TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/9 LVwG 30.22-1145/2020

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Entscheidungsdatum

09.06.2020

Index

90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §103 Abs2
KFG 1967 §134 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Rappold über die Beschwerde des A B, geb. am ***, vertreten durch C D GmbH, Bstraße, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 14.05.2019, GZ: BHGU-15.1-28814/2018,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.   Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

II.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem im Spruch näher bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er sei mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 22.06.2018 als Auskunftsperson für Lenkererhebungen aufgefordert worden, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen
*** am 19.05.2018, um 10.50 Uhr, in der Gemeinde D, auf der Autobahn A9, StrKm. ***, Richtung S, gelenkt habe und er habe diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Er habe auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

Hiedurch habe er die Rechtsvorschrift des § 103 Abs 2 KFG verletzt und wurde hiefür gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 160,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 1 Tag und 8 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ferner wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz (im Folgenden VStG) verpflichtet einen Betrag in der Höhe von € 16,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung, es seien wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden, zumal dem Beschwerdeführer die Akteneinsicht im Verfahren zu GZ: BHGU-15.1-25003/2018 verwehrt wurde. Aufgrund der Verweigerung der Akteneinsicht habe er die Lenkerauskunft nicht fristgerecht erteilen können. Zudem fehle im Straferkenntnis der Zusatz, dass die Verletzung der normierten Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs 2 KFG „als Zulassungsbesitzer“ zur Last gelegt werde. Dies belaste das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Zudem sei die Lenkerauskunft auch nicht gesetzmäßig ausgeführt, da die Auskunftsperson lediglich aufgefordert worden sei Auskunft darüber zu erteilen, wer das oben angeführte Kraftfahrzeug zuletzt vor dem oben angeführten Zeitpunkt an dem oben angeführten Ort gelenkt habe. In der Lenkerauskunft sei unter „betroffenes KFZ“ ein Anhänger mit dem Kennzeichen *** genannt, im Straferkenntnis sei lediglich vom Fahrzeug die Rede. Aufgrund der nicht gesetzmäßigen Ausführung der Lenkerauskunft sei der Beschwerdeführer auch nicht zur Beantwortung derselben verpflichtet gewesen.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark erwogen:

Nach Art. 130 Abs 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß §§ 3, 7, 38 VwGVG iVm Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Landes-verwaltungsgerichtes Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Diese Entscheidung wurde gemäß § 44 Abs 2 VwGVG ohne mündliche Verhandlung getroffen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, und der wesentliche Sachverhalt unbestritten ist (vgl. VwGH 19.10.2017, Ra 2017/16/0063).

Aufgrund des dem Landesverwaltungsgericht Steiermark vorliegenden Verwaltungsstrafakts der belangten Behörde ergibt sich folgender, für diese Entscheidung maßgeblicher Sachverhalt:

Die E F GmbH ist Zulassungsbesitzerin des Anhängers mit dem Kennzeichen ***. Mit Lenkerauskunft vom 07.06.2018 wurde die E F GmbH mit Sitz in N, G als Zulassungsbesitzerin aufgefordert der anfragenden Behörde schriftlich binnen 2 Wochen nach Zustellung des Schreibens bekanntzugeben, wer das Kraftfahrzeug (Anhänger, Kennzeichen *** am 19.05.2018, um 10.50 Uhr, in der Gemeinde D, auf der A9, StrKm. ***, Richtung S, gelenkt hat. Am 20.06.2018 teilte die Zulassungsbesitzerin mit, dass die verlangte Auskunft von der G H GmbH, Fstraße, Z, erteilt werden könne. Mit Lenkerauskunft vom 22.06.2018 ersuchte die belangte Behörde die G H GmbH, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, in ihrer Funktion als Auskunftsperson für Lenkererhebungen schriftlich binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens bekanntzugeben, wer das Kraftfahrzeug (Anhänger, Kennzeichen ***), am 19.05.2018, um 10.50 Uhr, in der Gemeinde D, auf der A9, StrKm. ***, Richtung S, gelenkt hat. Die Lenkerauskunft blieb seitens der G H GmbH bislang unbeantwortet. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 14.05.2019 wurde der Beschwerdeführer bestraft, da er mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 22.06.2018 als Auskunftsperson für Lenkererhebungen aufgefordert wurde binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das verfahrensgegenständliche Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat und er diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt hat.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorliegenden Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde. Insbesondere ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Lichtbild, dass das Kennzeichen *** nicht auf einem Kraftfahrzeug, sondern auf einem Anhänger angebracht ist. Widersprechende Beweisergebnisse liegen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung:

