

Im RIS seit

03.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten