TE Bvwg Erkenntnis 2022/1/14 W140 2228227-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2022
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Entscheidungsdatum

14.01.2022

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs2a
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W140 2228227-2/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 26.02.2020 verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX StA: Palästina (staatenlos) alias Jordanien, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen die Festnahme, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2019, Zl. XXXX , und gegen die Anhaltung in Schubhaft, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird - hinsichtlich des Zeitraumes von 24.10.2019 bis 05.12.2019 - gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Anhaltung von 06.12.2019 bis 25.02.2020 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG idgF iVm § 76 Abs. 2a FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 2a FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

V. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der BF reiste spätestens am 25.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, aus der West-Bank zu stammen sowie der arabischen Volksgruppe anzugehören.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 17.02.2009 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.03.2008 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen (Spruchpunkt II). Der BF wurde gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien ausgewiesen (Spruchpunkt III). Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 38 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV). Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 20.10.2008 wurde zudem ein Rückkehrverbot in der Dauer von zehn Jahren gegen den BF erlassen. Eine dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Rückkehrverbot wurde rechtskräftig und in weiterer Folge in ein Aufenthaltsverbot umgewandelt.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 24.10.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Die Behörde bemühte sich mit dem UNRWA um ein Heimreisezertifikat. Der BF wirkte nicht ausreichend mit.

Am 23.02.2020 wurde die gegenständliche Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF habe keine Identitätsverschleierung betrieben und seit zehn Jahren gleichlautende Angaben gemacht. Er sei zuletzt vor über acht Jahren strafgerichtlich verurteilt worden. Ein Heimreisezertifikat für den BF sei nicht erlangbar, sodass er bereits mehrfach aus der Schubhaft entlassen worden sei. Ein Verfahren hinsichtlich eines Antrages auf Duldung sei nach wie vor offen. Der BF sei in einem Grundversorgungsquartier aufrecht gemeldet gewesen. Zu seiner Familie in seinem Herkunftsstaat habe er seit zwölf Jahren keinen Kontakt, diese sei unauffindbar. Der BF habe versucht die Kontaktdaten seiner Brüder zu erlangen und nicht absichtlich nötige Angaben bezüglich des HRZ-Verfahrens nicht preisgegeben. Eine einzelfallbezogene Abwägung sei unterlassen worden. Der Grund für die Nichterlangung des HRZ liege in der Praxis der palästinensischen Behörden. Zumindest seit 12.11.2019 werde die Schubhaft als eine Art „Beugehaft“ zu Unrecht aufrechterhalten. Was eine neuerliche Vorführung bringen solle, sei unklar, das Unterfangen sei von vornherein aussichtslos. Sicherungsbedarf bestehe nicht, das Sicherungsziel sei nicht erreichbar. Eine Ladung zu einem Vorführungstermin habe der BF nicht erhalten, da er etwa zwei Wochen lang obdachlos gewesen sei. Es sei völlig unplausibel, weshalb der BF, der nun nach Jahren endlich ein Quartier gefunden habe und Grundversorgung beziehe, untertauchen solle. Der BF habe ein schützenswertes Privatleben im Inland vorzuweisen. Ein gelinderes Mittel sei zu Unrecht ausgeschlossen worden. Der psychische Zustand des BF habe sich aufgrund der über drei Monate andauernden Schubhaft stark verschlechtert, zumal ein Ende nicht absehbar sei. Beantragt wurden die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, die Verhängung der Schubhaft sowie die andauernde Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, die Behebung des Mandatsbescheides vom 24.10.2019 sowie Kostenersatz.

Am 26.02.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in welcher der BF befragt wurde. Die Verhandlung gestaltete sich auszugsweise wie folgt:

„(…) R beginnt mit Befragung von BF.

R: Wie heißen Sie mit vollständigem Namen, welche Staatsbürgerschaft haben Sie und wann wurden Sie an welchem Ort geboren?

BF: Ich heiße XXXX . Ich bin in XXXX , eine große Stadt in der Nähe von XXXX geboren, ich bin geboren am XXXX . Mein Vater war bei der PLO, mein Vater ist umgebracht worden, als wir Kinder waren, deswegen waren wir auf der Flucht nach XXXX . Meine Mutter kommt aus XXXX . Ich bin Palästinenser.

R: Können Sie Dokumente oder andere Beweismittel vorlegen, die Ihre Angaben zu Ihrer Identität belegen (zB. Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde)?

BF: Ich habe gar keine Dokumente, keinen Reisepass. Ich hatte lediglich Papiere für Flüchtlinge von der UNRWA. Ich hatte eine „Registrierungskarte“, mit der ich Lebensmittel beziehen konnte. Es handelt sich sozusagen um einen Ausweis, mit dem man Geld und Lebensmittel beziehen konnte. Die ganze Familie hat nur einen Ausweis, wir waren 9 Personen.

R: Eine Familie hat also eine Karte?

BF: Nicht jede Familie bekommt so eine Karte, nur die Leute, die jemand im Krieg verloren haben, bekommen so eine Karte.

R: Aber Ihre Familie hatte so eine Karte?

BF: Ja, meine Mutter. Meine Mutter hatte eine Karte und holte die Lebensmittel für die Familie und auch ein bisschen Geld. Wir haben in einem Zelt gewohnt, in XXXX .

