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72/01 HochschulorganisationNorm
B-VG Art139 Abs1 Z1, Art140 Abs1 Z1 litaLeitsatz
Unzulässigkeit der Anfechtung von Bestimmungen des Hochschul-QualitätssicherungsG sowie der Privatuniversitäten-AkkreditierungsV 2015 und 2019 des Boards der AQ Austria; mangelnde Präjudizialität von bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr in Geltung stehenden sowie während des Normprüfungsverfahrens geänderten gesetzlichen Bestimmungen und – daraus resultierend – zu enger Anfechtungsumfang; mangelnde Behauptung der Gesetzwidrigkeit der verordnungsrechtlichen BestimmungenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita und Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §1 Abs2 Z2, 3 und 4, die Zeichen- und Wortfolge "- und Akkreditierungs" in §3 Abs3 Z1, §3 Abs3 Z2 und 5, die Wortfolge "über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder" in §9 Abs1 Z1, §9 Abs1 Z4 und 12, §9 Abs2, §19 Abs3, §20 und §26 Bundesgesetz über die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG), BGBl I 74/2011, §24 HS-QSG idF BGBl I 129/2017 und §25 HS-QSG idF BGBl I 79/2013 als verfassungswidrig sowie §11 Privatuniversitäten-Akkreditierungsverordnung (im Folgenden: PU-AkkVO 2015), beschlossen in der 27. Sitzung des Boards der AQ Austria am 28. Mai 2015, kundemacht auf der Internetseite der AQ Austria, und §21 Abs2 Privatuniversitäten-Akkreditierungsverordnung 2019 (im Folgenden: PU-AkkVO 2019), beschlossen in der 49. Sitzung des Boards der AQ Austria am 11. September 2018, kundgemacht auf der Internetseite der AQ Austria, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. §1, §3, §9, §19, §20 und §26 des Bundesgesetzes über die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG), BGBl I 74/2011, §24 HS-QSG idF BGBl I 129/2017 und §25 HS-QSG idF BGBl I 79/2013 lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Regelungsgegenstand
§1. (1) […]
(2) Die externe Qualitätssicherung der Bildungseinrichtungen gemäß Abs1 erfolgt durch:
1. […]
2. Akkreditierung von Studien;
3. Akkreditierung von Bildungseinrichtungen;
4. Aufsicht über die nach diesem Bundesgesetz akkreditierten Bildungseinrichtungen und die nach diesem Bundesgesetz akkreditierten Studien.
(3) […]
Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Agency for Quality Assurance and Accreditation Austria)
§3. (1) […]
(3) Die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria hat insbesondere folgende Aufgaben im Bereich der externen Qualitätssicherung zu erfüllen: 1. Entwicklung und Durchführung externer Qualitätssicherungsverfahren, jedenfalls Audit- und Akkreditierungsverfahren, nach nationalen und internationalen Standards;
2. Akkreditierung von hochschulischen Bildungseinrichtungen und Studien;
3. Berichte an den Nationalrat im Wege der zuständigen Bundesministerin oder des zuständigen Bundesministers;
4. Veröffentlichung der Ergebnisberichte der Qualitätssicherungsverfahren;
5. kontinuierliche begleitende Aufsicht akkreditierter hochschulischer Bildungseinrichtungen und Studien hinsichtlich der Akkreditierungsvoraussetzungen;
6. […]
Aufgaben des Boards und Geschäftsordnung
§9. (1) Dem Board obliegen insbesondere folgende Aufgaben:
1. Entscheidung über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder über die Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems;
2. […]
4. Übermittlung der Verfahrensentscheidung der Akkreditierungsverfahren an die zuständige Bundesministerin oder den zuständigen Bundesminister;
5. […]
12. Aufsicht über die akkreditierten Bildungseinrichtungen und Studien hinsichtlich der Akkreditierungsvoraussetzungen;
13. […]
(2) Das Board ist bei der Erfüllung seiner Aufgaben an keine Weisungen gebunden.
(3) […]
Durchführung der Qualitätssicherungsverfahren
§19. (1) […]
(3) Akkreditierungsverfahren sind von der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria durchzuführen.
