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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Y in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1995, Zl. 4.343.793/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 18. Oktober 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. Oktober 1993 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Dezember 1993 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer, welcher geistig schwerst behindert und taubstumm ist, gab durch seine zum Zeitpunkt der Einvernahme zum einstweiligen Sachwalter bestellte Schwester vertreten an: Er habe sich in der Heimat nie politisch betätigt, sei nicht vorbestraft und werde von den Behörden der Heimat nicht gesucht. Er sei in der Heimat allein gewesen. Die Eltern seien verstorben, die Geschwister befänden sich in Österreich und Deutschland. Seine Schwester M habe eine zeitlang monatlich S 500,-- an Bekannte in der Türkei geschickt, damit sie den Beschwerdeführer versorgten. Er leide seit seinem dritten Lebensjahr an Meningitis. Im August 1993 sei er schwer krank geworden und im Koma gelegen. Die Bekannten hätten ihn nicht zum Arzt gebracht, weil sein Fall hoffnungslos sei, weil sie meinten, er sei geistig behindert und wenn er sterben sollte, so sei das eben sein Schicksal. Der Beschwerdeführer sei auch jetzt krank, esse nichts und leide an Verstopfung. Seine Schwester habe ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen, um ihn zu pflegen. Ihr Gatte sei zur Zeit arbeitslos. Zusammen sorgten sie für den Unterhalt des Beschwerdeführers. Die Geschwister würden helfen, aber nicht ausreichend. Die meisten seien arbeitslos und hätten viele Kinder. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland nicht verlassen, weil er verfolgt worden sei. M suche nach einer Hilfe für ihren Bruder, das sei alles. Die Geschwister kümmerten sich nicht, sie hätten nur gemeint, daß sie selbst Probleme hätten und daß der Beschwerdeführer hätte zu Hause bleiben sollen.
Die gegen die abweisende Entscheidung der ersten Instanz von der einstweiligen Sachwalterin erhobene Berufung hat folgenden Wortlaut:
"Aufgrund ihres Bescheides, in dem der Antrag um Gewährung von Asyl für Herrn Y, vom 20.10.93, abgewiesen wurde, lege ich Berufung ein."
Der von der belangten Behörde hierauf erlassene Bescheid vom 7. Jänner 1994 wurde durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0246, infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94, aufgehoben.
Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch den vom Bezirksgericht St. Pölten bestellten Vormund (gemäß Art. 355 Abs. 1 türkisches BGB), Rechtsanwalt Dr. K, mittels Manuduktionsschreiben, zugestellt am 22. Februar 1995, die Möglichkeit ein, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz zu relevieren.
In Beantwortung dieses Schreibens verwies der Beschwerdeführer auf die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Jänner 1994. In dieser hatte der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel nur gerügt, daß "die belangte Behörde, aber auch das Bundesasylamt Traiskirchen, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß von meiner Schwester als einstweilige Sachwalterin angegeben wurde, daß ich der Volksgruppe der Kurden angehöre, in dieser Richtung auch ein Ermittlungsverfahren hätte durchführen müssen". Darauf gestützt bringt der Beschwerdeführer sinngemäß vor, er werde deshalb in asylrechtlich relevanter Weise verfolgt, weil ihm der türkische Staat die notwendige Hilfe, die er aufgrund seiner Behinderung benötigte, verweigere.
Die belangte Behörde erließ darauf den angefochtenen (Ersatz-)Bescheid.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrags geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112). Da im erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers jeglicher Hinweis auf eine durch den Staat drohende Verfolgung fehlt, aufgrund des Umstandes, daß er Kurde ist, waren bereits deshalb Ermittlungen zur Situation der Kurden in der Türkei nicht anzustellen.
Das erstinstanzliche Vorbringen enthält auch keinen Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer versucht hätte, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, und diese nicht erhalten zu haben. Sein Vorbringen erschöpft sich ausschließlich darin, daß die bisher durch Bekannte erfolgte Pflege nicht mehr ausgereicht habe. Es bestand daher auch kein Anlaß, zu ermitteln, ob und in welcher Form dem Beschwerdeführer staatliche Hilfe zuteil wurde oder nicht.
Damit ging die belangte Behörde zutreffend gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 vom Ermittlungsergebnis erster Instanz aus, zumal auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 nicht vorliegen.
Infolgedessen gehen die, auf die Verweigerung staatlicher Hilfe für den Beschwerdeführer gestützten Rechtsausführungen des Beschwerdeführers ins Leere.
Die belangte Behörde ist daher im Recht, wenn sie aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers (teils in Übernahme des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides, teils aufgrund ergänzender Ausführungen) zum Schluß gelangt, daß der Beschwerdeführer keiner asylrechtlich relevanten Verfolgung im Heimatland ausgesetzt war.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200225.X00Im RIS seit
20.11.2000