R: Mit Mandatsbescheid vom 24.10.2019 wurde über Sie gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Gegen die Festnahme am 24.10.2019, den Mandatsbescheid vom 24.10.2019 sowie die Anhaltung ab 24.10.2019 wurde am 23.02.2020 (Sonntag) Beschwerde erhoben (zugeteilt am Montag 24.02.2020). Dies ist Gegenstand des heutigen Verfahrens.

R erläutert BF Verfahrensgang:

Der BF reiste spätestens am 25.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, aus der West-Bank zu stammen sowie der arabischen Volksgruppe anzugehören. Mit Bescheid des BFA vom 17.02.2009 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.03.2008 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen (Spruchpunkt II). Der BF wurde gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien ausgewiesen (Spruchpunkt III). Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 38 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt(Spruchpunkt IV). Ein Sprachgutachten den BF betreffend wurde vor der Entscheidung eingeholt. Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

BF: Als ich hier zum ersten Mal in Schubhaft war, bin ich zur palästinischen Botschaft gegangen. Der Botschafter hat dort bestätigt, dass ich Palästinenser bin. Der Botschafter hat mir das auch bestätigt, aber er hat gesagt, ohne Ausweis, kein Reisepass.

R: Es ist unbestritten, dass Sie Palästinenser sind.

Mit Mandatsbescheid vom 24.10.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. (…)

R verliest die Stellungnahme des BFA vom 24.02.2020:

„Der Beschwerdeführer (Bf.) wird seit 24.10.2019 im Polizei-Anhaltezentrum gem. § 76/2/2 FPG in Schubhaft angehalten.

Am 24.2.2020 wurde gegenständliche Beschwerde gegen diese Anhaltung in Schubhaft mit dem Vorwurf der rechtswidrigen Anhaltung seit der Inschubhaftnahme und der derzeitigen Anhaltung eingebracht.

Nach dreimaliger periodischer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltunggem. § 80 Ab. 6 FPG wurde der Fremdenakt vor Ende der Vier-Monatsfrist dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Dieses stellte mit Erkenntnis vom 3.2.2020 gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Es waren auch keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Mandatsbscheid abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt geführt haben könnten, sodass die ausschließlich vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft, weiter fortzusetzen war.

Zum vorliegenden Sachverhalt wird auf die ausführliche Stellungnahme der verfahrensführenden Referentin vom 31.1.2020 verwiesen.

Das Bundesamt tritt der gegenständlichen Beschwerde mit dem Erkenntnis des BVwG entgegen.

Zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft werden die seit der letzten Vorlage - der Fremdenakt befindet sich nach wie vor beim BVsG – angelegten Aktenteile nachgereicht.

Zur Frage nach einem erlangten Reisedokumentes wird mitgeteilt, daß eine nochmalige Einvernahme zu den persönlichen Daten des Bfs. erforderlich ist. Diese wird unverzüglich durchgeführt.

Mangels eines ausgestellten Reisedokumentes ist somit noch kein Abschiebetermin in Aussicht.

Bis dato zeigte der Bf. keine Bereitschaft, seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aus eigenem zu beenden. Er hat diesbezüglich mit keiner Rückkehr-Organisation Kontakt aufgenommen, was ihm jedentags über die Schubhaftbetreuung möglich gewesen wäre.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht Wien möge betreffend der Verhängung und Anhaltung des Bfs. in Schubhaft: 1. die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. unzulässig zurückweisen, 2. gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen,

3. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.“

R: Wieso bemühten Sie sich nicht seit Ihrer rechtskräftigen Entscheidung um eine freiwillige Rückkehr nach Jordanien/Palästina beim VMÖ?

BF: Ich bin zu verschiedenen Botschaften (jordanische, syrische Botschaft) gegangen und keine Botschaft hat mich akzeptiert.

R: Sie hätten sich auch seit dem 24.10.2019 um eine freiwillige Rückkehr beim VMÖ bemühen können, der VMÖ war ja auch der Ihnen zugeteilte Rechtsberater.

BF: Ich habe Ihnen vorher gesagt, es gibt keine Möglichkeit.

R: Wieso haben Sie nicht mit dem VMÖ darüber gesprochen?

BF: Jede Woche kommt eine Betreuerin von der VMÖ, sie heißt XXXX und sie ist eine Irakerin.

R: Das erste Mal wurden Sie laut Anhaltedatei von der Rechtsberatung durch den VMÖ am 25.10.2019 besucht. Der BF wurde in weiterer Folge mehrmals in der Schubhaftbetreuung betreut sowie erneut durch den VMÖ besucht. Weiters gab es diverse Besuche von Angehörigen und Bekannten.

BFV: Die Schubhaft dient der Sicherung der Abschiebung und stellt kein Beugemittel dar, dass der BF freiwillig das Bundesgebiet verlässt. Die belangte Behörde hätte die Möglichkeit gehabt, den BF an seiner Meldeadresse einen entsprechenden Beugehaftbescheid zuzustellen. Dies ist nicht passiert.

R: Ich wollte in diesem Kontext nur darauf verweisen, dass ich festhalten wollte, dass der BF keinerlei ernsthafte Bemühungen zur freiwilligen Ausreise/freiwilligen Rückkehr seit dem Jahr 2009 gesetzt hat.

BFV: Wie bereits im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt, kann die bloße Ausreiseunwilligkeit nicht allein dazu geeignet, Fluchtgefahr anzunehmen.

R: In diesem Kontext möchte ich anführen, dass im Fall des BF mehrere Parameter die Fluchtgefahr begründen, unter anderem führe ich an: Ausreiseunwilligkeit, Zweifache Straffälligkeit nach dem SMG, die nach wie vor im Strafregister aufscheint, illegaler Aufenthalt seit langer Zeit, Schwarzarbeit, Untertauchen bei Meldungen, etc.

BehV: Zur Nichtanspruchnahme der Beratung ist zu ergänzen, dass bereits bei der Einvernahme am 19.01.2018 anlässlich der Prüfung über eine damals zuverhängende Schubhaft ausdrücklich der Auftrag dem BF erteilt wurde, die Rückkehrberatung anzunehmen. Der BF ist dem nicht nachgekommen. Des Weiteren auch nicht anlässlich der zuletzt verhängten Schubhaft, wo in einer Vielzahl von Terminen mit der Betreuung diese Möglichkeit bestanden hätte. Die Schubhaft stellt keinesfalls eine Art Beugehaft dar. Selbst wenn der BF durch sein Verhalten und seine äußerst schleppende Mitwirkung nach wie vor die vollständigen erforderlichen Daten zur Erlangung eines Heimreisezertifikats nicht vollständig bekanntgegeben hat. Die Schubhaft ist einzig zur Sicherung der Abschiebung und ist nach aktuellem Stand die Erlangung eines Heimreisezertifikats durch die palästinensische Vertretung wiederum wahrscheinlicher geworden, zumal nunmehr die frühere Adresse des BF in XXXX bekannt ist und nach neuerlicher Anfrage UNRWA bezüglich der Bekanntgabe einer Identifikationsnummer zu der bereits heute angeführten Registrierungskarte möglich sein wird.

BFV: Ich verweise auf eine Korrespondenz des BF durch seine Vertretung mit dem UNRWA mit Frau XXXX aus dem Jahr 2009. Mit E-Mail vom 11.11.2009 wurde ihnen das UNRWA festgehalten, dass der BF selbst über keine Registration und keine entsprechende Karte des UNRWA verfügt. Nachdem UNRWA eine Registrierung des BF verneint hatte, wurden die Daten des Vaters des BF übermittelt. Dies zeigt, dass der BF bereits im Jahr 2009 von sich aus bemüht hat, sämtliche relevante Dokumente des UNRWA zu besorgen. Die belangte Behörde wurde darüber mittels Schreiben vom 03.12.2009 informiert sowohl die Eingabe ans BFA als auch die Email Korrespondenz mit UNRWA können vorgelegt werden.

R: In diesem Kontext möchte ich darauf verweisen, dass es sich um eine 11 Jahre alte Korrespondenz handelt. Das BFA hat im Jahr 2019 beginnend erneut Bestrebungen gesetzt. Wäre der Sachverhalt sowie Sie ihn jetzt darstellen, wäre ja sofort eine Ablehnung erfolgt, bezüglich des Heimreisezertifikates. Der BF führte heute zu Beginn sogar selbst aus, dass die Familie eine Registrierungskarte besaß. Die neuerliche Kommunikation bezüglich des UNRWA Formulars erscheint mir sehr intensiv. Ich verweise auf einen Schriftverkehr, den mir das BFA am 24.02.2020 übermittelt hat. Aus dem hervorgeht, dass das Formblatt ausgefüllt worden war, übermittelt worden war und eine Rückmeldung von UNRWA erfolgte. Aus dieser Rückmeldung geht hervor, dass der BF nicht unterschrieben hat. Weiters geht hervor, dass aufgrund des falschen Ausfüllens durch den BF, ein neuerliches Ausfüllen des Formulars erforderlich ist. UNRWA erteilte im Jahr 2020 bis zum heutigen Tage keine Absage bezüglich des Heimreisezertifikates, stattdessen wird erneut um ein richtig befülltes Formblatt gebeten.

BehV: Sobald dieses Formblatt zur Verfügung steht, wird die Rückmeldung seitens UNRWA innerhalb von 3 bis 4 Wochen erfolgen. Darüber hinaus ist durch die ergänzende Adressbekanntgabe in XXXX die Wahrscheinlichkeit dafür gestiegen, dass weitere Anhaltspunkte betreffend den BF gefunden werden können, selbst, wenn lediglich die Frau Mutter seinerzeit den Besitz einer Lagerkarte war. Die Ermittlungen dazu und die Ergebnisse werden in Monatsfrist erfolgen können.

R: Im Kontext mit dem Formblatt möchte ich auch auf die gestrige Einvernahme vor dem BFA verweisen unter dem Titel ergänzende Niederschrift zur Erlangung des HRZ-Ersatzdokumentes, welches sich am Anhang an das Protokoll befindet. In dieser Niederschrift wurde der BF mit dem Identitätsblatt der UNRWA konfrontiert und mit der Tatsache des „falschen Ausfüllens“.

BFV: Was hat UNRWA beansprucht?