Verfahrenskosten
§20. (1) Die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria ist berechtigt, für die von ihr durchgeführten Qualitätssicherungsverfahren ein Entgelt in Rechnung zu stellen und individuell vorzuschreiben. Das Entgelt umfasst die tatsächlich anfallenden Kosten für die Begutachtung sowie eine Verfahrenspauschale für die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria.
(2) Die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria hat die Höhe der Verfahrenspauschale für Qualitätssicherungsverfahren an Bildungseinrichtungen gemäß §1 Abs1 festzulegen und entsprechend zu veröffentlichen. Die Festlegung bedarf der Genehmigung durch die zuständige Bundesministerin oder den zuständigen Bundesminister.
Akkreditierung von Privatuniversitäten und Studien an Privatuniversitäten
§24. (1) Die Akkreditierung als Privatuniversität und von Studien an Privatuniversitäten hat nach den Akkreditierungsvoraussetzungen gemäß PUG und den in Abs3, 4 oder 5 genannten Prüfbereichen zu erfolgen.
(2) Jene juristischen Personen, die erstmalig einen Antrag auf Akkreditierung als Privatuniversität stellen, sind einer institutionellen Akkreditierung und Programmakkreditierungen zu unterziehen.
(3) Die Prüfbereiche der institutionellen Akkreditierung umfassen jedenfalls:
1. Zielsetzung und Profilbildung;
2. Entwicklungsplanung;
3. Studien und Lehre;
4. Forschung und Entwicklung / Erschließung und Entwicklung der Künste;
5. Organisation der Hochschule und ihrer Leistungen;
6. Finanzierung und Ressourcen;
7. nationale und internationale Kooperationen;
8. Qualitätsmanagementsystem.
(4) Die Prüfbereiche der Programmakkreditierung für den beantragten Studiengang umfassen jedenfalls:
1. Studiengang und Studiengangsmanagement;
2. Personal;
3. Qualitätssicherung;
4. Finanzierung und Infrastruktur;
5. Forschung und Entwicklung;
6. nationale und internationale Kooperationen.
(5) Die Prüfbereiche der Programmakkreditierung für Universitätslehrgänge umfassen jedenfalls:
1. Lehrgang und Lehrgangsmanagement;
2. Personal;
3. Qualitätssicherung;
4. Finanzierung und Infrastruktur;
5. Einbindung des Lehrganges in Forschung und Entwicklung oder Entwicklung und Erschließung der Künste.
(5a) Bei gemeinsam eingerichteten Studien sind die Ergebnisse bereits stattgefundener Qualitätssicherungsverfahren anzuerkennen.
(6) Das Board hat nach Durchführung eines öffentlichen Begutachtungsverfahrens eine Verordnung zu erlassen, in der Festlegungen hinsichtlich der Prüfbereiche und methodischen Verfahrensgrundsätze der institutionellen Akkreditierung und Programmakkreditierung zu treffen sind.
(7) Erfüllt die Antragstellerin oder der Antragsteller die Voraussetzungen, ist die Akkreditierung befristet für sechs Jahre auszusprechen. Der Akkreditierungsbescheid hat jedenfalls folgende Angaben zu enthalten:
1. Zeitraum der Akkreditierung;
2. Bezeichnung des Rechtsträgers der Bildungseinrichtung;
3. Bezeichnung, Art, Arbeitsaufwand der Studien und Dauer der Studien;
4. Wortlaut der zu verleihenden akademischen Grade;
5. allfällige Auflagen.
(8) Eine Verlängerung der institutionellen Akkreditierung für sechs Jahre ist auf Antrag zulässig, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs1 und 3 weiterhin vorliegen. Die Verlängerung der Akkreditierung umfasst auch die bis zu diesem Zeitpunkt akkreditierten Studien. Die Verlängerung ist spätestens neun Monate vor Ablauf des Genehmigungszeitraumes zu beantragen. Wird die institutionelle Akkreditierung nicht verlängert, sind alle Programmakkreditierungen der Bildungseinrichtung zu widerrufen.
(9) Die erstmalige Akkreditierung einer Bildungseinrichtung oder von Studien kann nicht unter Auflagen erfolgen. Eine Verlängerung der Akkreditierung kann auch unter Auflagen erfolgen, wenn im Zuge des Akkreditierungsverfahrens Mängel festgestellt werden, die als innerhalb eines bestimmten Zeitraums behebbar eingestuft werden. Wird die Akkreditierung mit Auflagen erteilt, hat die Bildungseinrichtung der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria ein Entwicklungskonzept vorzulegen und innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nachzuweisen, dass die Auflagen erfüllt wurden. Erfolgt dies nicht, ist die Akkreditierung mit Bescheid zu widerrufen.
