TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/10 95/02/0446

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Veröffentlicht am 10.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §103 Abs2;
ZustG §16 Abs1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. April 1995, Zl. UVS-03/21/04337/94, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 1995 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 8. März 1994, zugestellt am 17. März 1994, innerhalb der Frist von zwei Wochen darüber Auskunft zu erteilen, wer ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kfz am 18. Dezember 1993 um 10.50 Uhr an einer näher bezeichneten Kreuzung in Niederösterreich gelenkt habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, die belangte Behörde führe in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, das Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (offenbar gemeint: die an den Beschwerdeführer gerichtete Lenkerauskunft) sei laut Auskunft des Postamtes 1052 Wien vom Beschwerdeführer am 23. März 1994 behoben worden.

Gemäß § 3 Zustellgesetz sei die unzulässige Aushändigung der "Lenkeranfrage" dieser Behörde an den Sohn des Beschwerdeführers der Bezirkshauptmannschaft zuzurechnen. Die Behebung dieses Schriftstückes am 23. März 1994 stelle daher keine rechtswirksame Zustellung an den Beschwerdeführer dar. Die Heilung dieses schwerwiegenden Zustellmangels sei gemäß § 7 Zustellgesetz erst am 21. April 1994, dem Tag, als der Sohn des Beschwerdeführers letzterem dieses Schriftstück anläßlich eines Besuches im Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Wien überbracht habe, erfolgt. Gerechnet ab diesem Datum hätte die Frist folglich erst am 5. Mai 1994 geendet. Der Beschwerdeführer habe bereits in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung (vom 19. Mai 1994) den wahren Sachverhalt aufgeklärt. Er sei aufgrund seines Einspruches vom 15. Juni 1994 im Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Wien einvernommen und das Ergebnis dieser Einvernahme in einer Niederschrift festgehalten worden. Die belangte Behörde habe das Straferkenntnis ohne Überprüfung des vom Beschwerdeführer angeführten entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bestätigt, weshalb der Bescheid rechtswidrig sei.

Schon mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG ist die Auskunft unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen. Der Beschwerdeführer wies bereits in seinem "Einspruch gegen die Strafverfügung vom 19. April 1994" unmißverständlich darauf hin, daß er am 3. März 1994 festgenommen worden sei und sich seit diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft befunden habe. Es sei ihm die "Aufforderung zur Lenkerauskunftserteilung" am 21. APRIL 1994 "ausgehändigt" worden. Allein schon dieser Hinweis mußte die belangte Behörde zu weiteren Ermittlungen veranlassen, wenn diese - offenbar gestützt auf eine dem Parteiengehör nicht unterzogene anderslautende Auskunft des Postamtes 1052 Wien - von einer Behebung der Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG durch den Beschwerdeführer am 23. März 1994 ausging. Darüberhinaus hätte die belangte Behörde aufgrund der den Akten zuliegenden Niederschrift einer Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigter vom 15. Juni 1994 ersehen können, daß diese im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Wien stattfand und somit ein deutliches Indiz für die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers vorlag, daß sich dieser tatsächlich in Untersuchungshaft befunden habe.

Auch aus der offenbar als "Berufung" gewerteten Eingabe des Beschwerdeführers vom 12. September 1994 wäre für die belangte Behörde ersichtlich gewesen, daß der Beschwerdeführer nochmals auf die "Strafhaft" sowie auf nähere Umstände der Abwicklung der Lenkerauskunft durch den Beschwerdeführer "sofort nach Erhalt" (offenbar gemeint: nach Übergabe des Schriftstückes durch dessen Sohn) hinwies.

Die belangte Behörde begnügte sich jedoch ohne nähere Begründung - offenbar in der irrigen Meinung, der Beschwerdeführer habe das behördliche Schriftstück am 23. März 1994 selbst beim Postamt 1052 Wien behoben - mit der Feststellung, die Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine Festnahme am 3. März 1994, die anschließende Untersuchungshaft und die Aushändigung des behördlichen Schreibens am 21. April 1994 seien "unzutreffend". Damit hat die belangte Behörde die sich aus § 37 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ergebende Verpflichtung zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes verletzt.

War aber der Beschwerdeführer am 17. März 1993, dem von der belangten Behörde durch Ergänzung des Spruches des erstinstanzlichen Strafbescheides angenommenen Tag der Zustellung der Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG, bereits in Untersuchungshaft und daher zwangsläufig von der Abgabestelle in Anbetracht der Haftdauer nicht nur vorübergehend abwesend, so war auch die durch Hinterlegung erfolgte Zustellung dieses Schriftstückes unwirksam. Die - offenbar unzulässigerweise an den Sohn des Beschwerdeführers - am 23. März 1994 erfolgte Aushändigung des behördlichen Schriftstückes durch das Postamt 1052 Wien vermag daran nichts zu ändern.

Sohin hat es die belangte Behörde unterlassen, den für den Tatvorwurf maßgebenden Sachverhalt festzustellen und ein dem Gesetz entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Es ist daher nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenvorschreibung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995020446.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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