TE OGH 2022/4/27 9Ob14/22g

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Veröffentlicht am 27.04.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. H* T* und 2. S* T*, beide *, beide vertreten durch Dr. Christian Gamauf, Rechtsanwalt in Wien, wegen 191.754,58 EUR sA und Feststellung (Feststellungsinteresse: 6.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. November 2021, GZ 12 R 14/21y-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 23. November 2020, GZ 6 Cg 95/19d-21, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 4.021,92 EUR (darin 670,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit  2.896,68 EUR (darin 482,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]            Am 30. 7. 2016 veranstalteten die Beklagten eine Gartenparty mit etwa 30 bis 40 Gästen, darunter auch Kinder. Daher entschloss sich der Erstbeklagte aus hygienischen Gründen seinen Whirlpool nicht zu öffnen, sondern abgedeckt zu lassen, um eine Benutzung durch Kinder zu verhindern. Den Gästen stand die Benutzung des Swimmingpools und des Biotop-Schwimmteichs offen. Über Ersuchen des Gastes F* B* gestattete der Erstbeklagte diesem die Benutzung des Whirlpools. In der Folge erkrankte F* B* an einer Legionellen-Pneumonie, weil der Whirlpool mit Legionellen kontaminiert war.

[2]       Die Klägerin begehrte – zum Teil als Legalzessionarin (§ 332 ASVG) und zum Teil als Zessionarin – von den Beklagten als Solidarschuldner die Zahlung von 191.754,58 EUR sA. Daneben erhob sie ein auf die Haftung der Beklagten für künftige Schäden und Ansprüche aufgrund der am 7. 8. 2016 bei F* B* aufgetretenen Legionellen-Pneumonie gerichtetes Feststellungsbegehren samt Eventualfeststellungsbegehren. Zum Anspruchsgrund brachte die Klägerin ua vor, dass die Beklagten als Betreiber des Whirlpools für die eingetretenen Schäden wegen schuldhafter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten hafteten, weil sie die jedem Whirlpool-Besitzer zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung einer Kontamination des Whirlpools mit Legionellen unterlassen hätten. Hätten die Beklagten die Anweisungen im Betriebsmanual befolgt, wäre es nicht zum Schadenseintritt gekommen. Hätten die Beklagten den Abwasserschlauch nach Entleerung des Whirlpools wieder entfernt, hätte sich im Schlauch kein Biofilm gebildet, in dem sich die Legionellen vermehren hätten können. Außerdem hätten es die Beklagten unterlassen, den sich gebildeten Biofilm durch mechanische Behandlung, wie zB Abreiben mit einem gröberen Schwamm oder ähnlichem zu entfernen. Für eine derartige Reinigung schreibe das Betriebsmanual die Verwendung des Produkts „T*“, ein Spezialreinigungsschwamm aus Mineralfasern zum Entfernen von Schmutz auf Vinylwannen, vor. Die tatsächlich vorgenommene Reinigung der Poolwände bloß mit einem Putztuch und „A* Gel“ sei unzureichend gewesen. Zur Entfernung von Ablagerungen in den Düsen und Rohrleitungen vor dem Ablassen des Pools hätten die Beklagten entsprechend den Vorgaben des Betriebsmanuals das Reinigungsmittel „J* Clean“ verwenden müssen.

[3]       Die Beklagten bestritten jegliche Haftung und wendeten ein, dass der Erstbeklagte den Whirlpool laufend ordnungsgemäß entsprechend den ihm vom Verkäufer erteilten Instruktionen sowie gemäß dem Betriebsmanual betrieben und desinfiziert habe. Dabei habe er als Desinfektions- und Wasseraufbereitungsmittel jeweils dem Betriebsmanual entsprechende handelsübliche Produkte verwendet. Es mangle an einer objektiven wie auch subjektiven Vorwerfbarkeit des Schadens. Dass er den Wasserablaufschlauch nicht permanent am Auslass des Whirlpools anbringen hätte dürfen, sei dem Betriebsmanual nicht zu entnehmen. Zur Keimbeseitigung werde im Betriebsmanual ausdrücklich nur auf die Ausstattung des Pools mit einem Ozonator und auf die notwendige Desinfektion mittels Chlor, die sofort gegen Viren, Bakterien und Algen wirke, verwiesen. Die Beklagten hätten davon ausgehen dürfen (und seien davon ausgegangen), dass durch die Behandlung des Whirlpools mit dem Ozonator und durch Chlorierung keinerlei Gefahr einer Keimbildung bestanden habe. Der Spezialreinigungsschwamm „T*“ sei im Betriebsmanual nicht zur Pflege der Wanne vorgeschrieben. Ebenso wenig werde im Betriebsmanual darauf hingewiesen, dass die Verwendung eines bestimmten Schwamms gerade zur Vermeidung von Keimbildungen erforderlich sei. Auch enthalte das Betriebsmanual keinen Hinweis darüber, dass das Reinigungsmittel „J* Clean“ zur Verhinderung von Biofilmen, Schmutz oder dergleichen erforderlich wäre und dass die Unterlassung der Anwendung dieses Mittels die Bildung von Keimen fördern würde. Tatsächlich hätte selbst die Anwendung des Reinigungsmittels „J* Clean“ auch zu keiner Keimbefreiung geführt. Die Zweitbeklagte treffe keine Haftung, weil sie weder Eigentümerin des Whirlpools sei, noch dieses in ihrer Verfügungsgewalt stehe.

[4]       Das Erstgericht wies das Klagebegehren (nach Einschränkung des Verfahrens auf den Anspruchsgrund) ab. Dabei stellte es zusammengefasst fest:

[5]            Im Jahr 2008 erwarb der Erstbeklagte einen Whirlpool, der mit einem Ozonator ausgestattet ist. Dieser erzeugte Ozon, das bei Kontakt mit wasserbedeckten Materialien abgelagerte Schadstoffe oxidiert. Der Whirlpool wurde nahezu ausschließlich vom Erstbeklagten genutzt und gewartet. Die korrekte Funktion des Ozonators konnte von ihm anhand aufsteigender kleiner Luftbläschen im Whirlpoolwasser erkannt werden, wobei es niemals dazu kam, dass diese Bläschen nicht aufgestiegen wären.

[6]            Zusätzlich zu dieser Art der Desinfektion nahm der Erstbeklagte auch eine manuelle Desinfektion vor. Mittels Wasserteststreifen kontrollierte er zweimal wöchentlich nach Gebrauchsanweisung den ph-Wert, den Chlor-Wert und die Alkalinität des Wassers im Whirlpool. Je nach Ergebnis führte der Erstbeklagte dem Whirlpool Chlor oder frisches Wasser zu. Danach heizte er die Wassertemperatur über Nacht auf die Maximaltemperatur von 40° C auf. Am Folgetag senkte der Erstbeklagte die Wassertemperatur wieder auf 37° C. Anschließend kontrollierte er nochmals die Chlor- und ph-Werte.

[7]       Der Whirlpool verfügt auch über eine voreingestellte Regelung, die automatisch zweimal täglich für jeweils fünf Minuten die Jetpumpe einschaltet, sodass die Leitungen in die Wasserzirkulation integriert wurden.

[8]       Die erforderliche regelmäßige Entleerung des Whirlpools nahm der Erstbeklagte über einen Ablassschlauch vor, den er permanent mit dem Auslass des Whirlpools verbunden hatte und der in ein Rigol mündete. Nach jeder
– alle zwei Monate durchgeführten – Entleerung des Whirlpools führte er eine händische Reinigung des Whirlpools mit frischem Wasser, Schwamm, Putztuch und dem Poolreiniger „A*clean“ durch. Zusätzlich entfernte er die beiden waschbaren Filter und weichte sie in einem Kübel mit lauwarmem Wasser unter Zugabe von D*chlor für mindestens sechs Stunden ein. Sodann setzte er die Filter wieder ein, kontrollierte die Düsen des Whirlpools auf Kalkablagerungen oder Verschmutzungen und befüllte schlussendlich den Whirlpool wieder mit Wasser aus der Hauswasserleitung. Diese Art der Poolpflege entspricht der allgemeinen Vorgangsweise privater Whirlpoolbesitzer.