(10) Nach einer ununterbrochenen Akkreditierungsdauer von zwölf Jahren kann die Akkreditierung jeweils für zwölf Jahre erfolgen.
(11) Die Regelungen der Abs4 und 5 gelten sinngemäß für die Antragstellung zur Akkreditierung von weiteren Studien.
(12) Eine Verlängerung der Programmakkreditierung ist nicht möglich. Die Verlängerung der Akkreditierung der Studien erfolgt im Rahmen der Verlängerung der institutionellen Akkreditierung gemäß Abs8.
Zuständigkeit und Verfahren zur Akkreditierung
§25. (1) Über einen Antrag auf Akkreditierung und auf Verlängerung der Akkreditierung hat das Board als die für die Akkreditierung zuständige Behörde zu entscheiden.
(2) Dem Antrag sind beizulegen:
1. Name der antragstellenden juristischen Person; ist die antragstellende Einrichtung eine juristische Person des privaten Rechts, so ist ein Auszug aus dem Firmenbuch oder Vereinsregister beizubringen;
2. Alle Unterlagen, die dem Nachweis der Erfüllung der gesetzlich festgelegten Akkreditierungsvoraussetzungen dienen.
(3) Die Akkreditierung, ihre Verlängerung, ihr Widerruf und ihr Erlöschen haben durch Bescheid zu erfolgen. Die Mitglieder des Boards sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Die Entscheidung des Boards bedarf vor Bescheiderlassung der Genehmigung der zuständigen Bundesministerin oder des zuständigen Bundesministers. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Entscheidung gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verstößt oder im Widerspruch zu nationalen bildungspolitischen Interessen steht.
(4) Der Akkreditierungsbescheid ist bei Änderung der im Bescheid enthaltenen Inhalte auf Antrag oder von Amts wegen zu ergänzen oder abzuändern.
(6) Auf das Verfahren zur Akkreditierung, ihrer Verlängerung, ihrem Widerruf und zur Feststellung ihres Erlöschens sind das AVG und das Zustellgesetz, BGBl Nr 200/1982 mit folgender Maßgabe anzuwenden:
1. der verfahrenseinleitende Antrag kann nur bis zum Vorliegen der Berichte der Gutachterinnen oder Gutachter abgeändert werden;
2. die Entscheidungsfrist beträgt neun Monate.
3. die Bundesministerin oder der Bundesminister ist nicht sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nach §73 Abs2 AVG.
Erlöschen und Widerruf der Akkreditierung
§26. (1) Die Akkreditierung erlischt:
1. im Falle einer befristeten Akkreditierung durch Zeitablauf, wenn nicht spätestens neun Monate vor Ablauf der Akkreditierung ein Antrag auf Verlängerung gestellt wurde. Ist das Verfahren zur Verlängerung der Akkreditierung nicht binnen neun Monaten abgeschlossen, so verlängert sich die Akkreditierung bis zum Abschluss des Verfahrens. Das Erlöschen ist mit Bescheid festzustellen;
2. im Falle der Auflösung der juristischen Person, die als Rechtsträger der Bildungseinrichtung fungierte, mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung;
3. durch Widerruf aller Programmakkreditierungen oder der institutionellen Akkreditierung der Bildungseinrichtung.
(2) Die Akkreditierung ist durch das Board mit Bescheid zu widerrufen:
1. bei Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß FHStG oder PUG für die ununterbrochene Dauer von mindestens sechs Monaten;
2. bei Verweigerung der Berichts- und Informationspflichten und der Mitwirkung an statistischen Erhebungen gemäß Bildungsdokumentationsgesetz, BGBl I Nr 12/2002 und FHStG;
3. bei Anbieten nicht-akkreditierter Studien, die zu akademischen Graden führen sollen;
4. bei schweren Verstößen gegen gesetzliche Regelungen, wenn dadurch der ordnungsgemäße Betrieb des Studienganges gefährdet ist;
5. in den in §§23 und 24 genannten Fällen.
