TE Lvwg Beschluss 2022/3/3 LVwG-S-344/004-2019

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Entscheidungsdatum

03.03.2022

Norm

B-VG Art131 Abs1 Z1
12010E267 AEUV Art267
32009R1071 Kraftverkehrsunternehmer Art 6 Abs1
VStG 1991 §9 Abs2
GütbefG 1995 §5 Abs2
GewO 1994 §91 Abs2

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag. Gibisch als Einzelrichter in der Beschwerdesache der A, vertreten durch Rechtsanwalt B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 11. Jänner 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG), den

BESCHLUSS:

1.       Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 zweiter Satz AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Unionsrecht so auszulegen, dass es mit einer nationalen Bestimmung vereinbar ist, die es den für ein Verkehrsunternehmen strafrechtlich Verantwortlichen erlaubt, ihre Verantwortung für sehr schwerwiegende Verstöße gegen Gemeinschaftsvorschriften im Bereich der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer im Wege einer einvernehmlichen Vereinbarung auf eine natürliche Person zu übertragen, wenn durch diese Übertragung die nach den nationalen Bestimmungen nur für den Fall einer Bestrafung der übertragenden strafrechtlich Verantwortlichen vorgesehene Prüfung der Zuverlässigkeit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 unterbleibt?

2.       Das Beschwerdeverfahren wird nach Vorliegen einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union fortgesetzt werden.

Begründung:

I.  Zum Ausgangsverfahren

1.   Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat im Ausgangsverfahren über eine vollumfängliche, offenbar rechtzeitige und zulässige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen das im Kopf angeführte (Verwaltungs-)Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld (im Folgenden: belangte Behörde) zu entscheiden. Bei Erlassung dieser Entscheidung stützte sich die belangte Behörde auf Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (AZG).

2.   Auf Grund des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes steht für das Landesverwaltungsgericht der folgende Sachverhalt fest, der von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, sondern nur hinsichtlich seiner rechtlichen Würdigung durch die belangte Behörde gerügt wird:

Der Beschwerdeführerin werden im gegenständlichen Strafverfahren in ihrer Funktion als gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) verantwortliche Beauftragte betreffend die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (AZG) der C GesmbH mit Sitz in ***, welche ihrerseits Arbeitgeber des Arbeitnehmers D sei, welcher einen Lastkraftwagen samt Sattelanhänger, mit einem mehr als 3,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht im innerstaatlichen Verkehr lenkte, folgende Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt:

1) Sie habe die Arbeit des Fahrers nicht so eingeplant, dass dieser die entsprechenden Bestimmungen der VO (EG) Nr. 561/2006 einhalten kann, da festgestellt worden sei, dass

a) ... dieser die Tageslenkzeit von höchstens 9 Stunden bzw. zwei Mal wöchentlich 10 Stunden zwischen zwei täglichen Ruhezeiten an zwei näher bezeichneten Tagen überschritten hat, was anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG i.d.g.F. einen geringfügigen Verstoß darstelle,

b) ... dieser die Tageslenkzeit in drei näher bezeichneten Fällen öfter als zwei Mal pro Woche auf 10 Stunden verlängert hat, was anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG i.d.g.F. jeweils einen geringfügigen Verstoß darstelle,

2) sie habe nicht gemäß Art. 10 Abs. 2 der EG-VO 561/2006 dafür gesorgt, dass der Lenker seine Verpflichtungen gemäß der EG-VO 165/2014 einhält, da der Fahrer, obwohl er sich als Fahrer nicht im Fahrzeug aufgehalten hat und daher nicht in der Lage war das in das Fahrzeug eingebaute Gerät (digitaler Fahrtschreiber) gemäß Art. 34 Abs. 3 EG-VO 165/2014 zu betätigen, es in 20 näher bezeichneten Fällen unterlassen hat, die in Artikel 34 Absatz 5, Buchstabe b Ziffern ii, iii und iv EG-VO 165/2014 genannten Zeiträume mittels der manuellen Eingabevorrichtung des Gerätes auf der Fahrerkarte einzutragen, was anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG i.d.g.F. jeweils einen sehr schwerwiegenden Verstoß darstelle,

3) sie habe in Ihrer Eigenschaft als Verantwortliche des Unternehmens in der Funktion als Arbeitgeber die Pflichten betreffend das digitale Kontrollgerät gemäß § 17a verletzt, wonach zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Verwendung des digitalen Kontrollgerätes und der Fahrerkarte der Arbeitgeber in der Arbeitszeit den Lenker ausreichend und nachweislich in der Handhabung zu unterweisen oder die ausreichende Unterweisung nachweislich sicher zu stellen sowie alle sonst dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen, insbesondere eine Bedienungsanleitung sowie genügend geeignetes Papier für den Drucker zur Verfügung zu stellen hat und der Arbeitgeber weiters dafür Sorge zu tragen hat, dass der Lenker all seinen Verpflichtungen bezüglich des digitalen Kontrollgerätes nach der Verordnung (EU) Nr. 165/2014, insbesondere hinsichtlich der Mitführverpflichtungen gemäß Art. 36, nachkommt, da der Fahrer das im Fahrzeug eingebaute Gerät (digitaler Fahrtschreiber) nicht richtig verwendet habe, da am Beginn und am Ende des Arbeitstages das Symbol des Landes wo der Arbeitstag begonnen bzw. beendet worden ist, in 18 näher bezeichneten Fällen nicht eingetragen war.

Über die Beschwerdeführerin wurden mit dem angefochtenen Straferkenntnis

zu 1. wegen Übertretung des Art. 6 Abs. 1 EG-VO 561/2006, § 28 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 6 Arbeitszeitgesetz (AZG) gemäß § 28 Abs. 6 Z. 1 lit. a AZG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.850,--, (Ersatzfreiheitsstrafe von 336 Stunden),

zu 2. wegen Übertretung des Art. 34 Abs. 3 EU-VO 165/2014 in Verbindung mit § 28 Abs. 5 Z. 6 in Verbindung mit § 28 Abs. 6 AZG gemäß § 28 Abs. 6 Z. 3 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von € 3.090,--, (Ersatzfreiheitsstrafe von 288 Stunden) und zu 3. wegen Übertretung des Art. 34 Abs. 7 EGVO 165/2014 in Verbindung mit § 17a Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 3a Z. 1 AZG gemäß § 28 Abs. 3a Z. 1 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.270,--, (Ersatzfreiheitsstrafe von 119 Stunden) verhängt sowie gemäß § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) ein Kostenbeitrag von insgesamt € 621,-- vorgeschrieben.

Die C GmbH mit Sitz *** war zum Tatzeitpunkt Arbeitgeberin des Lenkers D im Sinne des AZG sowie Verkehrsunternehmen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates und im Sinne des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG). Sie war zum Tatzeitpunkt Inhaberin einer Konzession für den grenzüberschreitenden Güterverkehr. Ihr handelsrechtlicher Geschäftsführer war gleichzeitig auch Verkehrsleiter.

Die Beschwerdeführerin war zum Tatzeitpunkt weder Verkehrsleiterin noch nach außen vertretungsbefugtes Organ der C GmbH. Sie hatte keinen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der C GmbH.
Das Vorstrafenregister der belangten Behörde wies bei Einleitung des Strafverfahrens 113 rechtskräftige Vorstrafen der Beschwerdeführerin auf, davon allein 65 rechtskräftige Vorstrafen wegen Verstößen der C GmbH als Verkehrsunternehmen nach dem AZG gegen Gemeinschaftsrecht. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Zuverlässigkeit der C GmbH als Verkehrsunternehmen im Licht dieser Verstöße jemals geprüft worden wäre.

1. Auf der Grundlage des oben dargestellten Sachverhaltes hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit seinem Erkenntnis vom 29. Mai 2020, Zl. LVwG-S-344/001-2019, das angefochtene Straferkenntnis aufgrund folgender unionsrechtlicher Bedenken gegen § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 auf (siehe gleichlautend: ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.52.005.2019):

„Gemäß Art. 22 der VO 1071/2009 haben die Mitgliedsstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Regelungen u.a. über den Entzug der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers wirksam, verhältnismäßig und abschreckend vorgesehen werden. Zu diesen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend vorzusehenden Maßnahmen gehört somit auch der in Art. 6 der VO 1071/2009 für den Fall verlorener Zuverlässigkeit geregelte Entzug der Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers. Als Anknüpfungstatbestand einer zweifelhaften Zuverlässigkeit ist dabei u.a. eine Sanktion wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften im Bereich der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer ausdrücklich geregelt. Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren stellt somit eine Maßnahme im Sinne des Art. 22 der VO 1071/2009 dar, weshalb im Zuge dieses Verwaltungsstrafverfahrens im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts die Rechtsfrage zu beurteilen ist, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um eine im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 der VO 1071/2009 „vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmte maßgebliche Person“ handelt. Diese Frage ist aus nachstehenden Gründen zu verneinen.