R: Die E-Mail der Staatendoku wird verlesen. Die E-Mail wird als Anhang zum Protokoll genommen. Aus meiner Sicht geht aus diesem E-Mail vom 27.01.2020 hervor, dass der BF erstens nicht unterschrieben hat in Arabisch, zweitens Hinweise fehlen. Weiters geht aus diesem Schriftverkehr hervor, dass das BFA nach wie vor in regem Kontakt mit dem UNRWA steht, um ein Heimreisezertifikat den BF betreffend zu erlangen. Der UNRWA liegt bis dato keine Absage erteilt, sondern viel mehr ein neuerlich ausgefülltes Formblatt verlangt, welches vom BFA erneut dem UNRWA übermittelt werden wird. In diesem Kontext ist die Niederschrift des BFA vom 25.02.2010 zu verstehen, die sogenannte ergänzende Niederschrift zur Erlangung des HRZ-Ersatzreisedokumentes, die sich im Anhang an das Protokoll befindet, in der sich der BF ua. an nichts mehr erinnern kann.

BFV: Aufgrund der oben erröteten Schreiben der Staatendokumentation ist eindeutig erkennbar, dass es der belangten Behörde nicht gelingen wird, dieses Heimreisedokument zu erlangen. Dies aus folgendem Grund: Es fehlte nicht nur die Unterschrift des BF, sondern auch weitere „fehlende Hinweise“. Unter diesen Hinweisen handelt sich um ein UNRWA Dokument, eine Registrierungsnummer oder eine Familienregistrierungsnummer. Der BF ist weder in Besitz eines entsprechenden Dokumentes noch einer entsprechenden Nummer. Aus diesem Grund konnte bereits im Jahr 2009 kein UNRWA Registrierungsdokument erlangt werden. Auch in der Einvernahme vom 25.02.2015 konnte der BF kein entsprechendes Dokument vorlegen und keine entsprechende Nummer nennen. Wenn die belangte Behörde vermeint, der BF hätte keine Angabe zum letzten Wohnsitz in XXXX gemacht, ist anzuführen, dass auf S. 5 der Niederschrift zum letzten Wohnsitz der Familie lediglich XXXX , XXXX geschrieben wurde. Diese Angabe in Bezug auf den Wohnsitz der Familie wurde vom BF allerdings bereits im Rahmen der Einvernahme vom 25.03.2008 vor der XXXX . Im Übrigen handelt es sich nicht um eine genaue Adresse, sondern um eine Nennung einer Straße. Hinsichtlich der Einvernahme vom 25.02.2015 wird zudem ausgeführt, dass der BFV über diese Einvernahme nicht informiert wurde.

R: Dazu möchte ich verweisen, dass Ihnen die Einvernahme nun vorliegt. Ich möchte im Kontext mit der Möglichkeit der Erlangung eines Heimreisezertifikates noch Folgendes ausführen: Aus meiner Sicht zeigt der BF mangelnde Kooperationsbereitschaft, um nicht abgeschoben zu werden. Er selbst führte selber aus, dass seine Familie respektive seine Mutter, über eine Karte verfüge. Es erscheint mir sehr unplausibel, dass es ihm unmöglich ist, die Nummer oder irgendeinen Hinweis zu eruieren. Er wird laufend von Leuten, Verwandten, Bekannten in der Schubhaft besucht. Weiters brachte er vor, dass es im Gefängnis nicht funktioniere, dies zu eruieren. Das BFA würde ihm alle Möglichkeit geben, dies zu tun. Ich möchte auch auf einen zweiten Aspekt der englischen Antwort von UNRWA verweisen: Der UNRWA verweist darauf, dass mehr Informationen notwendig sind. Zuerst verweist er ua auf allfällige Registrierungsnummern. In weiterer Folge verweist er aber auch auf „An official document issued by the host goverment that includes the applicants full name, such as such as an ID“. Aus meiner Sicht, selbst wenn der BF sich weiterhin weigert, allfällige Registrierungsnummern zu beschaffen und dafür Verwandte zu kontaktieren, wird das die Behörde mit der zweiten Variante versuchen und in diesem Fall genau darauf achten, dass das Formblatt auch wirklich unterschrieben ist.

BFV: Es ist die Aufgabe der Behörde, darauf hinzuwirken, dass die Anhaltung der Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Wäre die Belangte Behörde dieser Verpflichtung im Sinne des § 80 Abs. 1 FPG nachgekommen, hätte sie bereits vor der Übermittlung des Formblattes einen Dolmetscher beigezogen und das Formblatt im Rahmen einer Einvernahme ausgefüllt. Spätestens nach der Antwort vom 27.01.2020, dass nicht alle nötigen Angaben gemacht wurden, hätte die bel. Behörde unverzüglich den BF einvernehmen müssen und unter Beziehung eines Dolmetschers die notwenigen Angaben ergänzen müssen. Eine Einvernahme des BF hinsichtlich erforderlicher Registrierungsnummer und dergleichen erfolgte erst am 25.02.2020, wobei die Behörde in der Zwischenzeit untätig blieb, weshalb ein Eventualantrag gestellt wird: Das BVwG möge die Anhaltung in der Schubhaft zwischen 16.01.2020 und 25.02.2020 als rechtswidrig.

R: Zur Tatsache, dass der BF das erste Mal das Formblatt eigenständig ohne Kontrolle ausführen konnte, ist nichts zu sagen. Dem BF wurde beim ersten Ausfüllen die Möglichkeit gegeben, eigenständig in arabischer Sprache seine Ausführungen zu tätigen. Zur weiteren Vorgangsweise ersuche ich das BFA Stellung zu nehmen. Aus meinen Aufzeichnungen geht hervor, dass die Antwort des UNRWA am 27.01.2020 an die zuständige Referentin erging.