(3) Im Falle des Erlöschens oder des Widerrufes der Akkreditierung von Fachhochschul-Studiengängen oder von Studien an Privatuniversitäten hat der Erhalter oder der Träger der Privatuniversität der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria einen Vorschlag zu erstatten, der den Studierenden der betroffenen Studien einen Studienabschluss innerhalb eines die vorgeschriebene Studiendauer um ein Jahr nicht übersteigenden Zeitraumes ermöglicht. Zur Finanzierung auslaufender Studien ist vom Erhalter oder vom Träger der Privatuniversität finanzielle Vorsorge zu treffen. Diese muss im Zuge des Akkreditierungsverfahrens nachgewiesen werden.
(4) Um Studierenden einen Studienabschluss gemäß Abs3 zu ermöglichen, kann das Board eine einmalig befristete Programmakkreditierung für die betroffenen Studien erteilen."
2. Der angefochtene §11 der in der 27. Sitzung des Boards der AQ Austria am 28. Mai 2015 beschlossenen und auf der Internetseite der AQ Austria kundgemachten Privatuniversitäten-Akkreditierungsverordnung (PU-AkkVO 2015) lautet:
"Kosten
§11. Die antragstellende Institution hat der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria die Gebühren der Gutachter/innen gemäß §76 Abs1 AVG zu ersetzen sowie eine vom Board gemäß §20 HS-QSG festzusetzende Verfahrenspauschale zu zahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung der Verfahrenspauschale entsteht mit Vorlage der (verbesserten) Antragsunterlagen gemäß §4 und wird mit Abschluss des Verfahrens fällig."
3. §21 der in der 49. Sitzung des Boards der AQ Austria am 11. September 2018 beschlossenen und auf der Internetseite der AQ Austria kundgemachten Privatuniversitäten-Akkreditierungsverordnung 2019 (PU-AkkVO 2019) lautet (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"§21. Inkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt am 01.02.2019 in Kraft.
(2) Für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits anhängige Verfahren gilt die Privatuniversitäts-Akkreditierungsverordnung vom 28.05.2015."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführende Partei stellte am 25. Mai 2018 gemäß §24 HS-QSG einen Antrag auf Akkreditierung als Privatuniversität an die AQ Austria. Diesen Antrag zog die beschwerdeführende Partei sodann am 12. Dezember 2019 wieder zurück. Mit Bescheid vom 4. März 2020 schrieb das für das Akkreditierungsverfahren zuständige Board der AQ Austria der beschwerdeführenden Partei eine Verfahrenspauschale nach §20 HS-QSG sowie weitere im Verfahren bereits angefallene Kosten vor. Gegen diesen Kostenbescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden Antrag nach Art140 Abs1 Z1 lita und Art139 Abs1 Z1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, näher bezeichnete Bestimmungen des HS-QSG als verfassungswidrig sowie §11 PU-AkkVO 2015 und §21 Abs2 PU-AkkVO 2019 als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Bundesregierung, die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht und das Board der AQ Austria haben jeweils Äußerungen erstattet.
IV. Zur Zulässigkeit
Der Antrag ist unzulässig:
1. Zur beantragten Aufhebung des §1 Abs2 Z2, 3 und 4, der Zeichen- und Wortfolge "- und Akkreditierungs" in §3 Abs3 Z1, des §3 Abs3 Z2 und 5, der Wortfolge "über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder" in §9 Abs1 Z1, des §9 Abs1 Z4 und 12, des §9 Abs2, des §19 Abs3 sowie der §20, §24, §25 und §26 HS-QSG:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht ficht §1 Abs2 Z2, 3 und 4, die Zeichen- und Wortfolge "- und Akkreditierungs" in §3 Abs3 Z1, §3 Abs3 Z2 und 5, die Wortfolge "über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder" in §9 Abs1 Z1, §9 Abs1 Z4 und 12, §9 Abs2, §19 Abs3, §20 und §26 HS-QSG in der Stammfassung (BGBl I 74/2011), §24 HS-QSG idF BGBl I 129/2017 und §25 HS-QSG idF BGBl I 79/2013 an. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13. August 2021 standen die §§20, 24 und 25 HS-QSG idF BGBl I 77/2020 und §26 HS-QSG idF BGBl I 20/2021 in Geltung. Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverwaltungsgericht sich an der maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung auszurichten hat, ist es ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht §20, §24 (einschließlich der Verordnungsermächtigung in Abs6), §25 und §26 HS-QSG in den von ihm angefochtenen (nicht mehr in Geltung stehenden) Fassungen anzuwenden und seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Dasselbe gilt für §1 Abs2 Z4 HS-QSG und §19 Abs3 HS-QSG, die während des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof mit dem am 1. Oktober 2021 in Kraft getretenen BGBl I 177/2021 eine Änderung erfahren haben und seither nicht mehr in der vom Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Fassung in Geltung stehen. Diese Bestimmungen sind sohin nicht (mehr) präjudiziell.