[9]            Im Laufe der Jahre begannen über den Ablassschlauch Bakterien bis in den Whirlpool zu wachsen. Idealer Nährboden für die Bakterien war ein Biofilm, welcher sich an der Wasseroberfläche bildete und mit Fließwasser alleine nicht zu entfernen war. Dieser anfangs im Ablassschlauch entstandene Biofilm ließ sich dort durch mechanische Behandlung, wie beispielsweise Abreiben mit einem groben Schwamm, nicht entfernen. Es waren auch andere Teile des Whirlpools, wie insbesondere die Rohrleitungen der Düsen, einer Reinigung nicht zugänglich. Der Bakterienbildung im Biofilm konnte auch der vorhandene Ozonator nicht entgegenwirken. Auch die Chlorierung des Wassers konnte die Bakterienbildung nicht verhindern.

[10]     Ein Befall des Whirlpools konnte aus technischer Sicht durch diese Reinigungsmaßnahmen nicht beseitigt werden. Selbst bei Entleerung des Whirlpools blieben bauartbedingt zirka 10 % der Wassermenge in den Rohrleitungen des Whirlpools zurück. Das Frischwasser wurde somit mit dem zurückbleibenden Wasser vermischt und die enthaltenen Bakterien durch Umpumpen gleichmäßig verteilt. Im Betriebsmanual wird auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der permanenten Anbringung eines Ablassschlauchs nicht eingegangen.

[11]     In seiner Beweiswürdigung hielt das Erstgericht ua fest: Der Sachverständigen wird auch in ihrer Einschätzung gefolgt, dass die geschilderte Reinigung und Wartung des Whirlpools den Vorgaben im Betriebsmanual entsprachen, eine Kontamination dadurch aber nicht verhindert werden konnte. Nach ihrer Darstellung wäre im Ergebnis ein gänzlich wirksamer Schutz vor den Bakterien nur durch eine, die Whirlpoolkonstruktion und die Zu- und Ableitungen zerlegende Reinigung möglich. Dies kann in Privathaushalten nicht durchgeführt werden.

[12]     Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Beklagten die notwendigen und zumutbaren Reinigungsarbeiten beim Whirlpool durchgeführt hätten. Ein objektiver Maßmensch in der konkreten Situation hätte davon ausgehen dürfen, dass bei einer Reinigung entsprechend den Vorgaben der Betriebsanleitung, insbesondere bei Desinfektion des Wassers durch Chlor und Ozonator, eine Gefahr der Infektion nicht bestehe. Die permanente Befestigung des Ablassschlauches am Auslass des Whirlpools stelle keinen Sorgfaltsverstoß dar, weil das Betriebsmanual eine solche permanente Verbindung nicht als unzulässig ansehe.

[13]     Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin das angefochtene Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