BFV: Es ist nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde die Angaben des BF hinsichtlich des im Schreibens vom 16.01.2020 genannten Formblatt nicht kontrolliert hat, handelt es sich doch um das zentrale Dokument, das erforderlich ist, die Abschiebung durchzusetzen. Zum Antrag wird als weiterer eventualer ausgeführt, dass BVwG möge die Anhaltung der Schubhaft vom 27.01.2020 bis 25.02.2020 aus den oben genannten Gründen für rechtswidrig erklären.

Die Verhandlung wird um 14:53 Uhr unterbrochen.

Die Verhandlung wird um 15:14 Uhr fortgesetzt.

BehV: Zum Vorbringen des BFV, es sei spekulativ ein Heimreisezertifikat zu erlangen, sei auf das vorherige Vorbingen verwiesen. Insbesondere darauf, dass sich neue Anknüpfungspunkte betreffend die Lagerkarte, allenfalls ähnlicher Dokumente betreffend die Familie des BF ergeben können. Zum Vorbringen der Rechtswidrigkeit der Schubhaft, insbesondere ab dem Zeitpunkt nach Einlagen der Stellungnahme der Staatendoku (UNRWA)sei einerseits darauf hingewiesen, dass die Schubhaftüberprüfung für den 03.02. anberaumt war, vergleiche Vorlage vom 31.01.2019 dazu, zum anderen darauf, dass der BF sich entgegen seinen Angaben vor der Botschaft und nachfolgenden Einvernahmen weiterhin nicht bereit war, ein Familienmitglied zu kontaktieren oder irgendwelche Bemühungen dazu anzustreben. Darüber hinaus wurde intensiv seitens der verfahrensführenden Referentin auch Abklärung darüber getroffen, wie weit für ergänzende, allenfalls in Frage kommende Staaten ungeachtet der Bestätigung der palästinensischen Vertretung proaktiv Voraussetzungen für die Abklärung sämtlicher theoretisch möglichen Dokumenterlangungen abgeklärt wurden.

BFV: In wie weit wurde proaktiv abgeklärt, und die Voraussetzungen für die Erlangung eines Heimresidok eines anderen Staates erlangt werden können? Wurde dies aktenkundig gemacht? Warum geht die belangte Behörde davon aus, dass es sich beim BF entgegen der Angaben der palästinensischen Behörde um keinen staatenlosen Palästenenser handelt. Zudem stellt sich die Frage, ob nun eine Abschiebung in die palästinensischen Gebiete das Sicherungsziel bildet.

BehV: Diese Bemühungen sind nicht aktenkundig. Das BFA ist keineswegs davon ausgegangen, dass der BF anderer Staatsangehörigkeit sein könnte. Mit dem Begriff proaktiv ist lediglich eine umfassende aller Eventualitäten einschließende Vorgehensweise gemeint. Die Abschiebung in die palästentischen Gebiete stellt nach wie vor das Sicherungsziel dar.

BFV: Aus den Angaben der belangten Behörde ist nicht ersichtlich, welche konkreten Verfahrenhandlungen zwischen 27.01.2020 und 25.02.2020 bezüglich der proaktiven Abklärung steht.

R: Ich möchte auf S. 11 des Protokolls verweisen. Daraus geht hervor, dass die Behörde im Mandatsbescheid anführt, derzeit laufend mehrere HRZ-Verfahren mit verschiedenen Ländern, ua Palästiner, Isreal führt. Es ist beabsicht auch ein HRZ-Verfahren mit dem nordafrikanischen Ländern (Magrebstaaten) einzuleiten.

BehV: Der BF war ja auch in Libyen und Syrien. Auch in diesen Ländern vermag der BF identitätsfördernde Spuren hinterlassen haben.

R: Sie haben vorgebracht, dass das BFA versucht hat, Details bezüglich der Familie vom BF zu erlangen nach dem 27.01.2020. Kann man dazu was sagen? Weiters ist dem BFA recht zu geben, dass der Akt sich beim BVwG befand und ab dem 05.02.2020 wieder verfügbar gewesen wäre. Es ist dem BFA auch beizupflichten, dass eine gewisse Überlegungsphase bezüglich der Herangehensweise in Bezug auf den UNRWA zu geben ist. Dies löste das BFA mit der Konfrontation mit dem Fragebogen im Zuge der Einvernahme am 25.02.2020. Weiters wäre es dem BF auch jederzeit freigestanden, Details bekanntzugeben und Kontakte aus der Haft aufzunehmen. Dazu verweise ich auf die Einvernahme vom gestrigen Tage, aus der hervorgeht, dass er sagte, dass er aus dem Gefängnis nicht Kontakte mit seiner Familie aufnehmen könne. Das BFA gab ihm die Möglichkeit, dies jederzeit zu tun. Selbst nach der Einvernahme am gestrigen Tag, war er nicht viel mehr Anhaltspunkte zu beschaffen, sodass das BFA, da der BF nicht kooperativ war, sich ja bei der neuerlichen Übermittlung des Formblatts auf die zweite Variante official document issued by the host goverment „ergänzt mit einigen Details“ beschränken muss, da es nicht so ausschaut, als ob der BF freiwillig seine ID-Nummer, Registrierungsnummer, bekanntgeben wird. Der BF wurde in der Schubhaft mehrfach beraten und hofft natürlich auf seinen Sieg seiner Beschwerde. Aus diesen Gründen wird er nicht freiwillig die Nummer bekanntgegeben. Weiters ist darauf zu verweisen, dass aus der Anhaltedatei ersichtlich ist, dass der BF mehrfach im Laufe des Februars durch eine rechtliche Beratung in der Schubhaft besucht wurde. Dem BF wurde Hoffnung gemacht, seine Schubhaft bald zu beenden. Aus diesen Gründen, wie die Einvernahme am gestrigen Tag zeigt, wäre sowieso nichts zu gewinnen gewesen.

