TE Lvwg Beschluss 2021/11/4 VGW-031/062/14808/2021

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Entscheidungsdatum

04.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §7
ZustG §17

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 29.6.2021, GZ: VStV/.../2020, betreffend Kraftfahrgesetz (KFG), folgenden

BESCHLUSS

I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I. Maßgeblicher Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 29.6.2021 zur GZ: VStV/.../2020 wurde über den Beschwerdeführer wegen des Verstoßes nach § 103 Abs. 2 KFG eine Geldstrafe iHv 500,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) gemäß § 134 Abs. 1 KFG verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde in D., E.-gasse hinterlegt und war ab 5.7.2021 auf der Post, Geschäftsstelle D., abholbereit. Das Straferkenntnis vom 29.6.2021 wurde nicht behoben.

Der Beschwerdeführer war von 15.6.2021 – 2.8.2021 in Deutschland aufhältig.

Der Beschwerdeführer erfuhr durch die Mahnung vom 5.9.2021 zur GZ: VStV/.../2020 erstmals von der Verhängung der Geldstrafe iHv 500,- Euro.

Mit E-Mail vom 15.9.2021 legte er Beschwerde ein und teilte mit, dass er damals keinen Brief erhalten habe, da er im Ausland auf Urlaub gewesen sei.

Die belangte Behörde erließ keine Beschwerdevorentscheidung und legte den Verfahrensakt samt Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien vor (ha. eingelangt am 14.10.2021).

Mit Schreiben vom 18.10.2021 forderte das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer auf, entsprechende Nachweise für seinen behaupteten Auslandsaufenthalt vorzulegen.

Mit den E-Mails vom 27.10.2021, 28.10.2021 und 3.11.2021 übermittelte der Beschwerdeführer Nachweise für seinen Aufenthalt in Deutschland.

II. Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht Wien hat Einsicht genommen in den Behördenakt und das Beschwerdevorbringen in Zusammenhalt mit den übermittelten Nachweisen gewürdigt.

Die Feststellungen zum Straferkenntnis, dessen Hinterlegung und der Nichtbehebung ergeben sich aus der Zustellübersicht der Behörde, die das Straferkenntnis mittels Rsb-Brief an den Beschwerdeführer übermittelte.

Es ist Sache dessen, dem gegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, den Gegenbeweis der Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung zu führen und Bescheinigungsmittel vorzulegen (vgl. OGH 2.6.1993, 3Ob 48/93; VwGH 23.11.2016, 2013/05/0175).

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland von 15.6.2021 – 2.8.2021 beruhen auf seiner Angabe in der Beschwerde vom 15.9.2021 in Zusammenhalt mit den übermittelten Einzelgesprächsnachweisen des Mobiltelefons des Beschwerdeführers für Juli und August 2021, aus denen ersichtlich ist, dass sich der Beschwerdeführer in Deutschland aufgehalten hat. Zudem legte der Beschwerdeführer einen Covid-19 Impfnachweis vor, wonach er am 1.7.2021 und 16.7.2021 in Berlin geimpft wurde.

Dass der Beschwerdeführer erst mit der Mahnung vom 5.9.2021 von der Verhängung der Geldstrafe gegen ihn erfahren hat, ist daher nachvollziehbar, zumal das Straferkenntnis auch nie behoben wurde oder sonst in seine Verfügungsgewalt gelangte.

III. Rechtsvorschriften

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz – ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 5/2008, lauten auszugsweise wie folgt:

Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

IV. Rechtliche Beurteilung

Eine vorübergehende Abwesenheit, welche die Anwendung des letzten Satzes des § 17 Abs. 3 ZustG nach sich ziehen würde, liegt nur dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert ist, Zustellvorgänge im Bereich des Zustellortes wahrzunehmen, wie z.B. im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes (vgl. VwGH 20.9.2001, 2001/11/0130; VwGH 19.1.1995, 94/09/0248).

Die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag ist nur dann wirksam, wenn dieser innerhalb der Abholfrist liegt, wobei der Beginn und die Dauer der Abholfrist in der Verständigung über die erfolgte Hinterlegung anzugeben ist (VwGH 12.10.1984, 84/02/0210; OGH 28.2.2012, 8Ob 12/12s, wonach es genügt, wenn ein voller Tag der Behebungsfrist übrig ist).

Im vorliegenden Fall kehrte der Beschwerdeführer jedoch erst nach dem 19.7.2021 (Ende der Abholfrist) und somit außerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurück, sodass eine Heilung gemäß § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG nicht erfolgte (vgl. VwGH 27.8.1990, 89/15/0139).

Anhaltspunkte, dass eine Heilung nach § 7 ZustG eingetreten wäre, haben sich im vorliegenden Fall keine ergeben, zumal das Straferkenntnis nie behoben wurde und der Beschwerdeführer von der Verhängung der Gelstrafe erst mit der Mahnung vom 5.9.2021 erfahren hat.

Daher wurde das Straferkenntnis vom 29.6.2021 bis dato noch nicht rechtswirksam erlassen, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 18.4.1989, 88/11/0272).

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Verhandlung hier entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Zustellung; Heilung; Hinterlegung; Abwesenheit von der Abgabestelle; Abholfrist; Rückkehr außerhalb der Abholfrist; Erlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.062.14808.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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