[14]     Es traf – basierend auf dem unstrittigen Inhalt des vorliegenden Betriebsmanuals – weitere Feststellungen zu den Punkten „Desinfektion“ und „Schaumbildung und Trübungen“ (letzterer beinhaltend Angaben zum Spezialreinigungsschwamm „T*“ im Kapitel „Wasseraufbereitung“) und zu den Punkten Wasserwechsel (beinhaltend Angaben zum Reinigungsmittel „J* Clean“) im Kapitel „Laufende Wartung des Pools“. Die Feststellung des Erstgerichts, dass der Erstbeklagte die Reinigung des Whirlpools auch mit einem „Schwamm“ durchführte, erachtete es als aktenwidrig. Diese Feststellung habe daher zu entfallen. Ebenso sei die Feststellung, dass sich an der „Wasseroberfläche“ ein Biofilm gebildet habe, aktenwidrig. Auf aktengetreuer Grundlage sei richtigerweise davon auszugehen, dass sich der Biofilm an der „Oberfläche des Whirlpools“ gebildet habe. Auch die Feststellung des Erstgerichts, dass die Art der Poolpflege des Erstbeklagten der allgemeinen Vorgangsweise privater Whirlpoolbesitzer entspreche, übernahm das Berufungsgericht nicht, weil nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen das Erstgericht davon ausgehe. Die vom Erstgericht in seiner Beweiswürdigung getroffenen und in der Berufung der Klägerin bekämpften Feststellungen zur Reinigung und Wartung des Whirlpools im Zusammenhang mit dem Schutz vor Bakterien, sei ergänzungsbedürftig, weil zum einen die im Zuge des Wasserwechsels zur Entfernung der Ablagerungen in den Düsen und Rohrleitungen vor dem Ablassen des Pools vorgesehene Anwendung mit dem Reinigungsmittel „J* Clean“ unterblieben, und zum anderen auch kein Abreiben der Oberflächen der Wanne mit einem gröberen Schwamm (in der Bedienungsanleitung werde hierzu die Verwendung des Spezialreinigungsschwamms „T*“ empfohlen), erfolgt sei. Letzteres habe die Sachverständige zur Entfernung eines sich bildenden Biofilms für erforderlich erachtet.

[15]     Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, dass das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass ein sorgfältiger Besitzer eines Whirlpools nicht erkennen habe müssen, dass von einem permanenten Belassen des Abflussschlauchs am Auslass trotz verschlossenem Auslassventil die Gefahr des Eindringens von Bakterien in den Whirlpool ausgehen könnte. Dennoch sei die Sache aber dem Grunde nach noch nicht spruchreif. Von einem sorgfältigen Whirlpoolbesitzer sei zu verlangen, dass die Vorgaben der Betriebsanleitung betreffend Reinigung und Wartung eingehalten werden. Auch wenn die Vorgaben betreffend die Anwendung des Reinigungsmittels „J* Clean“ zur Entfernung von Ablagerungen in den Düsen und Rohrleitungen und betreffend den Spezialreinigungsschwamm „T*“ zur Entfernung von Schmutz nicht im Kapitel „Desinfektion“ enthalten seien, müsse ein durchschnittlich sorgfältiger Whirlpoolbesitzer davon ausgehen, dass diese Reinigungsmaßnahmen auch aus hygienischen Gründen und damit zur Hintanhaltung nachteiliger gesundheitlicher Folgen vorzunehmen seien. Im fortgesetzten Verfahren werde mit der Sachverständigen zu erörtern und würden Feststellungen darüber zu treffen sein, ob die Kontaminierung des Whirlpools mit den gegenständlichen Bakterien im gesundheitsgefährdenden Ausmaß verhindert worden wäre, wenn im Zuge der regelmäßigen Wasserwechsel die in der Betriebsanleitung vorgesehene Anwendung mit dem Reinigungsmittel „J* Clean“ eingehalten und zur Reinigung der Wanne ein gröberer Schwamm, etwa der in der Betriebsanleitung angeführte Spezialschwamm „T*“, verwendet worden wäre. Da die Kausalität einer Unterlassung zu prüfen sei, seien an den von der Klägerin zu führenden Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen: Der Beweis sei schon gelungen, wenn die Kontaminierung des Whirlpools mit Legionellen in gesundheitsgefährdendem Ausmaß bei Anwendung der genannten Maßnahmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre.

