TE OGH 2022/3/30 8Ob8/21s

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* M*, vertreten durch Ing. DDr. Hermann Wenusch, Rechtsanwalt in Rekawinkel, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, vertreten durch Doschek Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 210.000 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. November 2020, GZ 11 R 151/20m-51, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Revision des Klägers

[1]            Nach der Rechtsprechung gelten die Bestimmungen des § 877 ABGB für alle nichtigen Verträge, auch für solche, die wegen Wuchers nichtig sind (RIS-Justiz RS0016327 [T3]). Gemäß § 877 ABGB hat jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus einem Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat. Stehen beiden Teilen Rückforderungsansprüche zu, so brauchen diese nur Zug um Zug erfüllt zu werden (RS0016321).

[2]            Die in der außerordentlichen Revision des Klägers vertretene Auffassung, seine auf grundbücherliche Löschung der Beklagten und Wiederherstellung der Eintragung seines Eigentumsrechts gerichtete Klage diene nur der Berichtigung des Grundbuchs und sei nicht auf Rückübertragung des bezughabenden Grundstücks gerichtet, ist unzutreffend.

[3]            Die Löschungsklage ist zwar eine im Grundbuchgesetz geregelte grundbuchrechtliche Klage, setzt aber voraus, dass als Vorfrage die Ungültigkeit des Titels, der zur Eintragung führte, geklärt werden muss. Das Begehren auf Löschung und Wiederherstellung des früheren Buchstandes beinhaltet materiellrechtlich nicht nur eine Berichtigung des Grundbuchs, sondern die Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts, nämlich die Rückstellung der erhaltenen Leistung, die als Übergabemodus bei Liegenschaften durch Löschung des Eingetragenen und Wiederherstellung des früheren Buchstandes erfolgt (6 Ob 651/93). Die Rückstellung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft kann – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – nur durch die bücherliche Einverleibung erfolgen.

[4]            Diese Rechtsprechung verkennt die Revision. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 651/93 lag ein Verfahren zwischen den Parteien des nichtigen Kaufvertrags zugrunde. Im vorliegenden Verfahren ist dagegen die Unwirksamkeit des ersten, nie verbücherten Kaufvertrags nur eine Vorfrage für den geltend gemachten Anspruch auf Rückabwicklung des zweiten Kaufvertrags gegen die Beklagte, die aufgrund der Sprungeintragung die nachfolgende bücherliche Eigentümerin ist. Im Vorverfahren gegen die erste Käuferin wurde über die Wirksamkeit des Erwerbstitels der hier Beklagten nicht entschieden. Erst durch die hier gegenständliche Klage soll auch der Erwerbstitel der Beklagten beseitigt und als Ergebnis das Eigentum an der Liegenschaft an den Kläger rückübertragen werden.

[5]            Der wegen Ungültigkeit des der Eintragung zugrunde liegenden Titels zur Herausgabe der Liegenschaft Verpflichtete kann gemäß § 877 ABGB nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen einwenden, nur Zug um Zug gegen Rückstellung alles dessen verpflichtet zu sein, was der Löschungskläger aus dem ungültigen Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat (6 Ob 651/93; siehe auch 3 Ob 113/19t). Dies wurde hier abgetreten.

[6]            Die Revision verweist schließlich auf die Entscheidung 4 Ob 516/96, in der der Löschungsanspruch eines aufgrund eines Enteignungsverfahrens Servitutsverpflichteten wegen Wegfalls des Titels für die bekämpften Grundbuchseintragungen unabhängig davon bejaht wurde, dass er die seinerzeit erhaltenen Entschädigungsbeträge noch nicht zurückgezahlt hatte. Dazu ist festzuhalten, dass die Grundlage der in jenem Verfahren bekämpften Eintragungen kein bürgerliches Rechtsgeschäft war, sondern ein Bescheid in einem Verwaltungsverfahren nach den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes. Die Aufhebung jenes Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führte dazu, dass das Verwaltungsverfahren in die Lage zurücktrat, in der es sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, derzufolge die im Verwaltungsverfahren zu klärende (allfällige) Pflicht zur Rückzahlung der Enteignungsentschädigung nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zur bücherlichen Berichtigung steht, ist für den vorliegenden Sachverhalt, in dem der Kläger die Unwirksamkeit des der Eigentumseinverleibung der Beklagten zugrundeliegenden zivilrechtlichen Erwerbstitels nachweisen musste, nicht einschlägig.

[7]            Die Revisionsausführungen zeigen daher insgesamt keine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[8]            2. Revision der Beklagten

[9]            2.1. Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Vorinstanzen seien hinsichtlich der Möglichkeit eines gutgläubigen Liegenschaftserwerbs bei grundbücherlicher Sprungeintragung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen.

[10]           Auch der in der Revision zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 113/19t lag die bücherliche Einverleibung des Eigentums der Beklagten aufgrund eines Kaufvertrags zugrunde, den sie mit einer zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht verbücherten Verkäuferin geschlossen hatte. Ein guter Glaube an die Gültigkeit der bestrittenen Einverleibung iSd § 63 Abs 2 GBG, also auf einen bestimmten Grundbuchstand, wurde in dieser Entscheidung gerade deswegen verneint (3 Ob 113/19t JBl 2020, 106 [Holzner]; Kodek, Grundbuchsrecht, § 63 Rz 9; vgl auch 4 Ob 523/92 mwN). Der Umstand, dass in jenem Verfahren im selben Grundbuchsgesuch zunächst die Einverleibung der Verkäuferin und unmittelbar anschließend jene der Käuferin beantragt worden war, also von der Möglichkeit einer vereinfachten Eintragung nach § 22 GBG kein Gebrauch gemacht wurde, spielt für das rechtliche Ergebnis keine Rolle.

[11]           2.2. Die Einfügung einer vom Beklagten beantragten Zug-um-Zug-Verpflichtung der klagenden Partei durch das Gericht ist dann unzulässig, wenn die klagende Partei die Erbringung der Gegenleistung endgültig verweigert hat. Die bloße Bestreitung der von der Beklagten behaupteten Forderung ist aber nicht als endgültige Weigerung anzusehen, eine dann vom Gericht als zu Recht bestehend erkannte Forderung zu zahlen (RS0020973 [T10]).

[12]           Mit der Einwendung, dass die Abtretung der Zug-um-Zug-Forderung an die Beklagte nicht rechtswirksam gewesen sei, wird genausowenig eine endgültige Verweigerung der Gegenleistung ausgedrückt wie mit einer Bestreitung der Forderung der Höhe nach. Diese Einwände werden mit der Rechtskraft des Urteils geklärt und beseitigt.

[13]     Auch die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Textnummer

E134745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00008.21S.0330.000

Im RIS seit

13.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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