TE Lvwg Erkenntnis 2022/8/24 LVwG-2022/22/2170-1

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Veröffentlicht am 24.08.2022
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Entscheidungsdatum

24.08.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §26

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der AA, geb. XX.XX.XXXX, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 26.7.2022, ZL ***, wegen Abweisung eines Antrages auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung zum Zwecke der Ausübung des Gewerbes „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“

zu Recht:

1.  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung vom 14.6.2022 zum Zwecke der Ausübung des Gewerbes „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ abgewiesen („verweigert“).

In der dagegen rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde vom 20.8.2022 wurde zusammenfassend vorgebracht, die Prognose der belangten Behörde in Bezug auf das zukünftige Verhalten der Beschwerdeführerin sei verfehlt.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt sowie in die Verwaltungsstrafvormerkungen bei den Bezirkshauptmannschaften Y und X mit Stand 24.8.2022.

II.      Sachverhalt:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.5.2020, Zl ***, rechtskräftig am 26.5.2020, wurde die Beschwerdeführerin schuldig gesprochen, sie habe zwischen 16.6.2019 und 15.7.2019 in W als verantwortliche Geschäftsführerin der Firma BB GmbH, die Dienstgeberin war, Beiträge von Dienstnehmern zur gesetzlichen Sozialversicherung in unbekannter, Euro 18.711,00 jedenfalls nicht übersteigernder Höhe, dem berechtigten Sozialversicherungsträger vorenthalten, indem sie für die Monate Mai 2019 und Juni abzuführenden Dienstnehmerbeiträge trotz Fälligkeit nicht an die Tiroler Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) abführte.

Sie habe hiedurch die Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB begangen und wurde nach § 153c Abs 1 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von Euro 240 (zweihundertvierzig) Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt, wobei der Tagessatz mit Euro 4,00 bemessen wurde, woraus sich ein zu bezahlender Strafbetrag von € 960,00 ergibt. Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde der Vollzug eines Teiles der verhängten Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagsätzen zu je Euro 4 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, sodass der unbedingte Teil der Geldstrafe Euro 480 beträgt. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit und ihr Geständnis, erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen gewertet.

Den Verwaltungsstrafvormerkungen bei den Bezirkshauptmannschaften Y und X mit Stand 24.8.2022 sind insgesamt 15 (!) Übertretungen aus dem Verkehrsbereich zu entnehmen.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den Verwaltungsstrafvormerkungen bei den Bezirkshauptmannschaften Y und X mit Stand 24.8.2022.

IV.      Rechtliche Grundlagen:

Folgende Bestimmung der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 (GewO 1994) zuletzt geändert durch BGBl I 2015/155 (Hervorhebungen durch den Gefertigten):

„§ 13.

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

         1.       von einem Gericht verurteilt worden sind

         a)       wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

         b)       wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

         2.       die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)“

§ 26.

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

(3) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 5 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der Umstände, die zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben und nach der Persönlichkeit der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.

(4) Die Nachsicht gemäß Abs. 1, 2 oder 3 ist nicht zu erteilen, wenn andere Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen als jene, für die die Nachsicht erteilt werden soll.“

V.       Erwägungen:

Die Beschwerdeführerin wurde wegen zweier nicht unbedeutender Vergehen nach § 153c Abs 1 und 2 zu einer Geldstrafe in der Höhe von 240 Tagessätzen verurteilt. Somit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO 1994 erfüllt. Ob das Gericht dabei die Geldstrafe (teil)bedingt nachgesehen hat, ist – grundsätzlich – unerheblich (vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, Kommentar zur Gewerbeordnung 19944 (2020) § 13 Rz 6).

Der in § 13 Abs 1 GewO normierte Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen tritt unabhängig davon ein, ob im Einzelfall die gewerberechtliche Zuverlässigkeit der betroffenen Person in Zweifel gezogen werden muss oder nicht (VwGH 21.03.1995, 94/04/0151). Die in dieser Gesetzesstelle angeführten Verurteilungen müssen nicht Delikte betreffen, die bei Ausübung oder im Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes begangen wurden (VwGH 17.10.1980, 1646/79).

Im Zuge der Erteilung von Nachsichten von diesem Gewerbeausschlussgrund erwartet sich der Gesetzgeber eine strenge Handhabung über die Prognose des zukünftigen Verhaltens der vom Ausschlussgrund betroffenen Person. In seinem Erkenntnis vom 25.09.2012, 2012/04/0113, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO erst dann zu erteilen ist, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht. Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, hat die Behörde sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen. Bei der Prognoseentscheidung gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 ist auf die Hintergründe und Absichten des Beschwerdeführers bei der Begehung der strafbaren Handlungen nicht einzugehen (VwGH 28.09.2011, 2011/04/0148 bis 0151). Der Bedachtnahme auf mit einer Resozialisierung im Zusammenhang stehende Umstände kommt bei der Beurteilung des Tatbestandes der Persönlichkeit des Verurteilten keine Entscheidungsrelevanz zu. Ob also die Beschwerdeführerin etwa für die Zukunft ausschließt, ähnliche Delikte zu begehen, ist dabei nur von untergeordneter Bedeutung.