[16]     Das Berufungsgericht ließ den ordentlichen Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss zu, weil die Frage, ob der Erwerber eines Whirlpools davon ausgehen müsse, dass die in der Betriebsanleitung enthaltenen Hinweise betreffend die Einhaltung einer bestimmten Prozedur zur Entfernung von Ablagerungen in den Düsen und Rohrleitungen und zur Reinigung der Wanne eines Whirlpools nicht nur der Langlebigkeit und Optik des Whirlpools, sondern auch hygienischen Gründen und damit der Hintanhaltung nachteiliger gesundheitlicher Folgen bei der Benützung des Whirlpools dienten, wenn diese Hinweise nicht im Kapitel „Desinfektion“ enthalten seien, in welchem im Wesentlichen nur die Anwendung von Chlorgranulat erläutert und auf eine zusätzliche Desinfektion durch einen wartungsfreien „Ozonator“ verwiesen werde. Diesen Fragen komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weil davon auszugehen sei, dass das hier gegenständliche Produkt mit derselben Betriebsanleitung an eine größere Anzahl von Kunden vertrieben worden sei.

[17]     Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das klagsabweisende Ersturteil wieder herzustellen. In eventu wurde die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht, hilfsweise an das Erstgericht beantragt.

[18]     Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung den Rekurs der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[19]     Der Rekurs ist zulässig und berechtigt, weil die Rekursentscheidung einer Korrektur bedarf.

[20]           1. Die Gefährdung absolut geschützter Rechte ist grundsätzlich verboten (RS0022946; 1 Ob 215/20d [Pkt 1.6] mwN). Aus diesem Verbot werden allgemeine Sorgfaltspflichten abgeleitet (RS0022946 [T10]). Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Vorhersehbarkeit der drohenden Gefahr voraus (RS0030035 [T12]; 9 Ob 29/21m [Rz 14]). Entscheidend ist, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle besteht (vgl RS0023487 [T6]), wobei es maßgeblich auf die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung (RS0022778 [T24]; RS0023487 [T7]) sowie auf die Größe der Gefahr und das Verhältnis zwischen den gefährdeten Interessen und den erforderlichen Abwehrmaßnahmen ankommt (RS0022778 [T5, T20]). Ihre Grenze hat diese Sicherungspflicht in dem dem Sicherungspflichtigen Zumutbaren (RS0022778 [T15]). Die Sorgfaltspflicht darf nämlich nicht überspannt werden und eine vom Verschulden unabhängige Haftung zur Folge haben (RS0022778 [T10, T11, T33]; vgl auch RS0023487).

[21]           2. Das Berufungsgericht hat die an die Erstbeklagten gestellten Anforderungen an deren Sorgfaltspflichten zur Reinigung des Whirlpools überspannt. Nach den Feststellungen hat der Erstbeklagte sämtliche Reinigungsmaßnahmen, wie sie im Kapitel „Die Wasseraufbereitung“ im Betriebsmanual des Whirlpools (Blg. /4) beschrieben sind, vollständig und immer zeitgerecht durchgeführt. In Punkt 4) dieses Kapitels des Betriebsmanuals, dessen Inhalt zwischen den Parteien unstrittig ist und daher auch der Entscheidung des Revisionsgerichts ohne weiteres zugrunde gelegt werden kann (RS0121557 [T2, T3]), finden sich nähere Angaben zur „Desinfektion“. Danach werden Desinfektionsmittel (ua Chlorgranulat, Ozondesinfektion mittels Ozonator) verwendet, um unter anderem die Bakterien- und Keimbildung im Wasser zu unterbinden. In Punkt 5) des Betriebsmanuals erhält der Whirlpoolbesitzer Hinweise zum Thema Schaumbildungen und Trübungen. Danach können auftretende Schaumbildung und Trübungen des Wassers auf ein schlecht desinfiziertes Wasser hinweisen. Schließlich wird ganz allgemein festgehalten: „T* – Spezialreinigungsschwamm aus Mineralfasern zum Entfernen von Schmutz auf Vinylwannen“. Ein Hinweis darauf, dass ein Whirlpoolbesitzer einen speziellen Schwamm bzw gerade diesen bestimmten Schwamm verwenden muss, um einer (weiteren) Keimbildung vorzubeugen und die Wanne nicht auch mit einem Putztuch, wie es der Erstbeklagte verwendet hat, von Schmutz gereinigt werden kann, findet sich im Betriebsmanual nicht. Punkt 6) beschreibt zahlreiche Probleme und mögliche Ursachen bei Wasserproblemen, ein Hinweis auf eine mögliche Kontamination des Wassers mit Legionellen findet sich aber weder hier noch sonst irgendwo im Kapitel „Die Wasseraufbereitung“.

