TE OGH 2022/1/25 8Ob138/21h

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.-Ing. T*, 2. Dr. C*, 3. A*, 4. Dr. M*, 5. Verlassenschaft nach S*, 6. R*, sämtliche vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl.-Ing. P*, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. Oktober 2021, GZ 38 R 142/21w-51, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       1. Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt der Erwerber des Unternehmens gemäß § 12a Abs 1 Satz 1 MRG anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. Als Veräußerung des Unternehmens im Sinn des § 12a Abs 1 MRG gilt insbesondere auch die Einbringung eines Einzelunternehmens als Sacheinlage in eine GmbH (RIS-Justiz RS0080870; RS0113530 [T1]).

[2]       § 12a Abs 1 MRG normiert einen bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen ex lege eintretenden Vertragsübergang, der grundsätzlich die gesamte Vertragsstellung mit allen Nebenrechten und Nebenpflichten, mit der Zuständigkeit zur Empfangnahme und Abgabe von Gestaltungserklärungen sowie mit der aktiven und passiven Legitimation zur Geltendmachung anderer Rechte aus dem Mietverhältnis umfasst (RS0074432). Die Anzeigepflicht nach § 12a Abs 1 Satz 2 MRG stellt nach ständiger Rechtsprechung eine bloße Ordnungsvorschrift dar, deren Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen kann, aber nichts an der Wirksamkeit des Vertragsübergangs und damit auch nichts an dessen weiteren Rechtsfolgen ändert (vgl RS0079159).

[3]       2. Nach den Feststellungen mietete der Beklagte von den Klägern im Jahr 1999 laut § 1 Punkt 2 des Mietvertrags eine Lagerhalle zum „Geschäftszweck“ „Lagerzwecke“. Im Jahr 2008 brachte er sein Einzelunternehmen in die P* GmbH ein. Er ersuchte mit Schreiben vom 27. 6. 2008 die Hausverwaltung die Mietzinsvorschreibungen fortan an diese GmbH zu richten, was diese auch tat.

[4]            Davon ausgehend nahm das Berufungsgericht einen Mietrechtsübergang ex lege an und verneinte im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung die Passivlegitimation des Beklagten. Ergänzend verwies es darauf, dass die Bezeichnung des Mieters im (von den Klägern vorgelegten) Mietvertrag auf „Ingenieur-Büro G*, Geschäftsführer: Dipl.-Ing. P*“ lautet.

[5]            3. Die Kläger wenden sich unter den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, sie hätten sich selbst darauf berufen, dass der Beklagte die Lagerhalle zu geschäftlichen Zwecken angemietet habe, und der Einwand der mangelnden Passivlegitimation sei von ihnen „im Rahmen der Urkundenerklärung“ nicht konkret bestritten worden. Dabei unterstellen sie, das Berufungsgericht wäre (ohne Beweiswiederholung) von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen. Tatsächlich hat das Berufungsgericht aber insoweit nur das Vorbringen der Kläger ausgelegt. Die unrichtige Wiedergabe, unzutreffende Auslegung oder gänzliche Übergehung von Tatsachenbehauptungen oder sonstigen Parteivorbringens im Urteil des Berufungsgerichts stellt jedenfalls keine Aktenwidrigkeit dar. Sie kann zwar einen wesentlichen Verfahrensmangel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung begründen (RS0041814 [T8]). Derartiges vermögen die Kläger allerdings nicht aufzuzeigen:

[6]            Es trifft zwar zu, dass sie das Vorbringen des Beklagten, das Mietobjekt sei als Geschäftslokal, nämlich als Lager, angemietet worden, mit den Worten bestritten haben, die Scheune sei „nie zu Geschäftszwecken“, sondern „ausschließlich zur Lagerung vermietet“ worden. Sie haben den Mieter und Beklagten aber bereits in der Klage – in Übereinstimmung mit dem Mietvertrag – als „das Ingenieur-Büro G*, dessen Inhaber Dipl.-Ing. P* ist,“ bezeichnet und im Weiteren auch vorgebracht, der Beklagte habe „das gegenständliche Bestandobjekt privat als Einzelunternehmer“ angemietet. Dem Einwand der mangelnden Passivlegitimation sind sie darüber hinaus nur unter Verweis auf die unterbliebene Anzeige nach § 12a Abs 1 Satz 2 MRG und auf ein wiederholtes Auftreten des Beklagten als Mieter des Bestandobjekts auch noch nach der Unternehmensveräußerung im Jahr 2008 begegnet.

[7]            Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Lagerhalle von einem Einzelunternehmen angemietet wurde, ist daher von diesem Vorbringen und dem festgestellten Sachverhalt gedeckt und wird von den Klägern auch nicht konkret bekämpft. Die Bestandrechte an den von einem Unternehmen gemieteten Objekten gehören zum Unternehmen. Sie werden für Unternehmenszwecke genützt (6 Ob 79/01p). Aus welchen Gründen das zum Einzelunternehmen des Beklagten gehörige Bestandrecht an der Lagerhalle trotz der festgestellten Einbringung des Einzelunternehmens in eine GmbH nicht auf die GmbH übergegangen sein soll, bringen die Kläger nicht nachvollziehbar zur Darstellung. Dass der Bestandgegenstand nicht zum Betrieb der GmbH gehörte bzw von der Unternehmensveräußerung im Sinn des § 12a MRG ausgenommen worden wäre, haben sie in erster Instanz nicht behauptet. Entgegen ihrer Meinung fehlt daher keine Feststellung dazu (vgl RS0053317).

[8]            Die auch in der Rechtsrüge angesprochenen Fragen, ob der Beklagte den Klägern und der Hausverwaltung jemals mitgeteilt hat, dass er sein Unternehmen in die GmbH eingebracht hat, bzw ob er immer als Mieter des Bestandobjekts aufgetreten ist, sind in rechtlicher Hinsicht für den ex lege Übergang der Mietrechte bedeutungslos. Die Kläger übergehen in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, dass die Mietzinsvorschreibungen über sein Ersuchen seit 2008 an die GmbH gerichtet wurden.

[9]       4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Textnummer

E134159

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00138.21H.0125.000

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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