Gerade im Zusammenhang mit der Ausübung von Gewerben (gleich welcher Art) ist das hier zur Last gelegte Verhalten des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen als besonders verwerflich zu werten. Jedem Dienstgeber bzw. Gewerbetreibenden ist nämlich bewusst, dass er dieser Verpflichtung zum Wohle aller nachkommen muss. Selbstredend besteht auch bei jeder weiteren Ausübung eines Gewerbes die grundsätzliche Gelegenheit, dieses Delikt neuerlich zu begehen (vgl. Stolzlechner ua, aaO § 26 RZ 10). Auch ist der Behörde keine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie im Hinblick auf das in der konkreten Straftat zum Ausdruck kommenden Persönlichkeitsbildes der Beschwerdeführerin die Annahme trifft, es bestehe die Befürchtung, sie werde die gleiche oder ähnliche Straftaten bei der Ausübung des beantragten Gewerbes begehen (vgl Stolzlechner ua, aaO § 26 RZ 12 und die dort zitierte Jud. des VwGH).

In seinem Erkenntnis vom 30.10.1990, 90/04/0127, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass bei der Würdigung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers die von der belangten Behörde angenommene Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat wegen der zeitlichen Situierung der Tatbegehung bzw der seither verstrichenen Zeit von 7 bis 10 Jahren nicht rechtswidrig ist. In seinem Erkenntnis vom 17.11.2004, 2003/04/0123, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine bereits 6 Jahre zurückliegende Verurteilung wegen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges allein durch die verstrichene Zeit noch keine Änderung des aus dieser Straftat abzuleitenden Persönlichkeitsbildes bedeutet. In zeitlicher Hinsicht ist gegenständlich darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin die Straftat erst kürzlich abgeschlossen hat (Juli 2019), weshalb bei der Beurteilung ihres Persönlichkeitsbildes nicht die Prognose abgegeben werden kann, dass keinerlei Befürchtung besteht, dass sie nicht wieder gerichtlich strafbare Handlungen unter den Möglichkeiten, die ihr die Ausübung der Gewerbetätigkeit bieten wird, begehen wird. Die Wohlverhaltenszeit seit der letzten Straftat ist dafür viel zu kurz. Da die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO erst dann zu erteilen ist, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht, ist im Hinblick auf die der Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck zugrundeliegenden Straftat die bekämpfte Entscheidung der belangten Behörde im Einklang mit § 26 Abs 1 GewO ergangen, weshalb der dagegen erhobenen Beschwerde kein Erfolg beschieden sein konnte.

Das hier beschriebene negative Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin bzw. die negative Zukunftsprognose findet auch durch Einsichtnahme in die Verwaltungsstrafvormerkungen ihre Bestätigung. Bei den Bezirkshauptmannschaften Y und X liegen 15 (!) Verwaltungsstrafvormerkungen aus dem Straßenverkehr vor. Der Großteil betrifft unterschiedliche Übertretungen des § 103 Abs 1 KFG. Es liegen aber auch allein vier Übertretungen des § 103 Abs 2 KFG vor. Derartige Übertretungen weisen einen nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehalt auf, da durch die übertretene Norm das zu schützende staatliche Interesse an einer komplikationslosen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, verkehrsrechtliche Übertretungen begangen zu haben, verletzt wurde. Die zahlreichen Verwaltungsübertretungen zeigen, dass die Beschwerdeführerin offenkundig nicht vollends bereit ist, sich normkonform zu verhalten.

Die durchzuführende Zukunftsprognose bei der Beschwerdeführerin kann daher nur eine schlechte sein. Es ist aufgrund ihres bisherigen Verhaltens, wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, zu befürchten, dass die Beschwerdeführerin auch bei der Ausübung des beantragten Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen wird. Die Gelegenheit dazu bietet sich beim gegenständlichen Gewerbe – wie bei jedem Gewerbe - jedenfalls.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

In der gegenständlichen Beschwerdesache konnte im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG eine Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol deshalb entfallen, da vorliegend einerseits weder ein ausdrücklicher Antrag gestellt wurde und andererseits bloß eine reine Rechtsfrage zu beantworten war, wogegen der Sachverhalt als geklärt angesehen werden konnte, sodass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der vorliegenden Rechtssache nicht erwarten ließ. Einem Entfall der Verhandlung standen auch weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vergleiche VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221 und 21.03.2014, 2011/06/0024).

B). Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Nachsicht vom Gewerbeausschluss
Gewerbeausschlussgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.22.2170.1

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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