Zu den von Österreich „bestimmten maßgeblichen Personen“ Im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 der VO 1071/2009:

Als derartige Regelungen kommen im gegenständlichen Fall nur § 5 Abs. 2 GütbefG und § 91 Abs. 2 GewO 1994 in Betracht:

Zu § 5 Abs. 2 GütbefG:

§ 5 Abs. 2 GütbefG knüpft in seiner – wenngleich nur exemplarischen – Aufzählung der Z. 3 ausdrücklich nur an den Fall an, dass „…, der Gewerbeberechtigte…“ insbesondere wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker bestraft wurde. Diese Bestimmung gilt gleichermaßen für natürliche wie auch für juristische Personen, während gemäß dem ausdrücklichen Vorbehalt des § 5 Abs. 1 GütbefG gegenüber den §§ 87 bis 91 GewO 1994 für juristische Personen im Speziellen Folgendes gilt:

Zu § 91 Abs. 2 GewO 1994:

Diese Bestimmung beschränkt ihre Maßnahmen auf „Personen mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte“.

Für den Fall der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung eines zuverlässigkeitsrelevanten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht bedeutet dies:

Zur fehlenden Zurechenbarkeit der verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG zum Kreis der „bestimmten maßgeblichen Personen“ Im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 der VO 1071/2009:

Zu § 5 Abs. 2 GütbefG:

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass diese Bestimmung bezüglich des „Gewerbeberechtigten“ mit dem ausdrücklich vorbehaltenen § 91 Abs. 2 GewO 1994 an die Begrifflichkeiten der GewO 1994 anknüpft. Abgesehen von dieser Anknüpfung kann kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, dass das GütbefG selbst die verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG als „bestimmte maßgebliche Personen“ Im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 der VO 1071/2009 regelt.

Im Gegenteil:

Vielmehr kann den erläuternden Bemerkungen zu der mit BGBl. Nr. 32/2013 kundgemachten Novelle des GütbefG dazu Folgendes entnommen werden:

„Zu Z 6 (§ 5 Abs. 1a bis 6):

... Weiters Anpassung des Zitats der Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1072/09), in der nunmehr die Gemeinschaftslizenz geregelt wird.

Die Bestimmungen über die Zuverlässigkeit gelten nunmehr auch für den Verkehrsleiter. Die Rahmenbedingungen für die Zuverlässigkeit sind jetzt in Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelt. Unabhängig davon sollen die bisherigen Kriterien, unten denen die Zuverlässigkeit auf keinen Fall gegeben ist, bestehen bleiben.“

Daraus erhellt, dass weder der Wortlaut der Bestimmung noch die Gesetzesmaterialien Raum für ein Verfahren aufgrund der Bestrafung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG lassen. An dieser Interpretation ändert auch der einleitende Wortlaut des § 5 Abs. 2 GütbefG „abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelten Fällen“ nichts, weil das Bestimmtheitsgebot – insbesondere im Fall einer die Erwerbsfreiheit massiv berührenden Bestimmung – eine klare Regelung des verfahrensbestimmenden Personenkreises erfordert.

Zu § 91 Abs. 2 GewO 1994:

Zu dieser Bestimmung stellt sich die Frage, ob verantwortliche Beauftragte wie die Beschwerdeführerin als „Personen mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte“ anzusehen sind. Diese Frage ist anhand der Rechtsprechung des VwGH, der zufolge diesem Kreis ein handelsrechtlicher Geschäftsführer oder ein Mehrheitsgesellschafter einer GmbH (VwGH 2008/04/01211) angehören, während hingegen der gewerberechtliche Geschäftsführer aus dieser Funktion keinen maßgeblichen Einfluss hat (VwGH 95/04/00392), eindeutig zu verneinen.

Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass die nationalen Vorschriften die Beschwerdeführerin nicht als maßgebliche Person im Sinne des Art. 6 der Verordnung 1071/2009 bestimmen. Ein weiterer Hinweis auf diese gebotene Interpretation des nationalen Sanktionensystems findet sich in § 24a GütbefG mit der Regelung, dass im Verkehrsunternehmensregister nur die schwerwiegenden Verstöße „gemäß § 5 Abs. 2 Z 3“ einzutragen sind, zu denen weder jene der verantwortlichen Beauftragten noch jene der „bloßen“ gewerberechtlichen Geschäftsführer gehören.

Die Stellung der Beschwerdeführerin sowie des handelsrechtlichen Geschäftsführers:

Der verantwortliche Beauftragte iSd § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG unterscheidet sich wesentlich vom verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs. 2 erster Satz VStG (verantwortliches Vertretungsorgan): Ersterer zählt nicht zum Kreis der vertretungsbefugten Organe. Ihn trifft daher keine strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft Gesetzes. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit entsteht erst mit seiner rechtswirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch ein Vertretungsorgan (zuletzt Ra 2019/09/00583).

Im Fall einer als wirksam anerkannten Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten hätte die Verantwortung des handelsrechtlichen Geschäftsführers gemäß § 9 Abs. 6 VStG auf Vorsatz beschränkt zu bleiben. Dem nationalen Gesetzgeber kann diese wesentliche Einschränkung der Verantwortlichkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers nicht auch in all jenen Fällen als gesollte Umsetzung im Sinne des Art. 22 der VO 1071/2009 zugedacht werden, in denen der die Zuverlässigkeit gemäß der VO 1071/2009 berührende Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht von einer Person ohne maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte begangen wurde und dessen Täter daher nicht vom Anwendungsbereich des § 91 Abs. 2 GewO 1994 erfasst ist. In solchen Fällen kollidiert die Bestellung gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG im Ergebnis mit Art. 22 der VO 1071/2009, weil schwerwiegende Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht mangels maßgebenden Einflusses der Täter auf den Betrieb der Geschäfte zu keiner Entziehung der Konzession führen können. Aus den Feststellungen zu den einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin einerseits und der bislang offenbar ungeprüft gebliebenen Zuverlässigkeit der C GmbH andererseits ist erkennbar, dass die zuständige Gewerbebehörde die zum von § 91 Abs. 2 GewO 1994 erfassten Täterkreis entwickelte ständige Rechtsprechung des VwGH über die Relevanz einer derartigen Vielzahl von Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften (VwGH 2000/04/01274, zuletzt VwGH 2007/04/01375) nicht auf die Beschwerdeführerin angewandt hat.

Zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts im vorliegenden Einzelfall:

Wie bereits ausgeführt knüpfen die nationalen Bestimmungen über die im Sinne des Art. 22 der Verordnung 1071/2009 eingerichteten administrativrechtlichen Sanktionen wegen sehr schwerwiegender Verletzungen gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften wie im vorliegenden Fall (einer GmbH) ausschließlich an rechtskräftige Bestrafungen des handelsrechtlichen Geschäftsführers an.

Im Licht der zitierten Rechtsanschauung des VwGH stellt sich die Frage, wie das erkennende Gericht die nationale Rechtslage mit der gemäß Art. 6 der VO 1071/2009 gebotenen Zuverlässigkeitsprüfung aufgrund der hier verfahrensgegenständlichen – zum Teil sehr schwerwiegenden – Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht in Einklang bringen kann.

In seinem Erkenntnis Ra 2018/11/01186 hat der VwGH Folgendes ausgesprochen:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind, wenn eine gemeinschaftsrechtliche Regelung keine besondere Sanktion für den Fall eines Verstoßes gegen ihre Vorschriften enthält oder sie insoweit auf die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verweist, die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Dabei müssen die Mitgliedstaaten, denen allerdings die Wahl der Sanktionen verbleibt, darauf achten, dass die Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht gelten, wobei die Sanktion jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss. Die Höhe der Sanktion muss nach Regeln festgesetzt werden, die denjenigen entsprechen, die im nationalen Recht für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gelten, wobei dem nationalen Gericht die Beurteilung obliegt, ob die Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist“.