Ich gehe jetzt davon aus, dass das BFA nach der heutigen Verhandlung umgehend die Variante 2 mit ergänzenden Details umsetzt. Der BF, diesmal in Anwesenheit eines Dolmetschers in arabischer Sprache, das Formblatt nochmals ausfüllt und dieses ehestmöglich nochmals dem UNRWA mit dem Vermerk einer entsprechenden Dringlichkeit, da sich der BF schon seit geraumer Zeit in Haft befindet, übermittelt wird. Um Sicherstellung der Dringlichkeit sowie Priorisierung der Angelegenheit wird das BFA ersucht. Weiters muss das BFA klären, welches Dokument seitens UNRWA erforderlich ist. Diesbezüglich wird nach Klärung dieser Frage allenfalls das Außenministerium um Unterstützung ersucht, auch bezüglich der Abklärung der ergänzenden Details (Familie, Adresse,..) könnte das Außenministerium um Unterstützung ersucht werden. Die Frage, ob ein official document des host country – wie von UNRWA gefordert – ausgestellt werden kann, ist innerhalb 1 Monats zu klären. Weiters ist innerhalb des nächsten Monats zu klären, ob wir bezüglich der ergänzenden Details weitere Recherchen durchführen können. Für den Fall, dass das alles nicht möglich ist, sollte der BF in ein gelinderes Mittel entlassen. Klar rausbringen, wurde entlassen Sollte jedoch die Ausstellung eines Dokumentes möglich sein, hat das BFA umgehend dieses, mit der Unterschrift des BF ersehen, dem UNRWA zu übermitteln.

BFV an BFA: Ist die Behörde überhaupt gewillt dem BF ein entsprechendes Dokument auszustellen?

BFA: Ist auch im Interesse der Behörde, ja.

BFV: Ist absehbar, in welchem Zeitraum, seitens des BFA abgeklärt werden kann, in welcher Form dieses Dokument ausgestellt werden kann?

BFA: Innerhalb 1 Monats.

BFV: Ich nehme es zur Kenntnis.

BFV: Ich würde gerne die Möglichkeitnahme der Wohnsitznahme in XXXX vorlegen. Zusätzlich bezüglich der Obdachlosmeldung ein Schreiben von XXXX . Eine weitere Bestätigung von XXXX .

Die Unterlagen werden in Kopie zum Akt genommen.

R an BF: Was haben Sie dazu vorzubringen?

BF: Ich habe gar nichts zu erzählen.

BFV: Wo lebten Sie vor Ihrer Festnahme?

BF: Hier in diesem Lager ( XXXX ). Ich war 9 Jahre obdachlos und zum Schluss hier aufhältig.

BFV: Wie haben Sie die deutsche Sprache erlernt?

BF: Ich war 7 Jahre hier. Ich hatte viele Freunde. Fast alle waren Österreicher, keine Araber.

BFV: Haben Sie in Ihrer Zeit in Österreich auch bei Projekten mitgearbeitet?

BF: Ja, beim XXXX .

R: In diesem Zusammenhang möchte ich festhalten, dass der BF sich seit dem Jahr 2009 seines unrechtsmäßigen Aufenthaltes bewusst sein musste. Den BF entgegen der von Ihnen vorgebrachten Integration hielt nichts davon ab, Straftraten nach dem, besonders verwerflichen Suchtmittelgesetz zu setzen. Weiters ging der BF der Schwarzarbeit nach. Darüber hinaus kam es immer wieder zu Vorfällen in den Unterkünften. Weiters gab der BF an: „Ich weigere mich, Österreich zu verlassen.“ Aus dem Umstand, dass der BF vielleicht die letzten Jahre nicht mehr rechtskräftig verurteilt wurde – jedoch immer in Unterkünften auffällig wurde – kann keine herausgehende Integration abgeleitet werden. Ich verweise weiters darauf, dass der BF möglicherweise Freunde in Österreich aufweist, er ist jedoch nicht verheiratet und hat keine Kinder. Weiters konnte auch sein umfassendes Netzwerk von Freunden inländischer sowie nicht inländischer Herkunft nicht zu einer Aufklärung im Kontext mit der Registrierungsnummer und ID-Nummer führen. Es scheint, dass das Netzwerk von Freunden den illegalen BF, dabei unterstützt, im Land zu verbleiben.

BFV: Die Fluchtgefahr relativiert sich durch die soziale Integration des BF in Österreich. Dieser wurde im Jahr 2009 und 2011 nach dem SMG verurteilt; dies liegt 9 Jahre zurück. Er hat sich mit seiner Tat auseinandergesetzt und bereut diese. In den Jahren seines Aufenthaltes hat er sich ein entsprechendes Netzwerk aufgebaut. Ihm ist es gelungen, aus den Obdachlosen Milieu herauszukommen und in einer Grundversorgungseinrichtung der Stadt XXXX als Fremder aufgenommen zu werden. Die vorgelegten Unterstützungsschreiben zeugen davon, dass der BF ein Privatleben verfügt, zudem verfügt er über Kenntnisse um seinen Alltag zu bestreiten.