Der Antrag ist daher hinsichtlich §1 Abs2 Z4, §19 Abs3, §20, §24, §25 und §26 HS-QSG als unzulässig zurückzuweisen.
1.3. Angesichts des Umstandes, dass das Bundesverwaltungsgericht damit §1 Abs2 Z4, §19 Abs3, §20, §24, §25 und §26 HS-QSG in der jeweils (geltenden) Fassung nicht (mit) angefochten hat, erweist sich aber der Antrag auf Aufhebung des §1 Abs2 Z2 und 3, der Zeichen- und Wortfolge "- und Akkreditierungs" in §3 Abs3 Z1, des §3 Abs3 Z2 und 5, der Wortfolge "über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder" in §9 Abs1 Z1, des §9 Abs1 Z4 und 12 und des §9 Abs2 HS-QSG vor dem Hintergrund der Bedenken, dass bei der Durchführung des Akkreditierungsverfahrens über Privatuniversitäten und Studienprogramme an diesen Bildungseinrichtungen der AQ Austria in verfassungswidriger Weise hoheitliche Vollzugsaufgaben übertragen seien und in diesem Zusammenhang die Weisungsfreistellung der AQ Austria keine Deckung in Art20 Abs2 B-VG finde sowie dass §24 Abs6 HS-QSG die AQ Austria in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise dazu ermächtige, durch Verordnung ihren eigenen Prüfungsmaßstab im Akkreditierungsverfahren festzulegen, als zu eng gefasst, weil die behauptete Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014).
Der Antrag ist daher auch hinsichtlich §1 Abs2 Z2 und 3, der Zeichen- und Wortfolge "- und Akkreditierungs" in §3 Abs3 Z1, des §3 Abs3 Z2 und 5, der Wortfolge "über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder" in §9 Abs1 Z1, des §9 Abs1 Z4 und 12 und des §9 Abs2 HS-QSG als unzulässig zurückzuweisen.
2. Zur beantragten Aufhebung des §11 PU-AkkVO 2015 und des §21 Abs2 PU-AkkVO 2019:
2.1. Gemäß §57 Abs1 VfGG hat der Antrag die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Gesetzwidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 13.571/1993, 13.652/1993). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Bestimmung in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997).
2.2. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Antrag ausführt, der "Aufhebungsumfang
entspricht aufgrund der maßgeblichen Rechtslage der Behördenzuständigkeit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2020, ZI. V460/2020, und wurde einerseits – aufgrund der Akzessorietät der Kostenentscheidung zur Hauptsache – durch die Verfahrenskostenbestimmungen in §20 HS-QSG sowie §11 PU-AkkVO 2015 und andererseits – zur Herstellung einer bereinigten Rechtslage – durch die Übergangsbestimmung in §21 Abs2 PU-AkkVO 2019 erweitert", wird dem Erfordernis des §57 Abs1 zweiter Satz VfGG nicht entsprochen, weil es bereits an der Behauptung der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen (vgl VfSlg 14.802/1997) fehlt. Das Fehlen einer geeigneten Darlegung im Sinne des §57 Abs1 zweiter Satz VfGG ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl VfSlg 12.564/1990, 15.342/1998 mwN).
2.3. Der Antrag auf Aufhebung des §11 PU-AkkVO 2015 und des §21 Abs2 PU-AkkVO 2019 ist daher zurückzuweisen.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Hochschulen Organisation, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Gerichtsantrag, Verordnung, NovellierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G255.2021Zuletzt aktualisiert am
16.02.2022