Zur vergleichbaren Thematik des Art. 325 Abs. 1 AEUV hat der EuGH ausgesprochen, dass es den Mitgliedsstaaten freisteht, die Sanktionen auf unterschiedliche Personen anzuwenden, „solange dadurch die wirksame Bekämpfung des in Rede stehenden Verstoßes gegen das Unionsrecht nicht gefährdet wird.“ (Rechtssache C?574/15)

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, - falls eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist - aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt (VwGH 2015/04/00047).

Ist die Herbeiführung eines unionsrechtkonformen Zustandes auf unterschiedlichem Weg möglich, darf im Wege der Verdrängung von innerstaatlichem Recht nur jene von mehreren unionskonformen Lösungen zur Anwendung gelangen, mit welcher die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers so weit wie möglich erhalten bleibt (VwGH 2015/04/00047).

Nationales Recht, das im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, ist verdrängt. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Dabei sind die unionsrechtlichen Erfordernisse in das nationale Gesetz „hineinzulesen“ (VwGH 2015/04/00047).

Das erkennende Gericht hat daher zur Sicherstellung der unionsrechtlich gebotenen abschreckenden Wirkung der an das Strafverfahren anknüpfenden nationalen Bestimmungen über die Zuverlässigkeitsprüfung des Verkehrsunternehmens die Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall zu verneinen. Andernfalls würde der an der Beschwerdeführerin verbrauchte Strafverfolgungsanspruch den einzig unionsrechtskonform über § 5 Abs. 2 GütbefG in Verbindung mit § 91 Abs. 2 GewO 1994 führenden Weg zum Regelungsziel des Art. 6 der Verordnung 1071/2009 versperren, die vom Unternehmen zu tragenden Folgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG auf die Tragung der in Geld bemessenen Unrechtsfolgen beschränken und damit auf unzulässige Weise einkalkulierbar und nicht mehr abschreckend machen (VwGH Ra 2018/11/01188).

Das bedeutet im Ergebnis:

Im vorliegenden Fall besteht die einzige und zugleich schonendste Möglichkeit des erkennenden Gerichts, ein für eine unionsrechtskonforme Zuverlässigkeitsprüfung anknüpfungstaugliches Verwaltungsstrafverfahren zu gewährleisten, darin, eine dazu innerstaatlich untaugliche Bestrafung der von § 91 Abs. 2 GewO 1994 nicht erfassten Beschwerdeführerin dadurch abzuwenden, dass § 9 Abs. 2 VStG unangewendet bleibt. Das Verwaltungsstrafverfahren wird vielmehr gegen den handelsrechtlichen Geschäftsführer zu führen sein, wobei dessen allfälliges Vertrauen in die vermeintlich rechtswirksame Bestellung der Beschwerdeführerin als verantwortliche Beauftragte unionsrechtlich nicht schützenswert erscheint.“

Mit seinem Erkenntnis vom 21. Juli 2021, Ro 2020/11/0014, hob der Verwaltungsgerichtshof die zitierte Entscheidung auf und begründete dies durch Verweis auf seine zu zwei gleichgelagerten Fälle erlassene Erkenntnisse zu Ro 2020/11/0016 und 0017, ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020110016.J00, wie folgt:

„Die Auffassung, für die gegenständlichen Übertretungen sei aufgrund der

EG-Verordnung Nr. 1071/2009 (und ihres Anwendungsvorranges) der handelsrechtliche Geschäftsführer (und nicht ein gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter) strafrechtlich verantwortlich, entbehrt einer expliziten Anordnung dieser Verantwortlichkeit in der genannten

EG-Verordnung (auch im angefochtenen Erkenntnis wird eine solche Bestimmung nicht angeführt). Damit war hinsichtlich der in Rede stehenden Übertretungen arbeitszeitrechtlicher Vorschriften - wie bereits unter Rn 34 des hg. Vorerkenntnisses Ra 2019/11/00739, 0074 (in für das Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bindender Weise) betont wurde - gemäß § 28 AZG von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bzw. eines gemäß § 9 VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten auszugehen (vor diesem Hintergrund geht der Hinweis des angefochtenen Erkenntnisses auf Bestimmungen des GütbefG und der GewO 1994 fehl).