§ 103 Abs 2 KFG in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl. I Nr. 40/2016 lautet wie folgt:

„Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.“

§ 103 Abs. 2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen; die aufgrund einer behördlichen Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 erteilte Auskunft darf daher weder in sich widersprüchlich noch unklar sein (vgl. E 26. März 2004, 2003/02/0213). Die Behörde wiederum hat bei einer Lenkererhebung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 unmissverständlich klarzustellen, ob die Anfrage sich auf das Lenken oder auf das Abstellen des Kraftfahrzeuges bezieht (vgl. E 26. Jänner 2007, 2006/02/0020). Es liegt somit an der Behörde, eine unmissverständliche Anfrage zu stellen und den Zulassungsbesitzer daher konkret entweder nach dem Lenken des Kraftfahrzeuges (bzw. nach dem Verwenden des Anhängers) oder nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges bzw. Anhängers zu fragen, sodass der Zulassungsbesitzer in die Lage versetzt wird, die Anfrage eindeutig zu beantworten.“ (VwGH vom 07.12.2016, Ra 2016/02/0165)

Im vorliegenden Fall wurde die G H GmbH als (die zuvor von der Zulassungsbesitzerin bekannt gegebene) Auskunftsperson aufgefordert, Auskunft darüber zu erteilen, „wer dieses Kraftfahrzeug“ (betroffenes KFZ: Anhänger) mit dem Kennzeichen *** zu einem bestimmten Tatzeitpunkt an einem näher genannten Ort „gelenkt“ hat.

Die Anfrage lautet damit unmissverständlich ausschließlich „nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges“ mit einem bestimmten Kennzeichen und nicht „nach dem Verwender eines Anhängers“.

Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 103 Abs 2 1. Satz KFG ergibt, hat sich aber die Anfrage hinsichtlich eines Anhängers darauf zu beziehen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt einen dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger verwendet hat.

Gemäß § 2 Z 1 KFG gilt als Kraftfahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist, auch wenn seine Antriebsenergie Oberleitungen entnommen wird.

Gemäß § 2 Z 2 leg. cit. gilt als Anhänger ein nicht unter Z 1 fallendes Fahrzeug, das nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, mit Kraftfahrzeugen auf Straßen gezogen zu werden, oder mit einem Kraftfahrzeug auf Straßen gezogen wird.

War die behördliche Anfrage nach § 103 Abs 2 KFG unmissverständlich nur auf den Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges gerichtet, so kommt eine allfällige Bestrafung des auskunftspflichtigen Zulassungsbesitzers bzw. der Auskunftsperson bzw. dessen zur Vertretung nach außen Berufenen nur dann in Betracht, wenn sich das von der Behörde dem Kennzeichen nach bestimmte Fahrzeug tatsächlich auch ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 2 Z 1 KFG bezieht.

Eine nicht dem Gesetz entsprechende Aufforderung kann die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftsverpflichtung des Zulassungsbesitzers bzw. des Auskunftspflichtigen im Sinne des § 103 Abs 2 KFG nicht auslösen (VwGH vom 14.05.1987, 87/02/0052 sowie vom 19.12.1997, 96/02/0569). Gerade die tatbestandsmäßige Differenzierung in § 103 Abs 2 1. Satz KFG zwischen dem Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges einerseits und dem Verwender eines dem Kennzeichen nach bestimmten Anhängers anderseits verpflichtet die Behörde jedenfalls eine der Art des verwendeten Fahrzeuges entsprechende Anfrage zu stellen. (Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vom 05.02.2020, LVwG-603519/2/MZ; Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vom 14.10.2019, LVwG-603229/2/KH/Mu; UVS Steiermark vom 02.09.1998, UVS 30.16-156/97-4; UVS Steiermark vom 22.02.1999, UVS 30.7-1/99-2)

Daraus ergibt sich, dass mit der Lenkeranfrage vom 22.06.2018 mangels Existenz eines Kraftfahrzeuges, das unter dem angefragten Kennzeichen zugelassen wurde, auch keine Auskunftspflicht des Beschwerdeführers ausgelöst wurde. Das angefochtene Straferkenntnis war bereits aus diesem Grund aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Lenkerauskunft, Zulassungsbesitzer, Auskunftspflicht, Auskunft differenziert nach Art des verwendeten Fahrzeuges

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.30.22.1145.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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