[22]           Im Kapitel „Laufende Wartung des Pools“ wird ua der erforderliche Wasserwechsel (Punkt 1) beschrieben, daneben finden sich auch mehrere Pflegehinweise betreffend die Polster, die Düsen, die Filter, die Außenverkleidung, die Acrylwanne und die Abdeckung. Im Punkt Wasserwechsel wird – wiederum ganz allgemein – das Reinigungsmittel „J* Clean“ erwähnt. Dieses soll vor dem Ablassen des Whirlpools verwendet werden und Ablagerungen in den Düsen und Rohrleitungen entfernen. Darauf, dass dieser Reinigungsschritt (unter Verwendung des speziellen Reinigungsmittels „J* Clean“) unbedingt erforderlich ist, um neben den im Kapitel Wasseraufbereitung beschriebenen Maßnahmen eine Bakterien- und Keimbildung, insbesondere von hochgefährlichen Legionellen, zu verhindern, wird nicht hingewiesen.

[23]           3. Mögen die Beklagten auch weder einen gröberen Schwamm oder den Schwamm „T*“ zur Reinigung der Wanne verwendet haben, noch den Wartungsschritt im Zusammenhang mit dem Reinigungsmittel „J* Clean“ durchgeführt haben und hätten diese Unterlassungen allenfalls die Kontaminierung des Wassers mit Legionellen verhindern können, so haben die Beklagten alleine dadurch noch nicht ihre objektiv gebotene Sorgfalt verletzt, weil ihnen die drohende Gefahr der Kontamination des Wassers mit Legionellen nicht voraussehbar sein musste. Ein maßgerechter Mensch in der Lage der Beklagten, die grundsätzlich nur selbst das Whirlpool benutzten und nicht planten, es den Gästen ihrer Gartenparty zur Verfügung zu stellen, durfte aufgrund des Betriebsmanuals davon ausgehen, dass die vom Erstbeklagten laufend durchgeführte Reinigung und Wartung des Whirlpools einer Bakterienbildung vorbeugt bzw allenfalls dennoch gebildete Keime und Bakterien abgebaut werden. Die Beklagten haben keine Reinigungs- oder Wartungsmaßnahmen unterlassen, auf deren Wichtigkeit im Betriebsmanual im Zusammenhang mit der Bildung von Keimen und Bakterien, insbesondere den besonders gesundheitsgefährlichen Legionellen, hingewiesen worden wäre (vgl 7 Ob 244/09x).

[24]           4. Entgegen der Rechtsansicht der Rekursbeantwortung ist den Beklagten auch kein Sorgfaltsverstoß im Zusammenhang mit der permanenten Befestigung des Ablassschlauchs am Auslass des Whirlpools anzulasten. Wie das Berufungsgericht insofern zutreffend ausführt, enthält das Betriebsmanual keinen Hinweis darauf, dass nach dem Ablassen des Wassers unbedingt der Schlauch wieder entfernt und der Schraubverschluss am Schlauchanschluss wieder angebracht werden müsse. Ein sorgfältiger Besitzer eines Whirlpools musste nicht erkennen, dass von einem permanenten Belassen des Abflussschlauchs am Auslass die Gefahr des Eindringens von Bakterien in den Whirlpool ausgehen könnte, weil der Abfluss – wenn nicht gerade im Zuge des Wasserwechsels das Wasser ausgelassen wurde – durch Verschließen des Auslassventils ohnedies gänzlich wieder verschlossen war.

[25]     Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und zufolge Spruchreife durch Endurteil in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen klagsabweisenden Urteils zu entscheiden (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

[26]     Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E134954

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00014.22G.0427.000

Im RIS seit

02.06.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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