19 Daran ändert der Einwand des Verwaltungsgerichts nichts, die Bestrafung (bloß) des verantwortlichen Beauftragten reiche nicht aus, um die Entziehung der Zulassung des Kraftverkehrsunternehmens als wirksame Sanktion iSd. Art. 13 und 22 der EG-Verordnung Nr. 1071/2009 zu ermöglichen, weil es gegenständlich nicht um ein diesbezügliches Entziehungsverfahren geht. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht auf Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 zweiter Satz leg. cit. zu verweisen, der nicht ausschließt sondern vielmehr nahezulegen scheint, dass im Entziehungsverfahren auch gegen verantwortliche Beauftragte (als eine vom Mitgliedstaat - hier durch § 9 VStG - „bestimmte maßgebliche Person“) verhängte Sanktionen zu berücksichtigen sind.“

II. Zur maßgeblichen innerstaatlichen Rechtslage

1. Die innerstaatliche Überprüfungsbefugnis des Landesverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall ergibt sich aus Art. 130 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), der durch die §§ 27 und 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) einfachgesetzlich ausgeführt wird. Demnach hat das Landesverwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen immer in der Sache selbst zu entscheiden. § 27 VwGVG beschränkt die Entscheidungskompetenz des Landesverwaltungsgerichts auf den Inhalt der Beschwerde. Da diese sich gegen das gesamte angefochtene Straferkenntnis richtet, hat das Landesverwaltungsgericht dieses vollumfänglich zu überprüfen, dh insbesondere über die Strafbarkeit des der Beschwerdeführerin angelasteten Verhaltens zu entscheiden. Mit einem Strafausspruch ist der gesetzliche Verfolgungsanspruch der Strafbehörden verbraucht und kann daher keine andere Person wegen derselben Tat bestraft werden.

2.   Gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens auch Personen zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen, die nicht dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen angehören. Diesen Personen obliegt dann die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften.

3.   Gemäß § 91 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) ist einer gewerbetreibenden juristischen Person die Gewerbeberechtigung nur dann zu entziehen, wenn sich die Gründe zur Entziehung des Gewerbes auf eine natürliche Person beziehen, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, und der Gewerbetreibende diese Person nicht innerhalb der von der Behörde dazu gesetzten Frist entfernt hat.

4.   Gemäß § 5 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) ist die Zuverlässigkeit des Verkehrsunternehmens, abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelten Fällen, insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über die für den Berufszweig geltenden Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen oder die Güterbeförderung, insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker rechtskräftig bestraft wurde.

III. Zur Interpretation der maßgeblichen Rechtslage durch den Verwaltungsgerichtshof:

Soweit das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs überblickt, ist kein Fall auffindbar, in dem die Bestrafung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG als geeigneter oder gebotener Anlass zur Prüfung der Zuverlässigkeit eines Verkehrsunternehmens (oder eines anderen Gewerbeberechtigten) festgestellt worden wäre. Vielmehr geht aus den zitierten innerstaatlichen Bestimmungen und den dazu ergangenen Entscheidungen eindeutig hervor, dass die Stellung der Beschwerdeführerin im Verkehrsunternehmen im Fall der angefochtenen Bestrafung keine solche Prüfung ermöglichen würde.

IV. Zur Interpretation der maßgeblichen innerstaatlichen Rechtslage durch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort:

Bei der jährlichen Tagung der Gewerbereferenten 2021 aller Bundesländer und des Bundes in *** im September 2021 wurde (unter dem Tagesordnungspunkt 31) § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG erörtert und vertrat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort dazu im Ergebnis den Rechtsstandpunkt, dass ein Verfahren zur Entziehung der Gewerbeberechtigung aufgrund einer Bestrafung eines gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG verantwortlichen Beauftragten „in der Regel nicht zur Anwendung kommen kann.“

