TE OGH 2021/11/23 4Ob157/21y

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Veröffentlicht am 23.11.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 41.000 EUR) über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 26. August 2021, GZ 2 R 126/21b-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Die Klägerin vertreibt Strom und Gas an Endkunden.

[2]            Die Beklagte erarbeitet Jahreskostenvergleiche verschiedener Strom- und Gasanbieter, darunter auch der Klägerin, und bietet diese – in der Regel ohne Auftrag – potentiellen Stromkunden, unter anderem Endkunden der Klägerin, an. Entscheidet sich ein Kunde zum Abschluss eines neuen Angebots, erhält die Beklagte ein Honorar von 33 % einer möglichen Jahresersparnis.

[3]            Konkret vergleicht die Beklagte Stromkosten, die sie als mit dem Firmenschlagwort der Klägerin und als „Stromkosten exklusive Wechselprämie“ und „NEU: Stromkosten mit Wechselprämie“ bezeichnet. Die „Stromkosten mit Wechselprämie“ gelten nur im ersten Jahr nach dem Anbieterwechsel, während in den Folgejahren nach dem regulären Tarif des neuen Anbieters erheblich höhere Stromkosten als nach dem Tarif der Klägerin entstehen. Einen Hinweis auf die beschränkte Gültigkeitsdauer des Preises mit Wechselprämie enthält der von der Beklagten erstellte Vergleich aber nicht. Dafür enthält der Vergleich die Formulierung „garantiert günstiger als der Referenztarif“. Außerdem berechnet die Beklagte in ihren Vergleichen die Stromkosten der Endverbraucher bei der Klägerin falsch.

[4]            Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten mit einstweiliger Verfügung, in Preisvergleichen an Endabnehmer vorzugeben und/oder zu suggerieren, der Abnehmer könne bei einem Wechsel von der Klägerin zu einem anderen Stromanbieter jährlich eine Einsparung seiner Stromkosten erzielen, wenn diese Ersparnis in Wahrheit nur im ersten Jahr nach dem Wechsel, insbesondere aufgrund einer besonderen Wechselprämie oder einer ähnlichen nur im ersten Jahr nach dem Wechsel gewährten Vergütung erzielt werden kann, während der Kunde in den nachfolgenden Vertragsjahren Stromkosten beim neuen Lieferanten zu tragen hat, die über jenen liegen, die der Kunde bei der Klägerin zu tragen hatte bzw hätte, oder die diese zumindest nicht deutlich unterschreiten. Die Preisvergleiche der Beklagten seien irreführend, weil wesentliche Informationen fehlten, nämlich wie lange der günstige Preis gelte.

Rechtliche Beurteilung

[5]            Die Beklagte zeigt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf.

[6]            1. Wie die angesprochenen Marktteilnehmer eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0107771; RS0043000; RS0053112).

[7]            2. Der Behandlung der Rechtsrüge ist voranzustellen, dass deren gesetzmäßige Ausführung das strikte Festhalten am konkret festgestellten Sachverhalt (RS0043312; RS0043603 [T8]) sowie eine Auseinandersetzung mit der tragenden Begründung der bekämpften Rechtsmittelentscheidung (RS0043603 [T16]) erfordert. Dies wird im Rechtsmittel nicht ausreichend beachtet.

[8]            2.1. So argumentiert die Beklagte im Revisionsrekurs etwa, dass nur Unternehmer als Durchschnittsadressaten der Preisvergleiche heranzuziehen seien. Jedoch wurde weder vorgebracht noch bescheinigt, dass die von der Beklagten angesprochenen Endkunden der Klägerin ausschließlich Unternehmer seien. Im Übrigen lässt der Revisionsrekurs auch nicht erkennen, wieso Unternehmer auch ohne einen entsprechenden Hinweis der Beklagten über die Information verfügen sollten, für jeweils welchen Zeitraum die in den Preisvergleichen nicht einmal namentlich identifizierten Alternativanbieter ihre Wechselprämien gewähren.

[9]            2.2. Auch das Argument der Beklagten, dass ihre Kostenvergleiche nicht irreführend seien, weil Stromkunden tatsächlich jährlich ihren Anbieter wechseln müssten, um optimale Preise zu zahlen, findet weder im Vorbringen noch im bescheinigten Sachverhalt Deckung und lässt die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, worin die Irreführung liege, außer Acht.

[10]           3. Weil für die Adressaten der Kostenvergleiche gar nicht erkennbar ist, dass die von der Beklagten für den Preisvergleich herangezogenen „Stromkosten mit Wechselprämie“ nur für einen begrenzten Zeitraum gelten, ist es auch ohne Belang, ob dieser Zeitraum der maximalen Bindungsfrist für Stromkunden gemäß § 76 Abs 1 ElWOG entspricht. Die Vorinstanzen bejahten die Irreführungseignung gerade deshalb, weil die Beklagte in ihren Kostenvergleichen eben nicht darauf hinwies, dass der Kunde im Fall eines Anbieterwechsels nur im ersten Vertragsjahr vom „garantiert günstigeren“ Preis profitieren kann.

Textnummer

E133664

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00157.21Y.1123.000

Im RIS seit

02.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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