R: Sie bringen all dies vor im Zusammenhang mit der Ausweisung aus dem Jahr 2009 und im Zusammenhang mit der Beurteilung der Fluchtgefahr. Zu alldem ist vorzubringen, dass aus meiner Sicht sich im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung nichts verändert hat, da der BF zweifach straffällig wurde und die Behörde mehrfach Bemühungen setzte, den BF außer Landes zu bringen. Der BF jedoch daran kein gesteigertes Interesse zeigte. Im Zusammenhang mit der Fluchtgefahr ist auszuführen, dass der BF sich erstens illegal im Bundesgebiet aufhielt, zweitens keine ernsthaften Bemühungen setzte bis zum heutigen Tage (aus diesem Grund muss von der Variante 2 Gebrauch gemacht werden) freiwillig auszureisen, zweifach nach dem Suchtmittelgesetz strafgerichtlich verurteilt wurde, der Schwarzarbeit nachging, Aliasidentitäten verwendete sowie in der Niederschrift vor dem BFA vorbrachte, dass er sich weigere, Österreich zu verlassen. Weiters verfügt der BF bis zum heutigen Tag über kein Reisedokument. Es ist ihm auch mangelnde Kooperation im Zusammenhang mit dem UNRWA Formblatt vorzuwerfen. Er verfügt über keine familiären, keine legalen beruflichen Anknüpfungspunkte. Er hat keine Kinder in Österreich und er hat keine ausreichenden Existenzmittel. Dies kann durch die Existenz einiger Freunde sowie „Deutschkenntnisse“ um den Alltag zu bestreiten nicht aufgehoben werden.

BehV: Durch die Verurteilung durch SMG wurde seinerzeit die Grundversorgungstelle über den künftigen Entfall der Leistungen gemäß § 1 Abs. 5 Grundversorgungsgesetz verständigt. Die Voraussetzung dafür, liegen nach wie vor vor. In unterschiedlichen Einvernahmen beginnend mit 19.01.2018, konnte der BF die Freundin XXXX lediglich mit dem Vornamen benennen und konnte erst mit Hilfe eines nachfolgenden Telefonates überhaupt die Adresse dieser Person ermittelt werden. Die vorgelegten Bestätigungen sind aus Sicht der Behörde als Gefälligkeitsbestätigungen zu beurteilen, stets war der BF für die Behörde nicht greifbar und vermag durch die ausdrückliche Erklärung, im Bundesgebiet bleiben zu wollen, niemals eine bestehende Fluchtgefahr auszuhebeln. (…)“

Am Schluss der Verhandlung verkündete die Richterin mündlich die Entscheidung. Mit Eingabe vom 27.02.2021 wurde die schriftliche Ausfertigung des am 26.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.

Der BF befand sich von 24.10.2019 bis 12.03.2020 in Schubhaft. Am 12.03.2020 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist palästinensischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Der BF besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch ist er in Österreich asylberechtigt bzw. subsidiär schutzberechtigt.

Der BF reiste spätestens am 25.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, aus der West-Bank zu stammen sowie der arabischen Volksgruppe anzugehören. Mit Bescheid des BFA vom 17.02.2009 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 25.03.2008 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen (Spruchpunkt II). Der BF wurde gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien ausgewiesen (Spruchpunkt III). Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 38 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV). Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.

Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 20.10.2008 wurde zudem ein Rückkehrverbot in der Dauer von zehn Jahren gegen den BF erlassen. Eine dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Rückkehrverbot wurde rechtskräftig und in weiterer Folge in ein Aufenthaltsverbot umgewandelt.

Der BF hielt sich seit 2008 in Österreich auf.

Der BF trat im Bundesgebiet strafrechtlich in Erscheinung und wies im relevanten Zeitpunkt folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1) Urteil eines Landesgerichtes vom 11.09.2008, RK 11.09.2008, PAR 27 ABS 1/1 (12.8/ FALL) 27/3 SMG, Datum der (letzten) Tat 23.08.2008, Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre.

2) Urteil eines Landesgerichtes vom 02.09.2011, RK 02.09.2011 § 27 (1) Z 1 1 Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG, Datum der (letzten) Tat, 10.07.2011, Freiheitsstrafe 8 Monate.

Beide Verurteilungen basierten auf der gleichen schädlichen Neigung, wegen unerlaubten Umgang mit Suchtgiften.

Zusätzlich zu den im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung vorliegenden Verurteilungen weißt der BF eine weitere rechtskräftige Verurteilung auf:

3) Urteil eines Landesgerichtes vom 27.09.2021, RK am selben Tag, wegen §§ 27 (1) Z1 1.2. Fall, 27 (2) SMG; § 27 (2a) 2. Fall SMG, § 15 StGB; Datum der letzten Tat 27.08.2021. Der BF wurde zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten – davon 6 Monate bedingt – verurteilt.

Der BF wurde am 24.10.2019 gemäß § 40 BFA-VG unter Auftrag des BFA-Journaldienstes festgenommen, er hielt sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Mit Mandatsbescheid vom 24.10.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Am 23.02.2020 wurde die gegenständliche Beschwerde erhoben.