V. Zu den Schlussfolgerungen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich

Zur Vermeidung von Wiederholungen hält das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich seine aus dem Erkenntnis vom 29. Mai 2020 zitierten Bedenken gegen die Anwendung des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG im vorliegenden Fall aufrecht. Der VwGH vertritt in seinem zitierten Erkenntnis ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020110016.J00 dazu im Ergebnis die Ansicht, dass das vorlegende Gericht im Verwaltungsstrafverfahren nicht zu prüfen hat, ob die Bestrafung in einer Art und Weise erfolgt, die zu einer gemäß den Bestimmungen der EG-Verordnung Nr. 1071/2009 verpflichtenden Prüfung der Zuverlässigkeit führt. Wenn der VwGH abschließend darauf verweist, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 zweiter Satz der EG-Verordnung Nr. 1071/2009 nahezulegen scheint, dass im Entziehungsverfahren auch gegen verantwortliche Beauftragte (als eine vom Mitgliedstaat - hier durch § 9 VStG - „bestimmte maßgebliche Person“) verhängte Sanktionen zu berücksichtigen seien, interpretiert er damit die im Strafverfahren nicht anzuwendenden Bestimmungen der GewO 1994 und des GütbefG anders als in seinen für diese Gesetze zuständigen Senaten. Hingegen vertritt das österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf dem Boden der zitierten Rechtsprechung zu den Bestimmungen der GewO 1994 und des GütbefG weiterhin den Rechtsstandpunkt, dass in Fällen wie dem vorliegenden keine Prüfung der Zuverlässigkeit stattzufinden hat.

Für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich liegt damit auf der Hand, dass die angefochtene Bestrafung der Beschwerdeführerin für die unbestritten sehr schwerwiegenden Verstöße gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker zu keiner Prüfung der Zuverlässigkeit führen würde. Das Unterbleiben dieser Prüfung stellt eine vorhersehbare Verletzung des Unionsrechts dar, die aufgrund ihrer nationalen Ursache nur im Verwaltungsstrafverfahren aufgezeigt werden kann. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht daher davon aus, dass es im anhängigen Strafverfahren § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG als gelindestes Mittel zur Vermeidung dieser Verletzung unangewendet zu lassen haben wird.

Zur praktischen Bedeutung der Vorlagefrage über das Ausgangsverfahren hinaus wird angemerkt, dass erfahrungsgemäß sehr viele als juristische Personen oder als eingetragene Personengesellschaften organisierte Verkehrsunternehmen und sonstige Gewerbeberechtigte von der Möglichkeit gemäß § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG Gebrauch machen. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass es im praktisch häufigen Fall von Bestrafungen wegen Verstößen gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker – so wie im Fall der Beschwerdeführerin – in Österreich ohne Rücksicht auf die Häufigkeit und Schwere der Verstöße nie zu einer Prüfung der Zuverlässigkeit des jeweiligen Verkehrsunternehmens kommt.

VI. Vorlageberechtigung

Die Berechtigung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens ergibt sich aus Art. 267 zweiter Satz des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich sind nämlich die in seinem zitierten Erkenntnis ausgeführten Zweifel aufrecht, ob § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG bezüglich Verkehrsunternehmen mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

VII. Zum Bezug zum Unionsrecht:

Die C GmbH war zum Tatzeitpunkt Verkehrsunternehmen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009. Sie war zum Tatzeitpunkt Inhaberin einer Konzession für den grenzüberschreitenden Güterverkehr. Das anhängige Strafverfahren stützt sich zum Teil auf sehr schwerwiegende Verstöße gegen Gemeinschaftsvorschriften im Bereich der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer.

VIII. Zu Spruchpunkt 2.

Gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG wird die Zeit eines Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht in die Entscheidungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG eingerechnet. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 38a Abs. 1 AVG dürfen bis zum Einlangen der Vorabentscheidung nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten, wenn dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgelegt wurde.

Das Beschwerdeverfahren wird daher – abgesehen vom Vorliegen einer in § 38a AVG genannten Ausnahme – hinsichtlich des angefochtenen Straferkenntnisses erst nach Vorliegen der Antwort des Gerichtshofes der Europäischen Union fortgesetzt werden.

Beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich sind derzeit zwei weitere Verfahren anhängig, in denen sich die hier aufgeworfene Frage ebenso stellt. Diese Verfahren werden bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit jeweils gesondertem Beschluss ausgesetzt.

1  ECLI:AT:VWGH:2008:2008040121.X03

2  ECLI:AT:VWGH:1995:1995040039.X02

3  ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090058.L02

4  ECLI:AT:VWGH:2000:2000040127.X00

5  ECLI:AT:VWGH:2008:2007040137.X00

6  ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110118.L00

7  ECLI:AT:VWGH:2016:2015040004.X00

8  ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110118.L09

9  ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110073.L00

Schlagworte

Arbeitsrecht; verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit; Vorabentscheidungsersuchen; Gemeinschaftsrecht; innerstaatliches Recht; richtlinienkonforme Auslegung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.344.004.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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