TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/22 95/21/0104

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Veröffentlicht am 22.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54;
StGB §223;
StGB §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des I in Kitzbühel, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Jänner 1995, Zl. III 129-1/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß sich der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin und seinem minderjährigen Kind seit November 1991 in Österreich aufhalte. Am 8. Jänner 1992 habe der Betreiber des Gasthauses "C" in Kitzbühel für den Beschwerdeführer beim Arbeitsamt Kitzbühel eine Beschäftigungsbewilligung beantragt, wobei dem Antrag ein gefälschter, "jugoslawischer" Qualifikationsnachweis (Diplom) samt beglaubigter Übersetzung angeschlossen gewesen sei; danach sei der Beschwerdeführer ein Facharbeiter (Kellner) gewesen. Das Arbeitsamt Kitzbühel habe für den Beschwerdeführer die beantragte Beschäftigungsbewilligung erteilt. Daraufhin habe der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel die Erteilung eines Sichtvermerkes unter Hinweis auf die Beschäftigungsbewilligung beantragt. Dem Beschwerdeführer seien in der Folge Sichtvermerke und weitere Beschäftigungsbewilligungen erteilt worden.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. Dezember 1992 sei der Beschwerdeführer wegen der Vorlage des gefälschten "Diploms" am 8. Jänner 1992 beim Arbeitsamt Kitzbühel wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB mit einer bedingten Geldstrafe belegt worden.

Das Verhalten des Beschwerdeführers, der im Wege des Betreibers des genannten Gasthauses dem Arbeitsamt Kitzbühel gegenüber durch die Vorlage eines gefälschten Diploms wider besseres Wissen unrichtige Angaben gemacht habe, um die Aufstellung einer Beschäftigungsbewilligung zu erreichen, und der sich auf der Grundlage einer solcherart erschlichenen Beschäftigungsbewilligung eine Aufenthaltsbewilligung (in Form eines Sichtvermerkes) verschafft habe, sei zwar nicht dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG zu unterstellen, es sei aber ein nicht weniger verwerfliches Verhalten. Unter Zugrundelegung dieses Gesamtfehlverhaltens sei die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Die Beeinträchtigungen der Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie durch das Aufenthaltsverbot müßten angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden, aus seinem Vorleben erschließbaren großen Gefahr für die öffentliche Ordnung, in den Hintergrund treten.

Aufgrund des in Rede stehenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sei bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, die von der belangten Behörde für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Gründe seien in Wahrheit nicht ausreichend.

Dem ist vorerst entgegenzuhalten, daß es keinen rechtlichen Bedenken begegnet, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0149, m.w.N.).

Zu Recht hat die belangte Behörde das unstrittige Verhalten des Beschwerdeführers, der dem Arbeitsamt eine gefälschte Urkunde über seine beruflichen Fähigkeiten vorlegte, um die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung zu erreichen, und der sich auf der Grundlage der solcherart erschlichenen Bewilligung eine Aufenthaltsberechtigung (im Wege der Erteilung eines Sichtvermerkes) verschaffte, als nicht weniger verwerflich als ein dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG subsumierbares Verhalten beurteilt. Unter Zugrundelegung dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die weitere Annahme der belangten Behörde, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde (§ 18 Abs. 1 leg. cit.) nicht rechtswidrig (vgl. auch hiezu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 27. September 1995, und das vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0377). Der Umstand, daß das Strafgericht die verhängte Geldstrafe bedingt nachgesehen hat, spricht nicht dagegen, weil die Fremdenpolizeibehörde die Voraussetzungen des Aufenthaltsverbotes ohne Bindung an die vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht aus fremdenrechtlichen Gesichtspunkten eigenständig zu beurteilen hat. Auch daß zwischen dem dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Fehlverhalten und der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von knapp drei Jahren verstrichen war, macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig.

Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und insoweit zulässig.

Die belangte Behörde hat die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer aber auch auf dem Boden des § 20 Abs. 1 FrG nicht zu Unrecht bejaht. Sie hat hiebei die zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände berücksichtigt. Dem verhältnismäßig kurzen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Familie im Bundesgebiet, der auf seine rechtswidrige Vorgangsweise zurückzuführen ist, wurde zu Recht keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Wenn also die belangte Behörde die Auffassung vertrat, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, kann ihr im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Der Beschwerdeführer kann seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Familie auch aus einem anderen Land nachkommen. Daß die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang nicht auf allfällige Nachteile (welcher Art auch immer) Bedacht nahm, die dem Beschwerdeführer durch eine Abschiebung in sein Heimatland erwachsen könnten, kann ihr nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, weil dieser Umstand für die Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes (das ausschließlich den Verlust der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers in Österreich bewirkt) rechtlich irrelevant ist. Derartige Umstände sind nämlich nicht bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 18 bis 21 FrG, sondern bei der Beurteilung gemäß den §§ 36 Abs. 2, 37 und 54 FrG von Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0377).

Soweit der Beschwerdeführer die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes bekämpft, ist er im Recht: Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Daß aufgrund des in Rede stehenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes das Verstreichen von zehn Jahren (der gesetzlichen Höchstdauer gemäß § 21 Abs. 1 FrG) vonnöten sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof angesichts des Umstandes, daß das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Fehlverhalten knapp drei Jahre zurückliegt und seines seitherigen Wohlverhaltens nicht zu erkennen. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß die Umsatzsteuer in dem Pauschalbetrag enthalten ist und Stempelgebühren nur im Ausmaß von S 480,-- (Beschwerde dreifach a S 120,--, Bescheid zweifach a S 60,--) erforderlich waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210104.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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