Die Behörde bemühte sich mit dem UNRWA um ein Heimreisezertifikat, es liefen mehrere HRZ-Verfahren mit verschiedenen Ländern. Der BF wirkte nicht ausreichend mit. Der BF befand sich von 24.10.2019 bis 12.03.2020 in Schubhaft.

Ein erster Antrag auf Duldung des BF wurde mit Bescheid einer BPD vom 05.03.2012 abgewiesen. Am 20.02.2019 stellte der BF erneut einen Antrag auf Duldung, das zugehörige Verfahren war im hier relevanten Zeitpunkt noch offen.

Am 26.02.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in welcher der BF befragt wurde.

Der BF hielt sich seit Rechtskraft der Ausweisung vom 17.02.2009 illegal in Österreich auf.

Er BF bemühte sich nicht um eine freiwillige Ausreise. Er ging im Bundesgebiet illegalen Erwerbstätigkeiten nach.

Der BF war im Bundesgebiet weder beruflich noch familiär, signifikant sprachlich oder sozial verankert. Der BF war nahezu mittellos und nicht in der Lage seinen Aufenthalt aus Eigenem zu finanzieren. Die Wohnsituation des BF war unstet, er war über lange Perioden hinweg obdachlos und unterließ wiederholt die behördliche Wohnsitzmeldung. Zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme befand sich der BF in einem Grundversorgungsquartier. Der BF war nicht in verfahrensrelevantem Ausmaß sozial integriert, er verfügte jedoch über ein soziales Netz in Österreich, welches ihm ein Leben Verborgenen erst ermöglichte.

Eine Identitätsfeststellung am 17.01.2012 durch die ständige Vertretung Palästinas in Österreich war nicht möglich, da der BF mangelhafte und widersprüchliche Angaben zu seiner Identität machte. Der BF musste jedoch entweder eine Identifikationsnummer oder ein Reisedokument der palästinensischen Autonomiebehörde besitzen (vgl. Akt Band 2 Teil 1 AS 382 und 428). Der BF nahm einen Termin bei der Botschaft der Vertretung Palästinas am 14.05.2019 nicht wahr. Der diesbezügliche Mitwirkungsbescheid konnte ihm nicht zugestellt werden. Der BF hielt sich zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr an seiner Meldeadresse auf, er hatte in dem dortigen Quartier Hausverbot und wurde behördlich abgemeldet. Zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme hatte der BF in einem Grundversorgungsquartier Unterkunft genommen. Er wurde am 01.02.2019 – nach zehnjähriger Pause – wieder in die Grundversorgung aufgenommen (vgl. Verwaltungsakt Band 2 Teil 5 AS 545).

Der BF war nicht rückkehrwillig und nicht bereit Österreich zu verlassen.

Der BF war gesund und hatte in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Der BF war haft- und verhandlungsfähig.

Der BF war nicht vertrauenswürdig. Im Fall des BF war aufgrund seines Vorverhaltens von Fluchtgefahr/Gefahr des Untertauchens auszugehen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich des BF. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und dem bisherigen Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage.

Die Feststellungen zur Anhaltung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung). Der fremdenrechtliche Status des BF ergibt sich aus der Aktenlage sowie dem IZR. Die Haft- und Verhandlungsfähigkeit des BF ergibt sich aus dem Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 26.02.2020.

Die fehlende Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des BF, seinen widersprüchlichen Angaben, der mangelnden Kooperationsbereitschaft und den beiden – hier zum relevanten Zeitpunkt bereits vorliegenden – strafgerichtlichen Verurteilungen.

Die Feststellungen zu den behördlichen Meldungen des BF ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Grundversorgungssystem. Die Feststellungen die Barmittel des BF betreffend ergeben sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung und den Angaben des BF in seinen Einvernahmen. Das Fehlen beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dass der BF unangemeldet erwerbstätig war, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die behördlichen Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sind aus dem Akt klar ersichtlich.

Dass der BF nicht gehörig am Verfahren zu seiner Identitätsfeststellung mitwirkte ergibt sich aus den Verwaltungsakten (vgl. konkret Akt Band 2 Teil 1 AS 382 und 428). Die Abwesenheit des BF von seiner Meldeadresse und die amtliche Abmeldung sind ebenfalls aus dem Verwaltungsakt ersichtlich. Ebenso, dass er seinen Termin bei der Botschaft am 14.05.2019 nicht wahrnahm (vgl. in diesem Zusammenhang Verwaltungsakt Band 2 Teil 5 AS 584 ff, 597, 600). Der BF selbst gab überdies in seiner Einvernahme vor dem BFA vom 24.10.2019 an, dies sei zutreffend. Aus dieser und der weiteren am 28.11.2019 erfolgten Einvernahme, sowie den Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 26.02.2020 ergibt sich in Zusammenschau mit dem Inhalt der Verwaltungsakten auch, dass der BF widersprüchliche und nicht glaubhafte Angaben tätigte (vgl. etwa Verwaltungsakt Band 2 Teil 5 AS 559 in Zusammenhang mit den späteren Einvernahmen). Die Umstände der Festnahme sind dem Verwaltungsakt entnommen (vgl. Akt Band 2 Teil 5 AS 617f).

3. Rechtliche Beurteilung

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), StF BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), StF BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Zum Gelinderen Mittel (§ 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), StF BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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